Die Psalmen
Eine Auslegung für die Praxis

Psalm 69

Der Psalm wird im Neuen Testament auffallend häufig zitiert. Der Inhalt ist überwiegend prophetischer Natur; er enthält präzise Voraussagen über das Leiden Jesu bis zu Seinem Tod am Kreuz. Psalm 69 ist eine deutliche und vollständige Weissagung auf Christus. Seine Leiden sowohl im Leben als auch im Tod werden eingehend beschrieben“ (J.N.D.). Ihn, den einzigen Schuldlosen unter allen Menschen, trafen auf Seinem Lebensweg schweres Leiden und furchtbare Schmerzen an Leib und Seele; sie steigerten sich am Kreuz bis zum Äußersten (Jes 53,10; 1. Pet 1,11). Gott ließ sie über Jesus, den Sohn des Menschen, den vollkommen rechtschaffenen und gehorsamen Verfechter des Guten, hereinbrechen. Bei normalem Rechtsempfinden muss der Eindruck entstehen, dass hier ein unschuldiger Gerechter unerbittlich verfolgt, fälschlicherweise angeklagt und ungeachtet dessen, was recht ist, bestraft wurde. Und dies erscheint angesichts einer absoluten Tadellosigkeit in hohem Maß unrechtmäßig. Indessen war ein derart widerrechtliches Geschehen nicht etwas völlig Außergewöhnliches inmitten der Rechtsverhältnisse in der damaligen Welt, und speziell unter einer unverantwortlich handelnden Führungsschicht (Pred 3,16; 5,7; 7,15). Aber der Sohn Gottes ist gerade wegen der verbreiteten Heillosigkeit herabgekommen auf diese Erde, wo Satan und die Sünde herrschen. Er durchschritt hier eine üble Flut von Ungerechtigkeiten und deren Folgen, die von auffälliger Überheblichkeit und Selbstherrlichkeit der Schuldigen begleitet waren. Jesus empfand dies wie einen „tiefen Schlamm“ (Vers 3), der Ihn zu umschließen drohte; es war für Ihn etwas überaus Widerwärtiges und Schmutziges. Dem einsamen Gerechten drängte sich inmitten solcher Zustände das Gefühl auf, darin unterzugehen. Daher ruft Er aus: „Die Flut überströmt mich“ (Verse 2 und 3). „Diese und auch die restlichen Verse dieses Psalms geben uns die Worte und Erfahrungen Christi in Seinen Leiden von Seiten der Menschen wieder. Der Geist Christi sprach durch David und gab prophetisch den Gefühlen Ausdruck, die tausend Jahre später in dem Herrn Jesus Wirklichkeit wurden“ (R.K.C. in E.u.E. 1980). Besonders Vers 5 macht dies deutlich. Diese äußerst belastenden Umstände beanspruchten Seine seelischen und körperlichen Kräfte auf das Stärkste. Dessen ungeachtet ging Jesus im festen Glauben und Gehorsam den schweren, Ihm vorgeschriebenen Weg. Aber es bedeutete für Ihn größte Anstrengung, darin auszuharren. Deshalb rief Er unablässig zu Gott. Nicht zuletzt auch wegen der zunehmenden körperlichen Folgen der inneren Not bat Er um Rettung aus dieser kaum zu ertragenden Lage (Vers 4).

Die überall anzutreffende Unmoral und die verwerfliche Gesinnung, die für die allgemeine Verderbtheit verantwortlich war, zudem noch die dahinterstehende teuflische Bosheit machten Ihm schwer zu schaffen und bedrängten Ihn. Hinzukam der Hass mächtiger Gegner, die den Tod Jesu um jeden Preis herbeiführen wollten (Vers 5; Joh 8,37; 11,53; 15,24.25). Dabei war ihr skrupellos feindseliges Vorgehen gegen Ihn völlig unbegründet. Er war schuldlos wie kein anderer es jemals war und sein wird. In jeder Hinsicht war Sein Verhalten rein und heilig. Das konnte David, der Dichter des Psalms, nicht von sich sagen, denn bei ihm fanden sich sowohl Torheiten als auch Vergehungen (Vers 6). Das Herz Jesu hingegen war ganz erfüllt von Liebe und Frieden, von Demut und Lauterkeit, von Gerechtigkeit und wahrer Frömmigkeit. Er allein war zu der Aussage berechtigt: „Du hast mein Herz geprüft, hast mich bei Nacht durchforscht; du hast mich geläutert – nichts fandest du“ (Ps 17,3). Und doch hatte Er es mit Vorwürfen zu tun, die sonst einem groben Sünder gelten. Gar nichts hatte Er geraubt, dennoch hatte Er zu erstatten, als ob Er besonders schuldig wäre, für schweren Schaden einzustehen hätte und Vieles gutzumachen hätte (Vers 5). In Wahrheit aber war Er um fremder Schuld willen in diese Welt gekommen. „Wir hatten gesündigt und durch unsere Übertretungen Gott Seiner Herrlichkeit und Ehre beraubt, aber der Herr stellt sie Gott wieder her durch Seinen Gehorsam bis zum Tode am Kreuze“ (R.K.C.). Seine Gegner verhöhnten Ihn in jeder erdenklichen Weise, um Ihn zu kränken und Ihm die Ehre zu nehmen. Ihr Ziel war, Ihn umzubringen. Er hingegen hatte als Einziger kein Unrecht getan und hatte nichts zu verbergen. Nur Jesus, der Gerechte, konnte fragen: „Wer von euch überführt mich der Sünde?“ (Joh 8,46; Heb 7,26). Der Urheber und Erhalter des Rechts, der heilige Gott, bestätigte die Makellosigkeit und bekundete Sein Wohlgefallen an der in jeder Hinsicht vollkommenen Haltung Jesu, weil Er als ein heiliger und gerechter Mensch auf der Erde lebte, dessen Verhalten dem göttlichen Wesen völlig entsprach. Niemand wird jemals das Gott gemäß Herrliche der Wesensmerkmale Jesu bestreiten können. Sein Leben verherrlichte alle Züge der Gerechtigkeit Gottes; es entsprach jeder Forderung des Gesetzes und allen Äußerungen des Willens Gottes. Er war der einzige Mensch, der uneingeschränkt auf der Seite Gottes stand. Daher ist das, was man Ihm zufügte, gleichzeitig Gott Selbst angetan worden. Das Ihm geschehene Unrecht ist der schärfste Angriff auf Gott Selbst. Seine Rechtssache ist Gottes Sache, denn Gottes Heiligkeit und das wahrhaft Gute waren allezeit genau das, was Jesus als Mensch auf der Erde vollkommen vertreten hat.

Das Verhalten des Herrn Jesus war das eines wahrhaft Gottesfürchtigen (1. Pet 2,21). Was Er tat und wie Er dachte, ist für die Frommen aller Zeiten richtungweisend. Darum blickten die Gläubigen zur Zeit des Herrn Jesus voller Hoffnung auf die weitere Entwicklung Seines Lebensweges (Vers 7). Im Vertrauen auf Gottes Gerechtigkeit und Treue erwarteten sie aus gutem Grund nichts anderes als die Rettung Jesu aus Seiner bedrängten Lage. Wenn sie ausbliebe, hätten sie dadurch entmutigt werden können, und ihr Glaube hätte Schaden gelitten. Für sie lag auf der Hand, dass Jesus den Hohn der Gottlosen und der scheinheiligen Führer des Volkes um des Namens und der Sache Gottes willen erlitt. Obwohl Er deutlich erkennbar unter dem wohlwollenden Auge Gottes stand, hatte Jesus nun Verachtung und schändlichste Schmähungen zu erdulden, und die Ihm Ergebenen mussten mit ansehen, dass Er sogar solchen, die Ihm nahestanden, entfremdet wurde (Verse 8 und 9; auch Vers 20). Selbst nahe Bekannte „hielten ihn für bestraft, von Gott geschlagen und niedergebeugt“ (Jes 53,4), und wandten sich von Ihm ab. „Er war verachtet und verlassen von den Menschen, ein Mann der Schmerzen und mit Leiden vertraut, und wie einer, vor dem man das Angesicht verbirgt“ (Jes 53,3; Ps 38,12; Mt 26,31–35). „Auch seine Brüder glaubten nicht an ihn“ (Joh 7,5). Offenbar war ihnen die Haltung Jesu unverständlich geblieben. Seine Frömmigkeit, Sein Eifer und unermüdlicher Einsatz schien manchen unter den Juden übertrieben zu sein (Vers 10; Mt 21,12; Mk 3,21; Joh 2,14–17). Schmähungen um des Gottes Israels willen, dessen treuer Knecht Er war, nahm Jesus geduldig auf Sich und harrte darin aus (Vers 10). Er schonte Sich nie (Ps 89,51f; Jes 50,6; Röm 15,3; 2. Thes 3,5). Als Seine große Betrübnis nach außen hin auffiel, nahmen Seine Gegner es zum Anlass, Ihn herabzusetzen und zu schmähen (Verse 11 bis 13; Jes 53,3f; Mk 15,29). Was normalerweise Mitgefühl erweckt, das trug Ihm zusätzlichen Spott und Hohn ein. Trinker und Spaßmacher würdigten Seine Not herab zum Thema ihrer Spottlieder.

Jesus aber setzte Sein Vertrauen auf Gott und betete (Verse 14 bis 19; Ps 16,10; 40,12–14). Er vertraute darauf, dass Er nicht zuschanden und auch nicht beschämt werden würde: „Darum machte ich mein Angesicht wie einen Kieselstein“ (Jes 50,7). Die Prophezeiungen der Heiligen Schriften sagten Ihm, dass Sein Gott Ihn zum vorherbestimmten Zeitpunkt auf wunderbare Weise rechtfertigen werde (Jes 50,8.9). Gott würde Sich entsprechend Seiner Verheißung in Treue und Wahrheit zu Ihm bekennen und Sein Gebet nach der Größe Seiner Erbarmungen beantworten. Das Leben Jesu war vollständig für Gott, daher konnte es nicht anders sein, als dass Gott Ihn rettete (Vers 14). Sein Gottvertrauen und Sein geduldiges Ausharren standen im direkten Gegensatz zu der Haltung derer, die Ihn schmähten. Er bat um Befreiung und Rettung aus dem Schlamm und den Wassertiefen und wusste, dass Er erhört werden würde (Verse 15 und 16; Ps 40,3). Doch für Ihn, den Heiligen und Reinen, war es furchtbar, Sich inmitten des schmutzigen Schlamms aufhalten zu müssen. Weithin haben sich die Menschen an den in dieser Welt überall angehäuften Sündenschmutz gewöhnt. Für den Herrn hingegen traf das in keiner Weise zu. Er blieb vollkommen unbefleckt, rein und heilig und wurde vom Bösen nicht angetastet. Indessen empfand Er das Bedrückende und Hässliche des Bösen zutiefst. Der Schlamm, die Wasserflut, die Tiefe und die Grube, die in den Versen 15 und 16 genannt werden, bedeuteten jedes für sich den Tod dessen, der darin versank, und einem so grausamen Umkommen sah Jesus sich ausgesetzt. Er schien dem Tod ausgeliefert zu sein. Die Gewalt der Finsternis, die Willkür des Gott feindlichen Bösen, stand mit überwältigender Macht bereit, Ihn zu verschlingen (Lk 22,37.53). Nun würde es sich entscheiden, ob und inwieweit der Tod seine Macht ausüben konnte an Ihm, der keine Sünde begangen hatte und unbeirrt an dem Vertrauen auf die Zusagen des Wortes festhielt. In dem Glauben an rechtzeitige Hilfe vonseiten Gottes frohlockte Jesus: „Meine Seele wirst du dem Scheol nicht überlassen, wirst nicht zugeben, dass dein Frommer die Verwesung sehe“ (Ps 16,9.10). Die Güte und die Erbarmungen Gottes würden dies ebenfalls nicht zulassen (Vers 17). Gott würde Sein Angesicht nicht vor Seinem Knecht verbergen, sondern dessen Seele erlösen. Hier wird klar, dass unter anderem der feste Glaube Jesu, des Sohnes des Menschen, von großer Bedeutung war für Seine Auferweckung aus den Toten, denn Sein Vertrauen als Mensch gründete sich auf die untrüglichen Verheißungen Gottes, die einem Glaubenden zugesichert sind (Ps 31,5–9; 109,21; Hab 2,4).

Der Betende sagt in Verse 20, dass Gott den Hohn, die Schmach und die Schande kennt, die Ihm, dem Leidenden angetan werden, und dass Gott auch die Namen der Bedränger kennt. Gott weiß auch um alle Ihm zugefügten Schmerzen und Entbehrungen (Ps 56,9; 102,1ff). Was in den Versen 21 und 22 prophetisch vorausgesagt wird, hat sich buchstäblich erfüllt in dem, was dem Herrn Jesus am Kreuz widerfuhr. Die Aussagen des vorliegenden Psalms beweisen, dass jede Einzelheit, die Jesus, den Sohn des Menschen, in Seinem Leiden getroffen hat, von Gott beobachtet und vermerkt worden ist. Genauso gewiss ist, dass Jesus nichts widerfahren konnte, das nicht vorher von Gott festgelegt war. Es handelt sich in diesem Psalm um dasjenige Leiden Jesu, das von Menschen und den von ihnen herbeigeführten äußeren Umständen ausging, und es traf den Herrn als Menschen sehr hart. Es ist nicht die Rede von den Schlägen, die Jesus stellvertretend als sühnendes Leiden aus der Hand Gottes, des Richters über die Sünde, zu erdulden hatte. Was nach den Voraussagen dieses Psalms über den Herrn kam, waren schreckliche Ungerechtigkeiten vonseiten der Menschen; es war nicht der Ausdruck des Zorns Gottes über die Sünde. Alles Üble, das Ihm angetan wurde, hatte seinen Ursprung im menschlichen Herzen, unterstützt und angestiftet durch Satan. Und dessen finstere Gewalt zielte darauf ab, Christus verächtlich zu machen und Ihm das Leben zu nehmen. Bemerkenswert ist, dass dem Herrn keine menschliche Hilfe gewährt wurde, dass aber alles Erdenkliche geschah, um Sein Leiden zu verschlimmern. Dass der gerechte Gott nicht einschritt, hat den hier noch verborgenen Grund, dass Gott durch das Vollmaß der Leiden des Sohnes des Menschen in Vollkommenheit verherrlicht werden sollte (Mt 26,54.56; Lk 24,44; Heb 4,15; 5,7f). Schlimmster Hohn traf den Herrn, als Er am Kreuz hing. Die verschiedensten Personen übertrafen sich darin, Ihn auf alle Weise zu verspotten. Mit gezieltem Hohn suchten sie jede einzelne Seite Seiner wunderbaren Persönlichkeit zu treffen, sei es als den wahrhaft Gerechten, der dort zwischen Räubern gekreuzigt war, oder als geliebten Sohn Gottes, als frommen Glaubenden oder als Retter und Arzt, als auserwählten Messias und als Gegenstand des Glaubens, oder als Christus und König, dem alles zu Füßen gelegt werden sollte. Darum musste der Herr klagen: „Der Hohn hat mein Herz gebrochen, und ich bin ganz elend“ (Verse 21 und 30). Die Herzen der meisten Zuschauer waren nicht fähig, Mitleid aufzubringen, so stark war der Hass, und so ausgeprägt die Geringschätzung (Mt 27,34; Joh 19,28–30). Der Herr Jesus war der Verachtete, der Abscheu der Nation geworden (Jes 49,7).

Die Verse 23 bis 29 rufen zur Verurteilung und Bestrafung derer auf, die an den schrecklichen Vergehungen beteiligt waren. Wenn einer das Recht hatte, Gottes Strafe auf die Übeltäter herabzurufen, so war es der Gekreuzigte. „Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lk 23,34). Seine Peiniger werden in Vers 23 als Sorglose bezeichnet. Große Sorglosigkeit legt auch der an den Tag, der heute den Herrn Jesus als Retter und Heiland verwirft. Der Gleichgültige hat zwar Augen, er benutzt sie aber nicht, um zu sehen, und er besitzt Ohren, genügt aber nicht seiner Verantwortung, auf Gottes Wort zu hören (Mt 13,14.15; Röm 11,8–10). Die Verse 23 und 24 verhängen Bestrafungen, aus denen es kein Entrinnen gibt. Von der Schlinge umschlossen, außerdem erblindet und daher unfähig, davonzulaufen, bekommen die Täter die ihren Taten entsprechende Strafe (Verse 25 und 26). Der Grimm und die Glut des Zorns Gottes werden ausgeschüttet werden auf alle, die sich an Seinem Sohn vergriffen haben (Mt 23,38; Apg 1,20; 3,14f; 1. Thes 2,15.16; Heb 10,29;). Sie suchten Ihn zu vernichten und wollten Seinen Untergang. Was sie vorhatten, wird nun sie selbst treffen. Durch ihre Handlungen haben sie das gerechte Gericht Gottes über sich selbst gebracht. Sie haben sich in der von ihnen selbst gelegten Schlinge verfangen und können sie nicht abschütteln. Wer Gott verhöhnt und Seinen Sohn Jesus Christus mit Füßen tritt, sündigt auf schwerwiegende Weise; er hat eine entsprechende Bestrafung zu erwarten (Verse 22 bis 29). „Es ist furchtbar, in die Hände des lebendigen Gottes fallen“ (Heb 10,31). Es wird kaum etwas Schlimmeres geben als die Taten der Personen, die sich gegen den Herrn Jesus richteten, als Er verraten und verurteilt und ans Kreuz genagelt wurde. Die daran Beteiligten werden in den Evangelien wiederholt als Gruppe gekennzeichnet oder mit Namen genannt.

Die Leiden des Christus waren der Art und dem Maß nach von Gott für Ihn vorherbestimmt. Es war der Kelch der Leiden, den Er aus der Hand des Vaters entgegennehmen musste (Vers 27; Lk 24,26.46; Apg 3,18; 17,3). Jesus hat ihn geleert, und so sind die Voraussagen der Schriften erfüllt worden. Jeder Schlag, der den Herrn traf, war vorher festgelegt. Dieses Leiden erweckte bei den Beobachtenden den Eindruck, als ob Gott Ihn geschlagen hätte (Ps 102,11.24; 109,27; Jes 53,4f.10). Während der drei Stunden der Finsternis trafen Ihn vonseiten Gottes die Gerichtsschläge für die vielen Sünden, die Er als Gekreuzigter am Fluchholz stellvertretend auf sich nahm. Wegen der dabei herrschenden Finsternis konnten diese Schläge von niemand wahrgenommen werden.

Gott wird gemäß Seiner Gerechtigkeit mit denen verfahren, die darauf aus waren, Jesus zu fangen und zu kreuzigen (Verse 25 und 26). Sie legten es darauf an, Seine Schmerzen zu mehren, um dann auch noch spottend und höhnend von Seiner Qual zu erzählen (Vers 27). Ihre bösen Anschläge werden sich im göttlichen Strafgericht gegen sie selbst richten, denn sie haben Gottes Zorn in gröbster Weise herausgefordert. Mit Nachsicht können sie nicht rechnen (Vers 28; Ps 109,7.13–20). Sie haben nichts Gemeinsames mit Gerechten, da sie sich gegen den einzigen vollkommen Gerechten in furchtbarer Weise versündigt haben. Das Buch des Lebens enthält solche Namen nicht (Vers 29; Hes 13,9; Off 21,27). Beiläufig machen diese Verse darauf aufmerksam, dass sich das Dasein der menschlichen Seele nach dem Ableben des Körpers fortsetzt. Um an dem zukünftigen Gerichtstag teilnehmen zu können, wird jeder Verstorbene zunächst auferstehen müssen; er wird nach dem Urteilsspruch Gottes entweder ins ewige Leben gehen oder fortan in ewiger Verdammnis sein (Off 20,11–15).

Der Schluss des Psalms (Verse 31 bis 37) spricht davon, dass die Taten Gottes zur Rettung und zum Heil Seiner Frommen in Ewigkeit rühmend besungen werden. Die Treuen, die hier in Schwachheit und Leiden ausgeharrt haben und oft auch als Verachtete ausgestoßen waren, macht Er zu Seinen Anbetern und lässt sie in ewig sicherem Frieden wohnen (Verse 30 und 34; Ps 40,3–5.17; 109,22.31). Durch die Erfahrungen während eines gottesfürchtigen Lebens sind sie dazu vorbereitet, sie haben viel Anlass, den Namen Gottes zu erheben mit Lob und Liedern. Sie sind in der Lage, Ihn in einer so lebendigen Weise zu erheben, wie es durch Opfergaben und korrekt eingehaltene Gebräuche des Gottesdienstes nicht erreicht werden kann (Verse 31 und 32; Heb 13,15). Jesu Opfergang war nötig, um den an Ihn Glaubenden gereinigte Herzen und eine neue Natur schenken zu können, wodurch sie als Anbeter vor Gott angenehm werden. Ihnen wird zugerufen: „Es lebe euer Herz!“ (Vers 33). Die ruhigen Dulder, die sich nicht auflehnen, sondern sich Gottes Wort unterordnen und dem Herrn Gehorsam leisten, werden sich ewig freuen mit ihrem Erretter Jesus Christus, dem ewigen Sohn Gottes, der in Sanftmut und Demut Seinen schweren Weg über diese Erde vollendete (Ps 16,11; 22,27).

Gottes Ziel ist es, dass die ganze Schöpfung Ihn verherrlicht und Ihn lobt. Wenn dies erreicht ist, findet sich nichts mehr, was Ihn verunehrt. Sein besonderes Augenmerk wird Er auf Israel, Jerusalem und die Städte Judas richten. Denn dort ist dann Sein Wohnsitz auf der Erde (Verse 35 und 36; Ps 8,2; 66,1f; Ps 148,14). Mit der Rettung Zions und der Wiederherstellung Israels wird diese Zeit beginnen, und von dort aus wird Christus, ihr Messias, die Erde fortan regieren (Verse 36 und 37; Ps 48,2–4; Jes 44,26; 65,9). Von Christus handelt dieser ganze Psalm; er wird als prophetische Vorhersage bestätigt durch die Berichte des Neuen Testaments über den Weg Jesu in der Verwerfung und über Sein Leiden am Kreuz. Das Neue Testament erwähnt mehrere Stellen dieses Psalms, um zu zeigen, dass die hier gegebenen Voraussagen für das Verständnis der Leiden Christi sehr nützlich sind. Beim Lesen des Psalms wird sich der gläubige Christ erneut mit Dankbarkeit der Leiden seines Herrn erinnern; so verliert er die Liebe und Opferbereitschaft seines Erlösers nicht aus dem Auge. Die Erlösten sind Knechte des Christus, „die seinen Namen lieben“ (Vers 37). Ihr Gehorsam und die Liebe zu Ihm sind deutliche Kennzeichen der Verbindung mit Ihm, und im Befolgen Seines Wortes erweist sich ihre Liebe als echt (Ps 102,29; Joh 14,21). Die Knechte des Messias aus dem Volk Israel der Zukunft, die Seinen Namen lieben, verdanken Ihm ihre Rettung und ihr Erbteil, sie wohnen dann immer in Seiner Nähe. Das werden sie in Seinem Reich in dauerhaftem Frieden und Wohlergehen auf der Erde genießen. Auch die gläubigen Christen haben in Ihm ein Erbteil erlangt (Eph 1,11). Sie sind Erben Gottes und Miterben Christi und haben ihre Wohnung bei Ihm im Himmel.

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