Die Psalmen
Eine Auslegung für die Praxis

Psalm 27

Davids Leben ist von unerschütterlichem Gottvertrauen gekennzeichnet; er hatte ein fortwährendes Verlangen nach seinem Gott, und aus der Gemeinschaft mit Gott bekam sein Vertrauen immerfort neue Nahrung. Er blickte auf den HERRN, und so schaute er ins Licht. Er nahm Seine Macht und Liebe wahr und wusste sich geborgen in dem Heil seines Gottes (Vers 1; Ps 18,29; Mich 7,8; Joh 8,12). Diese Kraftquelle für seinen schwierigen Weg stand ihm immer offen und David nahm sie in Anspruch (Jes 12,2.3). David war konsequent, er schaute sich nicht nach einer anderen Lichtquelle um, auch nicht nach anderen Quellen, die angeblich Heil bringen. Seine Hoffnung setzte er allein auf Gott und er tat es nie vergebens, denn der Herr weiß die Gottseligen aus der Versuchung zu retten (Jer 29,11; 1. Kor 10,13; 2. Pet 2,9). David liebte seinen HERRN. „Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus, denn die Furcht hat Pein“ (1. Joh 4,17b.18). „Gott hat uns nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“ (2. Tim 1,7; Heb 13,6). Doch dann darf man keine anderen Einflüsse, auch keine Gegenströmungen für stärker halten als die helfende Hand des Herrn; sonst ist das Sinken nicht aufzuhalten, und diese Erfahrung musste Petrus machen (Mt 14,30). David hielt fest: „Nur er ist mein Fels und meine Rettung, meine hohe Festung; ich werde nicht wanken“ (Ps 62,7). Gegen diese Kraft des Glaubens stürmten ein Heer von Feinden, eine Menge von Übeltätern und Bedrängern vergeblich an; doch „sie strauchelten und fielen“ (Verse 2 und 3). In fortwährendem Glaubensmut verließ sich David auf Gott, auch wenn die Gefahr sich vergrößerte und eine anfängliche Bedrohung sich zum offenen Krieg entwickelte (Ps 9,4.5; Joh 16,33). Für David war die Macht Gottes größer als alles (Röm 8,37–39 in Bezug auf uns).

Es ist naheliegend, dass in unseren Gebeten die irdischen Umstände im Vordergrund stehen, unter anderem unser leibliches Wohlergehen, die Familie, die Beschäftigung, Bewahrung im Straßenverkehr, Hilfe in Auseinandersetzungen. Demgegenüber sagte David: „Eins habe ich von dem HERRN erbeten, danach will ich trachten: zu wohnen im Haus des HERRN alle Tage meines Lebens, um anzuschauen die Lieblichkeit des HERRN und nach ihm zu forschen in seinem Tempel“ (Vers 4). Echter Glaube an den Herrn ist dadurch gekennzeichnet, dass er auf das höchste Ziel, das Reich Gottes, blickt, sich dafür einsetzt und schließlich dorthin gelangen will (Mt 6,33). Dort wollte David nach Ps 23,6 auf immerdar wohnen, nämlich im Haus des HERRN, das ist noch mehr oder „höher“ als das Reich Gottes. Wenn der Ort der ewigen Anbetung für den Gläubigen die erste Stelle unter seinen Wünschen einnimmt, dann kennt er tatsächlich nichts Höherrangiges, als in der Nähe seines Herrn zu sein und Ihn zu ehren, und er wünscht es zu verwirklichen (Ps 42,2 und 84,2f). Dann hält er die Erkenntnis Gottes und die Gemeinschaft Seiner Liebe für vortrefflicher als alles andere, er zieht es daher allem vor, was die Welt bieten kann. Deren Angebote wird er für Schaden und Verlust halten (Phil 3,7–11). Auch wird er keine Zeit vergeuden und keine Gelegenheit ungenutzt lassen, Gott zu dienen, Ihn vermehrt zu erkennen und zu ehren, Gottes Wort zu hören, zu lesen und zu verstehen (Ps 63,3–7).

Im Leben der Menschen, auch des Gläubigen, gibt es „Tage des Unglücks“ (Vers 5; Pred 7,14). Krankheiten, Kräfteverfall, Trauer, Bedrohung oder Verluste treffen ihn hart. Verleumdung, Lieblosigkeit und übelwollende Behandlung zu erfahren, verursacht seelisches Leiden. So mancher ist niedergeschlagen und entmutigt durch Enttäuschungen und Entbehrungen. Wenn der Herr dies für nötig befunden hat, wird es dem Gottesfürchtigen sicherlich zur Belehrung und Heiligung dienen, auch zur Erziehung und Läuterung. Denn „wer im Schutz des Höchsten sitzt, wird bleiben im Schatten des Allmächtigen“. Seinen Armen entgleiten wir nicht, wenn wir auch mit Bangigkeit die Frage stellen: „Bis wann?“, und vielleicht bittend flehen: Erbarme dich über deine Knechte (Ps 90,13 und 91,1). David war sicher: „Er wird mich bergen in seiner Hütte am Tag des Unglücks“ (Vers 5). Er war überzeugt, dass die Mittel schon dazu bereitstanden. Nach der Befreiung würde er im Glauben desto fester dastehen, wie auf einem Felsen (Ps 31,20–23 und 40,2.3; Jes 25,4). Ermutigt richtet sich dann der vom Kummer Gebeugte wieder auf. Was der HERR dem Gläubigen begegnen lässt, wirkt mit zum Guten und dient im Ergebnis dem Herrn zum Lob und zur Ehre (Vers 6; Ps 3,4).

Mit Vers 7 beginnt der zweite Teil des Psalms. In der Form von freudigen Bekenntnissen hat David im ersten Teil des Psalms Glaubenserfahrungen beschrieben, die in Vers 6 zur Anbetung geführt haben. Von Vers 7 an werden seine Äußerungen zum flehenden Gebet. Er bittet um Hilfe, um Belehrung und Führung, und dass der HERR ihn nicht den Feinden preisgeben möge. Trotz harter, drückender Belastung steht David keineswegs zweifelnd und grübelnd vor Problemen. Die Bitten und Befürchtungen in diesem zweiten Teil des Psalms finden ihre Lösung in dem Glaubenssatz, der nicht nur tröstend, sondern triumphierend über dem ganzen Psalm steht: „Der HERR ist mein Licht und meine Rettung“. Das zu wissen, genügt ihm, denn der Glaube an den Retter bildet für David eine unumstößliche Grundlage des Handelns. Auf welche Weise diese Grundhaltung in den inneren und äußeren Notsituationen seines Lebens zur Geltung kommt, zeigen die folgenden Verse. In Vers 8 kommt zum Ausdruck, wie fest sein Herz überzeugt ist von der Treue Gottes. Mit Recht sagt sich David: Der Herr hat gewünscht: „Sucht mein Angesicht!“. Weil David sich gerne vor Gottes Angesicht und in Seinem Licht aufhielt, kann es gar nicht anders sein, als dass der treue HERR sich ihm in Güte zuwendet (5. Mo 4,29; Jes 45,19). Gleichwohl kann sich David vorstellen, dass die Gemeinschaft mit Gott durch eine Verfehlung getrübt wird. Doch als aufrichtiger, treuer Knecht Gottes ist er überzeugt, dass er trotzdem nicht abgewiesen wird (Vers 9). Auf den Gott seines Heils, der bisher immer seine Hilfe gewesen war, verlässt er sich auch jetzt. Sein Vertrauen zu Ihm lässt ihn nicht fürchten, dass Gottes Liebe ihn allein lassen könne. Dennoch bittet er demütig und mit der göttlichen Güte rechnend: „Lass mich nicht und verlass mich nicht, Gott meines Heils“ (Vers 9). Er gibt der göttlichen Liebe den höchsten Rang und misst ihr eine Hilfsbereitschaft zu, welche die Liebe eines Vaters und einer Mutter übersteigt (Vers 10; Jes 49,15; Jer 31,20). Der HERR würde ihn aufnehmen und keinesfalls abweisen; daran zweifelt David keinen Augenblick.

Nachdem sich nun Davids Blicke erneut auf die Treue des HERRN gerichtet haben und das Herz mit Seiner Liebe erfüllt ist, kommt er mit den eigentlichen Anliegen zu Ihm. Zuerst bittet er: „Lehre mich“, dann: „Leite mich“ und zuletzt: „Gib mich nicht preis“ (Verse 11 und 12). Um zum guten, Gott wohlgefälligen Ziel zu gelangen, ist als Erstes die reine, wahre Lehre des Wortes Gottes erforderlich, damit der Weg zum Heil und zur Rettung im göttlichen Licht als Leitlinie klar vor Augen steht und eingehalten wird (Ps 25,4.12; 86,11; 119,33). Als Zweites muss sich der Gottesfürchtige vom Heiligen Geist leiten lassen, der ihn auf der geebneten Bahn des Wortes halten möchte (Ps 143,10). Gott lässt den Gottesfürchtigen in eine Gefahr kommen oder stellt ihn vor eine Entscheidung, die dieser selbst nicht meistern kann, damit er zunächst lernt, auf Gott angewiesen zu sein, um sich dann auf den göttlichen Weg und den richtigen Führer zu besinnen und fortan falsche Ratschläge und Auswege zu verwerfen. Daraufhin wird sich der HERR zu ihm bekennen und ihm beistehen, damit er der Übermacht des Bösen und den Fängen seiner Gegner entgeht. Gott gestaltet die Rettung so, dass sie auch von den Feinden unleugbar als Sieg Gottes zu erkennen ist, so dass die Vorgänge letztlich zu Seiner Verherrlichung beitragen.

Nun brächte dies letztlich dem Gottesfürchtigen keinen bleibenden Segen und ewigen Gewinn, wenn sein Glaube nicht auch die sichere Hoffnung hätte, „das Gute des HERRN zu schauen im Land der Lebendigen“ (Vers 13). Was würde schließlich ein Sieg helfen, der nur auf das diesseitige Irdische beschränkt ist, wenn dem Gläubigen nicht jenseits dieses Lebens eine ewige Rettung sicher wäre? – Davids Kämpfe und Siege ereigneten sich, wenn auch nicht wahrnehmbar, zugleich auf dem Gebiet des unsichtbaren Geistigen, wo Satan der eigentliche, gefährliche Gegner ist. Es ist der Kampf zwischen Gut und Böse. Im Endergebnis geht es auch im vorliegenden Psalm um diese Auseinandersetzung, deren letztgültige Entscheidung der Herr Jesus am Kreuz bereits für die Sache Gottes und zum Heil jedes Gläubigen herbeigeführt hat. Wer den Herrn Jesus Christus hat, ist aus dem Tod in das Leben übergegangen, er ist auf den Felsen, Christus, gegründet und besitzt mit Ihm alle Verheißungen des Wortes Gottes. Er wird mit Ihm im Land der Lebendigen sein und das Gute des Herrn genießen. Deshalb heißt es hier: „Harre auf den HERRN! Sei stark, und dein Herz fasse Mut, und harre auf den Herrn!“ (Vers 14; 116,9; 142,6). Ein fester Glaube an den Herrn wird immer eine ewig währende Belohnung finden.

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