Die Psalmen
Eine Auslegung für die Praxis

Psalm 113

Der HERR ist „hoch über alle Nationen“ und „seine Herrlichkeit über die Himmel“. Von Ihm, „der hoch oben thront“, ist in den Versen 4 und 5 die Rede. Dennoch ist Er nicht unnahbar fern von den ‚Geringen und Armen' unter dem Himmel, die im Staub und Schmutz dieser Erde wohnen (Vers 7). Die Liebe Gottes hat es ermöglicht, dass es zwischen dem über alles Erhabenen und den Schwachen dieser Erde dennoch zur Gemeinschaft kommt. Die Gnade hat sich von höchster Höhe herabgeneigt, um Menschen aus ihren niedrigen Umständen emporzuheben und zu einem Dasein in Ehre und Herrlichkeit zu erhöhen. Indessen sind hierzu vonseiten des Menschen Bedingungen zu erfüllen. Die göttliche Heiligkeit verlangt, dass sich solche, die die Gemeinschaft mit dem HERRN suchen, sich vor Ihm demütigen und folglich Seine Knechte sind und zu Seinem Volk gehören. So werden Menschen, die ihren erbarmungswürdigen Zustand erkannt haben, durch Gottes Gnade aus ihrer Hoffnungslosigkeit herausgenommen und mit Ihm versöhnt. Sie werden durch das Werk des Herrn von der Todesfurcht befreit und von der Sünde gereinigt. Durch ihren Glauben an Christus, den Erretter, besitzen sie weit Besseres als das, was diese Welt zu bieten hat. Irdischen Gewinn sehen sie im Vergleich dazu als Schaden und Dreck an (Phil 3,7f). Ihre Erwählung zu Kindern Gottes und die Erhöhung aus ihrer üblen Lage führen sie allein auf Gottes Wirken zurück. Sie selbst haben dazu nichts als nur den Glauben an ihren Retter beitragen können (Eph 1,3–8; 2,3–10). Solche Gnade ist allen wahren Christen widerfahren. Wenn in zukünftiger Zeit viele aus Israel im Glauben zum HERRN umkehren werden, wird Er Sich auch ihnen mit dem Reichtum Seiner Gnade zuwenden (Jes 41,8–20; 54,11–17). Der unvergleichlich wertvolle Besitz, den die Glaubenden haben, hat in Ihm seinen Ursprung. Der HERR ist ihre Hoffnung für die Zukunft. Die aus dem Nichts erhöhten Glaubenden (Vers 7) haben erlebt, dass in ihrem eigenen Leben ein Grundsatz göttlicher Barmherzigkeit zur Wirklichkeit wurde: „Das Schwache der Welt,... das Unedle der Welt und das Verachtete hat Gott auserwählt und das, was nicht ist, damit er das, was ist, zunichtemache, damit sich vor Gott kein Fleisch rühme“ (1. Kor 1,27–29). Das an ihnen Geschehene rühmen sie als Beweis der Güte des HERRN und loben Seinen Namen (Verse 1 und 9). Der Höchste, der Gott aller Gnade, „der hoch oben thront“ (Vers 5), kommt mit Seinem Segen gerne in die ärmlichste, bescheidenste Wohnung herab. Nicht das, was Menschen an guten Charaktereigenschaften aufweisen, oder ihre Gutwilligkeit veranlassen Ihn dazu, sondern Seine Liebe und Weisheit.

Die Verse 1 bis 3 rufen zum Lob des HERRN und Seines Namens auf, sie ermuntern zum Rühmen der Vollkommenheit Seines Wesens und der Herrlichkeit Seiner Eigenschaften. Dabei rühmt der rechte Anbeter das, was die Heilige Schrift offenbart und was dem Wort völlig entspricht. Und wer Gott liebt, wird in Seinem Wort nach weiteren Offenbarungen Seiner Herrlichkeit suchen und wird sie finden. Dann werden Lob und Anbetung nicht bei Förmlichkeiten stehen bleiben. Die Anbetenden werden Ungeziemendes und Ungeistliches meiden, damit der Wohlgeruch der Gott vorgetragenen Worte und Lieder nicht beeinträchtigt wird und sie selbst nicht unannehmbar werden (3. Mo 10,3; Phil 3,3; 1. Thes 4,7f; Heb 12,28f; 1. Pet 2,9). Nur wahre „Knechte des HERRN“ (Vers 1) können Anbeter Gottes sein (1. Thes 1,9; Off 22,3). In der jetzigen Gnadenzeit des Christentums erwartet das Neue Testament von denen, die den Herrn loben, dass sie Ihn in Geist und Wahrheit anbeten; sie müssen „wahrhaftige Anbeter“ sein (Joh 4,23.24). Im Alten Testament waren Anbeter solche, die Ihn suchten und fürchteten, die Ihm dienten und als wahrhaft Fromme vor Gott waren (5. Mo 6,13f; Jos 24,14f; 1. Sam 12,24; Ps 22,31; 149,1).

Der ewige Gott verändert sich nie, Ihm gebührt ein ewiges Lob (Vers 2; 1. Chr 16,36; Dan 2,20). Das ewige Lob kennt weder ein Ende noch eine Abschwächung, denn der ewige Zustand ist unveränderlich gleichbleibend. Indessen gibt es im menschlichen Leben eine Stunde, in der der Mensch zum Anbeter wird. Von diesem Augenblick an gehört er zu denen, die den Herrn anerkennen und in Sein Lob eingetreten sind. Das wird in Vers 2 mit den Worten „von nun an“ angedeutet (Ps 100,2ff; 115,18). Diese Worte verweisen auch auf die Zeit, in der der HERR nicht mehr auf der Erde verworfen ist, sondern öffentlich anerkannt und Sein Volk Israel aus allen Drangsalen errettet ist. Vers 3 spricht davon, dass ein stark vermehrtes Lob dann einsetzen wird, wenn es in der Zukunft überall von der ganzen Erde aus dargebracht werden wird (Ps 50,1; Mal 1,11). Er, der Schöpfer und Erhalter aller Dinge, regiert dann über alle Völker und Gegenden der Erde. Dann wird es kein lebendes Wesen, keinen Umstand mehr geben, wodurch Sein Lob beeinträchtigt werden könnte. Von jeder Seite her wird Ihm vollkommene Anerkennung und fortwährende Ehre gebracht werden (Ps 8,2; 47,6–10; 99,2f). Dies gilt nicht nur für alle von Menschen überschaubaren Bereiche, sondern auch für das den Menschen Unsichtbare in der Schöpfung (Ps 145,9–11; Röm 8,18–22). Denn „hoch über alle Nationen ist der HERR, über die Himmel seine Herrlichkeit“ (Vers 4). Sein Name, Sein Ruhm und Seine Herrlichkeit überragen das menschliche Vorstellungsvermögen (Pred 3,11). Die Höhe Seiner Majestät und die Größe Seiner Macht sind unerreichbar und ohne Grenzen (1. Kön 8,27). Im Gegensatz dazu können die Gedankenwelt und das irdisch gebundene Urteilsvermögen des Menschen die Grenzen dieser Schöpfung nicht überschreiten.

Es gibt in der Tat nichts, was mit Gott verglichen werden kann. Die Beschreibung Seiner Person mittels Vergleichen oder mit Hilfe von Bildern, die Ihn veranschaulichen sollen, verbietet sich. Niemand kann es wagen, sich mit Ihm auf eine Stufe zu stellen: „Wer ist wie der HERR, unser Gott, der hoch oben thront?“ (Vers 5; vgl. Psalm 89,7–9). Ähnlich spricht 2. Mo 15,11: „Wer ist dir gleich, herrlich in Heiligkeit, furchtbar an Ruhm, Wunder tuend!“ (vgl. Off 15,3f). Die Heilige Schrift beantwortet die Fragen mit der Feststellung: „Gar keiner ist dir gleich, HERR; du bist groß, und groß ist dein Name in Macht“ (Jer 10,6; Ps 71,19). Die Frage des Verses 5 erfährt eine weitere Antwort durch das, was in den folgenden Versen über die Taten Gottes gesagt wird: Er ist der Höchste und über alles Erhabene, und doch neigt Er sich herab, „um auf die Himmel und auf die Erde zu schauen“ (Vers 6; Ps 33,14). Dabei entgeht nichts Seinem Blick, mag es nun Seinen Zorn erregen oder Sein barmherziges Einschreiten hervorrufen (1. Mo 6,5; 11,5; 2. Mo 2,24f; 3,16; Ps 107; Spr 15,3; Jes 57,15.18; 59,15.16). Nichts ist Ihm zu unbedeutend. Wer zu Ihm ruft, den hört Er (Ps 65,3, 94,9). Nach Seinem gerechten Willen wird das Niedrige erhöht und das Hohe, das sich selbst erhöht, erniedrigt werden (Hes 21,31; Mt 23,12). Jede Selbsterhebung richtet sich gegen Ihn und wird von Ihm gestraft (Jes 14,12ff; 47,10f). Er ist es, der erniedrigt und erhöht (Verse 7 und 8; Ps 75,8). „Wer aber demütig ist, wird Ehre erlangen“ (Spr 29,23). David wollte Größe und Ehre nur als Gabe Gottes erlangen, nicht von Menschen oder aus eigener Kraft, darum machte die Herablassung Gottes ihn groß (Ps 18,33ff; 1. Chr 29,12). Diese Gesinnung finden wir bei Christus vollkommen offenbart (Joh 5,41.44; Heb 5,5). Auch Maria, die Mutter Jesu, erfuhr eine Erhöhung, für die sie Gott lobte (Lk 1,46–55). Der Höchste neigt Sich gerne zu den Armen und Geringen herab, die nach menschlichem Dafürhalten nicht zu den Weisen, den Mächtigen und Edlen zählen (Ps 40,18; 112,9; Mt 11,25f; 1. Kor 1,26f). Hanna, die Frau Elkanas, erlebte die besondere Freude, durch Gottes Barmherzigkeit und Güte „eine fröhliche Mutter von Söhnen“ geworden zu sein, nachdem sie zunächst kinderlos gewesen war. Darüber freute sie sich in dem HERRN und dankte Ihm. Weil sie Ihn kannte, wusste Sie, dass Gott auf gerechte Weise Gnade übt, so dass die Stolzen, die Übeltäter, die Helden und die Übersättigten leer ausgehen (Vers 9; 1. Sam 2,1–10). Gott allein vermag wirklich zu erhöhen. Nur Er verleiht einen Reichtum und eine Ehre, die in Ewigkeit nicht enden. „Das ist das Erbteil der Knechte des HERRN und ihre Gerechtigkeit von mir aus“ (Jes 54,17b).

Nächstes Kapitel »« Vorheriges Kapitel