Die Psalmen
Eine Auslegung für die Praxis

Psalm 83

In diesem Psalm wird das Heerlager der vereinigten Feinde Gottes und Seines Volkes beschrieben. Der Psalmdichter bittet Gott, den Machtzuwachs der Gegner einzudämmen, sie durch Abschreckung zu vertreiben und sie umkommen zu lassen. Das Ziel der Bitte ist, dass Israel und die Wohnungen Gottes geschützt werden vor dem Ansturm der Israel umgebenden Völker, die Gott nicht kennen. Nachdem die Feinde durch Seine überall in Erscheinung tretende Macht überwunden und beschämt werden, müssen sie Ihn als den Höchsten über die ganze Erde anerkennen. Offenbar war zur Zeit des Psalmdichters die Existenz Israels durch die Übermacht der Feinde bedroht. Das Volk hatte der Gefahr nichts entgegenzusetzen als nur den festen Glauben an Gott, dass Er ihren Ruf um Hilfe hören und beantworten wird. Es geht hier um einen Kampf auf Leben und Tod, bei dem die Feinde ihren Feldherren und der Waffengewalt vertrauen, während Israel betend seine Hoffnung auf die Güte und Treue Gottes setzt.

Der Gottesfürchtige hält nicht selten seine Notlage für so groß, dass Gott einschreiten müsste. Wenn Gott Sich trotzdem Zeit lässt, macht ihn das Zögern unruhig (Vers 2; Ps 28,1; 50,1–3; 109,1f; Mt 8,24–26). Aus dem Schweigen Gottes sollte allerdings niemand folgern, dass auch dem Bedrängten Schweigen auferlegt sei. Gerade jetzt soll er „durch Gebet und Flehen“ zu dem Allmächtigen Zuflucht nehmen, um Ihm die Not darzulegen (Phil 4,6). Denn der Herr wartet auf das Rufen Seiner Kinder und wird Seine Auserwählten nicht allein lassen. Als Seine Schützlinge können sie darauf rechnen, dass sie „durch Gottes Macht durch Glauben bewahrt werden zur Errettung“ (Verse 2 und 4; 1. Pet 1,5). „Ja, er liebt die Völker (oder: Stämme); alle seine Heiligen sind in deiner Hand“ (5. Mo 33,3; Ps 27,5f; 31,21). Sie sind Sein Schatz, Sein Kleinod. Als nicht sichtbaren und dennoch sicheren Schutz besitzen Seine Geliebten die Garantie der Errettung. Der Ungläubige kann sich das nicht vorstellen, doch der HERR kennt, liebt und bewahrt jeden Einzelnen der Seinen für immer.

Die Feinde und Hasser des Volkes Gottes scheinen die Oberhand zu haben, sie toben und erheben das Haupt (Vers 3; Ps 46,7; Jes 17,12f; 29,8). Satan, das eigentliche Oberhaupt der miteinander verbündeten Feinde, scheint zu triumphieren. Von Lüge und Hass beherrscht und vom Aufruhr gegen den HERRN gelenkt, richtet sich hier das Kriegsbündnis der umliegenden Nationen nicht nur gegen Israel, sondern auch gegen Gott. Durch die Entfesselung von Kriegen sucht Satan, der Feind Gottes und der Menschen, seine bösen Ziele zu erreichen. Politische oder angeblich religiöse Strömungen werden seinen Zielen dienstbar gemacht. Unter Einsatz teuflischer List bereiten Täuschungen, Volksverhetzung und irreführende Propaganda die furchtbaren Auseinandersetzungen vor. Die Anhänger des Herrn sind Satan seit jeher im Wege. Was Gott, der Höchste, für die Zukunft Seiner Geliebten plant und durch Verheißungen kundgegeben hat, steht dem Streben Satans nach der Weltherrschaft aufs Schärfste entgegen. Die Glaubenden sind auch deswegen seine Gegner, weil sie nicht mehr seiner Macht unterworfen sind und ihn durchschauen. Für ihn ist es eine beschlossene Sache, sie einzuschüchtern und wenn irgend möglich zu vertilgen. Aus solchen Gründen war auch Israels Existenz damals sehr gefährdet (Verse 4 bis 6; Ps 74,8; 124,1–6). Doch Israel besitzt für alle Zeiten die Zusage des HERRN, dass ihnen nicht der Garaus gemacht werden wird; darüber wird der HERR wachen (Ps 48,5f; Jer 46,28; Sach 14,1–3). Er überlässt den Gang der Weltgeschichte weder dem Treiben Satans noch den mörderischen Plänen von Kriegsverbrechern.

Die Verse 7 bis 9 nennen zehn Namen benachbarter Völker, die sich damals gegen Israel und somit auch gegen Gott verbündet hatten. Sie haben ihre Angriffe in späteren Zeiten in verschiedener Form wiederholt und werden dies in der Zukunft fortsetzen. Das Land Israel war und ist ringsum von ihnen eingekreist. Als das militärisch stärkste dieser Völker erwies sich in damaliger Zeit „Assur“ (Vers 9), das Reich der Assyrer. Was die „Söhne Lots“ nicht erreichen konnten, das sollte Assur als ihr Arm schaffen (Vers 9; Jes 15; 16; 23). In den Versen 10 bis 16 wird Gott aufgefordert, mit den genannten Feinden so zu verfahren, wie Er in früherer Zeit zur Rettung Seines Volkes vorgegangen war. Indessen gibt es im vorliegenden Psalm keinen Hinweis darauf, dass Gott ihre Bitte zeitnah erhört hätte. Hier geht es bevorzugt darum, den Glauben der um Hilfe Rufenden herauszustellen. Es wird deutlich, dass sie ihren Gott und Seine Liebe ihrem Volk gegenüber kannten und auf erneute Erweisung Seiner Macht und Bundestreue ihnen gegenüber hofften. In der Vergangenheit hatte der HERR das schreiende Unrecht der Eroberungskriege oft mit schwerer Strafe geahndet. In der Tat ist im Verlauf der Geschichte des Nahen Ostens von den hier erwähnten kriegslüsternen Nationen kaum etwas Nennenswertes übriggeblieben. „Weil sie gesagt haben: Lasst uns die Wohnungen Gottes in Besitz nehmen!“ (Vers 13; Hes 36,2–5), sind sie tatsächlich „wie wirbelnde Blätter, wie Stoppeln vor dem Wind“ weggeweht worden (Vers 14; Jes 17,13). Gottes Gericht ist wie ein Waldbrand über sie gekommen und hat alles verzehrt (Jes 10,16–19; 40,24f; Hes 21,3). Von ihrer Macht und ihren Kriegserfolgen ist längst keine Rede mehr; von ihren Herrschern ist nichts Wesentliches überliefert.

In der Regel bleiben den Feinden grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Entweder sie bereuen ihr übles Vorgehen und kehren um, indem sie die Oberhoheit des HERRN anerkennen, oder sie selbst kommen um (Verse 17 bis 19; Ps 6,11; 47,8–10; 59,14; 148,13; Jes 37,16). Wie die Prophetie der Heiligen Schrift wiederholt lehrt, werden letztlich auf der Erde nur solche Nationen weiterexistieren, die sich dem Gott Israels, dem allmächtigen Schöpfer, als dem Besitzer der ganzen Erde unterwerfen. Wie Er es beispielhaft in der Geschichte Israels gezeigt hat und auch in Zukunft erneut beweisen wird, bestimmt Er die Zeiten von Krieg und Frieden (Pred 3,8). „Er ändert Zeiten und Zeitpunkte, setzt Könige ab und setzt Könige ein“, „denn alle Dinge (= das Ganze des Weltalls) dienen dir“ (Dan 2,21; Ps 119,91). Pläne zu unumschränkter Gewaltherrschaft, die auch die Vernichtung ganzer Nationen in Kauf nehmen wie hier im Falle Israels, durchkreuzt Gott und zwingt Mächte zur Zurückhaltung, die in ihrer Willkür gegen Seine Schutzbefohlenen vorgehen. Beschämt und kleinlaut müssen sie einsehen, dass ihnen kein anderer Weg bleibt, als sich vor Ihm zu beugen. Mit großer Geduld hat Er in der Vergangenheit selbst Gewaltherrschern Gelegenheit zur Buße gegeben, so dass sie zur Umkehr kamen und zu der Einsicht, dass Gott über allem steht und jeder Mensch Ihm Verantwortung schuldet (Dan 3,28f). Ihm die Unterwerfung zu verweigern, bedeutet immer, zugrunde zu gehen und von Gott ewig gestraft zu werden. Er hat Seinen Namen als der Herr über die ganze Erde offenbart. Aber Er hat auch bewiesen, dass Er auf echte Reue hin ein vergebender Gott ist.

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