Die Psalmen
Eine Auslegung für die Praxis

Psalm 119

Einführung

In diesem Psalm gibt das Wort Gottes dem Gläubigen eine vielseitige, ermutigende Hilfestellung für einen glückseligen Wandel auf dem Weg mit Gott (Verse 1 bis 3). Damit der Gottesfürchtige die Kraft hat, nach den Lehren des heiligen Wortes zu leben, kommt ihm die Hand Gottes gerne zu Hilfe. Der Gottesfürchtige wird in die Lage versetzt, den göttlichen Ansprüchen vermehrt zu entsprechen und den Willen Gottes in die Tat umzusetzen (Vers 175). Ohne die Anweisungen des Wortes Gottes würde er umherirren wie ein verlorenes Schaf (Vers 176). Wenn Gott nicht Seinen Knecht suchen und sich nicht in Gnade zu ihm neigen würde, dann würden selbst größte eigene Anstrengungen vergeblich bleiben. Was ein Gottesfürchtiger zum guten Gelingen beizutragen hat, kleidet der Dichter in die Worte: „Ich habe deine Vorschriften erwählt. Ich sehne mich nach deiner Rettung, HERR; und dein Gesetz ist meine Wonne“ (Verse 173 und 174). Dem eigenen persönlichen Einsatz schreibt er die Gott gemäße Richtung vor: Er wollte die Gebote der Schrift nicht außer Acht lassen, und ihre Zeugnisse wollte er bewahren, indem er von ganzem Herzen Gott suchte und bewusst auf Seinen Wegen wandelte (Verse 2 und 3 und 176). Das Ziel seines Strebens nach Vervollkommnung war es, Gott die gebührende Ehre zu bringen und Ihn in würdiger Weise zu loben (Verse 7.171.175; Ps 106,1–3). Der Psalm betont die Wirkungen des Wortes Gottes und baut auf dessen Einfluss als bestimmenden Beweggrund für ein Leben nach Gottes Gedanken. In der Heiligen Schrift, und speziell in diesem Psalm, findet der Gläubige eine geistliche Wegbeschreibung und eine ins Einzelne gehende Anleitung für einen wahrhaft frommen Wandel. Beim Lesen der Schrift lernt man Gott kennen und wird darin unterwiesen, die eigenen Beweggründe im göttlichen Licht zu beurteilen. Gleichzeitig wird das Gewissen geschärft. Für den Psalmdichter gilt der Grundsatz: Alles mit Gott und nach Seinem Wort zu tun, dagegen nichts ohne Ihn und nichts ohne die Wahrheit und Autorität des Wortes! In solcher Abhängigkeit von Ihm und Seinem Wort möchte er ganz bewusst verharren. Allen anderen Einflüssen bringt er ein gesundes Misstrauen entgegen.

Im Grundtext beginnen die jeweils acht Verse eines Abschnitts mit demselben Buchstaben des hebräischen Alphabets. Dieser 22mal wechselnde Buchstabe, der einen Abschnitt kennzeichnet, folgt der Reihenfolge des hebräischen Alphabets. Eine weitere Besonderheit des Psalms ist, dass fast jeder Vers eine etwas andere Bezeichnung für das Wort Gottes verwendet – ein Hinweis auf dessen Vielseitigkeit. Die geistlichen Einsichten des Psalmisten stützen sich auf ein gut gegründetes Verständnis der Schrift. Er wollte den reichen Inhalt der göttlichen Worte verstehen und ihn in sich aufnehmen. Für ihn war die Heilige Schrift das unmittelbare Reden Gottes. Durch die intensive Beschäftigung mit ihr wurde sie der Besitz seiner Seele und auf sein Herz geschrieben. Seine vorbildliche Haltung verdient, nachgeahmt zu werden. Denn das Maß der Wertschätzung des Wortes Gottes wird sich immer auf entscheidende Weise in der geistlichen Entwicklung des Glaubenden niederschlagen. Dem Psalmdichter offenbart sich in der Schrift der Wille Gottes, dem er unbedingt gehorchen möchte, um seinen Weg in Gemeinschaft mit Gott zu gehen. Für ihn besitzt das Wort Gottes absolute Autorität. Dies hatte Einfluss auf sein Urteilen und Handeln. Anhand der Schrift unterscheidet er, welchem Verhalten Gott zustimmt und was Er verurteilt. Die Heilige Schrift stellt hier wie überall den Unterschied zwischen Gutem und Bösem klar heraus. Der Psalmdichter möchte sich an dem erfreuen, woran Gott Seine Freude hat. Es beeindruckt, dass er nie vor der Heiligkeit und vor den kompromisslosen Forderungen der Schrift zurückschreckt, sondern sich ihnen ohne Vorbehalt unterwirft. Das beweist, wie sehr er das Wort und seinen Urheber liebt. Seine Aufrichtigkeit und Entschiedenheit haben ihn zu inniger Vertrautheit mit Gott geführt. Des Öfteren erweckt der Dichter den Eindruck, als sei er im Gespräch mit Gott. Seine Seele verlangt nach Gott und nach dem, was Er sagt. Denn das Wort offenbart Gott Selbst, und daher steht es auf unendlich viel höherer Stufe als jede andere Äußerung. Es ist die ewig unverändert gültige Wahrheit. Es vermittelt dem Menschen Heil und Frieden.

Die acht Verse einer Abteilung lassen einen gewissen inneren Zusammenhang erkennen. Im Laufe der vielen praktischen Belehrungen fordert der Psalm immerfort dazu auf, das Wort Gottes als die Offenbarung des göttlichen Willens anzuerkennen und es fleißig zu erforschen. Es ist das höchste Gut, das der HERR den Gottesfürchtigen in die Hand gegeben hat. Die Heilige Schrift – und dazu gehört nicht nur das AT, aus dem unser Psalm genommen ist, sondern auch das NT – ist das Wort der Wahrheit (Vers 160; Joh 17,17; 2. Tim 2,15). Daher verlangt sie zu Recht, dass der Leser ihr glaubt und ihr vertraut. Der Psalm konzentriert sich ganz auf das Wort Gottes, denn das sind die Urteile und Entscheidungen Seines Mundes (Vers 13).

Wenn der Dichter die Ausdrücke ‚Gesetz‘, ‚Vorschrift‘, ‚Gebot‘ und ‚Satzung‘ benutzt, hat er nicht nur die fordernde Seite der Begriffe im Sinne. In besonderer Weise geht es ihm dabei um die Autorität und den absoluten Vorrang des Wortes. Vor allem möchte er den Gebieter Selbst vorstellen. Denn er wünscht sich geöffnete Augen, „damit ich Wunder schaue in (oder: aus) deinem Gesetz“ (Vers 18). Gebraucht er den Begriff ‚Rechte‘, dann meint er insbesondere Gottes gerechte Entscheidungen und Urteile, und diese dienen sowohl zur Unterweisung als auch zum Wohl Seiner Frommen, sie weisen immer in die rechte Richtung. Es geht hierbei nicht eigentlich um die Gesetze, die als Gebote zu befolgen sind. Fast immer schreibt der Dichter in der Ichform, doch damit meint er das Ich des Frommen schlechthin. Spricht er von Feinden, dann denkt er wohl kaum an persönliche Widersacher, sondern an die Gegner des Glaubens, die Feinde Gottes und der Gläubigen. Durchweg verfolgt der Psalm das Ziel, den Blick des Gottesfürchtigen aufwärts zu richten, er will die Liebe zu Gott und zu dem heiligen Wort anfachen und das ganze Leben mittels des Wortes und seiner Weisheit der göttlichen Führung unterordnen. Das Wort ist das tägliche Brot für die Seele. Es vermittelt Verständnis und wahre Erkenntnis, und es erhält in der Gemeinschaft mit Gott. Die Beziehung zu Gott wird hier als so direkt verstanden wie die eines Kindes zu seinem Vater und so unmittelbar wie die eines gelehrigen Schülers zu dem Lehrer, der ihn versteht und ihm zum größten Nutzen ist. Der Psalmdichter zeigt, wie ein Gottesfürchtiger diese Beziehung in bewusster Abhängigkeit von Gott und Seinem Wort pflegt.

1. Abschnitt; Verse 1 bis 8

Die Verse 1 bis 8 haben einen allgemein gehaltenen Charakter, sie sollen den Leser in das Anliegen des Psalms einführen. Da es hier und im Folgenden oft um den Gehorsam geht, verheißen die ersten Verse Glückseligkeit dem, der sich dem Wort unterwirft. Es ist der einzige Weg zu wahrem, bleibendem Glück und auch zur Tadellosigkeit, und dies nicht nur zum eigenen Nutzen, sondern auch zur Stärkung des Guten unter den Menschen (Tit 2,14; 3,1.8). Dieser Weg entspricht dem Willen Gottes und findet Sein Wohlgefallen. Er führt zum Segen für den Menschen, der ihn geht (Ps 1,1–3; 106,3; 112,1). Was Gott in Seinem Wort bezeugt, ist im eigenen Herzen zu bewahren und im Verhalten zu befolgen. Wenn das Herz davon erfüllt ist, Seinem heiligen Willen zu entsprechen, und nichts anderes aufkommen lässt, dann wird der Wandel nicht zu beanstanden sein (Vers 1; Ps 128,1; Lk 1,6).

Die Zeugnisse des HERRN sind in ihrem Wortlaut zu befolgen, nicht aber nach eigenem Dafürhalten oder nach der Meinung der Menschen. Die Aussagen der Heiligen Schrift dürfen nicht relativiert werden; das heißt, sie sind nicht abzuschwächen, auch nicht einzuengen oder auszuweiten, denn das wäre nicht das Bewahren Seiner Zeugnisse (Lk 11,28). Den einfachen uneingeschränkten Gehorsam wird man nie bereuen (Verse 2 und 165; 2. Chr 31,21; Ps 19,12; 50,23). Das Wandeln auf Gottes Wegen steht ganz unter der Herrschaft Gottes und bleibt bei dieser Entschiedenheit (Vers 3; Ps 25,12; 1. Joh 3,7–10). Herz und Sinn des Entschiedenen kennen keine andere Ausrichtung, als Gottes Nähe zu suchen und Ihm zu gefallen. Ein Mangel an Entschiedenheit beruht auf einem Mangel in der praktischen Anerkennung Seiner Autorität. Denn Gott hat Seine „Vorschriften geboten, damit sie fleißig beachtet werden“ (Vers 4; 5. Mo 11,13; Spr 4,26f; Mt 5,18.19). Gottes Ordnungen erfordern ein sorgfältiges Befolgen. Ein nur gelegentliches Gehorchen nach Gutdünken ist mit dem Inhalt dieser Verse nicht zu vereinbaren. Falls jemand sein Bekenntnis zum Herrn so leichtfertig und wenig ernst nimmt, kann er nicht,Diener des Herrn' oder,Knecht Gottes' genannt werden. Gott sucht eifrige, unermüdliche Diener, die treu ihre Aufgabe erfüllen. Mit Geringerem kann Er Sich nicht zufrieden geben. Halbheiten sind Ihm zuwider.

Der Psalmdichter empfindet die eigene Unzulänglichkeit, wenn er in Vers 5 bittet: „O dass meine Wege gerichtet wären, um deine Satzungen zu beachten!“ Sein praktisches Handeln und seine Ziele müssen mit den Satzungen des HERRN in Übereinstimmung sein. Er weiß, dass es nicht genügt, in korrekter Erkenntnis den Lehren des Wortes und den Wegen Gottes zuzustimmen und eine Neigung zum Guten zu pflegen. Nicht nur die innere Einstellung, sondern auch die Füße müssen die gute Richtung einhalten, denn er will die Gebote in die Tat umsetzen (2. Chr 27,6; Jak 1,22–27). Ein geistliches Unterscheidungsvermögen lehnt alles ab, was Gott missfällt. Dem steht Gleichgültigkeit und der Widerwille entgegen. Der Gottesfürchtige wird nicht den Wünschen des eigenen Herzens nachgeben und sich nicht Einflüssen aussetzen, die ihn von dem Weg nach Gottes Wort abbringen. Dann wird er selbst bei harter Erprobung nicht scheitern; er wird vor beschämendem Versagen bewahrt (Vers 6; Ps 18,22–27). Die Vernachlässigung des Gebotes hingegen wird der Teufel benutzen, um den Gleichgültigen zu Fall zu bringen. Darum hütete sich der Psalmdichter vor sorgloser Oberflächlichkeit. Mit Wachsamkeit führte er sein Leben vor Gott. Zeigte das Gewissen ihm an, dass etwas auf seinem Weg oder in seinem Herzen gegen Gottes Willen gerichtet war, dann beschönigte er nichts. Er beschwichtigte nicht sein Gewissen, sondern bereinigte die Sache vor Gott. Nur mit reinem Herzen konnte er mit ganzer Seele Gott preisen (Verse 7 und 171). Andernfalls würde sein Lob dem Herrn nicht wohlgefallen. Um in Aufrichtigkeit anbeten zu können, muss das Gewissen unbelastet und das Herz frei und in Gemeinschaft mit Gott sein. Darum nennt Vers 7 als Voraussetzung für das Lob Gottes: „Wenn ich gelernt habe die Rechte (oder: Urteile) deiner Gerechtigkeit“. Bei der Anbetung darf es am Beachten der Heiligkeit Gottes und der Satzungen des Wortes nicht mangeln (Vers 8). Dazu braucht der Gläubige Gnade und die Hilfe Seines Geistes. Der Herr wird eine einsichtige Seele nicht allein lassen und ihr die Gewissheit Seiner Nähe wiedergeben. So wird das Lob ein volles und freudiges sein.

2. Abschnitt; Verse 9 bis 16

Vers 9 lehrt, dass das Wort Gottes entscheidend dabei mitwirkt, den rechten Pfad in Reinheit zu gehen. Denn die Heilige Schrift allein enthält die notwendigen Richtlinien und die Gemeinschaft mit Gott vermittelt die nötige Kraft, diesen Pfad zu gehen. Der rechte Weg ist durch das Wort deutlich markiert, gleichwohl darf es beim Voranschreiten nicht an Achtsamkeit fehlen. Der junge Gottesfürchtige, der den Herrn und Sein Wort liebt, wird sich zum Ziel setzen, dass sein Lebensweg mit dem Wort Gottes übereinstimmt. Er weiß, dass er Gott Rechenschaft schuldet (Pred 11,912,1; 2. Tim 2,22). Er geht der Beurteilung durch das Wort nicht aus dem Weg, sondern lässt sich zurechtweisen. Wird ihm eine Unreinheit bewusst, dann wendet er sich davon ab, indem er das Böse lässt und fortan Abstand davon hält (Ps 26,1–3). Er lernt, sich selbst dem Wort gemäß einzuschätzen, auch rechnet er mit der Anfälligkeit seiner gefallenen menschlichen Natur. Er würde seine Abweichungen nicht wahrnehmen, wenn er nicht ständig den unbestechlichen Maßstab des Wortes Gottes vor Augen hätte (Verse 9 und 98f; Spr 1,4). Weder in sich selbst noch woanders findet er einen vollkommenen Maßstab. Sich selbst zu täuschen, geschieht oft rasch und unversehens. Die Heilige Schrift hingegen sagt immer die ganze Wahrheit und erwartet, dass wir uns „nach der Erkenntnis der Wahrheit, die nach der Gottseligkeit (oder: Frömmigkeit) ist“, ausrichten (Tit 1,1). Es geht hier um die Gott gemäße, Seinem Wort entsprechende Einsicht (Vers 169b). „Denn dies ist Gottes Wille: eure Heiligkeit“ (1. Thes 4,3f). Die Lebensführung ist nur dann rein und lauter, wenn sie dem Wort des HERRN folgt, und dann ist es ein Wandel im Licht (Verse 9 und 105; Spr 6,23).

Den Weg nach dem Wort bereits in der Jugend aufzunehmen (Vers 9), ist von großem Vorteil, weil das Herz und das Gewissen sich noch nicht an falsche Wege gewöhnt haben, die später nur mit Mühe wieder aufgegeben werden. Der Einfluss des heiligen Wortes ist für das aufnahmebereite Herz eines Kindes besonders wertvoll und fruchtbringend. Von früher Jugend an muss schlechter Umgang, übles Schrifttum und böser Einfluss durch die Medien gemieden und von Kindern ferngehalten werden. Wenn dann die Altersstufe heranrückt, in der ein junger Mensch seine Entscheidungen mehr und mehr selbst trifft, ist eine rechte Grundeinstellung nach den Maßstäben des Willens Gottes bereits vorhanden und das Gewissen entsprechend gebildet. Schon dem Jugendlichen muss die unbedingte Autorität des Wortes Gottes über alles gehen. Ihm muss bekannt sein, dass das Wort der beste Lehrer ist und reinigende und helfende Kraft besitzt. Das tägliche Lesen des Wortes ist unabdingbar, denn dadurch werden die Versuchungen und von außen kommende verderbliche Einwirkungen ins göttliche Licht gestellt. Die Regungen des eigenen Herzens, seine Wünsche und Begierden, werden dem Urteil der Bibel unterstellt. Oft ist Unerfahrenheit die Ursache dafür, dass ein Jugendlicher in Sünde fällt. Doch Unwissenheit mildert nicht das Verwerfliche der Sünde; sie schützt nicht vor den schlimmen Folgen und vor Züchtigung. Die Ausrichtung nach dem heiligen Maßstab der Schrift soll daher am Morgen des Lebens beginnen, nicht erst am Mittag oder Abend. Doch ist es oftmals gerade die jugendliche Unbekümmertheit, die sich der kompromisslosen Beachtung der Gebote Gottes wenig verpflichtet fühlt. Auch geht sie oft leichtfertig mit den Begierden des Leibes um. Gewarnt und belehrt anhand des Wortes Gottes und seiner Beispiele, lernt der Jugendliche, wachsam zu sein und davon Abstand zu halten.

Auf die ganze Szene des menschlichen Lebens wirft das Wort sein vollkommenes Licht, es stellt jeden Umstand in seinem wahren Charakter dar. Wer sich von der göttlichen Wahrheit angezogen fühlt und überzeugen lässt, wird erfahren, dass ihm das Wort der Wahrheit überwindende Kraft gegenüber der Übermacht des Bösen gibt. Doch dies setzt voraus, dass die Seele durch tägliches Lesen des Wortes und durch Gebet in Gemeinschaft mit Gott und unter Seinen Augen bleibt. So hielt es auch der Psalmdichter: „Mit meinem ganzen Herzen habe ich dich gesucht: Lass mich nicht abirren von deinen Geboten!“ (Vers 10). Weil das Gesetz Gottes in seinem Herzen war, geriet er nicht ins Wanken (Ps 37,31).Sein Innerstes war ganz auf den HERRN ausgerichtet. Das verlieh ihm die Sicherheit, dass Gott ihm in jeder inneren und äußeren Not zu Hilfe kommen werde (Jer 29,12.13). Zugleich bekannte er, dass er auf Seine Gnade und Führung angewiesen war, und bat, ihn vor dem Fehlgehen zu beschützen. Er wollte abhängig von Gott und in ständiger Gemeinschaft mit Ihm leben. Es ist ein Zeichen eines wahrhaft frommen Gemüts, dass es nichts wagt und nichts in Angriff nehmen will, ohne Seines Geleits sicher zu sein.

Gegen den HERRN zu sündigen, ist dem Psalmdichter ein unerträglicher Gedanke. Um davor bewahrt zu werden, trägt er Sein Wort immer in seinem Herzen (Vers 11; Lk 8,15; Kol 3,16). Er überdenkt das Wort, weil er es liebt und über alles hinaus schätzt (Ps 40,9). Wenn das Wort das Herz beherrscht, dann hat es den entscheidenden Einfluss auf den Verstand und das Verhalten, denn in den Lebensäußerungen tritt das zutage, was im Herzen wohnt, „denn von ihm aus sind die Ausgänge des Lebens“ (Spr 4,23). Dann ist es „Gottes Wort, das auch in euch, den Glaubenden, wirkt“ (1. Thes 2,13) und welches das Herz belehrt, nicht etwa nur den Verstand und das Gedächtnis. Der Schreiber will dessen Anweisungen folgen. Gottes Gedanken sollen seine Wünsche lenken und die Lebensinhalte von der Quelle her beherrschen. Denkanstöße aus anderen Richtungen treten demgegenüber in den Hintergrund. Um dieses kostbaren Schatzes willen, der für den Psalmdichter ein wunderbares Gottesgeschenk ist, preist er den HERRN und wünscht, immer tiefer in Seine Gedanken eingeführt zu werden (Vers 12). Das Wort gibt ihm neben guter Unterweisung ständig neuen Lebensmut und hält ihn in der Nähe Gottes. Wahrheit und Aufrichtigkeit behalten dadurch ihren Platz in seinem Herzen und prägen sein Verhalten. Er führt ein glückliches Leben in der Übereinstimmung mit den Gedanken des HERRN.

Der Psalmdichter behält seine Glaubenserfahrungen nicht für sich. Gerne erläutert er die Einsichten, die er durch das Wort gewonnen hat, zum Nutzen anderer (Vers 13; Ps 37,30f; 40,10f). Er hat Freude daran, Mitgläubige zu stützen, denen er das Vortreffliche der göttlichen Gedanken mit geistlichem Verständnis darstellen kann. Seine Rede kommt aus einem übervollen Herzen, das den HERRN liebt. Dabei geht es um den in der Schrift offenbarten Weg Gottes und Seine Rechtsansprüche. Das vollkommene Wesen Gottes bezeugt sich auch in der Natur des Weges, der dem Gottesfürchtigen aufgezeigt wird, um zur Ehre Gottes beizutragen. Daher ist dieser Pfad ein Zeugnis von dem Namen Gottes. Zu einem Zeugnis für Ihn gereicht die Haltung derer, die Seine Wege in Treue gehen. An jeder Offenbarung Gottes hat sich der Psalmdichter „erfreut wie über allen Reichtum“ (Vers 14). Im völligen Einverständnis mit „dem Weg deiner Zeugnisse“ und in der Freude darüber fiel es ihm nicht schwer, dem Wort treu zu bleiben. Die Gnade, die ihm dies ermöglicht hatte, machte ihn glücklich und dankbar (Verse 111 und 162; Jak 1,25). Nachsinnend befasste er sich mit den göttlichen Vorschriften, die als Richtlinie dienen und zugleich den Namen Gottes verherrlichen; seine Aufmerksamkeit galt der Einhaltung des vorgeschriebenen Pfades (Vers 15). Offenkundig freute er sich sehr über diesen „Reichtum“, den er über alles wertschätzte (Verse 14 und 16; Jer 15,16). Der Gegenstand seiner ständigen Betrachtung war das Wort und dafür schlug sein Herz. Niemals würde er dieses ihm anvertraute Gut für etwas anderes hergeben. Niemals würde er diesen schönsten Besitz und das damit verbundene Ziel der Verherrlichung Gottes vernachlässigen oder aus dem Auge verlieren (5. Mo 4,9.23; 8,11f). „Wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein“ (Mt 6,21).

3. Abschnitt; Verse 17 bis 24

Dieser Abschnitt beschreibt, wie ein leidender Gottesfürchtiger mit Hilfe des Wortes Festigkeit im Glauben erhält, um in schwieriger Zeit sicheren Schrittes voranzugehen und Anfeindungen zu durchstehen. Seine eigene Kraft würde dazu nicht ausreichen (2. Kor 12,9.10; Phil 4,13). Gott aber ist ihm gut gesonnen. Gottes Heil und Rettung sind ihm sicher. Darum wird er am Leben bleiben und Ihm mit glücklichem Herzen für Seine Wohltaten dankbar sein (Vers 17; Ps 1,1.2; 115,17.18). So können die Mühen und Beschwerden des Weges dem Knecht Gottes ein zusätzlicher Antrieb sein, das Wort aufmerksam zu befolgen. Der Sache Gottes gilt sein Sinnen und Trachten, und Gottes Liebe gilt ihm.

Der Psalmdichter heftet seine Augen nicht auf die drohende Haltung einiger in seiner Umgebung. Er wird seine Aufmerksamkeit auf das göttlich Wunderbare richten, das er in den Berichten der Heiligen Schrift vorfindet (Verse 18 und 66.125.130; Jer 33,3; 2. Tim 2,7; Jak 1,5). Er bittet um geöffnete Augen und um Schriftworte, die der Herr ihm aufschließt (Lk 24,45); weder das eine noch das andere traut er sich selbst zu. Nicht wir, sondern Gottes Gnade und das Wirken Seines Geistes sind es, welche öffnen. Doch wir müssen Zeit erübrigen und die Bibel zur Hand nehmen. Allzu oft lenken die täglichen Nöte die Aufmerksamkeit von den göttlichen himmlischen Zielen ab. Manchmal werden die Mühen und Übel des Lebens als Entschuldigung dafür angeführt, dass man sich zu wenig oder gar nicht mit der Heiligen Schrift befasst hat. Das kann nicht Gottes Absicht sein, wenn Er den Gläubigen unter Erprobungen stellt. Er wird Sich des Herzens annehmen, das Ihm in der Prüfungszeit nichts vorwirft, sondern alles aus Seiner Hand annimmt und Seiner Hilfe in geistlicher und praktischer Hinsicht vertraut (Hiob 2,10; Pred 7,14; Mt 14,22–33).

Das Betrachten der Wunder Gottes in Seinem Wort gibt dem Gläubigen vermehrte Einsicht über die erhabene Macht und Güte des Herrn. Ohne Zweifel wird Gott dem, der danach verlangt, die Geheimnisse des Wortes offenlegen (Vers 18). Der Psalmdichter hatte dies offenbar selbst erlebt. Es wird auch zu seinen eigenen Erfahrungen gehört haben, dass eine schlimme Notlage eher als manches andere zu Fortschritten in der Erkenntnis Gottes und Seines Wortes führt. Durch solche Belastungen wird die Erinnerung an die eigene Schwachheit wach gehalten. Sie mahnen uns, daran zu denken, dass wir auf der Erde Fremdlinge sind, die hier nichts zu beanspruchen haben. (Vers 19; Ps 39,13f; 2. Kor 5,6.7; Heb 11,13). Sicherer Halt und verlässliche Hoffnung sind nur in Gottes Wort zu finden, doch dazu gehören Vertrauen zu Ihm und Demut vor Ihm. Wenn unsere Seele durch Widerwärtigkeiten und Widersacher geprüft wird und wir uns kraftlos fühlen, „wenn wir uns für die Interessen Gottes einsetzen, bewirkt das diesen brennenden Wunsch, seine Rechte zu halten“ (Roy und Filipczak), (Vers 20). Der Herr wird den nötigen Mut und die Kraft für die weiteren Schritte geben. Niemals wird Er die Not einer Seele aus dem Auge lassen, die nach Gemeinschaft mit Ihm verlangt und Sein Eingreifen erhofft.

„Die Übermütigen“, stolze, selbstherrliche Menschen, scheinen ihren Willen jederzeit durchsetzen zu können (Vers 21). Sie tun dies in Auflehnung gegen den im Wort offenbarten göttlichen Willen. Es kümmert sie nicht, dass sie dadurch unter den Fluch kommen (Vers 118). Sie sind stolz auf das Erreichte und setzen sich über Rechtsnormen hinweg. Sie missachten das Urteil des höchsten Gerichtshofs, die ewige Strafe, die vonseiten Gottes auf ihre Übertretung folgen wird. Wie beim Entstehen vieler anderer Sünden ist der Hochmut die eigentliche Quelle ihrer Vermessenheit. Hochmut bedeutet vom Grunde her Auflehnung gegen Gott. Der Hochmut gleicht einem nicht auszurottenden Unkraut, aus dessen reichlichem Samen immerfort neues Übel aufkeimt. Die Hochmütigen abzuurteilen, ist nicht die Aufgabe des Knechtes Gottes, sondern eine Sache der richterlichen Majestät des HERRN (Vers 21; 2. Pet 2,10; Jud 8–11). Offenbar lebte der Psalmdichter in einer Umgebung, in der er sich nicht zu Hause fühlte, in einer ihm entfremdeten Welt, die seine Grundsätze verächtlich belächelte. Diese Übermütigen hatten Gott den Rücken zugewandt und ließen den Knecht Gottes ihre Abneigung spüren (Vers 22).

Sich einem Gott, der unbedingten Gehorsam fordert, freiwillig zu unterwerfen, und dies auch noch aus Liebe zu seinen Grundsätzen, bleibt den Gottlosen unverständlich. Derartige Erwartungen rufen in ihren stolzen Herzen nur Hohn und Verachtung hervor (Vers 22). Satan hat ihnen Freiheit versprochen. Sie haben ihm geglaubt und sind ihm gefolgt; dadurch sind sie unter denselben Fluch gekommen, der diesem bösen Gewaltherrscher gebührt. Von dem Knecht Gottes hingegen ist der Fluch der Sünde abgewälzt dank der Barmherzigkeit seines Gebieters. Zurzeit mögen noch hochgestellte Mächtige, die dem Psalmdichter übelwollen, über ihn befinden. Doch er weiß, dass seine Geschicke in der Hand des höchsten und gerechten Richters liegen, der seine Rechtssache vertritt und zum guten Ziel führen wird (Verse 23 und 39; Röm 8,36.37; Phil 1,28). Dass die Zusagen und Zeugnisse Gottes auch in seinem Fall wahr sind und zur Wirklichkeit werden, dafür bürgt der Name des gerechten Gottes, der die Wahrheit ist und Treue hält auf ewig. Das ist dem Psalmdichter aus den Heiligen Schriften bekannt und darauf fußt sein Glaube. Darum sagt er in Vers 24: „Deine Zeugnisse sind auch meine Wonne, meine Ratgeber“ (Ps 94,19–23). Menschliche Vernunft, die sich über den Glauben erhaben dünkt, mag dies als unsinnig abtun. Indessen wird sich der geringe, scheinbar schwache Knecht Gottes, nicht auf ihre Denkweise und Beweisführungen einlassen. Er weiß, dass es nicht ratsam ist, Satan und seine Gefolgsleute mit den Waffen des Verstandes schlagen zu wollen. Vielmehr vertraut er einfach den Zeugnissen Gottes, mit denen er sich völlig einig erklärt. Er bleibt mit Freuden bei seinem Bekenntnis zum Wort Gottes. Die Gnade des HERRN hat ihm dazu das Herz und den Verstand aufgeschlossen und die Augen und Ohren geöffnet. Das Wort Gottes bedeutet ihm unendlich viel mehr als das, was gottlose Ratgeber zu bieten haben. Ihnen ist zu misstrauen, nicht aber der Heiligen Schrift.

4. Abschnitt; Verse 25 bis 32

Diese Verse sprechen davon, dass auch der treue Gläubige in die Lage kommt, dass er Trost und Ermunterung für seine Seele braucht. Der Psalmdichter möchte hier nicht den falschen Eindruck erwecken, als würde er sich nur auf den Höhen des Glaubens bewegen und keine Niederung der Verzagtheit und Traurigkeit kennen. Auch seine Seele und sein Gemüt mussten aufgerichtet werden und bedurften der Belebung (Vers 25). In diesem Psalm findet sich der Ausdruck „beleben“ später noch etliche Male in den Bedeutungen ‚Leben geben‘, ‚lebendig erhalten‘, ‚das Herz wiederbeleben‘, ‚neuen Mut geben‘. Das beste Mittel zur Belebung ist das Wort Gottes, das stärkend auf den inneren Menschen einwirkt und Herz und Seele aufrichtet. Die meisten Verse, in denen der Begriff ‚beleben‘ vorkommt, befassen sich vornehmlich mit der geistlichen Einstellung dessen, der eine Belebung braucht. Der Dichter will mit seinen Erläuterungen allen Gottesfürchtigen behilflich sein, wenngleich er in der Ichform schreibt. Wenn man niedergeschlagen ist und unter dem Druck des Verkehrten und Verdrehten leidet, hat man Trost nötig. Aber nicht immer kann man dafür einen bestimmten Grund nennen. Von dem Herrn darf man jedoch immer Hilfe erwarten. Der Gottesfürchtige kommt nie vergebens zu Ihm, gerade auch dann, wenn ihn die übermächtigen Umstände und die eigene Unzulänglichkeit oder Kraftlosigkeit zu Boden werfen. Dem Herrn sind unser Herzenszustand, das Maß des Kummers, die seelische Verfassung und die bedrückenden Verhältnisse bereits bekannt, ehe wir Ihn bitten. Er weiß, dass wir als Menschen ‚am Staub kleben‘ (Vers 25), auch, dass unsere seelischen Kräfte rasch aufgezehrt sind (Ps 44,26; 77,3–5; 142,4; Mt 26,41; Lk 22,45).

Gott kennt die Grenze unserer Belastbarkeit. Ohne Scheu soll der Gläubige vor Ihm das Herz ausschütten, und er tut gut daran, Ihm jede seiner Sorgen vorzulegen. Alle Vorfälle, auch Vergehungen und sündige Gedanken, müssen vor Ihm mit Aufrichtigkeit offengelegt werden, damit man die Erfahrung des Psalmdichters macht: „Du hast mich erhört“ (Vers 26; Ps 32,5f; 66,16–18). Mit Gottes Hilfe wird die Seele wieder gesund werden. Neuer Mut wird die Kräfte beleben, selbst wenn die Seele vor Traurigkeit in Tränen zerfloss (Vers 28; Ps 107,26f). Das Aufrichten der Seele geschieht unter Anwendung der Wahrheit des Wortes, damit die Seele zum Verständnis des Weges Gottes gelangt und zur Übereinstimmung mit der Gerechtigkeit und Heiligkeit (Vers 27). Mit der Rechten Seiner Gerechtigkeit will Er den Geängstigten stärken und beruhigen, denn Er steht dem bei, der sich fürchtet (Jes 41,10).

Mit einem Weg der Lüge wollte der Psalmdichter nicht in Berührung kommen, weil ihm die Lüge verhasst war. Denn übersät mit Unwahrheiten ist der Weg der Gottlosen, der vergehen wird (Vers 29; Verse 104 und Vers 128; Ps 1,6). Daher bittet der Dichter den HERRN, Untreue und Falschheit von ihm fernzuhalten. „Die Bahn der Aufrichtigen ist: vom Bösen weichen; wer seinen Weg bewahrt, behütet seine Seele“ (Spr 16,17; 30,8; 1. Thes 5,22). Der Weg der Lüge ist auf keine Weise mit dem Weg der Wahrheit und der Treue zu vereinbaren (Vers 30). Die Arglist des Vaters der Lüge (Joh 8,44) hat den lügenhaften Weg gut getarnt und manches gut Erscheinende darin eingeflochten. Wer der Gradlinigkeit des Weges der göttlichen Gebote mit einer gewissen Abneigung gegenübersteht, verfällt leicht den verführenden Täuschungen anderer,Götter'. Er wird prompt etwas Gutes an einem Weg der Lüge entdecken und wird damit seine falschen Schritte verteidigen. Ein anderer liebt intellektuelle Auseinandersetzungen; er findet Freude am Ergründen falscher Wege, befasst sich mit dem Bösen und wird davon infiziert. Der Psalmdichter dagegen beschäftigte sich mit dem göttlichen Gesetz, mit seinen Entscheidungen und dem Gott gemäß Guten. Er hat das erwählt und vor sich gestellt, was Gott ihm in Seinem Wort aus Gnade schenkt und wofür er Ihm danken kann. Daran hält er fest, und sein Herz ist davon erfüllt (Vers 31; Spr 22,17–19).

Gott hat dem Gläubigen die Wahrheit geschenkt und hat ihm das Wort und den Geist der Wahrheit gegeben, damit er das Falsche, lügnerisch Täuschende erkennt und es hasst und meidet, zugleich aber die Wahrheit in Liebe festhält (Eph 4,14.15). Der Psalmdichter hielt sich an die göttlichen Zeugnisse gebunden, er ließ nichts dazwischentreten und machte sich in seinen Gedanken und Taten von Gottes Wort abhängig. Für ihn stand fest, dass er dadurch keinen Verlust erleiden und niemals enttäuscht werden würde. Der Gott der Treue würde dies nicht zulassen (Ps 25,3–5). Obwohl er niedergedrückt und sehr traurig gewesen war, wusste er sich auf dem richtigen Weg der Gebote Gottes. Er kannte den Weg nicht nur, sondern lief den Pfad mit aller Energie. Dazu würde er im Glauben und durch Gottes Gnade zu jeder Zeit die nötige neue Kraft gewinnen (Vers 32; Ps 18,37; Spr 4,11–13). Er erlag nicht der Versuchung, allerlei Auswege zu beschreiten. Sein Gott, dem er vertraute, wird seinem Herzen die durch Angst und Sorge hervorgerufene Beengung wegnehmen, so dass er Mut bekommt, den Weg nach dem Wort bis zum Ziel hin zu laufen. Dieser von Gott gebahnte Weg bot reichlichen Raum für seine Füße, er mündet zuletzt ins Unbegrenzte und Ewige. Ein solch weites Blickfeld öffnet sich dem, der auf den Herrn vertraut. Der Weg der Gebote Gottes ist der beste, um aus der Beengung und dem Druck der augenblicklichen Situation herauszukommen. Er führt immer ins Weite und bringt den Gläubigen mit Sicherheit zur herrlichen Vollendung. Wer das Ziel im Auge behält, wird auch den dahin führenden Weg einhalten.

5. Abschnitt; Verse 33 bis 40

Um auf dem rechten Weg zu bleiben, bittet der Psalmdichter in diesem Abschnitt um Bewahrung vor der Ablenkung durch scheinbar Begehrenswertes, das den Weg erleichtern soll, in Wirklichkeit aber zum Abirren verleitet. Gute Lehre und Einsicht möchte er von dem HERRN empfangen, nicht aber aus menschlichen Quellen. Er möchte sein Leben nach den Unterweisungen der von Gott kommenden Lehre einrichten. Er bittet, dass der HERR sein Herz zu diesen Zeugnissen hinneigen möge, damit er nicht an Weisheiten aus anderer Richtung Gefallen findet. Er weiß, dass sich das Herz, die Augen und die Ohren des Menschen mit unersättlichem Begehren nach allen Richtungen hin den vermeintlich interessanteren Ablenkungen zuwenden und sich davon gefangennehmen lassen (Verse 33 bis 37; Jes 54,13). Er selbst wollte es an Ausdauer und Achtsamkeit nicht fehlen lassen, um das Gute zu bewahren und den richtigen Weg einzuhalten. Dazu erbittet er Bewahrung von oben, denn unversehens geraten die moralischen Giftstoffe dieses Zeitlaufs und des Zeitgeistes ins Herz. Unerkannt mischen sie sich unter unser Wissen und Denken, sie leiten auf Abwege und verderben den guten Samen des Wortes (Mt 13,22–27). Deswegen braucht das Wort einen gut gesicherten Platz im Herzen des Gläubigen (1. Thes 5,23). Dort wird das Wort durch den Geist Einsicht bewirken; es wird den, der es im Herzen bewegt, unterrichten und ihn bilden im Sinne seines Lehrers und Herrn. Die Heilige Schrift wird seinen Geist schulen und der Denkweise die rechte Struktur und eine klare Ausrichtung geben, so dass der Verstand auf der Bahn des Guten gehalten wird. So gibt Gott Einsicht in Seine Wege und Ziele und verhilft zum rechten Beurteilen dessen, was zurzeit vorgeht (Vers 34; 2. Kor 3,18).

Nachdem der Psalmdichter die geistlichen Gaben für den Gott gemäßen Weg geschenkt bekommen hatte, wollte er die guten Voraussetzungen nutzen und in die Tat umsetzen. Er bittet: „Lass mich wandeln auf dem Pfad deiner Gebote, denn an ihm habe ich Gefallen!“ (Vers 35). Ihm war Einsicht geschenkt worden, und nun wollte er wachsen durch die Erkenntnis des HERRN, „der Güte, Recht und Gerechtigkeit übt auf der Erde; denn daran habe ich Gefallen, spricht der HERR“ (Jer 9,23). Daher kam es für ihn nicht in Frage, dass sich sein Herz dem Gewinn zuneigte oder seine Augen sich Eitlem und Nichtigem zuwendeten (Pred 2,11). Bei alledem unterstellt er sich der Führung durch den HERRN (Verse 36 und 37). Das bloße Nützlichkeitsdenken, die Lust an den Dingen dieses Zeitlaufs und an seinen Errungenschaften, ist hinderlich auf dem Pfad der Gebote Gottes. Niemand kann weltlicher Gier und dem Begehren nach Vergänglichem nachlaufen, gleichzeitig aber auf dem göttlichen Weg sein und suchen, was droben ist (Kol 3,1). Wenn jemand sich auf weltlichen Wegen wohlfühlt, wäre es eine Unaufrichtigkeit zu bitten: „Belebe mich in deinen Wegen!“ (Vers 37), oder: „Neige mein Herz zu deinen Zeugnissen!“ (Vers 36). Denn in Wirklichkeit hat sich sein Herz längst der Habsucht und dem Wunsch nach Ansehen und Ehre zugeneigt, zu den Götzen dieser Welt (Mt 6,19–24; Kol 3,5; Heb 13,5). Weltliche Gesinnung kann nicht vermengt mit geistlicher Gesinnung einhergehen. „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“ (vgl.1. Tim 6,9f; Jak 4,4).

Die Lust der Augen, der Hochmut des Lebens, das Vertrauen auf Geld und Besitz sind letztlich nichts anderes als eine Täuschung, sie vergehen mit der Welt und ihren Dingen (Psalm 49,7.12–13). Der Psalmdichter vermied es, sich näher damit zu befassen, damit sein Herz gar keinen Anlass fand, sich dahin zu neigen (Vers 37). Wer sich so entschieden wie er von der Welt wegwendet, der darf freimütig um besseren, bleibenden Gewinn und eine werthaltige Belohnung bitten: „Bestätige deinem Knecht deine Zusage, die deiner Furcht entspricht!“ (Vers 38), denn mit Gewissheit wird der treue Gott an ihm und allen Gleichgesinnten Seine Verheißungen wahrmachen. „Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben“ (Hab 2,4). Gott hält Seine Zusage ein.

Es graute dem Psalmdichter vor der Schmach, die er wegen seines Bekenntnisses zu dem Weg nach der Heiligen Schrift zu erdulden hatte, und vor dem Hohn der Gottlosen fürchtete er sich (Vers 39; Ps 69,19–21). Doch Gott kannte seine Tragfähigkeit. Er würde Seinen Knecht nicht im Stich lassen noch ihn den Feinden preisgeben, denn seine Einstellung war vorbildlich und sein Wandel ehrte den HERRN. Sooft der Psalmist seelische Kraft und belebende Ermutigung brauchte, erwartete er sie von der Gerechtigkeit des HERRN (Vers 40). Darauf rechnete sein Glaube nicht vergeblich, denn die Güte des gerechten HERRN würde die Hingabe seines Herzens belohnen.

6. Abschnitt; Verse 41 bis 48

Diese Verse nennen notwendige Voraussetzungen dafür, dass der Gottesfürchtige die geistliche Kraft zum Standhalten und den Mut zum persönlichen Zeugnis vor den Menschen gewinnt (Vers 46). Zunächst muss er für diese Aufgaben Hilfe bei Gott suchen. Von Seiner Gnade und von Seinem stützenden Eingreifen hängt das gute Ergebnis des Vorhabens ab. Weil menschliche Mittel dazu nicht ausreichen und keine Gewähr für einen echten Erfolg sind, kann ein wirklich gutes Werk nur als Gottes Werk und als Ergebnis des Wirkens Seines Geistes zustande kommen (1. Kor 12,6–11; Phil 2,13). Ohne Ihn kann der Gläubige nichts tun und er sollte es auch nicht versuchen. Er ist darauf angewiesen, dass ‚die Gütigkeiten des HERRN über ihn kommen' (Vers 41).

Mit Gott und im Vertrauen auf die Unterstützung von oben vermag der Psalmdichter den Widersachern die rechte Antwort zu geben. Seine Seele erhält die Kraft, ihren Hohn zu ertragen (Vers 42; Mt 10,19f). „Alles vermag ich in dem, der mich kräftigt“ (Phil 4,13). Gottes Macht kann alles Hindernde beseitigen, den Widerstand brechen, den versperrten Zugang öffnen und einen gangbaren Weg bahnen. Doch wir müssen Ihm vertrauen und Ihm die Führung überlassen. Mit einem Worte aus der Heiligen Schrift selbst legt man das schlagkräftigste, inhaltsreichste Zeugnis ab. Mit Gottes Wort beantwortete auch der Herr Jesus einst die boshaften Versuchungen des Teufels. Passende Schriftworte sind den spitzfindigsten Einwürfen intelligenter Leute überlegen; sie sind ein besseres Rüstzeug als die Gelehrsamkeit (Eph 6,17).

Der Ungläubige nimmt das Wort und seine Urteile nicht ernst, deshalb vergeht er sich an dem „Wort der Wahrheit“, wenn er es für seine Zwecke in den Mund nimmt. „Zu dem Gottlosen aber spricht Gott: Was hast du meine Satzungen herzusagen und meinen Bund in deinen Mund zu nehmen?“ (Ps 50,16). Der Psalmdichter hingegen meinte es aufrichtig, wenn er das Gesetz halten wollte, er vertraute und harrte auf das Wort und schätzte es überaus (Verse 43 und 44). Schrecklich war ihm der Gedanke, dass Gott seinem Mund das Wort der Wahrheit entziehen könnte, wenn er, nachdem er anderen gepredigt hatte, selbst verwerflich geworden wäre (1. Kor 9,27). Er wollte gerne weiterhin geeignet sein, das Wort der Wahrheit zu verkünden. Darum musste das Wort in seinem Herzen wohnen und sein Verhalten prägen. Der Verstand und die Leistungsfähigkeit des Gedächtnisses können irren und rasch versiegen, nicht aber die Kraft des Heiligen Geistes. Der Dichter unterstellte sich dem Wort in jeder Hinsicht (Vers 44). Er hatte sich dem Willen Gottes unterworfen und verzichtete darauf, über sich selbst zu bestimmen. Dies machte ihn nicht traurig, er fühlte sich auch nicht beengt, sondern bewegte sich unbeschwert und fröhlich „in weitem Raum“ (Vers 45). „Für die Freiheit hat Christus uns frei gemacht“ (Gal 5,1). Gottes Wort erfreute sein Herz, und dadurch regierte Gott in seinem Leben wie selbstverständlich und auf zwanglose Weise. Weil er das Wort liebte, lagen dessen Gebote nicht wie eine Bürde auf seinem Gemüt (Verse 47 und 48; Ps 19,8–12). Mit glücklichem Herzen bekannte er sich zur Heiligkeit und Reinheit des Wortes und handelte danach. Seine auf Überzeugung beruhende kühne Haltung konnte seinem Zeugnis vor Hochgestellten nur dienlich sein. Das Wort der Wahrheit war die felsenfeste Grundlage seiner Unerschrockenheit. Sein Freimut musste selbst Könige beeindrucken (Vers 46). „Die Gerechten sind getrost wie ein junger Löwe“ (Spr 28,1; Lk 12,11). Nicht die Mächtigen dieser Welt flehte er um Gnade und Gunst an, sondern er hob seine Hände auf zu den Geboten des HERRN, die er liebte. Gottes Wort ist eine unversiegbare Kraftquelle; darüber nachzusinnen ist eine ergebnisreiche Verwendung der verfügbaren Zeit (Vers 48).

7. Abschnitt; Verse 49 bis 56

Hier wird ein Rückblick gegeben auf Zeiten des Leidens, als die Seele des Dichters der Unterstützung bedurfte, und er konnte bezeugen, die von Gott zugesagte Hilfe empfangen zu haben. In den Tagen und Nächten der Not hatte sich Gottes Wort als Führer und Helfer und als Fundort wahren Trostes bewährt. Nachdem sich die Dinge beruhigt hatten, schaute der Psalmdichter dankbar auf die hilfreiche Begleitung durch Gottes Wort in den hinter ihm liegenden Schwierigkeiten zurück. Er betrachtete den Zuspruch der Schrift als eine Belohnung dafür, dass er sich auch unter mühevollen Umständen an die Vorschriften des Wortes gehalten hatte.

In Vers 49 bittet er noch darum, dass der HERR Seiner Zusage in der für ihn schlimmen Situation entsprechen möge. Daraufhin erlebte er, dass das, was bisher nur Gegenstand seines Glaubens gewesen war, durch Gottes Güte zur Wirklichkeit wurde. Schon während des Leidens hatte die Zusage des Wortes ihm Mut gegeben und er war dadurch getröstet worden. Er hatte den Vater der Erbarmungen und Gott allen Trostes kennengelernt, der uns tröstet in all unserer Bedrängnis (Vers 50; 2. Kor 1,3f). Nicht umsonst hatte er Ihn beim Wort genommen und dessen Zusagen in festem Vertrauen auf seinen Fall bezogen. Er hatte keinen Zweifel gehabt, dass Gott Sich ihm Selbst mit Trostworten zugewandt und ihn direkt angesprochen hatte. Das hatte ihn belebt und im Glauben befestigt. Die Gottlosen hatten für sein unbewegliches Festhalten am Glauben in der nach ihrer Meinung aussichtslosen Lage nur Spott übrig. Doch im Gegensatz zu ihren lästerlichen Äußerungen hatte sich sein festes Gottvertrauen als das Richtige erwiesen. Beim Lesen von Gottes Wort hatte er viele Beweise dafür gefunden, wie treu und zuverlässig Gott die Aussagen Seines Wortes schon in alter Zeit erfüllt hatte (Vers 52; Ps 77,12f). Nicht anders würde Gott in seinem Fall handeln, weil Er ewig Derselbe ist, „bei dem keine Veränderung ist noch der Schatten eines Wechsels“ und dessen Wort in Ewigkeit bleibt, während alles andere vergeht. Diese Überzeugung hatte ihn aufgemuntert und weiter vertrauen lassen (vgl. Jak 1,17; 1. Per 1,25). Die Gottlosen verachteten das Wort, die Stimme des Höchsten; sie verspotteten den Glauben und erhoben sich über Gott und gegen Ihn. Diese Geringschätzung des Göttlichen erregte den Zorn des Psalmdichters (Vers 53). Ihre Beschämung wird groß sein, wenn sie einst vor Gott als Richter stehen werden (Vers 78; Ps 25,3). Das kommende Gericht mit ewiger Strafe wird in der Heiligen Schrift oft warnend angekündigt, es wird jeden Verächter des Wortes treffen.

Die stetige Beschäftigung mit dem Wort Gottes wurde dem Psalmdichter zum Segen. In schwerster Zeit hatten die Unterweisungen des Wortes freudiges Lob in ihm bewirkt und hatten seiner Seele festen Halt gegeben. Von Menschen allein gelassen in seiner Not, hatte die Nähe Gottes sein Herz so glücklich gemacht, dass er Lieder zu Seiner Ehre singen konnte (Verse 54.55.62; Ps 42,9; 63,6f). So wurde die belebende, ermutigende Kraft des Wortes an ihm offenbar. Von dieser Welt erwartete er nichts, sonst hätte er traurig den Kopf hängen lassen. Wenn bei Nacht Ängste aufkommen, wenn die bedrohliche Lage den Gläubigen schwer belastet und er sich hilflos schwach fühlt, braucht er Trost und Mut, damit er sich nicht den Befürchtungen überlässt. In solchen Stunden lenkte der Psalmdichter seine Gedanken auf den wunderbaren Namen des HERRN hin und hielt sich Seine Herrlichkeit vor Augen. Das sah der HERR und hatte Wohlgefallen an seiner Frömmigkeit. Er tröstet und stärkt den Gläubigen, der die Prüfungen im Vertrauen auf Ihn besteht und unter allen Umständen Seine Vorschriften bewahrt (Vers 56; Ps 4,7–9). Er gab dem Psalmdichter Frieden ins Herz und machte ihn glücklich in der Gemeinschaft mit Ihm.

8. Abschnitt; Verse 57 bis 64

In diesem Abschnitt hält der Psalmdichter innere Einkehr. Er nimmt sich Zeit zur Besinnung und überdenkt das ihm zugefallene geistliche Teil (Ps 16,5). Er denkt an seine Wege, seine Antworten auf die Lehre des Wortes und seine Verbindungen mit anderen. Er weiß, dass der HERR nach Seiner Zusage ein geistliches Erbteil als Geschenk Seiner Gnade für die bereithält, die Ihm glauben. Diese Überzeugung hatte er schon im letzten Vers des vorigen Abschnitts geäußert. Der HERR bedeutete ihm alles, neben Ihm hatte er „an nichts Lust auf der Erde“ (Ps 73,25f; Phil 3,7–11). Da konnte es nicht anders sein, als dass das Wort und der Wille des Herrn sein ganzes Herz einnahmen und sein Leben beherrschten (Vers 57). Wenn der Herr im Herzen regiert, gelingt es wie von selbst, Sein Wort zu halten und auf allerlei vermeintlich Vorteilhaftes zu verzichten (Ps 17,3–5). Das fällt auch den Leuten in der Umgebung des Gläubigen auf. Indessen sieht der Dichter sein geistliches Teil nicht als Belohnung für seine Verdienste an, sondern erbittet und empfängt es als eine Gnade des Herrn. Manchmal versucht der Teufel, auch dem Gläubigen nebenbei ein verlockendes irdisches Ziel vorzustellen, um sein Herz zumindest teilweise abzulenken, so dass es nicht mehr ungeteilt auf den Herrn und die Gemeinschaft mit Ihm ausgerichtet bleibt (Vers 58). Die wachsende Vielfalt dessen, was unser Zeitlauf zur Verfügung stellt, nimmt oft alle Sinne und jede verfügbare Stunde in Beschlag, so dass eine ruhige Besinnung unmöglich ist. Das führt zur Vernachlässigung des geistlichen Lebens. Der Psalmdichter hingegen ließ sich das himmlische Ziel, dem alle Verheißungen und Zusagen des Wortes gelten, nicht durch andere, irdische Ziele verstellen.

In Vers 59 spricht der Dichter von einer Selbstprüfung. Als Ergebnis seiner Selbstkritik erwähnt er, dass er seine Füße vermehrt den Zeugnissen des Wortes zugewandt habe. Er möchte die dort vorgegebenen Richtlinien unbedingt einhalten. Nun sollte sich niemand vor der kritischen Prüfung seiner eigenen Wege scheuen. Der Herr möchte, dass man zum Ersten die Überlegungen des eigenen Herzens und zum Zweiten jeden Schritt der täglichen Praxis im Licht des Wortes und vor Seinen Augen überdenkt, wobei das Gewissen in Übung kommen muss (Klgl 3,40; Hag 1,4–7). Um Selbstvorwürfe zu umgehen, könnte man versucht sein, das Schuldbewusstsein infolge eines falschen Weges zu verdrängen. Der Aufrichtige hingegen wird mit dem Bekennen des Verwerflichen vor dem Herrn nicht zögern, damit das Denken und Handeln wieder mit Gottes Willen übereinstimmt. Sonst müsste der Herr, um Schaden abzuwenden, gegebenenfalls züchtigend eingreifen, wie es einst bei dem unentschiedenen Lot geschah (Vers 60; 1. Mo 19,15.16). Der Psalmdichter aber zögerte nicht, sondern beeilte sich, das als richtig Erkannte in die Tat umzusetzen. Er wartete nicht ab, bis die Zeit die Eindrücke seines Gewissens verblassen ließ. Er schob auch keine Hinderungsgründe vor, sondern gehorchte dem Wort sofort. Noch weniger ließ er sich durch Bedrohung seitens der Gottlosen davon abhalten, das zu tun, was Gott wohlgefällig war. Ihr Ränkespiel und ihre Fallen konnten ihn nicht zu unbedachter Gegenwehr veranlassen und erst recht nicht vom Befolgen des Gesetzes ablenken. Er vermied es, von Gottlosen irgendwie abhängig zu werden, deshalb ging er keine bedenkliche Verbindung mit ihnen ein (Vers 61). Selbst die Mitte der Nacht bedeutete für ihn kein Hindernis, den HERRN zu preisen. Er hütete sich grundsätzlich vor falscher Beeinflussung, woher auch immer sie kommen mochte. Bei einer auf ihn zukommenden Entscheidung bedachte er, was Gottes Wort zur vorliegenden Sache sagt. Mit Dankbarkeit vergegenwärtigte er sich gerne die weisen Vorschriften und die gerechten Urteile Gottes; alles andere trat dahinter weit zurück. Es gab nichts, das ihn von dem HERRN hätte trennen können (Vers 62).

Der gottesfürchtige Dichter suchte die Gemeinschaft mit den übrigen Frommen. Mit ihnen verband ihn der Glaube an den gemeinsamen HERRN, an Sein Wort und Seine Verheißungen. Abgesondert von der Welt, stand er doch nicht allein da, sondern genoss das Miteinander der Gleichgesinnten, die einander die Hände zum Guten stärken (Vers 63; Ps 16,3; 34,3f; 50,5; 101,6; 111,1; 149,1; Mal 3,16). Die Schar der Gottesfürchtigen bildet dadurch, dass sich alle von dem einen Wort und dem einen Geist führen lassen, eine praktische geistliche Einheit. Andere Übereinkünfte oder Anpassungen sind zur Erhaltung der geistlichen Einheit nicht erforderlich, denn alle beugen sich vor dem einen Wort, dessen unbedingte Autorität alle anerkennen und dessen Vorschriften sie befolgen. Sie kennen und lieben sich als Weggefährten auf dem Weg Gottes und sind sich bewusst, dass sie für immer miteinander verbunden bleiben. Mit einer Seele und mit einem Mund loben sie Gott (Ps 22,23.24.31). Sie dienen einander zum geistlichen und zum praktischen Nutzen. Ihrer aller Teil ist der Herr. Ihr gemeinsamer Weg und ihre Liebe zueinander (vgl. Eph 1,15) sind ein lebendiges Zeugnis für den Namen des Herrn und von der einen göttlichen Wahrheit der Heiligen Schrift, die ewig unverändert bleibt und für alle gilt. Trotz des niederdrückenden Bösen in dieser Welt gehen sie getrost und in innerem Frieden den geraden Weg nach der Schrift. Sie erfreuen sich miteinander der Gnade und erblicken überall die Wirkungen der Güte Gottes, nicht zuletzt auch in der Natur, die Gott geschaffen hat und Tag für Tag erhält (Ps 33,5; 57,11f; 104,24). Der Psalmdichter hat seine Freude an der Fülle der überall sichtbaren Güte Gottes. Aber die Fülle geistlicher Belehrung findet er in der Schrift (Vers 64).

9. Abschnitt; Verse 65 bis 72

Hier bekennt der Psalmdichter, dass der Weg, den der himmlische Wegbereiter für ihn bestimmt hat, der beste und geistlich gesegnete ist. Das war ihm im Rückblick auf die hinter ihm liegende Wegstrecke mit ihren Erlebnissen klar geworden. Wenn er seinen zurückgelegten Weg mit dem Ergehen derer verglich, die Gott nicht kennen, erschien ihm die Gunst des HERRN besonders groß, denn Seine Fürsorge war in der Fügung der Ereignisse deutlich geworden. Die Erfahrung des Dichters war, „dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken“ (Röm 8,28). Gott meinte es offenbar gut mit ihm, darum rühmt er Seine Güte und Treue mit den Worten: „Du hast Gutes getan an deinem Knecht, HERR, nach deinem Wort“ (Vers 65). Er wünscht, dass der HERR Sich weiter mit ihm befasst und ihn belehrt, denn „wer ist ein Lehrer wie er?“ (Hiob 36,22). Niemand vermag das Herz für „gute Einsicht“ so erfolgreich zu öffnen wie der HERR (Vers 66). Kein Lehrbuch oder Lehrer kennt unsere persönliche Situation so genau wie Er. Niemand kann das Herz reinigen und den Sinn für das Gute wecken, die Fähigkeiten schenken und den Boden zur Aufnahme göttlicher Einsichten zubereiten wie der HERR. Unterdessen bleibt es notwendig, dass der Lernwillige nach Reinheit strebt und dass er die Autorität des Wortes anerkennt und ihm gehorcht (Verse 66 und 34; Kol 1,9–11). Eigenwilligkeit und Eitelkeit verhindern gute Einsicht. Ebenso störend wirkt das überhebliche Selbstvertrauen. Daher heißt es: „Stütze dich nicht auf deinen Verstand“ (Spr 3,5). Wer sich auf eigene Fähigkeiten verlassen hat, muss zuvor Demut lernen, ehe er so weit kommt, dass er Weisheit in Gottes Wort sucht. Die Einsichtsfähigkeit muss von dem Herrn erbeten werden (Vers 67; Jak 1,5; Jer 8,8; 9,22f). Eine von Gott unabhängige Denkweise macht rechtes Erkennen unmöglich. Dem Demütigen aber gibt der Herr Gnade und lässt ihn einsehen, dass ein wirkliches Erkennen nur mit Seiner Hilfe durch das Wort erreicht werden kann. Dazu kann eine Zeit der Züchtigung dienlich sein. Doch dabei darf jeder sicher sein, dass die Güte Gottes ihm weiterhelfen und ihn stützen will. Der Herr weiß um die Schwachheit des menschlichen Verstandes und um die Mängel und Grenzen unseres Denkvermögens. Deshalb antwortet Er in Gnade auf unser Bitten und gibt Weisheit, denn Er wünscht geistliches Wachstum (Jes 5,13; 1. Pet 2,2). Er wird das zur Verfügung stellen, was nach Seiner Weisheit der guten Entwicklung des einzelnen Gottesfürchtigen dienlich ist (Vers 68; Ps 25,5).

Gottlosigkeit kennt nur Unglauben, sie geht oft mit Stolz und Übermut einher. Dazu gesellen sich manchmal Frechheit und Verlogenheit. Nach Meinung solcher Menschen gibt es für sie weder Sünden gegen Gott noch Strafen von Gott. Dies äußerte sich im Falle des Psalmdichters in Verleumdungen, deren Bosheit ihm schwer zu schaffen machte. Doch ließ er sich dadurch nicht zu Gegenmaßnahmen aufreizen, sondern blieb entschieden und mit Gelassenheit bei seiner Haltung des Gehorsams dem Wort gegenüber (Vers 69). Sein Herz hatte sich dem Willen Gottes unterworfen, während ihr gefühlloses Herz „dick geworden ist wie Fett“ und nicht mehr aufnahmefähig war. Zurechtweisungen erreichten ihr Gewissen nicht mehr, weil sie ganz von Einbildungen und irrigen Ansichten, auch von Gier und Ichsucht eingenommen waren. Ihr Wille war für das Gute nicht mehr zu gewinnen (Vers 70; Ps 17,10; 73,7). Wenn alle Regungen des Herzens dem Eigennutz gelten, verweigert sich der Mensch den Ansprüchen Gottes und der Mitmenschen. Selbst wenn das Gewissen erwachen würde, wendet die alles beherrschende Selbstsucht, unterstützt vom Willen und Verstand, sich dagegen und vereitelt die Umkehr zum Besseren. Das unterdrückte Gewissen ist ausgeschaltet; es wird verkümmern und verrohen.

Dieser schlechten moralischen Entwicklung stellt der Psalmdichter im nächsten Vers das weise Verfahren Gottes gegenüber, das ihn durch Züchtigungen führte, um sein geistliches Wachstum zu fördern. Er lernte, den Sinn des Wortes vermehrt mit dem Herzen zu erfassen, und zu erkennen, was dem Herrn wohlgefällig ist (Vers 71; Hiob 5,17ff; Ps 94,12; Spr 3,13–18; Eph 5,10; Heb 12,5). Der starke Gegensatz zwischen dem Unwert dessen, was die Gottlosen schätzen, und dem alles übersteigenden Wert des Wortes Gottes und seiner Segnungen war ihm durch die Züchtigungen noch deutlicher geworden (Vers 72; Ps 19,8–12; Spr 8,10; 16,19f). Das Glück der Welt mochte er nicht eintauschen gegen das Glück der Gottseligkeit in der Übereinstimmung mit Gott. Dazu hatte ihm das Wort aus dem Mund Gottes verholfen. Er hatte Fortschritte in der Erkenntnis des wahrhaft Guten gemacht, und das war jetzt und für immer zu seinem Vorteil (2. Tim 3,14–17). ‚Das heilige Wort muss uns näher stehen als unsere nächsten Angehörigen, es muss uns teurer sein als unser Leben, köstlicher als unsere Freiheit, lieber als alles irdische Wohlleben‘ (John Mason, gest. 1694).

10. Abschnitt; Verse 73 bis 80

Der Psalmdichter blickt zu seinem Schöpfer auf, dem er seine Existenz verdankt, auf den er angewiesen bleibt und dem er verantwortlich ist (Vers 73). Denen, die Gott als den unendlich hoch über ihnen stehenden Schöpfer anerkennen und vor Augen haben, wird Gott Seine Liebe und Sein Erbarmen erweisen. Ihr Vertrauen wird Er nicht beschämen. Ihnen gilt Seine Aufmerksamkeit, weil sie Ihn ehren und hochschätzen, denn dadurch entsprechen sie Seiner Zielsetzung für die ganze Schöpfung. Im Gegensatz zu ihnen stehen die Hochmütigen, die Gott verleugnen und Sein Wort verachten, Ihn nicht fürchten und nicht kennen (Vers 78). Dieser grundlegende Gegensatz ist unüberbrückbar, er kennt weder Übergänge noch Halbheiten. Entweder man unterwirft sich Gott und nimmt den Verlauf des Lebens als eine Fügung Seiner Hand an, oder man geht ohne Ihn und Sein Wort einen Weg der Unabhängigkeit und Auflehnung in Gleichgültigkeit Seinen Zeugnissen gegenüber. Bei solcher Einstellung hält man sich selbst und den Ablauf des Lebens für eine Aneinanderreihung von Glücks- und Unglücksfällen.

Dem Anschein nach kann der Mensch weitgehend unabhängig handeln. Vermeintlich in Freiheit lebend, sucht ein Gott fernstehender Mensch vergebens nach dem eigentlichen Sinn seines Daseins. Ihm mangelt die Einsicht darüber, was vor ihm, nach ihm und über ihm ist. Über die ursprüngliche Herkunft der Materie und deren beeindruckend zweckmäßigen Aufbau und über den Ursprung der moralischen Werte bleibt er im Ungewissen. Der Gottesfürchtige dagegen vertraut darauf, dass die Aussagen der Heiligen Schrift über den Ursprung und den Erhalt der Schöpfung göttliche Wahrheit sind. Er weiß sich von seinem Schöpfer abhängig nach Geist, Seele und Leib und dankt Ihm für die täglich notwendigen Gaben zur Erhaltung seines Lebens. Er sieht es als Ziel und Zweck des Lebens an, vermehrte Einsicht über den Schöpfer und Sein Wort zu gewinnen. Jetzt schon möchte er noch bewusster die Gemeinschaft mit seinem Schöpfer genießen, die einst auch sein ewiges Teil sein wird. Er dankt für die Gnade, die Gott ihm gewährt, und verehrt Seinen Namen. Er erbittet, weiterhin beschenkt und noch tiefer gehend belehrt zu werden: „Deine Hände haben mich gemacht und bereitet; gib mir Einsicht, und ich will deine Gebote lernen“ (Vers 73; Ps 95,6; 100,3; Jes 64,7).

Der Psalmdichter wollte nach Gottes Willen leben und Seinen Zielsetzungen entsprechen, und so wurde er zum Werkzeug Gottes für seine Umgebung. Er kannte nichts Erfreulicheres als dieses Ziel. Die Gottesfürchtigen konnten an seinem geistlichen Wachstum das Wirken Gottes wahrnehmen. Dadurch wurden sie gestärkt und erfreut, denn Gott segnete offensichtlich das Gottvertrauen des Psalmdichters und bekundete Sein Einverständnis mit ihm (Vers 74; Ps 34,3). Der Beitrag des Dichters waren seine Demut und sein Abhängigkeitsbewusstsein von Gott; hinzukamen sein Lerneifer und sein Gehorsam dem Wort gegenüber. Seine Befähigungen waren nichts anderes als Geschenke Gottes, deren richtigen Gebrauch er Ihm schuldete. Diese Einsichten verdankte er der Demütigung, die Gott über ihn gebracht hatte (Vers 75; Heb 12,7.10). Die züchtigende Hand Gottes wurde ihm und zugleich seiner Umgebung zum Nutzen, sie hatte verhindert, dass er durch Überhebung für einen geistlichen Dienst unbrauchbar wurde. Nun konnte er weiterhin anderen zum Nutzen sein (1. Kor 11,32). Der Herr unterlässt es nicht, den Gedemütigten zu trösten (Vers 76; 2. Kor 7,6). Auf seine Beugung hin durfte der Psalmdichter gütige Zuwendung und göttlichen Trost erwarten. Daher bat er: „Lass deine Erbarmungen über mich kommen, so werde ich leben“ (Vers 77; Ps 51,13–15); denn sein Herz war lauter und rein. Die Vorschriften des Wortes waren seine Wonne, und ihnen galt sein ganzes Interesse. Die Hochmütigen dagegen, die unabhängig von Gott und Seinem Gebot ihren eigenen Willen durchsetzten, die den Dichter anfeindeten und das Recht fortwährend beugten, werden nach Gottes gerechtem Urteil keine gute Zukunft haben. Sie haben Beschämung zu erwarten und ewige Bestrafung durch den Schöpfer und Richter aller Menschen. Vor Ihm wird sich einst jeder Einzelne zu verantworten haben (Vers 78; Ps 70,3).

Als einen Beweis der Güte Gottes erbittet der Psalmdichter, dass er in Kontakt mit anderen Gottesfürchtigen kommt, damit sie einander zum Nutzen und zur gegenseitigen Ermunterung sein können. Gerne möchte er in geistlicher Gemeinschaft mit Gleichgesinnten den Weg gehen (Verse 79 und 63). Es ist hart für ein einsames Kind Gottes, niemand zu haben, mit dem es über die persönlichen Belange und über die Schrift und ihre Lehren sprechen kann. Darum ist es der Wunsch des Dichters, dass Gott ihm solche senden möge, mit denen er sich in Liebe und gegenseitiger Wertschätzung verbunden weiß und in gemeinsamem Lob Ihn rühmen kann. Es ist eine besondere Gnade Gottes, wenn Gläubigen ein glückliches Einvernehmen mit Gleichgesinnten geschenkt ist. Dann sollten sie darauf achten, dass die Gemeinschaft auf eine Gott gemäße Weise aufrechterhalten bleibt. Sie müssen damit rechnen, dass der Feind auf der Lauer liegt, um das gute Miteinander zu zerstören. Die Beteiligten tun wohl daran, sich den Worten anzuschließen: „Lass mein Herz untadelig sein in deinen Satzungen“ (Vers 80) und „Das Endziel des Gebotes aber ist: Liebe aus reinem Herzen und gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben“ (1. Tim 1,5). So können die Absichten des Feindes vereitelt werden. Niemand wird beschämt oder enttäuscht werden (Vers 80b), und die gute Ordnung wird von allen eingehalten. Doch dies beginnt im Herzen jedes Einzelnen, indem er der Aufforderung folgt: „Habe Acht auf dich selbst und auf die Lehre; beharre in diesen Dingen“ (1. Tim 4,16).

11. Abschnitt; Verse 81 bis 88

Hier schaut der Psalmdichter mit Sorge in die Zukunft. Anscheinend stand er schon länger unter äußerem Druck und erfuhr die Wahrheit der Worte: „Lang hingezogenes Harren macht das Herz krank“ (Spr 13,12; Ps 42,2–4). Wie lange wird es so weitergehen? Wird er es noch erleben, dass ihm die schwere Last abgenommen wird? Soll er in den Fallgruben der Widersacher sein Ende finden? Würde er ihren Nachstellungen nochmals entkommen können? Die Antwort auf seine Fragen überließ er Gott.

Mit Sehnsucht schaute er nach Rettung aus, aber eine Besserung seiner Lage zeichnete sich nicht ab. Trotzdem suchte er nicht Hilfe von anderer Seite, sondern verließ sich auf die Zusagen des Wortes Gottes. Seine Seele und seine Augen blieben auf den HERRN gerichtet (Verse 81 und 82). Sein Glaube brachte andere Stimmen in seinem Innern zum Schweigen, er ließ keine Überlegungen gelten, die ihn vom völligen Vertrauen hätten ablenken können. Er wollte ausharren bis zu dem Augenblick, da Gott ihm antworten und ihn trösten würde. „Wenn wir aber das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir mit Ausharren“ (Röm 8,25; Ps 130,5). Gottes Hilfsbereitschaft bezweifelte er nicht, aber er gestattete sich die Frage: „Wann wirst du mich trösten?“ (Vers 82). Der Psalmdichter fügte sich den harten Proben, die Gott auf ihn zukommen ließ (Ps 131,2). Er nahm sie willig hin, obwohl es ihm so übel erging „wie dem Schlauch im Rauch“, der unter der ständigen Einwirkung des Feuers immer unansehnlicher, ausgedörrter und schwärzer wird bis zur Unkenntlichkeit (Vers 83; Hiob 30,30). Die zweite Frage weist auf eine Zuspitzung seiner schlimmen Lage hin: „Wie viele werden der Tage deines Knechtes sein?“ (Vers 84; Ps 39,5.6). Wie viele Tage würde er noch standhalten können? Wäre es nicht an der Zeit, dass Gott das Leiden abkürzte? Gab es überhaupt noch etwas zu hoffen? In schwerem Leid kommen in uns ähnliche Fragen auf. Ständige Schmerzen können zum Hadern mit Gott verleiten und zu so großer körperlicher und seelischer Not führen, dass man mit seinem Geschick nicht mehr einverstanden ist. Obendrein wirken seelische Verstimmungen ungünstig auf die Körperfunktionen. Zudem zehrt große körperliche Schwäche derart an den Kräften der Seele, dass sogar die Fähigkeit zu beten und die Bibel zu lesen verlorengeht. Dadurch hervorgerufene innere Anfechtungen sind oft schwerwiegender als von außen kommende Versuchungen. Doch der Glaube bewährt sich darin, dass er Gott nicht misstraut und Ihn nicht durch Auflehnung verunehrt.

Gewiss vermag der Allmächtige eine Krankheit zu heilen und äußere Gefahren und Feinde wegzunehmen. Der leidende Psalmdichter wusste dies und fragte, wann der HERR sich über ihn erbarmen werde und warum Er nicht alsbald eingriff (Vers 84b). Seine Fragen betrafen die Dauer der Prüfungszeit, nicht aber deren Zweck. Er dachte nicht daran, Gottes Fürsorglichkeit in Frage zu stellen. Vielmehr lassen seine Bitten die Überzeugung erkennen, dass das Ende seiner Leidenszeit im Voraus bestimmt war und dass seine Hasser zu der von Gott festgesetzten Zeit ihre gerechte Strafe empfangen würden (2. Thes 1,6). Offenbar war sich der Fragesteller keiner Schuld bewusst. Seine Verfolger aber handelten ohne Zweifel gesetzlos, denn aus Hass und Bosheit griffen sie ihn an und ohne Grund verfolgten sie ihn (Ps 35,7). In ihrem Unglauben rechneten sie nicht mit Gott. Als Gesetzlose dachten sie nicht daran, über ihre Vergehungen Rechenschaft ablegen zu müssen (Vers 85; Ps 9,16f; Joh 15,25). Dem Bedrängten blieb nur die Zuflucht zu seinem Gott, darum rief er aus: „Hilf mir!“ (Vers 86). Die Einzelheiten seiner Not waren Gott längst bekannt und Er ließ Seinen Diener nicht aus dem Auge. Der Gott der Treue gab Seinen Knecht nicht preis, und Gottes Zusagen verdienen uneingeschränktes Vertrauen. Er stellt die Lügner bloß und wird das Verlogene und Unbegründete der Verfolgung aufdecken. Diese Überzeugung stärkte die Seele des Beters. Es gab gar keinen Grund, die Vorschriften des Wortes zu verlassen. Es mochte zwar den Anschein gehabt haben, als seien die Feinde die Sieger, aber Gott hatte verhindert, dass Sein Knecht umgebracht wurde (Vers 87); er wurde nicht „vernichtet auf der Erde (oder: im Land)“. Die Feinde dagegen hatten nichts anderes zu erwarten als Gericht und Tod, sie würden ihr Leben und ihren Besitz verlieren. Er aber wird mit allen Gottesfürchtigen für immer leben und das Land bewohnen, denn „die Aufrichtigen (oder: Rechtschaffenen) werden darin übrig bleiben; aber die Gottlosen werden aus dem Land ausgerottet werden“ (Spr 2,21.22; Ps 94,17; 124,1–7; Jer 20,10f). Neben der Neuordnung der äußeren Umstände erbittet der Psalmdichter eine belebende Wiederherstellung seiner Seele (Vers 88). Er ist zuversichtlich, dass Gottes Güte alles ersetzen wird, was ihm geraubt worden ist. Er selbst hält sich dazu verpflichtet, das Wort aus dem Munde Gottes treu zu bewahren. Ebenso ist es jedes Menschen Pflicht, sich vor Gottes Wort zu beugen und ihm zu gehorchen, weil es die absolute Wahrheit ist.

12. Abschnitt; Verse 89 bis 96

Diese Verse heben die unveränderliche Beständigkeit des Wortes Gottes hervor. Wie Er ewig ist, so ist auch Sein Wort unvergänglich und besteht ewig (Vers 89; Jes 40,8; Mt 24,35). Die Kraft des Wortes ist so herrlich groß wie Seine Macht im Himmel und in der Schöpfung. Seine Wahrheit besitzt ewige Gültigkeit und Durchsetzungskraft. Sie trägt gegenüber allem, was ihr entgegensteht, den Sieg davon. Gottes Wort ist „das Wort der Wahrheit“, und der HERR ist der „Gott der Wahrheit“, „bei dem keine Veränderung ist noch der Schatten eines Wechsels“ (Vers 43; Ps 31,6; Jak 1,17). Indem Er Sich durch die Wahrheit des Wortes und durch die Schöpfung offenbart, tritt die Herrlichkeit Seiner Vollkommenheit ans Licht. Vollkommene Treue findet sich nur bei Ihm, dem „Gott der Treue“ (Jes 65,16). Sein Handeln ist in jeder Hinsicht vollkommen, „denn alle seine Wege sind recht... gerecht und gerade ist er“ (5. Mo 32,4). Nichts ist so verlässlich wie Er und Sein Wort. Daher werden alle, die Ihm vertrauen, nicht enttäuscht werden. Nichts vermag so zu beleben wie Sein Wort, nichts anderes gibt so sicheren Halt. Nur Gott und Sein ewig bleibendes Wort retten vollkommen und für ewig (1. Pet 1,23–25). Auf dem Fundament des Wortes Gottes ruht der Glaube aller Gottesfürchtigen. Dieses Fundament ist stabiler und dauerhafter gegründet als das Sichtbare der Schöpfung es jemals sein kann. Der Glaube vertraut dem Schöpfer, der das All erhält, und der Heiligen Schrift, die Sein Wesen in herrlicher Weise offenbart.

Das Wort Gottes „steht fest in den Himmeln“ (Vers 89), es ist unerreichbar für Angriffe und Erschütterungen. Desto angestrengter versucht der Feind, es auf der Erde anzufechten und wegzunehmen (1. Mo 3,1–5; Mk 4,15). Der Psalmdichter beantwortete die feindlichen Angriffe damit, dass er mit aller Entschiedenheit an dem Wort festhielt. Er schätzte es so sehr, weil es Gottes Stimme ist, die aus dem Himmel kommend auf dieser Erde gehört wird. Der Heiligen Schrift ist keine menschliche Erkenntnis oder Weisheit beigemischt, daher entspricht sie völlig Seinem Wesen. Wahrheit und Treue sind unter den Menschen nur sehr unvollkommen vorhanden. Aber in Gott, ihrer Quelle, sind die Wahrheit und die Treue ewig unveränderlich. Verglichen mit der Vergänglichkeit des Menschen, ist „die Erde festgestellt, und sie steht“ (Vers 90; Ps 33,9; 104,5; Jes 40,26; 48,13). Ihren Bestand und die Bewahrung ihrer Ordnung verdankt sie ihrem Schöpfer. Das Ganze der Schöpfung steht Ihm ohne Ausnahme zu Diensten (Vers 91; Ps 114,3–8; Pred 3,1–8; Jer 31,35–37). Am Beispiel der Schöpfung wird die Treue Gottes sichtbar gemacht: Er erhält das von Ihm Geschaffene bis heute und weiterhin gemäß Seinen Beschlüssen, trotz des offenkundigen Verfalls. In Bezug auf alle Dinge, so auch im Hinblick auf das Geschaffene, ist Gottes Wort absolut vertrauenswürdig. Um der Treue Gottes willen vertraut der Glaubende Seiner Liebe und Macht und der Wahrheit der Verheißungen der Heiligen Schrift.

Die ordnende, Wunder wirkende Macht Gottes erkennt der Psalmdichter beim Lesen des Wortes Gottes und erfreut sich daran. Wenn das Wort nicht seine Seele gestützt hätte, dann wäre er in seinem Unglück elend umgekommen (Vers 92). Die Liebe zum Wort Gottes ist ihm zum größten Nutzen gewesen. Durch die Heilige Schrift hat er den Gott der Treue und Seine Barmherzigkeit kennengelernt. Das hat sein Durchhaltevermögen während seines Leidens gestärkt. Die Kraft und das Vertrauen, der Trost und die Ermutigung, die er dem Wort entnommen hat, haben bewirkt, dass er nicht verzweifelte. Dies blieb ihm unvergesslich. Die Vorschriften des Wortes hielt er in steter Erinnerung und schöpfte Kraft daraus (Vers 93). Er lebte in ständiger Bindung an das Wort und stellte sich in sein Licht. So wusste er sich in der Obhut des Gottes, der ihm ein treuer Helfer in jeder Not war (Vers 94; Jes 43,1–3). Darauf verließ er sich angesichts der Gottlosen, die ihm auflauerten, um ihn umzubringen. Er selbst hatte ihnen nichts entgegenzusetzen als nur seine Frömmigkeit und seinen Glauben (Vers 95).

Der Dichter wusste, dass es auf dieser Erde nirgends wirkliche Vollkommenheit geben kann, wohl aber im Himmel und im Wort Gottes, und dort fand er sie. Diese göttliche Vollkommenheit übertrifft alles Irdische, sie ist über alle Grenzen des Sichtbaren erhaben. Auf allen Gebieten menschlichen Denkens und Handelns ist Unvollkommenes verbreitet. Gottes Wort aber ist vollkommen, es reicht über alle Zeiten und Räume, über alles Vorstellbare, und über das menschliche Denken und Begreifen unendlich weit hinaus (Vers 96; Hiob 42,2–5; Apg 17,29). Die Höhe und die Tiefe der Heiligen Schrift sind nicht zu ermessen und nicht auszuschöpfen.

13. Abschnitt; Verse 97 bis 104

Der Psalmdichter rühmt weiterhin die unübertreffliche Weisheit und die Kraft der Heiligen Schrift. Denn nirgends findet sich eine so wirksame Unterweisung, die auf den rechten Weg bringt und darauf erhält, die das Unvollkommene und die Irrtümer menschlicher Erkenntnis aufdeckt und den Unterschied zwischen Gut und Böse auf vollkommene Weise herausstellt. Nichts durchleuchtet das Gewissen, das Empfinden und Denken tiefer gehend als die Heilige Schrift. Sie verdient die höchste Wertschätzung. Ihr gebührt die aufmerksame Beachtung, die einer absoluten Autorität zukommt; sie sollte Herz und Sinn völlig einnehmen. Das empfand der Psalmdichter zutiefst: „Wie liebe ich dein Gesetz! Es ist mein Sinnen den ganzen Tag“ (Vers 97; Ps 1,2; 63,6f; 112,1). Unter dem Einfluss des Heiligen Geistes, der das ganze Wort eingegeben hat, sinnt er nach über Gott Selbst und über die Art und Weise, wie Er in der Heiligen Schrift Sein Wesen, Seine Ratschlüsse und Wege, Seine Ansprüche und Seinen Willen offenbart hat. Die Liebe zum Wort Gottes beherrscht seine Neigungen, ihre Kraft ist stärker als alle übrigen Beweggründe. Diese Liebe schenkt ihm die Freude der Gemeinschaft mit Gott. Darum fällt es ihm nicht schwer, mit Ernst und Ausdauer darin zu forschen. Das macht ihn weise zum Guten, und er wächst in der Gnade und Erkenntnis des Herrn (2. Pet 3,18).

Die Verse 98 bis 100 berichten über das Vorankommen des Psalmdichters im Verständnis und in der Einsicht. Seine Fortschritte beruhten darauf, dass der Inhalt des Wortes Gottes immer mehr zum Besitz seines Herzens geworden war (Vers 98; 5. Mo 4,6f; Ps 19,8.9). Dies ergab sich daraus, dass er das Gelesene gerne im Herzen erwog, sich ihm in Demut unterwarf und dessen Unterweisungen befolgte (Lk 10,21–24). Das hatte ihn weiser gemacht als seine Feinde, verständiger als seine Lehrer und einsichtiger als die Alten, die sich in der Regel durch Erfahrung und herausragendes Wissen auszeichnen. Er hielt sich jeden Tag in der Schule Gottes auf, und der Geist Gottes belehrte ihn durch das Wort (vgl. im NT Joh 6,45; 14,26; 16,13).

Das Vorziehen anderer Lehren gegenüber der Lehre des Wortes Gottes, die Neigung zu plausiblen, von Menschen aufgestellten Lehren und zu anderen Gedanken neben denen des göttlichen Wortes, – solche Abwege kennzeichnen den, der sich nicht wie der Psalmdichter allein an das Wort Gottes hält. Lehren aus fremden Quellen sind entschieden zu meiden und mit ihnen die, die sie verbreiten (Verse 101 bis 104). „Deshalb umgürtet die Lenden eurer Gesinnung, seid nüchtern!“ (1. Pet 1,13; Ps 17,5; Spr 4,27). Der Psalmdichter ließ seine Füße nicht irgendwohin mitlaufen, sondern hielt sie von dem verkehrten Weg fern (Vers 101). Er wollte von Gott unterwiesen werden und folgte Seiner Stimme. Was von anderer Seite kam und von dem Sinn des göttlichen Wortes abwich, wies er von sich (Vers 102; Tit 2,12). Wer die Lehre des Wortes als höchste Autorität anerkennt und sich das Urteil der Schrift zu eigen macht, wird alles andere danach beurteilen (Heb 4,12; 5,14). Der fleißige Leser der Bibel entwickelt mehr und mehr ein gutes Unterscheidungsvermögen für das, was geistlich und göttliche Wahrheit ist. Den vorzüglichen Geschmack dessen, was er der Heiligen Schrift entnommen hat, wird er sich nicht durch andere verlockende Speisen verderben lassen (Vers 103); Ps 19,10b.11; Hes 3,3). „Geliebte, glaubt nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister, ob sie aus Gott sind“ (1. Joh 4,1). Die Lügenpfade hasste der Psalmdichter, weil sie im Widerspruch zu dem Wort der Wahrheit stehen (Vers 104); sie lassen eine Abweichung von den Vorschriften Gottes fälschlich als gangbaren Weg erscheinen, der die Menschen, die ihnen vertrauen, ins Verderben führt.

14. Abschnitt; Verse 105 bis 112

Die hier zusammengestellten Verse beginnen mit einem Satz, der wie ein Bekenntnis oder wie ein Gelöbnis klingt: „Dein Wort ist Leuchte meinem Fuß und Licht für meinen Pfad“ (Vers 105). Vor dem Psalmdichter lag allem Anschein nach eine dunkle Wegstrecke. Er benötigte Licht, um nicht blindlings ins Dunkle hineinzutappen. Mit Gottes Wort hatte er das Licht in Händen, das jede Finsternis erhellt. So war er den vor ihm liegenden Gefahren nicht ausgeliefert. „Denn du lässt meine Leuchte scheinen; der HERR, mein Gott, erhellt meine Finsternis“ (Ps 18,29). Der Herr Jesus sagt: „Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben“ (Joh 8,12). Wem Licht mangelt und wer Einsicht und Erkenntnis braucht, der ziehe das Wort Gottes zu Rate, handle nach dessen Anweisung und bleibe in der Nachfolge des Herrn. Dann wird die Furcht vor der Dunkelheit weichen und der zu beschreitende Weg wird klar werden. Das Vertrauen auf die Zusagen des Wortes und das Erleben der Gemeinschaft mit dem Herrn werden die innere Kraft für die notwendigen Schritte geben.

Das Licht der Heiligen Schrift kommt vom Himmel, von Gott Selbst. Das Wort Gottes taucht jede Art von Vorgängen in dieser Zeit und Welt in helles Licht, es umfasst und durchdringt alles, ihm entgeht nichts (2. Pet 1,19). Wer diesem Licht mit ganzem Herzen folgt und es sich zu eigen macht, der entgeht dem Dunkel dieser Welt, er ist auf dem Weg des Lebens ins Licht der Ewigkeit (Ps 36,10; 56,14; 2. Kor 4,6). Um zu dem göttlichen Licht zu kommen und zu den Erkenntnissen, die es vermittelt, muss sich der Suchende vor Gott beugen und Seine heiligen Ansprüche in Ehrfurcht und Gehorsam anerkennen (Spr 6,23). Deswegen hat der Psalmdichter geschworen, die Rechte der Gerechtigkeit Gottes beachten zu wollen (Vers 106; Ps 97,11). Wer überzeugt ist, dass das Wort Gottes allen anderen Quellen der Erkenntnis überlegen ist, wird sich immer wieder bewusst in sein Licht begeben. Der Weg im Licht Gottes schützt vor der Gefahr des Abirrens. „Hinschauend auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens“ (Heb 12,2), und demütig angesichts der eigenen Schwachheit halten die „Söhne des Lichts“ (1. Thes 5,5) diesen Weg ein und werden „das Licht des Lebens haben“ (Joh 8,12).

Ein guter Vorsatz wird irgendwann auf die Probe gestellt werden. Im Falle des Psalmdichters geschah dies offenbar durch eine schwere Prüfung, die ihn „über die Maßen gebeugt“ hatte (Vers 107). Da sah er sich darauf angewiesen, dass die Kraft von oben ihn wieder aufrichtete und neu belebte. Wenn eigene Anstrengungen versagen, helfen die Tröstungen und Stärkungen durch Gottes Wort und seine Lichtstrahlen weisen den Weg durch das Tal des Todesschattens (Ps 23,4); sie bewahren vor dem Abgleiten und machen auf drohende Gefahren aufmerksam. Der Psalmdichter versäumte nicht, diese Hilfe zu nutzen, und wurde nicht enttäuscht. Unter großer Belastung vergaß er nicht, seinem Gott freiwillige Opfer des Lobes zu bringen. Auch bei höchster Beanspruchung der Seele und seiner Sinne hatte er Zeit für die Belehrung durch das Wort (Vers 108). Er stellte sich den Erprobungen und durchschritt die Schwierigkeiten, ohne sie leugnen zu wollen oder sie abzulehnen. Die Ergebung in den Willen Gottes gestattete es ihm, die rechten Bitten und angenehme Opfer des Lobes vor den HERRN zu bringen (Heb 12,6.10.11).

In Vers 109 legt der Dichter dem HERRN vor, dass er in ständiger Lebensgefahr war. Doch wollte er nicht eine selbst gewählte oder gar unrechtmäßige Fluchtmöglichkeit benutzen, wohl aber den Ausweg, den der HERR ihm zeigte und der dem Gesetz entsprach. Obwohl er aufs Äußerste bedrängt war und in Gefahr stand, in der Schlinge der Feinde gefangen zu werden, ließ er sich durch nichts anderes als die göttlichen Vorschriften lenken. Er wusste, dass eine echte Verbindung mit Gott nur in unterwürfiger Haltung gepflegt werden kann (Vers 110; Ps 141,9; Dan 6,8ff). Satan, der größte Feind, sucht den Gläubigen durch listig in den Weg gelegte Schlingen zu Fall zu bringen, zum einen durch sündiges Begehren sowie durch Hochmut und Eitelkeit und zum anderen durch falsche, selbst gewählte Wege. Aber das Wort bewahrt den, der sich bewusst in dem göttlichen Licht bewegt, vor dem Abweichen vom Weg der Reinheit und der Wahrheit und geleitet ihn sicher zum Ziel. Der Psalmdichter hatte sich die Zeugnisse der Schrift „als Erbteil genommen auf ewig“ (Vers 111). Er hatte sein Herz geneigt, diese „Satzungen zu tun auf ewig, bis ans Ende“ (Vers 112). Der unvergängliche Schatz des Wortes war das Beste und Wertvollste, das er besaß, und niemand konnte es ihm wegnehmen. Diesen persönlichen Besitz würde er mitnehmen in die Ewigkeit als einen Reichtum, den nichts verändern oder beeinträchtigen kann. Zudem enthält die Heilige Schrift in vielen Verheißungen feste Zusagen über das, was zu dem ewigen Besitz des wahren Gläubigen gehört.

15. Abschnitt; Verse 113 bis 120

Diese Verse sprechen über die Absonderung von allem Unrecht. Die ersten drei Verse heben die entschiedene Einstellung des Gläubigen hervor, der sich von solchen, die es nicht so genau nehmen, und von Übeltätern innerlich und äußerlich trennt. In den beiden nächsten Versen erbittet der Gläubige dazu die Unterstützung Gottes. In den drei letzten Versen wird deutlich, auf welch eine durchgreifende, sehr zu fürchtende Weise Gott in der kommenden Endzeit durch Gerichtsschläge und Strafurteile die ewige Trennung der Gottlosen und des Bösen von den Gottesfürchtigen herbeiführen wird.

Die Hingabe des Psalmdichters an Gott war vollständig, er unterwarf sich ganz der Führung durch das Wort. Redlichkeit und eine aufrichtige Liebe zu Gottes Gesetz bewirkten, dass er die Doppelherzigen hasste (Vers 113), die heute zur Frömmigkeit und morgen zu ganz anderen Anschauungen neigen, weil ihr Herz nicht wirklich dem Herrn gehört. Sie schwanken zwischen echtem Glauben und dem Vernunftglauben, zwischen Schöpfungsglaube und Evolutionslehre, zwischen Christentum und Heidentum, zwischen Fleisch und Geist, zwischen Freundschaft mit der Welt und Freundschaft mit wahren Gläubigen, zwischen den Erkenntnissen der Heiligen Schrift und menschlicher Weisheit. In Wirklichkeit besitzen sie überhaupt keine klare Überzeugung. Daher werden sie von jedem Wind der Lehre hin und her geworfen und umhergetrieben (1. Kön 18,21; 2. Kön 17,41; Ps 12,3; Lk 11,23; Eph 4,14; Jak 1,8). Sie hinken auf beiden Seiten und kennzeichnen sich durch eifrige Bemühungen, Verbindendes zwischen nicht zu vereinbarenden Gegensätzen zu finden. Vergebens suchen sie gleichzeitig auf zweierlei Wegen zu gehen und zwei ganz verschiedenen Herren zu dienen (Mt 6,24). Im Grunde folgen sie ihrem Eigenwillen. Doch Wankelmut ist alles andere als Glaube. Wahrer Glaube zweifelt nicht, er strebt nicht zwei verschiedenen Zielen zu. Solches Verhalten ist zwiespältig, unstet und als Folge des schwankenden Standpunkts oft heuchlerisch (Jak 1,8; 4,8f). Auf die Probe gestellt, unterliegen sie der Gefahr, unredlich zu werden und den bequemsten Weg einzuschlagen. Wenn er auch nur einige Schritte den falschen Weg mitgehen würde, dann hätte er sich der Abweichung vom Weg der Wahrheit schuldig gemacht. Außerdem würde er Gott verunehren, Sein Wort missachten und Mitgläubige verunsichern. Für ihn kam nichts anderes in Frage, als alle Hoffnung auf das Wort zu setzen und nahe bei Gott, seinem Bergungsort und Schild, zu bleiben (Vers 114). „Durch Gottes Macht durch Glauben“ wollte er bewahrt werden zur Errettung (1. Pet 1,5; Ps 3,4). Wenn er in Wahrheit Gott liebte, Seine Gebote bewahren und Seine Nähe genießen wollte, dann hatte er von den Unredlichen und Unentschiedenen Abstand zu halten (Vers 115; Ps 6,9; 26,5; 139,21).

Nur mit einem Herzen, das ganz auf Gott und Sein Wort ausgerichtet war, konnte der Psalmdichter auf die Unterstützung nach Gottes Zusagen rechnen. Dies erbat und erhoffte er, als er sich in Gefahr sah (Vers 116), denn „er ist ein Schild denen, die in Lauterkeit wandeln, indem er die Pfade des Rechts behütet und den Weg seiner Frommen bewahrt“ (Spr 2,7.8; Ps 25,3). Der Dichter bat um Rettung und um Kraft für den weiteren Weg (Vers 117; Ps 73,23f; Jes 41,13). Nur die Hilfe von oben vermochte ihn sicherzustellen. Als schwacher Mensch fürchtete er die auf ihn zukommenden Schwierigkeiten. Doch die Macht des HERRN war da, um ihn zu retten. Seine Barmherzigkeit wird ihn nicht vernachlässigen, und zu seinem Glauben wird Er sich bekennen. Dagegen wird Er die verwerfen, die von Seinen Satzungen abgeirrt sind und in ihrem Lebenswandel Lügen und Betrügereien der Wahrheit vorgezogen haben (Vers 118).

Der Psalmdichter liebte Seine Zeugnisse (Vers 119). Die Gottlosen hingegen wird Gott von der Erde wegnehmen. Dass sie nach Seinem Urteil nicht höher bewertet werden als Schlacken, ist die Folge ihrer Versündigung, durch die sie sich selbst entwertet und entwürdigt haben (Hes 22,18; Mt 13,41f.49f). Mit ihrer Wegnahme von der Erde wird der Gerechtigkeit und Heiligkeit Gottes Genüge getan. Dies geschieht beim Vollzug der in der Heiligen Schrift angekündigten Gerichte über das Böse und alle Gottlosen. Vor dem Schrecklichen der kommenden Gerichtsschläge und der ewigen Bestrafung der Sünder schauderte es den Psalmdichter (Vers 120; Hab 3,16). An seinem Entsetzen wird deutlich, wie gut er die Schrift verstanden hatte und wie richtig er die Heiligkeit Gottes einschätzte. Er konnte sich vorstellen, welch einem furchtbaren Gericht er infolge der Barmherzigkeit Gottes entkommen war, und was für eine wunderbare Rettung das Wort in ihm bewirkt hatte. Die richtige Einschätzung dieser Zuwendungen Gottes bewies, dass seine Gottesfurcht echt war. „Wer erkennt die Stärke deines Zorns und, deiner Furcht gemäß, deinen Grimm?“ (Ps 90,11). Auf dem Weg mit Gott und im ständigen Umgang mit Seinem Wort hatte der Psalmdichter gelernt, mit wem er es zu tun hatte (2. Mo 24,17; 2. Kor 5,11; Heb 4,13; 12,29).

16. Abschnitt; Verse 121 bis 128

Der Psalmdichter möchte die Nähe Gottes und die Gemeinschaft mit Ihm noch deutlicher erfahren. Er wünscht, dass das enge Verhältnis zwischen ihm und Gott vermehrt sichtbar und sozusagen greifbar wird durch die Rettung aus den augenblicklichen Nöten, vor allem aber darin, dass er die Barmherzigkeit und die Treue Gottes erlebt. Er möchte sich an der Offenbarung Seines herrlichen Wesens erfreuen und im Glauben gestärkt werden. Es soll offenkundig werden, dass er für Gott ist und Gott für ihn. Er sehnt die Beweise Seiner Liebe herbei als Antwort auf die Liebe zu Seinen Geboten. Sein Nachsinnen galt den göttlichen Dingen, deshalb durfte er auf Gottes Eingreifen zu seinen Gunsten rechnen. Auf diese Gegenseitigkeit in der Gemeinschaft mit Gott vertraute der Dichter. Der Unterschied zwischen seiner Grundhaltung und der seiner Gegner trat in seinem ganzen Leben ans Licht. Je mehr sie ihn angriffen, desto mehr suchte er die Anlehnung an seinen Gott und erwartete Seine Hilfe, denn Gott würde Sich zu Seinem Knecht bekennen.

Der Dichter wünschte, dass seine Lebensführung ein Ausdruck davon war, dass er die Gerechtigkeit Gottes liebte. Er konnte für sich in Anspruch nehmen, dass er „Recht und Gerechtigkeit geübt“ hatte (Vers 121). Sein Herz verurteilte ihn nicht, darum hatte er „Freimütigkeit zu Gott“ und war sicher, das von Ihm Erbetene zu empfangen (1. Joh 3,21f). Gott würde Sich weit eher ihm zuwenden als denen, die ihn bedrückten und Gottes Ansprüche von sich wiesen. Gott kannte Seinen Knecht und liebte ihn. Aber von denen, die von Ihm nichts wissen wollten, wandte Gott sich weg und überließ sie ihrem Schicksal. Zu Recht durfte der Psalmdichter erwarten, dass Gott seine Interessen vertrat und Bürge für ihn wurde, so dass seine Zukunft für immer gesichert war (Vers 122; Hiob 17,3f; Jes 38,14). Er stand den Feinden nicht allein gegenüber, denn Gott würde für sein Wohlergehen einstehen. Als Knecht durfte er sich auf sein Abhängigkeitsverhältnis Gott gegenüber berufen. Es ging ihm dabei zwar um die Rettung, aber er verlangte ebenso sehr danach, dass die göttliche Gerechtigkeit hervortrat. Beim Urteilsspruch wird Gott Seiner Gerechtigkeit gemäß vorgehen, und nichts anderes erwartete Sein Knecht, als er von der „Zusage deiner Gerechtigkeit“ sprach (Vers 123). Ganz sicher würde Gott immer Sich Selbst treu bleiben und Seinem unveränderlichen Wesen gemäß handeln. Zugleich wird Er auch Seiner Güte entsprechend wirken und das ganze Geschehen zum Besten Seines geprüften Knechtes dienen lassen (Vers 124; Ps 34,9; 109,21). Es war der Wunsch des Psalmdichters, durch das Wort Gottes und durch Sein Handeln belehrt zu werden. Er strebte nach mehr Einsicht, um in der Erkenntnis Gottes zuzunehmen (Phil 3,10; Jer 9,23; Hosea 6,3) und Seine Wege zu verstehen (Vers 125; Hos 14,10; Röm 11,33).

Wenn auf der Erde im Lauf der Zeiten das Böse überhandnimmt, schreitet Gott mit Gericht ein (1. Mo 6,5–12; 11,6f; 18,20). Die Zeit zum Handeln ist gekommen, wenn die Rebellion gegen Ihn das Höchstmaß erreicht hat: „Sie haben dein Gesetz gebrochen“ (Vers 126; Ps 21,9–14; Jes 59,14–18; 64,1–4; Jer 6,15). Dann werden die Bewohner der Erde durch bis dahin nicht gekannte Gerichtsschläge zu der Erkenntnis gezwungen, „dass die Himmel herrschen“ (Jes 26,9b–11). Die Furchtbarkeit der göttlichen Autorität wird hierbei ans Licht treten. Die vergangene Geschichte der Völker kennt bereits außergewöhnlich harte Gerichtschläge von Seiten Gottes; sie beschränkten sich jedoch bisher auf einzelne Völker und auf zeitlich begrenzte Ereignisse, außer bei der Sintflut und bei der Sprachverwirrung zu Babel. Das zukünftige Endgericht hingegen setzt dem jetzigen Zeitlauf der ganzen Welt ein Ende, denn es erfasst die gesamte Menschheit (Off 14,6.7). Zur Zeit des Psalmisten haben offenbar so üble Zustände im Land geherrscht, dass das Einschreiten Gottes notwendig wurde. Für solche, die in der Zukunft in Israel den Messias erwarten, wird das weltweite Überhandnehmen des Bösen das Zeichen sein, dass das Gericht Gottes nahe bevorsteht. Die Gläubigen aus Israel wissen dann, dass ihre Rettung nahe herangerückt ist (Mt 24,8).

Der Psalmdichter liebte die göttlichen Gebote mehr als gediegenes Gold (Vers 127). Daher hatte er ein klares Urteil über den damaligen Tiefstand moralischer Verworfenheit. Seit jeher beurteilt die Heilige Schrift die Wege der Menschen (Pred 12,14; Spr 24,12). Nur Gott kann darüber befinden, wie lange die Verachtung Seines Wortes noch währen darf. Wer sich für Ihn und Seinen Heilsweg entscheidet und seine Schuld vor Gott bekennt, weil er alle göttlichen „Vorschriften in allem für recht“ hält (Vers 128), empfängt die Vergebung seiner Sünden. Der Psalmdichter hasste jeden Lügenpfad und alle Falschheit, die den Weg Satans kennzeichnen. Der Autorität des Wortes Gottes ist nichts auf der Erde gleichzusetzen. Seine Botschaft ist der Inbegriff des Guten. Es ist die Stimme des höchsten Richters und der Ausdruck Seiner Gerechtigkeit. Seine göttliche Autorität gilt gegenüber jedem Menschen, sie ist der einzig vollkommene Maßstab.

17. Abschnitt; 129 bis 136

In Vers 18 dieses Psalms äußert der Dichter die Bitte: „Öffne meine Augen, damit ich Wunder schaue in deinem Gesetz“. Der HERR hatte dem Psalmdichter die Augen geöffnet, und der Dichter hatte die Wunder Gottes betrachtet. Was er dabei kennengelernt hatte, bewegte ihn aufs Tiefste, so dass er hier ausruft: „Wunderbar sind deine Zeugnisse, darum bewahrt sie meine Seele“ (Vers 129). Vor seiner Seele standen nun die wunderbaren, alle Vorstellung übersteigenden Offenbarungen des Wortes Gottes. Ihn überwältigte die Größe dieses Geschenkes der Gnade, das Gott denen aufschließt, die Seinen Namen lieben. Der HERR hatte ihn in Sein wunderbares Licht geführt (vgl. im NT 1. Pet 2,9). Dass so viele Menschen die Wahrheit und die Wunder der Heiligen Schrift missachteten, war ihm unverständlich und betrübte ihn sehr.

Die Zeugnisse des Wortes hatten nicht nur seinen Verstand interessiert und sein Wissen bereichert, sondern sie waren ins Innerste seines Herzens und seiner Seele eingedrungen und dort bewahrte er sie (Vers 129). Das Wort Gottes birgt eine Fülle von Wundern, sowohl dem Wesen nach als auch in seinen Wirkungen. Den Gottlosen und Hochmütigen bleibt die alles überragende Bedeutung der Heiligen Schrift verschlossen. Sein Licht und seine Weisheit sind für viele der Weisen und Verständigen dieser Welt nur Torheit. Deshalb gefiel es Gott, die Weisheit Seines Wortes Unmündigen zu offenbaren (1. Kor 1,20–25). Ihnen, den demütigen, schlichten Leuten, die nichts Großes von sich halten, erschließt er den Sinn und den Wert Seiner Worte, die die Wahrheit über Seinen Willen und Seine Wege verkünden (Vers 130). In der Seele solcher, deren Herz für die göttliche Weisheit und ewige Wahrheit offensteht, wird es hell. Sie kommen zu gottgemäßer Einsicht, weil sie von Gott belehrt sind.

Das Herz des Psalmdichters strebte nach geistlichem Gewinn. Er wollte die Segnungen des Wortes unbedingt in sich aufnehmen. Deshalb vergleicht er seinen Eifer mit dem gierigen Trinken eines fast Verdursteten (Vers 131; Ps 42,2.3).Hier handelt es sich um einen Gläubigen, aber auf ähnliche Weise vollzieht sich die Rettung eines sündigen Menschen, wenn er erkennt und bekennt, dass er dem ewigen Tod und Gericht verfallen ist, und das Heil in dem Herrn Jesus annimmt. Dazu bedarf es des Verlangens nach dem Wort des Heils. Der geistliche Durst des Psalmisten war groß, denn er liebte Gott und Sein Wort über alles. Indessen hing sein geistlicher Fortschritt nicht von seinen Fähigkeiten ab, sondern vor allem von der Hilfe Gottes. Deshalb erbittet er in Vers 132 Seine Gnade. In der Kühnheit des Glaubens berief er sich auf Gottes Zusagen an alle, die Seinen Namen lieben, denn Gott „zieht seine Augen nicht ab von dem Gerechten“ (Hiob 36,7). Da er auf dem Weg der Gerechten wandeln wollte, konnte er Gott beim Wort nehmen. Er hatte die aufrichtige Bitte: „Befestige meine Schritte in deinem Wort, und lass kein Unrecht über mich herrschen!“ (Vers 133; Ps 19,14; Röm 6,12). Als ein Gläubiger wollte er keineswegs wieder von der Sünde beherrscht werden. Der Herr Jesus sagt: „Jeder, der die Sünde tut, ist der Sünde Knecht“ (Joh 8,34). Daher ist es wichtig, dass der Gläubige mit jedem Schritt „auf dem Pfad der Gerechtigkeit, mitten auf den Steigen des Rechts“ bleibt (Spr 8,20) und in der Nachfolge des Herrn verharrt (Ps 17,5).

Der Psalmdichter bat um Befreiung von den Anfeindungen der Menschen. Er möchte aus dieser bedrückenden Situation erlöst werden, die offenbar seine Seele belastete (Vers 134). Ständig ungerechte Machenschaften ertragen zu müssen, hätte ihn schließlich noch zu eigenwilliger, falscher Gegenwehr verleiten können. Dies aber stand im Widerspruch zu seinem Vorsatz, die Vorschriften des Wortes zu befolgen. Zur Selbsthilfe mochte er nicht greifen. Er war sicher, dass Gott seine Umstände kannte. Der Herr weiß, was den Gottesfürchtigen bedrückt, ehe er Ihn bittet. Er wird ihn nicht seinem Elend überlassen. Der Dichter bittet den Herrn, Sein Angesicht über ihm, Seinem Knecht, leuchten zu lassen und ihn wieder Gutes sehen zu lassen (Vers 135; Ps 4,7; 31,17; 43,3); denn durch äußere Not kann es in der Seele recht dunkel werden. Nachdem mit Gottes Hilfe die dunkle Wegstrecke überwunden und eine Besserung der Umstände eingetreten ist, bewirkt die erwiesene Güte Lob und Dank zu Gottes Ehre. Die Empfindsamkeit der Seele des Dichters zeigte sich in der Liebe zu seinen Nächsten. Er sah, dass sie nicht glücklich waren und dennoch bei ihrer Gleichgültigkeit und auf dem falschen Weg blieben. Ihre Verblendung und ihr Hinwanken zum Verderben schmerzten ihn (Vers 136). Auch der Herr Jesus weinte darüber, dass die Stadt Jerusalem Seine Rettung verwarf und dadurch zugleich das ablehnte, was zum Frieden der Stadt gedient hätte. Und sehr bald nach der Verwerfung Jesu Christi zog ihr Fehlverhalten ein furchtbares Strafgericht nach sich (Lk 19,41–44).

18. Abschnitt; Verse 137 bis 144

Dieser Abschnitt spricht von der unveränderlichen Gerechtigkeit Gottes. „Seine Gerechtigkeit besteht ewig“ (Ps 111,3). Sie wird im Alten Testament auf vielfältige Weise sichtbar: in Seiner Bundestreue und in den Verordnungen des Gesetzes, in Gottes Wegen und Entscheidungen, in den Strafgerichten und in allem Weiteren, was die Heilige Schrift über Gott und Sein Handeln sagt. Im Neuen Testament wird Gottes Gerechtigkeit im Evangelium offenbart, sie ist eine rechtfertigende Gerechtigkeit. Sie wird erlangt durch den Glauben und hat als Grundlage das Opfer und das vergossene Blut Jesu Christi. Sie ist immer in Übereinstimmung mit allen Strahlen der Herrlichkeit Gottes, so auch mit Seiner Heiligkeit und Wahrheit. Als das gerechte Handeln Gottes zur Wahrung Seines heiligen Wesens tritt die göttliche Gerechtigkeit gegen die Sünde auf. Der Gerechtigkeit Gottes ist es unmöglich, jemals einer Sünde gegenüber gleichgültig und untätig zu bleiben. Sie übersieht das Böse niemals und schwächt es nicht ab. Die Sünde verstößt immer gegen Gottes Willen, welcher stets gerecht ist. Alle Menschen sind der Gerechtigkeit Gottes gegenüber zur absoluten Anerkennung verpflichtet. Nur das, was Seiner Gerechtigkeit entspricht, kann in Gottes heilige Nähe kommen. Die Heilige Schrift fordert von den Menschen, sich an Sein Gesetz und an die Regeln der göttlichen Gerechtigkeit zu halten und gerecht miteinander umzugehen.

Gott bestimmt, was als gerecht zu gelten hat. Von Ihm und von Seinem Sohn Jesus Christus kann uneingeschränkt gesagt werden: „Gerecht bist du, HERR, und gerade sind deine Gerichte“ (Vers 137; Esra 9,15; Ps 97,2; 116,5; Jes 53,11; Lk 23,47; 1. Pet 3,18; Off 19,2). Nur auf Ihn trifft zu, dass alle Seine Urteile, Fügungen und Entscheidungen gerade und richtig sind (5. Mo 32,4; Ps 92,16; Joh 5,30). Nachdem der Dichter Feststellungen über Gott Selbst getroffen hat, spricht er im folgenden Vers 138 von Gottes geschriebenem Wort, von Seinen Zeugnissen und Geboten, und macht darauf aufmerksam, dass diese sowohl dem Handeln Gottes entsprechen als auch Seinem Wesen. Gott verlangt, dass man ihnen gehorcht. Unterlässt man es, dann missachtet man Ihn Selbst, Seinen Willen und Seine Eigenschaften. Darauf wird Er Seinem heiligen Wesen gemäß mit Strenge antworten. Die überall wahrzunehmende Verachtung des Göttlichen empörte den Psalmdichter und ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Mit derart brennendem Eifer verfolgte er die Absichten Seines HERRN und verteidigte Seine Ehre (Vers 139; Ps 69,10; Joh 2,17). Vermehrte Feindschaft von Seiten seiner Widersacher nahm er dabei in Kauf, wie einst auch der Herr Jesus den Hass der Menschen auf Sich nahm. Die Grundlage für sein mutiges Vorgehen fand der Dichter in dem reinen, heiligen Wort, das er liebte und vor dem er sich beugte, dem er auch in Lauterkeit und im Vertrauen auf den Allmächtigen folgte (Vers 140). Innerlich war er so gefestigt, dass es ihn nicht aus der Bahn warf, wenn seine Umgebung seine fromme Haltung nicht verstand und ihn herabsetzend behandelte (Vers 141; Jer 20,8). Trotz des Spottes blieb er bei seinem Gehorsam dem Wort gegenüber.

Die Verfolgungen und der Hohn waren eine vorübergehende Sache, obgleich sie dem Psalmdichter Angst und Not bereiteten. Aber das geistliche Eigentum, das er durch die Heilige Schrift besaß, verband ihn mit Gott, es war ein ewiges Teil, das von Gott kam und Gott weiterhin gehörte. Der Dichter hatte darin eine ewige Gerechtigkeit und die ewige Wahrheit gefunden. Dieser wertvolle Besitz konnte ihm nie wieder genommen werden (Verse 142 und 143). Die ihm übel Gesonnenen, die seine Einstellung belächelten, kannten den ewigen Gott nicht. Demgegenüber vermag die Anerkennung der Wahrheit des Wortes Gottes und des Heils in Christus durchgreifende Hilfe zu schaffen. Gott gibt heute jedem, der Seinem Wort glaubt, eine ewig gültige Gerechtigkeit in dem Herrn Jesus Christus und mit Ihm das ewige Leben. Denn Christus ist „der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Gottes Gerechtigkeit wird sich am Ende dieses Zeitlaufs darin offenbaren, dass sie jeden, der Seine Zeugnisse geringgeschätzt hat, in das ewige Gericht bringt. Gott hat dies in der Heiligen Schrift, dem Wort der Wahrheit, angekündigt (Vers 144). Der Einsichtige, der seine Schuld vor Gott bekennt und das in dem Gekreuzigten angebotene Heil ergreift, wird leben und nicht ins Gericht kommen (Joh 5,24).

19. Abschnitt; Verse 145 bis 152

Aus großer Not ruft der Psalmdichter zu Gott. Sein Vertrauen auf die Hilfe von oben gründet sich auf die ewig feststehenden Zeugnisse des Wortes. Sein Trost ist insbesondere die Nähe des HERRN. Das Nachsinnen über die Heilige Schrift lenkt ihn ab von der Beschäftigung mit den Plänen von Widersachern. Er gibt sich nicht verdrießlichem Grübeln über Bosheiten hin. Vielmehr nutzt er die verfügbare Zeit, um die Nähe des HERRN zu suchen. Die Gemeinschaft mit Ihm und das Lesen des Wortes machen ihn wieder zuversichtlich und geben ihm die seelische Kraft für jeden Tag. So überwindet er seine Ängste und die Sorge im Hinblick auf die Bedrohungen.

Der Dichter lebte in bewusster Abhängigkeit von der Gnade und Hilfe Gottes. In seiner Niedergeschlagenheit wandte er sich an Ihn und hoffte auf Erhörung (Verse 145 und 146; Jak 1,6; 1. Pet 5,10). Der Zweck seines Lebens war, Gott zu dienen und Ihn durch sein Verhalten zu ehren. Seine Gedanken blieben nicht bei der augenblicklichen Lage stehen. Er wünschte vor allem, auf Gottes Wegen nach Seinem Wort zu bleiben. Die Befürchtungen, die er hegte, sollten ihn nicht aus der Bahn werfen. Im Gebet und durch sein Nachsinnen über das Wort pflegte er praktischen Umgang mit Gott. Dies wurde ihm zur Quelle der Hoffnung und gab ihm neuen Mut. Für das Wort und das Gebet nahm er sich hinreichend Zeit (Verse 147 und 148; Ps 57,9; 63,2.7; Mk 1,35). Wenn sich die Schwachheit des Körpers meldete und seine Augen müde wurden, dann ließ er sich dadurch nicht vom Einhalten seiner Vorsätze abbringen. Selbstdisziplin hatte sein Inneres gefestigt. Dabei war er sich bewusst, dass seine Festigkeit von der Güte des HERRN abhing. Zu Ihm nahm er Zuflucht und bat Ihn um Kräftigung. Nur der HERR konnte ihn aufrichten und seine Widerstandskraft gegenüber den Anfechtungen erhalten. Er war sicher, dass der HERR wie ein bewährter Freund zu seinen Gunsten eingreifen würde. Doch die Besserung seiner Lage sollte und konnte nur nach Gottes Willen geschehen (Vers 149).

Offenbar hatten sich die äußeren Umstände des Psalmdichters verschlechtert. Böse Pläne von Feinden schienen nahe vor der Ausführung zu stehen (Vers 150; Ps 10,8; 22,12). Wenn deren Sieg auch nahe schien, so waren sie dennoch im Nachteil, weil sie Gott und dem göttlichen Gesetz fernstanden. Ihm aber war der Allmächtige nahe (Vers 151). Darauf vertraute der Psalmdichter. Die auf ihn eindringenden Wellen der Schicksalsschläge konnten ihm den Glauben nicht wegnehmen. Noch weniger konnten sie dem Felsen etwas anhaben, auf dem er stand (Ps 27,5; 40,3b). Als ringsumher alles zu wanken schien, hielt er daran fest, dass der HERR der Fels ist, an dem sich alle Wogen brechen. Die Sturmflut der ihn bedrängenden Ereignisse konnte ihm nicht schaden (Ps 27,2.3; 73,28). Jetzt bewährte sich, dass sein Glaube in dem ewigen Wort Gottes fest gegründet war. Den göttlichen Willen stellte er allem anderen voran. Die Feinde dagegen handelten in Auflehnung gegen Gott. Das war der für die Auseinandersetzung entscheidende Tatbestand. Der Dichter verharrte bei seiner Überzeugung: „Du bist nahe, HERR; und alle deine Gebote sind Wahrheit“ (Vers 151; Ps 85,10; Jes 50,8; Phil 4,5b.6). Die Gegenwart des HERRN wurde von den Feinden genauso geleugnet wie die Wahrheit des heiligen Wortes. Darum würde der HERR zugunsten Seines Knechtes vor aller Augen sichtbar machen, dass Er gegenwärtig ist und dass die Heilige Schrift die Wahrheit sagt.

Ewig fest steht die Wahrheit des Wortes Gottes (Vers 152 und Vers 89); es bildet ein ewig fest gegründetes Fundament für jeden, der ihm vertraut und darauf baut. Die Zeugnisse Seines Wortes gründen in Gott Selbst. Darum stehen sie so fest, wie Er Selbst der ewig Unveränderliche ist (Vers 152; Mt 24,35). Die Schrift kann niemals aufgehoben werden; sie erfüllt sich Wort für Wort und erweist sich stets als wahr. „Das Wort unseres Gottes besteht in Ewigkeit“ (Jes 40,8). Es ist die allein vollkommen zuverlässige Grundlage für unser Denken und Handeln (Ps 19,8f). Das Wort Gottes veraltet nicht; es braucht nicht instand gehalten zu werden. Keinesfalls darf es verändert werden (Off 22,18f). Es ist von unermesslichem Wert und vollkommen zuverlässig (Ps 93,5; 111,7; Joh 17,17; Tit 3,8).

20. Abschnitt; Verse 153 bis 160

Hier spricht der Psalmdichter über niederdrückende Anfechtungen und über Verfolgungen, die von den Gottlosen ausgingen. Ihre Anschläge bereiteten ihm Sorgen, sie waren die Ursache seines Leidens. In seiner Not sehnte er sich nach Entlastung und Ermutigung. Doch aus der Heiligen Schrift konnte er die nötige Kraft bekommen, um die Anfechtungen zu überwinden. Mit dem Wort Gottes hatte er zugleich die Wahrheit und die Gerechtigkeit in vollkommener Fülle. Seine gottlosen Verfolger besaßen anscheinend kein Rechtsempfinden.

Er war überzeugt, dass die Güte und das Erbarmen Gottes ihm gegenüber in Tätigkeit treten würden, sobald Gott seine Rechtssache aufgriff (Ps 35,23). Inständig bat er darum, dass seine Umstände sich wendeten, denn er war zermürbt und sein Geist zerschlagen. Wie Gott einst Kenntnis genommen hatte von der grausamen Knechtung Israels, ihr Elend gesehen hatte, so würde Er sich jetzt auch seiner erbarmen (2. Mo 2,25; 3,7). Dabei würde Ihm nicht entgehen, dass Sein Knecht das Gesetz nicht vergessen hatte (Vers 153; Ps 34,16–20). In seiner Not bat er Gott, den Rechtsstreit, den er selbst nicht führen konnte, in Seine mächtige Hand zu nehmen (Ps 103,6). Das bedeutete, dass der Allmächtige stellvertretend für ihn eintrat. Solche Stellvertretung erforderte, dass sein Gewissen rein und sein Herz aufrichtig war. Die Reinheit verdankte der Dichter der Wirkung des Wortes Gottes, an das er sich hielt (Vers 154 und Vers 9; Klgl 3,58–63). Seine Bereitschaft zum Gehorsam Gott und dem Wort gegenüber betont der Psalmdichter auch in diesem Abschnitt mehrmals, und auf dieser Basis konnte der heilige Gott Sich mit seiner Sache einsmachen. Auch heute dürfen Gläubige, die in Reinheit und im Licht des Wortes wandeln, ihren Gott und Vater bitten, für sie einzutreten. „Wenn Gott für uns ist, wer gegen uns?“ „Aber in diesem allen sind wir mehr als Überwinder durch den, der uns geliebt hat“ (Römer 8,31.37f). Mit jemand, der Gott fernsteht, auf falschem Weg ist oder dessen Gewissen belastet ist, kann sich der Heilige und Gerechte nicht einsmachen (Vers 155).

Der Gottesfürchtige hoffte nicht vergeblich auf das Erbarmen Gottes, denn nicht zu zählen sind Seine Rettungen (Vers 156; Ps 71,15). Gottes Liebe und Fürsorge gilt denen, „die seinen Bund halten und sich an seine Vorschriften erinnern, um sie zu tun“ (Ps 103,17.18). Den Verpflichtungen diesem Bund gegenüber war der Psalmdichter treu geblieben (Vers 157). Sein Elend und die zahlenmäßige Überlegenheit seiner Verfolger hatten ihn nicht entmutigt. Er sah keinen Anlass, seinen Glauben aufzugeben und gleichgültig zu werden (vgl. im Gegensatz hierzu Mt 13,21). Denn in seinem Herzen verbanden sich Geradlinigkeit und ein fester Geist (Jes 26,3.4). Er lehnte es ab, den Gegensatz zu den Gottlosen dadurch zu mildern, dass er sich ihnen angeglichen hätte. Er wandte sich nicht „zu denen, die zur Lüge abweichen“, denn er hatte „den HERRN zu seiner Zuversicht“ gemacht (Ps 40,5). Er hatte seine Sache in die Hand des HERRN gelegt und erwartete die Erhaltung seines Lebens und neuen Mut von dem HERRN. Die Macht und die Erbarmungen Gottes würden sich größer erweisen als die verbrecherische Energie der zahlreichen Bedränger (Vers 157; Ps 3,2–4; 25,18–20; 2. Chr 20,6.15).

Keinesfalls wollte der Psalmdichter den Treulosen gleichen, deren Abweichen vom rechten Weg er abscheulich fand (Vers 158). Sie waren von Gott abgefallen und verweigerten Ihm die geschuldete Ehrerbietung. Die Abkehr vom Guten und ihr Abgleiten zur Sünde erregten das Innerste des Dichters. Ihr Verhalten löste bei ihm Ekel und Widerstreben aus (Ps 14,1). Verständnis oder Mitleid waren hier unangebracht. Doch ihr Treiben machte ihn nicht mutlos, eher bestärkte es ihn darin, konsequent den richtigen Weg in Abhängigkeit von Gott weiterzuverfolgen. Denn er liebte die Anordnungen der Heiligen Schrift (Ps 40,9). Indessen hatte er nicht nur Vorschriften im Wort gefunden, sondern auch die vielen Zusagen der Güte Gottes und die Menge Seiner Erbarmungen. Er bat darum, dass der HERR ihm Güte zuwenden und ihn beleben und stärken möge (Vers 159). Er hatte es mit skrupellosen Verfolgern zu tun, und ihre Böswilligkeit kostete ihn ein hohes Maß an körperlicher und seelischer Kraft. Der Dichter hatte auf einem beschwerlichen Weg auszuharren. Zudem empfand er seine Schwachheit und Ohnmacht gegenüber den heftigen Angriffen und spürte das Nachlassen seiner seelischen Kräfte. Deshalb bat er nun zum dritten Mal um Belebung. Und weil ihm die Kraft zum weiteren Vertrauen täglich neu von oben geschenkt wurde, konnte er standhaft bleiben. Er glaubte fest daran, dass Gott ihn liebhatte und ihn aufrechterhalten würde. Rings um ihn her schien alles zu wanken; in seiner Umgebung war nichts Stützendes zu finden (Vers 157). Doch die vielen Widrigkeiten konnten die Gewissheit nicht erschüttern, dass die Gerechtigkeit und die Zusagen des Wortes Gottes unveränderte Gültigkeit haben (Vers 160; Ps 82,5; Jes 40,8; Mt 24,35; 1. Pet 1,24.25).

Der letzte Vers des Abschnitts betont, dass die Summe des Wortes Gottes reine göttliche Wahrheit ist, und weist darauf hin, dass die Bibel ein zusammenhängendes Ganzes darstellt. Die Heilige Schrift ist die Offenbarung der Wahrheit. Wer an irgendeiner Stelle etwas davon wegnimmt, verletzt das Ganze der Wahrheit und versündigt sich ebenso sehr wie der, der etwas zu der ewig feststehenden Summe des Wortes hinzufügt (Off 22,18.19). Jede Aussage der Schrift, auch ihre Rechtsgrundsätze, ihre Entscheidungen, Anordnungen und Urteile, haben ewige Wirkung und Geltung. Das gilt für den gesamten Inhalt der Bibel. Darum ist im Umgang mit dem Wort Gottes Ehrerbietung, größte Gewissenhaftigkeit und auch Zurückhaltung geboten.

21. Abschnitt; Verse 161 bis 168

Hier handelt es sich um Erklärungen des Dichters betreffs seiner Haltung Gott und den Menschen gegenüber, auch hinsichtlich der Wahrheit und der Lüge. Er legt großen Wert darauf, dass seine Lebenseinstellung in jeder Hinsicht durch Gottes Wort bestimmt ist und dass sie es weiterhin bleibt. Was er liebte oder hasste, was er fürchtete oder worüber er sich freute, was er erhoffte und worauf er vertraute, zu diesem allem gab ihm das göttliche Wort Anleitung und die korrekte Richtung.

Seine Feinde taten ihm Unrecht, daher hatten sie das Strafgericht Gottes zu fürchten. Er dagegen hielt sich an das göttliche Recht und durfte auf vielfältigen Segen Gottes rechnen, auch auf Belohnung durch geistliches Wachstum (Vers 161; Lk 12,4–7; Phil 1,28; 2. Thes 1,5–10; 1. Pet 3,12–16). So war seine Seele in Frieden; er konnte sich in Ruhe mit dem heiligen Wort befassen und hatte dadurch großen inneren Gewinn (Vers 162; Hiob 28,12.20.23.28; Röm 11,33). Die Lehren des Wortes wurden durch seinen Eifer und durch seine Ehrfurcht vor der Schrift sein eigener Besitz, seine „Beute“. Diesen geistlichen Gewinn und den Frieden seines Herzens, den er dabei genoss, konnte ihm selbst der nicht rauben, der als „Fürst“ Verfügungsgewalt über andere zu haben beanspruchte. Das Licht Gott gemäßer Erkenntnis, das der Dichter in der Schrift gefunden hatte, konnte ihm niemand wegnehmen. Es war ein unvergleichlich großer, ewiger Gewinn, den er mitnahm in die Ewigkeit (1. Tim 6,6). Sein Bemühen um geistliche Fortschritte hatte ihm nicht Kummer und Verdruss eingebracht, wie es bei angestrengter Arbeitsleistung oft der Fall ist, sondern Frieden und Freude im Heiligen Geist und Licht und Kraft für seinen Weg.

Alles Lügenhafte, falsche Wege, betrügerische Machenschaften und als Heilsbotschaft verkleidete Lügen waren ihm verhasst und ein Abscheu (Vers 163; Spr 13,5; Amos 5,15; Röm 12,9). Denn dieser ganze Betrug stammt von dem Vater der Lüge, dem Teufel. Täuschungsabsichten schaden nicht nur Menschen und verführen Viele; sie richten sich auch gegen Gott. Es sind Angriffe gegen Ihn und auf die Wahrheit des heiligen Wortes, das der Psalmdichter liebte. Jede Lüge und Falschheit und die Verstellung, ob in der äußeren Haltung oder als Aussage, betrügen die Zuhörer und gewöhnen sie an die Denkweise und die üblen Werke des Feindes Gottes und der Menschen. Zugleich lenken sie die Menschen von der Wahrheit ab und schaden der Sache Gottes. Der Psalmdichter dagegen verehrte Gott und pries Ihn siebenmal am Tag um Seiner gerechten Entscheidungen willen. Damit bezeugte er seine Freude an dem wahrhaftigen Gott und an Seinen gerechten Taten (Vers 164). Das unübertrefflich Gute Gottes und Seiner Wege beschäftigte ihn offenbar weit mehr als die Drangsale, Nöte und Schwierigkeiten in dieser Welt, von denen jeder Tag genug hat (Mt 6,34). Dies ehrte Gott und verhalf dem Dichter trotz aller Unruhe von außen zu einem dauerhaften inneren Frieden. Dies war das segensreiche Ergebnis der Liebe zu Gottes Gesetz (Vers 165; Ps 37,11). Die Seele des Dichters wohnte im Glück (Ps 25,12–14 mit Anmerkung). Er genoss geistlichen Segen in der Gemeinschaft mit Gott und in Übereinstimmung mit Seinen Geboten. Dadurch wurde er vor dem Abgleiten in Verfehlungen bewahrt (Jes 26,3). Für ihn war die Autorität des Wortes allein maßgebend, er gab sich ihrem bestimmenden Einfluss hin. Er handelte nicht unabhängig, sondern beurteilte jedes Geschehen und Reden nach dem Maßstab des Wortes. Er gehorchte der Stimme Gottes und verbrachte seine Tage im Frieden mit Gott. In Ruhe wartete er darauf, dass Gott ihn vor einer drohenden Gefahr rettete (Vers 166; 1. Mo 49,18; Klgl 3,22–26).

Der Psalmdichter verfolgte keine andere Absicht, als sein ganzes Sinnen und Planen vor Gott offenzulegen und alle Geschehnisse in das Licht der Zeugnisse und Gebote der Schrift zu bringen. Nur dann konnte er sagen: „Meine Seele hat deine Zeugnisse beachtet, und ich liebe sie sehr“, und: „alle meine Wege sind vor dir“ (Verse 167 und 168). Der Apostel Paulus sagt dies mit den Worten: „Gott aber sind wir offenbar geworden“ (2. Kor 5,11; vgl. Hiob 34,21; Heb 4,13). Herz und Gewissen lagen aufgedeckt vor den Augen Gottes. Dann wird die Liebe zum Herrn und zu den Seinen durch nichts anderes beeinträchtigt. Zum dritten Mal bekennt der Psalmdichter hier seine Liebe zum Gesetz und zu den Zeugnissen Gottes. Bei einer solchen inneren Haltung kann der Heilige Geist den Gottesfürchtigen in allen Dingen ungehindert leiten. Die Voraussetzungen sind vorhanden, um die Gebote aus Liebe zum Herrn zu halten (vgl. für uns Christen Joh 14,21.23; 15,9f; 1. Joh 5,3f). Und dann wohnt das Wort des Christus in dem Gläubigen. Das war auch die Haltung Hiobs: „Ich habe die Worte seines Mundes verwahrt, mehr als meinen eigenen Vorsatz“ (Hiob 23,12). Im Glauben und in der Liebe zum Herrn liegt für uns die Kraft, um dies zu verwirklichen (Gal 5,6b).

22. Abschnitt; Verse 169 bis 176

Die Bitten dieses Abschnitts um das Wohlwollen und die Gnade des HERRN bilden den Abschluss des Psalms. Der Dichter hat keine Ansprüche stellen wollen, wenn er im Verlauf dieses Psalms auf vielfältige Weise um Gottes Hilfe nachsuchte. Er wusste sich auf Gott angewiesen. Demütig flehte er zum Schluss mehrmals darum, dass Gott Sich zu ihm herabneigen und ihm gnädig sein möge. Im Glauben erhoffte er, dass sein Schreien um Hilfe ebenso sicher Gott erreichte wie sein Lob. Gott würde Sein Einverständnis mit ihm offenbar werden lassen und ihn am Leben erhalten. Gott hat Sein Wort, Sein Gesetz und Seine Verheißungen gegeben, damit der wahrhaft Fromme in Gemeinschaft mit Ihm leben kann. Der Psalmdichter strebte dies als höchstes Ziel seines Lebens an. Deswegen hatte er die „Vorschriften erwählt“ (Vers 173), und das Gesetz, das für ihn vorhandene Wort Gottes, war seine Wonne geworden (Vers 174). Das Leben, das Gott ihm schenkte, wollte er Seinem Lob weihen. Der vorliegende Abschnitt erinnert an den Schlusssatz des 19. Psalms: „Lass die Reden meines Mundes und das Sinnen meines Herzens wohlgefällig vor dir sein, HERR, mein Fels und mein Erlöser!“ (Ps 19,15).

Der Psalmdichter bat, dass der HERR sein Schreien um Hilfe nicht unbeachtet lassen möge (Vers 169). Mit beinahe gleichlautenden Worten wiederholt er in Vers 170 dieses Anliegen. Offenbar hatte er vor Augen, wie gering und schwach er dastand. Dennoch hoffte er darauf, dass Gott ihm in Güte entgegenkommen und ihm Gehör schenken würde. In Vers 169 bat er um mehr Einsicht, denn es ging ihm um ein noch besseres Unterscheidungsvermögen, auch um ein tiefer gehendes Verständnis. Im folgenden Vers bittet er um Errettung aus notvollen Umständen. Das Innere und das äußere Ergehen eines Menschen stehen miteinander in Wechselbeziehung, und beides gehört gleichermaßen zum Wohlbefinden (3. Joh 2). Mit Recht geht der Gottesfürchtige davon aus, dass Gott immer um das Wohl Seiner Knechte besorgt ist. Für uns Christen gilt: Als Vater gibt Gott Acht auf das Flehen Seiner Kinder und nimmt Sich ihrer an. Der Dichter nahm seine Zuflucht zu dem Herrn und Seiner Güte, anstatt anderwärts Förderung und Hilfe zu suchen. Der Bittsteller hatte erkannt, dass die unergründliche Tiefe des Wortes Gottes die beste aller Quellen war, um ihm Weisheit und Einsicht zu geben. Er wollte seine Überlegungen und sein Urteil darauf gründen und sich nach der Schrift richten. Gott und Sein Geist war sein Lehrmeister, und das war der Beweis der Gnade Gottes und Seiner Liebe zu ihm. Sein geistliches Wachstum verdankte er dem HERRN, und dieserhalb rühmte er Ihn (Vers 171). In allem suchte er die Verbindung mit Gott und die Übereinstimmung mit dem Wort. Ein von Ihm unabhängiges Denken und Handeln ist ein Unterfangen des Hochmuts. Das kam für ihn nicht in Betracht. Wenn er aufgrund seiner Erkenntnisse und Erlebnisse redete, dann sollte für die Zuhörer erkennbar sein, dass seine Einsicht aus dem Wort Gottes stammte und diesem entsprach. Auch an seinen Worten des Lobes sollte man dies wahrnehmen können. Sein Herz hatte die Erkenntnisse mit Gottes Hilfe und durch das Wirken Seines Geistes erfasst und sich zu eigen gemacht, und davon redete sein Mund (Vers 172). Wenn das Wort Gottes die Quelle, der Maßstab und der Gegenstand der Verkündigung ist, wird der Heilige Geist dies zum Segen ausschlagen lassen, denn Gott offenbart Sich durch sein Wort, nicht aber durch Menschenweisheit. Eine Wortverkündigung sollte nicht durch menschliche Beigaben entstellt werden. Sie sollte auch nicht durch Nebensächliches und vom Wort Abweichendes verdunkelt werden.

Der Psalmdichter wünschte, dass Gottes Hand ihm bei allem, was er unternahm, zu Hilfe kam und ihn dabei leitete (Vers 173). Was er sagte und tat und wie er es vortrug, sollte nicht seine eigene Handschrift tragen, sondern diejenige Gottes. Nicht persönliches Können und eigene Kraft hatten gute Ergebnisse hervorgebracht, sondern die weise und mächtige Hand Gottes. Ohne Seine Hilfe hätte er selbst nichts vermocht. Erneut wird deutlich, dass der Dichter sich nach den Vorschriften des Wortes richtete, nicht aber nach eigenem Ermessen handeln wollte. Wenn sein Tun gut und recht war, dann war dies der Gnade und Führung Gottes zuzuschreiben. Als Sein Knecht hatte er lediglich die ihm aufgetragenen Pflichten erfüllt (Lk 17,10; Röm 1,14; 1. Kor 9,16). Wenn die auf geistlichem Gebiet geplanten Unternehmungen nicht dem Wort Gottes entsprechen, fehlt ihnen die notwendige Grundlage, daher werden sie keinen Bestand haben. Wenn sich die im Werk Arbeitenden nicht wirklich von Gottes Hand führen lassen, wird ihr Werk misslingen. Ein Werk des Herrn muss ganz von Seinem Willen gelenkt sein, damit es Seiner Sache dient und zu Seiner Ehre gereicht.

Der Psalmdichter sehnte sich nach Hilfe von Gottes Seite. Die erhoffte Rettung sollte durch nichts anderes als durch Seinen Willen zustande kommen (Vers 174). Für ein Werk nach Seinem Willen gibt Gott auch die richtigen Mittel. Er hat das Nötige für jeden Bedarfsfall zur Verfügung und wird es nach Seiner Weisheit einsetzen. In der Not ruft man zu Ihm: „Lass meine Seele leben!“ (Vers 175; Jes 38,2.3.15f); doch die Entscheidung wird Gott in Seiner Güte und nach Seiner Weisheit fällen. Das Urteil steht Ihm allein zu, da jedes Leben auf der Erde von Seinem Willen abhängt. Dabei ist menschliches Tun und Denken nicht das Entscheidende. In dem Schlussvers betrachtet sich der Dichter als ein Schaf, das umherirrt und ohne Hilfe verloren ist. Doch er ist überzeugt, dass Gott ihn, Seinen Knecht, nicht dem Verderben preisgibt. Denn der Psalmdichter liebte die Heilige Schrift und hatte ihre Gebote beachtet. Und die Barmherzigkeit des göttlichen Hirten und Aufsehers der Seelen wird um sein Schaf besorgt sein (1. Pet 2,25). „Denn so spricht der Herr, HERR: Siehe, ich bin da, und ich will nach meinen Schafen fragen und mich ihrer annehmen. Wie ein Hirte sich seiner Herde annimmt an dem Tag, da er unter seinen versprengten Schafen ist, so werde ich mich meiner Schafe annehmen und werde sie erretten“ (Hes 34,11.12; Jes 53,6).

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