Die Psalmen
Eine Auslegung für die Praxis

Psalm 149

Die in den Versen 1, 5 und 9 angesprochenen „Frommen“ sind hier offensichtlich mit Israel als Volk gleichgesetzt (Verse 2 und 4). Es ist offenkundig, dass die Aussagen des Psalms bisher keinerlei Erfüllung gefunden haben. Der Psalm spricht von der kommenden Zeit, wenn das Eigentumsvolk Gottes auf der Erde ausschließlich aus frommen Israeliten besteht. Die hier beschriebenen Gläubigen der Zukunft haben die in der Schrift prophezeite Drangsalszeit Israels überstanden (Mt 24,21; Jer 30,7). Im Gegensatz zu ihrer Geschichte als Volk werden sie dann große Freude an ihrem Messias haben, sie werden Ihn lieben und verehren (Verse 2 und 3). Als ein Volk von Gottesfürchtigen genießen sie dann Sein Wohlgefallen (Vers 4). Die hier vorliegende Prophezeiung wird dann zur Wirklichkeit werden, wenn das christliche Zeitalter schon zum Abschluss gekommen ist und die in der Heiligen Schrift prophezeiten Gerichtsschläge über die Verächter Gottes und Seines Wortes hereingebrochen sind. In der Art seiner Ausdrucksweise steht Psalm 149 auf dem Standpunkt des Alten Testaments. Dennoch befasst sich der Psalm nicht mit der Epoche des Alten Testaments, auch nicht mit ihrer Geschichte und ihren Verhältnissen. Der Psalm wendet sich an das irdische Volk des HERRN, an die Frommen aus Israel, die nun in einer neuen Zeit als Sein Volk mit Ihm, ihrem Bundesgott, nahe verbunden sind.

Mit dem Aufruf, den HERRN zu loben und Ihm ein neues Lied zu singen (Off 14,3), spricht Vers 1 die Heiligen und Treuen aus Israel an, die Versammlung der Frommen, die dem HERRN, ihrem Messias in zukünftiger Zeit treu ergeben sein werden. Sie sind von Ihm in Gnade angenommen und geliebt (Ps 98,1–3; 118,24–26). Freudig bezeugen sie, dass Er ihr Schöpfer ist und zugleich ihr Messias, der nun als ihr König in Zion regiert (Vers 2; Jes 43,14.15; Jer 30,9; Zeph 3,14.15; Sach 9,9). Sie sind Sein Volk auf der Erde und Seine Herde (Ps 100,3.4). Mit geistlicher Einsicht genießen sie dann die enge Beziehung, in der sie zu dem HERRN stehen. Nun sind sie in den vollen Besitz der Vorrechte gelangt, die Er Seinem irdischen Eigentumsvolk schon zu Beginn seiner Geschichte zugestanden hatte. Darum rühmen sie nun Seinen Namen (Vers 3; Jes 26,12–15). Sie sind Ihm nahe als Seine „Frau“, und Er ist nun ihr Retter und ihr König. Zu ihrem Schmuck krönt Er sie mit beständigem Heil. Es ist offenbar, dass Sein Wohlgefallen auf ihnen ruht (Vers 4; Ps 147,11). Denn sie haben in der Zeit großer Drangsal in Demut ausgeharrt und haben in festem Glauben auf Seine Hilfe vertraut. Aus eigener Kraft hätten sie sich nicht aus ihrer hoffnungslosen Lage befreien können. Ihr Glaube ist es, der ihnen den Sieg gegeben hat. Der Glaube an den Messias hatte sie veranlasst, Ihm zu gehorchen und sich von der sie umgebenden Welt unbefleckt zu erhalten. Ihre Gesinnung stimmt nun mit der des HERRN und Seines Wortes überein. Sie sind wahrhaft Fromme, die dann in Herrlichkeit jubeln und jauchzen werden (Vers 5; Ps 145,10). Sie haben die Anerkennung Gottes. Er lässt dies vor allen Völkern deutlich hervortreten, indem Er sie herrlich macht. Dies wird vor allem dadurch sichtbar, dass sie Anteil haben an der göttlichen Herrlichkeit ihres Königs und Messias (Jes 4,2f; 28,5; 46,13). Mit diesen Resultaten ist das Ziel der Wege Gottes mit Seinem irdischen Volk Israel erreicht. Nach tiefer Erniedrigung in der vorangegangenen Drangsalszeit werden sie auf die höchste Stufe emporgehoben, die für ein Volk dieser Erde erreichbar ist (Jes 54,7–12). Dass ein Überrest Israels in der Zukunft dieses Ziel erreichen wird, ist nicht das Ergebnis menschlichen Wollens und Wirkens oder einer weltgeschichtlichen Entwicklung, sondern der Erfolg der Macht und Weisheit Gottes. Es ist zugleich ein Geschenk der göttlichen Gnade, die sich auf das Werk Christi gründet.

Offensichtlich ist es der HERR, der zu Beginn Seiner zukünftigen Herrschaft auf der Erde dem Volk Israel ein zweischneidiges Schwert in die Hand gibt, „um Rache zu üben an den Nationen, Bestrafungen an den Völkerschaften“ (Verse 6 und 7; 5. Mo 32,41–43; Mich 5,14). Er hat sie dazu erwählt und gibt ihnen die Vollmacht für diese Aufgabe. Auch sichert Er ihnen Seine Unterstützung zu (Jes 41,10.13f). Bereits durch den Propheten Jesaja sind sie dazu ermutigt worden: „Fürchte dich nicht, du Wurm Jakob, du Häuflein Israel; ich helfe dir, spricht der HERR, und dein Erlöser ist der Heilige Israels. Siehe, ich habe dich zu einem scharfen, neuen Dreschschlitten gemacht, mit Doppelschneiden versehen: Du wirst Berge dreschen und zermalmen und Hügel der Spreu gleichmachen; du wirst sie worfeln, dass der Wind sie entführt und der Sturm sie zerstreut. Du aber, du wirst in dem HERRN frohlocken und dich rühmen in dem Heiligen Israels“ (Jes 41,14–16). Wenn in der Zukunft der „Tag der Rache unseres Gottes“ anbrechen wird (Jes 61,2; Nah 1,2f), dann benutzt Er Sein irdisches Volk, um den von Ihm verordneten Strafvollzug an bestimmten Feinden Gottes vorzunehmen: „Mein ist die Rache; ich will vergelten, spricht der Herr“ (Röm 12,19). Diese Zeit des Gerichts wird durch den Propheten Jesaja in den Kapiteln 61 und 63 beschrieben. Indem der HERR Israel mit der Ausführung eines Strafgerichts betraut, beteiligt Er es an Seiner Herrlichkeit als Richter der ganzen Erde. Dies mag heute in der Zeit des Christentums befremdend erscheinen. Aber die Heiligkeit und die Gerechtigkeit Gottes, auch die Furchtbarkeit einer Sünde und die Ablehnung Seiner Gnade machen das Gericht unumgänglich notwendig. Das Volk Israel hat den ehrenvollen Auftrag, Könige und Edle in sicheren Gewahrsam zu nehmen. Dies muss jedoch aufgrund des „geschriebenen Gerichts“ Gottes geschehen (Vers 9). Die dazu notwendige Machtvollkommenheit ist ihnen von dem HERRN übertragen. Stellvertretend üben sie Hoheitsrechte des Herrn der Herren aus. Die Teilnahme an Seiner Regierungsgewalt zeigt, dass sie völlig eins sind mit dem Sohn Gottes, dem Messias, der ihrem Königsgeschlecht, dem Haus Davids, entstammt (Verse 8 und 9).

Nach göttlichem Beschluss steht Israel in dem kommenden Reich Christi auf der Erde in besonders enger Beziehung zu dem HERRN der ganzen Erde. Schon bei der Errichtung des Reiches wird der Welt bewusst werden, welch eine hohe Rangstellung Sein Volk unter Seiner Herrschaft einnimmt. Die Bedeutung der hoheitlichen Aufgaben des Volkes, auch die Macht und das Ansehen Israels, leiten sich allein von der Herrlichkeit des Königs der Könige und Herrn der Herren her, der Seine Frommen zukünftig zu hoher Ehre bringen wird (Ps 68,27–30; Jes 60,1.12–14). Die Verse 6 bis 9 kündigen an, dass der HERR Bestrafungen des Bösen und seiner Täter durch Sein Volk vornimmt. Auch Ps 2,9–12 und der Prophet Maleachi kündigen an, dass der,Gesalbte', der Christus und Messias, am kommenden großen Gerichtstag Gottes über alle Täter der Gottlosigkeit ein furchtbares Gericht bringen wird (Mal 3,19–21; Mt 3,10; Lk 3,9). So wird die Strafe Gottes an den Menschen vollzogen, die Ihn nicht anerkannt haben und daher Seine Feinde sind. Nicht nur die Feinde Israels, sondern jeden Menschen zieht Gott dann zur Verantwortung, denn Er „wird jedem vergelten nach seinen Werken“ (Röm 2,6). „Und ihr werdet wieder den Unterschied sehen zwischen dem Gerechten und dem Gottlosen, zwischen dem, der Gott dient, und dem, der ihm nicht dient“ (Mal 3,18). Dann wird Er die Heiligen belohnen, sowohl Seine Knechte, die Propheten, als auch alle, die Seinen Namen fürchten (Off 11,18). „Das ist die Ehre aller seiner Frommen. Lobt den HERRN!“ (Vers 9).

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