Die Psalmen
Eine Auslegung für die Praxis

Psalm 63

Es bedeutet unendlich viel, wenn man den ersten Satz dieses Psalms von Herzen nachsprechen kann: „Gott, du bist mein Gott“ (Vers 2). Darüber hinaus gibt uns Seine Gnade die Gewissheit, dass wir Gott – anders als die Israeliten – zum Vater haben und in dem Verhältnis eines Kindes zu Ihm stehen. Dann wird man auch den geistlichen Gewinn und die Freude kennen, die aus dieser gesegneten Verbindung hervorgehen. Gott hat Seine Freude daran, Sich in väterlicher Güte dem zuzuwenden, der bewusst von Ihm und Seinen geistlichen Gaben lebt und dessen Seele nach Ihm verlangt (Vers 2b). Wer seinen Weg mit Ihm geht und für Ihn lebt, erfreut sich der Gemeinschaft mit Ihm. Gottes ewiger Sohn Jesus Christus ist auf diese Erde herabgekommen und hat die Versöhnung mit Gott bewirkt, damit glaubende Menschen ganz bewusst mit Ihm und Gott, dem Vater, innig verbunden sind, indem ihr Sinnen und Trachten Ihm gehört. Dann hat der Herr den ersten Platz in ihren Herzen und sie lieben Ihn. Der tägliche praktische Umgang mit Ihm ist das Höchste und Beste, das sie in ihrem Leben kennen. Alles andere tritt dahinter zurück. Diese innere Haltung wird im vorliegenden Psalm vorausgesetzt; darum findet sich hier neben dem Begehren der Seele nach Seiner Nähe und Gemeinschaft keine weitere Bitte. Der Gottesfürchtige betrachtet Ihn hier in geistlicher Hinsicht ganz aus der Nähe, nämlich im Heiligtum; er schaut Seine Macht und Herrlichkeit an und wird gestärkt und ermuntert (Verse 3 und 12; Ps 34,6; Neh 8,10). Die Majestät und die Gnade Gottes zu betrachten, gilt dem Psalmdichter mehr als alles Erstrebenswerte dieser Welt. Aus dem ständigen Verbundensein mit Gott wird die nötige Weisheit für den praktischen Glaubensweg, Trost in der Not, Mut und Kraft für jedes Werk erlangt.

Jeder, der Leben aus Glauben hat (Hiob 33,28; Hab 2,4; Röm 1,17), steht in Lebensverbindung mit Gott und darf zu Ihm sagen: „mein Gott“. Das neue Leben aus Gott durch den Glauben ist ein unfassbar großes Geschenk der Güte Gottes. Es ist die göttliche Antwort auf eine wahre Umkehr zu Ihm, und dazu gehört die Unterwerfung unter das Wort Gottes. In Vers 4 rühmt der Psalmdichter die göttliche Güte um dieser Begnadigung willen (Ps 56,14; 134,1.2). Sein Lob steigert sich noch dadurch, dass er Gott im Heiligtum anschaut (Vers 3) als den Heiligen, den Allmächtigen, als den, der Licht und Liebe und der Ursprung alles Guten ist, denn auf Ihn geht alles Wahrhaftige und bleibend Wertvolle zurück. In dieser Welt gibt es nichts, was mit voller Berechtigung als eine ‚Herrlichkeit' anzusehen wäre. Im Heiligtum jedoch betrachtet auch heute der Gläubige, der Gottes Nähe sucht, die alles überstrahlende Herrlichkeit Gottes. „Denn der Gott, der sprach: Aus Finsternis leuchte Licht, ist es, der in unsere Herzen geleuchtet hat zum Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi“ (2. Kor 4,6). Was beim Anschauen Gottes im Heiligtum gefunden wird, lässt das, was von dieser Schöpfung ist, mitsamt allen Gütern und Werten dieser Erde dahinter zurücktreten und wie nichts erscheinen (Verse 3 bis 7).

Geistliche Fortschritte wird der Gläubige machen, der sich eingehend mit Gottes Wort befasst. Er wird in der Erkenntnis der Wahrheit wachsen und sich durch das Wort in seinen Gedanken und Taten leiten lassen. David kannte die damit verbundene Glückseligkeit und beschreibt sie hier. Sein Leben wollte er verwenden, um Gott zu erheben. Er brachte die besten Voraussetzungen dafür mit, dass sein Lob vor Gott angenehm war. Im Namen Gottes Lob zu bringen, verlangt vorweg, in voller Übereinstimmung mit Ihm zu sein und Beweggründe zu haben, die der Heilige Geist bewirkt hat (Vers 5; Ps 104,33.34; 146,2). Gerade,in der Wüste' (Vers 2) sah David diese Welt im richtigen Licht, und was Herz und Seele betraf, ging es ihm im „dürren und lechzenden Land ohne Wasser“ am besten. Dort konnte er, innerlich und äußerlich frei von dem, was weltlich ist und ablenkt, mit glücklichem Herzen Gott loben. Seine Seele entbehrte nichts, sie war von dem gesättigt, was Gottes Güte ihm an geistlicher Nahrung schenkte (Vers 6; Ps 17,15; Jes 55,2). Seine Seele frohlockte „mit unaussprechlicher und verherrlichter Freude“ (1. Pet 1,8), denn Gott kam ihm in jeder Hinsicht zu Hilfe, sowohl hinsichtlich des notwendigen äußeren Bedarfs als auch durch die sichere Hoffnung, die ewige Errettung seiner Seele davonzutragen. Er gab sich nicht trüben Gedanken über seine äußeren Umstände hin, ebenso wenig träumte er von zukünftigen besseren Tagen. Vielmehr nutzte er die Zeit, über das Wesen Gottes und über Seine Worte und Taten nachzusinnen (Vers 7; Ps 1,2; 77,12–16; 119,55.97). Himmlisches stand vor Davids Blicken, seine Gedanken waren mit der Herrlichkeit Gottes beschäftigt. Die Überlegungen waren nicht mit eigenen Angelegenheiten und Problemen ausgefüllt. Sein Nachsinnen galt vornehmlich Gott Selbst, dessen Nähe und Liebe er genoss und dessen Treue ihn immer begleitete (Vers 8).

Davids Seele hing an seinem Gott (Vers 9). Gottes Güte ließ ihn Seine Nähe und Zuneigung genießen. Dies schätzte David über alles. In Abhängigkeit von Ihm ging er seinen Weg. Auf diese Treue antwortete Gott, indem Er Seinen Knecht mit Seiner Rechten aufrechterhielt. Das unvergleichlich schöne Verhältnis zwischen seiner Seele und Gott war ein wechselseitiges. So bekennt sich der Allmächtige zu dem, der Ihn liebt (Jes 41,10). Davids Leben war geborgen in Gott, und Gott war sein Ruhm (5. Mo 10,21). Ein solches Leben durch Glauben war seinen Widersachern völlig unbekannt. Ihr gottloser Weg führte ins Verderben, ihr Leben hatte jeden Sinn verfehlt (Verse 10 und 11). Sie waren dem Tod preisgegeben. David dagegen genoss den Schutz der Rechten Gottes. Der Mund der Lügner würde zum Schweigen gebracht werden, sobald sie vor Gott als ihrem Richter standen. Davids Leben hingegen war zur Ehre Gottes. Sein gutes Beispiel als ein Mann des Glaubens und der Liebe zu Gott empfiehlt sich jedem Gläubigen zur Nachahmung (Spr 8,17.18).

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