Gedanken über den Brief des Apostels Jakobus
Botschafter des Heils in Christo 1860

Gedanken über den Brief des Apostels Jakobus Teil 3/3

Kapitel 3

Seid nicht viele Lehrer, meine Brüder, da ihr wisst, dass wir ein schwereres Urteil empfangen werden; denn wir alle straucheln oft. Wenn jemand nicht im Wort strauchelt, der ist ein vollkommener Mann, fähig, auch den ganzen Leib zu zügeln (Jak 3,1.2).

Die Sucht, Lehrer sein zu wollen, veranlasst den Apostel (V. 1), auf die größere Verantwortlichkeit eines Lehrers aufmerksam zu machen. Ein solches Trachten sollte stets von dem Gefühl dieser Verantwortlichkeit einerseits und andererseits von dem Gefühl unserer Schwachheit, „denn wir alle straucheln oft“, begleitet sein. Die Größe dieser Verantwortlichkeit tritt uns besonders im zweiten Vers entgegen, wo nicht derjenige als ein vollkommener Mann bezeichnet wird, der in keiner Tat, sondern derjenige, welcher „in keinem Wort strauchelt“, und der also fähig ist, „auch den ganzen Leib zu zügeln“. Das Maß unserer Verantwortlichkeit ist also die Unfehlbarkeit im Wort oder in der Rede, und dies ist besonders für solche, welche als Lehrer auftreten, sehr beherzigenswert.

Siehe, den Pferden legen wir die Gebisse in die Mäuler, damit sie uns gehorchen, und lenken ihren ganzen Leib. Siehe, auch die Schiffe, die so groß sind und von heftigen Winden getrieben werden, werden durch ein sehr kleines Steuerruder gelenkt, wohin [irgend] die Absicht des Steuermanns will. So ist auch die Zunge ein kleines Glied und rühmt sich großer Dinge. Siehe, ein kleines Feuer, welch einen großen Wald zündet es an! Und die Zunge ist ein Feuer, die Welt der Ungerechtigkeit. Die Zunge erweist sich unter unseren Gliedern als die, die den ganzen Leib befleckt und den Lauf der Natur anzündet und von der Hölle angezündet wird. Denn jede Natur, sowohl die der wilden Tiere als auch die der Vögel, sowohl die der kriechenden als die der Meerestiere, wird gebändigt und ist gebändigt worden durch die menschliche Natur; die Zunge aber kann keiner der Menschen bändigen: sie ist ein unstetes Übel, voll von tödlichem Gift. Mit ihr preisen wir den Herrn und Vater, und mit ihr fluchen wir den Menschen, die nach dem Gleichnis Gottes geworden sind (Jak 3,3–9).

In Verbindung mit dem Vorhergehenden fährt der Apostel in diesem Abschnitt nun fort, die Gewalt und die Unbezähmbarkeit der Zunge zu schildern, um uns die stete Gefahr des Strauchelns in dieser Beziehung recht fühlbar zu machen, und uns zur Wachsamkeit und zu einem Leben in Furcht zu ermahnen. Es ist aber zu beachten, dass er hier die Zunge nach ihrem eigentlichen und natürlichen Wesen, wie sie sich bei den Menschen offenbart, beschreibt. Er vergleicht sie mit dem Gebiss im Maul des Pferdes, das ihren ganzen Leib lenkt, und mit dem kleinen Steuerruder, womit der Wille des Steuermannes das ganze Schiff inmitten der heftigen Winde lenkt (V. 4). „So ist auch die Zunge ein kleines Glied und rühmt sich großer Dinge“ (V. 5). Sie ist fähig, die Masse der Menschen, ja ganze Völker in Bewegung und Aufruhr zu bringen und zu jeder bösen Tat fortzureißen. Sie ist wie ein kleines Feuer, womit man einen großen Haufen anzünden kann. Sie ist die Triebfeder von allerlei Falschheit und Bosheit. Als eine Welt voll Ungerechtigkeit und von der Hölle angezündet oder entflammt, befleckt sie den ganzen Leib, setzt den Lauf der Natur des Menschen in Bewegung (V. 6) und treibt ihn zu allerlei Sünde und Ungerechtigkeit fort.

Sie ist selbst schrecklicher und furchtbarer wie die wilden Tiere, deren natürliche Wildheit durch die menschliche Natur gezähmt werden kann (V. 7). Aber kein Mensch ist im Stande, die Zunge zu zähmen. „Sie ist ein unstetes Übel, voll von tödlichem Gift“ (V. 8). Nichts vermag ihren verderblichen Lauf zu hemmen. „Mit ihr preisen wir den Herrn und Vater, und mit ihr fluchen wir den Menschen“ (V. 9). Sie vermag also beides, zu „segnen und zu fluchen“ (V. 10).

Aus demselben Mund geht Segen und Fluch hervor. Dies, meine Brüder, sollte nicht so sein. Die Quelle sprudelt doch nicht aus derselben Öffnung das Süße und das Bittere? Kann etwa, meine Brüder, ein Feigenbaum Oliven hervorbringen oder ein Weinstock Feigen? Auch kann Salziges nicht süßes Wasser hervorbringen (Jak 3,10–12).

Es könnten durch Vers 9 und 10 etliche versucht werden, zu denken, dass durch das Wörtchen „wir“ auch wahre Gläubige gemeint seien, weil sich ja der Apostel selbst mit einzuschließen scheint. Doch beachten wir zunächst, dass hier von der Natur und dem Wesen der Zunge im Allgemeinen die Rede ist, und das in Kapitel 1,26 im Gegenteil gesagt wird, dass der Gottesdienst dessen, der seine Zunge nicht zügelt, eitel sei. Dann auch schreibt der Apostel, wie schon bemerkt, nicht an eine Versammlung von Gläubigen, sondern an die zwölf Stämme (vgl. Jak 1,1). Die Gläubigen hier, sowohl der Apostel als auch diejenigen, welche er in seinem Brief erwähnt, standen nicht als ein abgesonderter und sichtbarer Leib da, wie die Versammlungen, welche durch Paulus gegründet waren, sondern waren noch in Verbindung mit dem Judentum und darum sagt auch der Apostel, als verbunden mit dem ganzen Volk: „Wir segnen und fluchen!“ Wie verwerflich aber, ja wie unnatürlich dies ist, zeigt er in dem elften und zwölften Vers, nachdem er in Bezug aus das Vorhergehende gesagt hat: „Dieses, meine Brüder, sollte nicht so sein“ (V. 10). Eine Quelle kann nicht aus demselben Loch zugleich Bitteres und Süßes hervorsprudeln lassen und ein und derselbe Baum nicht verschiedenartige Früchte tragen. Ebenso wäre es auch ganz ungereimt und unnatürlich, wenn in der Mitte derer, welche vorgaben, das Volk Gottes zu sein und sich sogar des Glaubens rühmten, solche traurige Früchte der Sünde und Ungerechtigkeit auswuchsen, wie es auch ganz ungereimt ist, wenn ein Einzelner, der an Christus gläubig zu sein vorgibt, in Sünden fortlebt.

Wer ist weise und verständig unter euch? Er zeige aus dem guten Wandel seine Werke in Sanftmut der Weisheit. Wenn ihr aber bitteren Neid und Streitsucht in eurem Herzen habt, so rühmt euch nicht und lügt nicht gegen die Wahrheit. Dies ist nicht die Weisheit, die von oben herabkommt, sondern eine irdische, sinnliche, teuflische. Denn wo Neid und Streitsucht ist, da ist Zerrüttung und jede schlechte Tat. Die Weisheit von oben aber ist erstens rein, dann friedsam, milde, folgsam, voll Barmherzigkeit und guter Früchte, unparteiisch, ungeheuchelt. Die Frucht der Gerechtigkeit in Frieden aber wird denen gesät, die Frieden stiften (Jak 3,13–18).

Aus dem Vorhergehenden und Nachfolgenden geht klar hervor, dass sich in der Mitte derer, woran der Apostel schreibt, viel Aufblähung und falscher Eifer und Parteisucht kund gab. Deshalb ermahnt sie der Apostel, ihre Weisheit durch einen „guten Wandel“ und in Werken, die von wahrer Sanftmut zeugten, an den Tag zu legen (V. 13). Denn hierin offenbart sich die wahre Weisheit, nicht aber in eitlen Worten, wobei das Herz mit Eifer und Parteisucht erfüllt ist. Ein solcher Eifer sucht nicht die Wahrheit, sondern sich selbst. Er rühmt sich seiner Weisheit und steht doch im völligen Gegensatz zu der Wahrheit (V. 14). Eine solche Weisheit aber hat ihre Quelle nicht in Gott, und kommt nicht von oben, sondern ihre Quelle ist die Erde, das Fleisch und der Teufel (V. 15). Sie offenbart sich in „Eifer und Parteisucht“ und ihre Früchte sind „Aufruhr und jede schlechte Tat“ (V. 16). Welch ein trauriger Gegensatz bildet diese Weisheit zu der wahren, die von oben ist! Denn die Weisheit von oben ist von allem Bösen abgesondert. Sie offenbart sich in Reinheit, Friedfertigkeit, Nachgiebigkeit und Barmherzigkeit. Sie ist reich an guten Früchten und frei von aller Parteisucht und Heuchelei (V. 17). Denn sie ist aus der Wahrheit und Gott selbst ist ihre Quelle. Da, wo diese Weisheit ist, da ist auch Friede. Und nur der Friede ist der wahre Boden, auf welchem die Frucht der Gerechtigkeit wächst, und ist auch der wahre Zustand derer, von welchen die Gerechtigkeit gesät wird (V. 13).

Kapitel 4

Woher kommen Kriege und woher Streitigkeiten unter euch? Nicht daher: aus euren Begierden, die in euren Gliedern streiten? Ihr begehrt und habt nichts; ihr mordet und neidet und könnt nichts erlangen; ihr streitet und führt Krieg; ihr habt nichts, weil ihr nicht bittet; ihr bittet und empfangt nichts, weil ihr übel bittet, damit ihr es in euren Begierden vergeudet. Ihr Ehebrecherinnen, wisst ihr nicht, dass die Freundschaft der Welt Feindschaft gegen Gott ist? Wer nun irgend ein Freund der Welt sein will, erweist sich als Feind Gottes. Oder meint ihr, dass die Schrift vergeblich rede? Begehrt der Geist, der in uns wohnt, mit Neid? Er gibt aber größere Gnade; deshalb spricht er: „Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt er Gnade“ (Jak 4,1–6).

In den vier ersten Versen hier sehen wir die Kundgebung und Wirkung der in Kapitel 3,15 erwähnten Weisheit, die nicht von oben hernieder gekommen, sondern irdisch, sinnlich und teuflisch ist. Während die Weisheit von oben aufs erste rein, dann friedsam, nachgiebig, usw. ist (V. 17), gab sich diese falsche Weisheit derer, an welche sich der Apostel hier wendet, durch allerlei Kriege und Kämpfe kund. Und die Quelle aller dieser Kriege und Kämpfe waren die Wollüste, die in „ihren eigenen Gliedern“ stritten (V. 1). Doch auch hier dürfen wir nicht vergessen, dass dieser Brief an die zwölf Stämme, aus deren Mitte der gläubige Überrest noch nicht abgesondert war, gerichtet ist. Wenn es auch leider der Fall ist, dass diese verwerfliche Weisheit sich selbst unter wahren Gläubigen oft kund gegeben hat, und noch kund gibt, so darf uns doch diese traurige Wahrnehmung nicht verleiten, von diesem Brief eine falsche Anwendung zu machen.

Wenn wir daran denken, dass dem Volk Israel eine irdische Herrlichkeit verheißen ist, und was überhaupt das Herz hienieden sucht, und dass im Gegenteil, Armut, Elend und Unterdrückung das Teil dieses Volkes war, so können wir leicht begreifen, worauf ihr Begehren und Trachten gerichtet war. Sie suchten aber in ihrem Hochmut durch eigenes Wirken das zu erlangen, was nur Gott ihnen geben konnte und was Er nur dem Demütigen geben will. Alle ihre Anstrengungen waren deshalb auch vergeblich (V. 3), weil sie nicht auf die rechte Weise suchten, und sich im Gebet an die wahre Quelle alles Guten wandten. Und selbst wenn sie Gott mit Bitten nahten, so geschah es nicht mit einem demütigen Herzen und sie wollten auch nur das Begehrende besitzen, um es in ihren Wollüsten zu verzehren (V. 3). Würden ihre Bitten wirklich Erhörung gefunden haben, so würde dies nur zu ihrem eigenen Schaden geschehen sein. Ach! Wie oft muss Gott aus demselben Grunde selbst seinen Kindern ihre Bitten versagen.

Andererseits suchte das Volk durch Freundschaft mit der Welt ihre Begierde zu befriedigen (V. 4). Sie hatten vergessen, dass Gott ihr Mann war (vgl. Hos 2,7.16), der auch stets bereit stand, sie in allem zu versorgen. Sie gaben sich der Welt hin, welche im völligen Gegensatz zu Gott steht. Sie erwählten diese zu ihrem Versorger und machten sich also des traurigsten Ehebruchs gegen Gott schuldig, und stellten sich auch durch diese Verbindung mit der Welt sogar als Feinde Gottes dar.

In Verbindung mit dem Vorhergehenden erwähnt der Apostel in Vers 5, dass das Begehren des Geistes im Menschen mit Neid oder Eifersucht und Missgunst verbunden sei. Dies ist die natürliche Neigung des Herzens, wobei aber nichts erlangt wird, wie wir in Vers 2 sehen. Dagegen empfangen wir von Gott größere Gnade. Er gibt reichlich, und gibt alles umsonst. Doch nicht denen, welche hassen und neiden, sondern denen, welche sanftmütig und demütig sind. Der Hochmut des Herzens steht immer den Gnadenspendungen Gottes im Wege. Denn „Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt Er Gnade“ (V. 6).

Unterwerft euch nun Gott. Widersteht aber dem Teufel, und er wird von euch fliehen. Naht euch Gott, und er wird sich euch nahen. Säubert die Hände, ihr Sünder, und reinigt die Herzen, ihr Wankelmütigen. Seid niedergebeugt und trauert und weint; euer Lachen verwandle sich in Traurigkeit, und eure Freude in Niedergeschlagenheit. Demütigt euch vor dem Herrn, und er wird euch erhöhen (Jak 4,7–10).

In diesen Versen ermahnt nun der Apostel, in die wahre Stellung einzutreten, in welcher die Verheißungen Gottes allein erlangt werden können. Zu diesem Ende war eine völlige Umkehr nötig. In ihrem bisherigen Dichten und Trachten waren sie dem Teufel unterworfen gewesen und hatten sich durch ihn leiten lassen. Jetzt sollten sie sich im Gegenteil „Gott unterwerfen“ und dem Teufel widerstehen (V. 7). Dieser Widerstand, konnte aber nur dann von wirksamem Erfolg sein, so dass der Teufel von ihnen floh, wenn sie sich zuerst Gott unterworfen hatten, damit sie in seiner Kraft Widerstand leisteten. Anders stand das Fleisch, die eigene Kraft, auf dem Kampfplatz, und in diesem Fall war Satan der Stärkere und so ist es immer.

In Vers 8 werden sie ermahnt, „Gott zu nahen“, ein Beweis, dass sie nicht in seiner Gegenwart lebten. Dieses Nahen aber, wenn es mit wahrer Demut des Herzens verbunden war, offenbarte ihr Vertrauen zu seiner Macht und Hilfe. Und diesem Vertrauen will Gott antworten. Er wird ihnen nahen und ihnen darreichen, was sie bedürfen. Um aber in seiner Gegenwart zu erscheinen, ist es nötig, sich zu reinigen. Nicht nur äußerlich, wie es schon das Gesetz erforderte, wenn Israel Gott nahen wollte (vgl. 2. Mo 19,10.11), sondern auch innerlich „die Hände und die Herzen“ (V. 8). Er fordert die Reinigung von ihren bösen Taten und von ihrer schlechten Gesinnung. Weiter sollten sie in Anerkennung ihrer Sünden niedergeschlagen sein, „trauern und weinen“, denn in dieser Gesinnung allein findet der schuldbeladene Sünder Zugang zu Gott. Und durch dieselbe verherrlicht er Ihn, indem er anerkennt, „dass Gott wahrhaftig ist und jeder Mensch Lügner“ (vgl. Röm 3,4). Durch ihre Selbsterhöhung erlangten sie nichts, denn Gott widerstand ihnen. Sollte Gott sie erhöhen, so mussten sie sich selbst vorher erniedrigen. Nach diesem Grundsatz handelte Gott zu jeder Zeit. Auch Jesus hat Sich erniedrigt, indem Er „sich zu nichts machte“, und darum hat Ihn Gott über alles erhöht (vgl. Phil 2,5–11).

Redet nicht gegeneinander, Brüder. Wer gegen seinen Bruder redet oder seinen Bruder richtet, redet gegen das Gesetz und richtet das Gesetz. Wenn du aber das Gesetz richtest, so bist du nicht ein Täter des Gesetzes, sondern ein Richter. Einer ist der Gesetzgeber und Richter, der zu erretten und zu verderben vermag. Du aber, wer bist du, der du den Nächsten richtest? (Jak 4,11.12).

Der Apostel tadelt in diesen Versen das lieblose Verhalten des einen gegen den andern. „Redet nicht gegeneinander, Brüder.“ Das Gesetz fordert die Liebe und verwirft das Übelreden. Wer es dennoch tut, handelt nicht nach dem Gesetz, er verachtet den Bruder und auch das Gesetz. Dies tritt aber noch mehr hervor, wenn er einen Bruder richtet, der in Übereinstimmung mit dem Gesetz lebt. Da trifft das Übelreden und Richten noch vielmehr das Gesetz, indem er das an jenem richtet, was dieses gutheißt und gebietet. Bei einer solchen Handlungsweise aber haben wir die uns geziemende Stellung verlassen. Wir sind nicht mehr ein Täter, sondern ein Richter des Gesetzes. Zugleich aber haben wir auch vergessen, dass der, welcher zu erretten und zu verderben vermag, das Gesetz gegeben und das Gericht übernommen hat. Beides kommt Ihm allein zu. Durch unser Richten aber überschätzen wir uns selbst, und maßen uns an, in seine Rechte einzugreifen.

Wohlan nun, ihr, die ihr sagt: Heute oder morgen wollen wir in die und die Stadt gehen und dort ein Jahr zubringen und Handel treiben und Gewinn machen (die ihr nicht wisst, was der morgige Tag bringen wird; [denn] was ist euer Leben? Ein Dampf ist es ja, der für eine kurze Zeit sichtbar ist und dann verschwindet); statt dass ihr sagt: Wenn der Herr will und wir leben, so werden wir auch dieses oder jenes tun. Nun aber rühmt ihr euch in euren Großtuereien. Alles solches Rühmen ist böse. Wer nun weiß, Gutes zu tun, und tut es nicht, dem ist es Sünde“ (Jak 4,13–17).

In diesem Abschnitt wendet sich der Apostel an solche, die sich weder ihrer völligen Abhängigkeit von Gott, noch ihrer eigenen Nichtigkeit und Ohnmacht bewusst waren (V. 13.14). Sie handelten nach dem Hochmut ihres eignen Herzens, und fragten nicht nach Gott (V. 15). Sogar brüsteten sie sich mit solchen Prahlereien, wie wir sie in Vers 13 finden. Der letzte Vers bezeichnet auch das Unterlassen des Guten, was man zu tun weiß, als Sünde. Viele möchten sich gern damit begnügen, das Gute zu wissen. Gott aber begnügt sich nicht damit. Er fordert die Tat. Sein Name wird nur dadurch von uns verherrlicht, wenn wir alles das, was wir vor Ihm als wohlgefällig anerkennen, auch erfüllen. Das Unterlassen aber ist Sünde.

Kapitel 5

Wohlan nun, ihr Reichen, weint und heult über euer Elend, das über euch kommt! Euer Reichtum ist verfault, und eure Kleider sind von Motten zerfressen worden. Euer Gold und Silber ist verrostet, und ihr Rost wird zum Zeugnis sein gegen euch und wird euer Fleisch fressen wie Feuer; ihr habt Schätze gesammelt in den letzten Tagen. Siehe, der Lohn der Arbeiter, die eure Felder abgemäht haben, der von euch vorenthalten worden ist, schreit, und das Geschrei der Schnitter ist zu den Ohren des Herrn Zebaoth gekommen. Ihr habt in Üppigkeit gelebt auf der Erde und geschwelgt; ihr habt eure Herzen gepflegt wie an einem Schlachttag. Ihr habt verurteilt, ihr habt getötet den Gerechten; er widersteht euch nicht (Jak 5,1–6).

Während der Apostel in den ersten Versen dieses Kapitels den Reichen, welcher in seinem Wohlleben und in seinem Hochmut die Armen und Geringen unterdrückt und bedrängt, das bevorstehende schreckliche Gericht verkündigt, tröstet er in den folgenden Versen 7–11 die bedrängten und leidenden Gläubigen mit der nahen Ankunft des Herrn, als Richter, der sich, wenn Er kommt, ihrer Sache annehmen wird. Dies ist die Hoffnung des bedrängten und treuen Überrestes Israels in den letzten Tagen. Diese letzten Tage aber hatten schon zur Zeit der Apostel begonnen, denn schon der Apostel Johannes sagt: „Kinder, es ist die letzte Stunde“ (1. Joh 2,18). Was charakterisiert nun den Reichen dieser Welt während dieser Zeit? Er hat in den letzten Tagen Schätze gesammelt, um den Begierden seines Fleisches zu frönen. Er hat den Lohn den Arbeitern seines Ackers vorenthalten, so dass „der Schrei der Schnitter in die Ohren des Herrn Zebaoth gedrungen“ ist. Er hat „auf Erden üppig gelebt und geschwelgt“, er hat „sein Herz gepflegt wie an einem Schlachttag“ und was wird sein Ende sein? Er hat für sein eigenes Fleisch gesät, und wird von dem Fleisch verderben ernten (vgl. Gal 6,8). Was für einen Wert haben nun die gesammelten Schätze am Tag des Gerichts? Sein Reichtum ist verfault, seine Kleider sind von Motten zerfressen worden (V. 2). Und nicht nur ist sein Gold und Silber verrostet (V. 3), nicht nur ist der Besitz desselben nichtig und vergänglich, sondern der Rost seines Goldes und Silbers wird gegen ihn zeugen. Ernste Worte. Der Rost legt Zeugnis ab von seinem Geiz (V. 3), von seiner Ungerechtigkeit (V. 4), von seiner Wollust und von seiner Gewalttätigkeit (V. 5). Das sind die Charakterzüge des Reichen dieser Welt, der den Gerechten verurteilt und getötet hat.

Eine traurige Wahrheit, die zwar im Allgemeinen ihre Anwendung findet, die aber in der Beurteilung und Kreuzigung des Herrn ihren wahren Ausdruck gefunden und ihre schreckliche Höhe erreicht hat (V. 6). Er, der Gerechte in unscheinbarer Knechtsgestalt umherwandelnd, fand Verachtung und Tod in der Mitte der Reichen dieser Welt. Und seine treuen Nachfolger finden eben so wenig Annahme und Anerkennung. Möchten aber auch wir, seinem Bild ähnlich, nicht widerstehen, sondern es stets als ein Vorrecht und als eine Gnade ansehen, Unrecht zu leiden.

Habt nun Geduld, Brüder, bis zur Ankunft des Herrn. Siehe, der Ackerbauer wartet auf die köstliche Frucht der Erde und hat Geduld ihretwegen, bis sie den Früh- und den Spätregen empfängt. Habt auch ihr Geduld, befestigt eure Herzen, denn die Ankunft des Herrn ist nahe gekommen. Seufzt nicht gegeneinander, Brüder, damit ihr nicht gerichtet werdet. Siehe, der Richter steht vor der Tür. Nehmt, Brüder, zum Vorbild des Leidens und der Geduld die Propheten, die im Namen des Herrn geredet haben. Siehe, wir preisen die glückselig, die ausgeharrt haben. Von dem Ausharren Hiobs habt ihr gehört, und das Ende des Herrn habt ihr gesehen, dass der Herr voll innigen Mitgefühls und barmherzig ist (Jak 5,7–11).

Wir haben also gesehen, was der Charakter des Reichen dieser Welt und was sein trauriges Ende ist. Wie aber sollen sich die von ihnen unterdrückten Gläubigen, diese Verachteten der Erde, verhalten? Der Apostel hat ein Wort des Trostes für sie. Er ermuntert sie in Vers 7 und 8 zum geduldigen Ausharren und lenkt ihre Blicke auf die nahe Ankunft des Herrn. Bis dahin sind schwere Versuchungen ihr Los. Wenn aber der Herr erscheint, dann sind sie von jeder Gewalttat und jeder Verfolgung von Seiten der Ungerechten für immer errettet und werden dann ohne Aufhören ernten.

Das Bild von dem auf die Ernte geduldig harrenden Ackermannes bezeichnet deutlich die Stellung der leidenden Gläubigen auf dieser Erde. In Israel empfing die Frucht zur Zeit der Aussaat den Frühregen und zur Zeit der Reife den Spätregen. Dieser Früh- und Spätregen hat als Bild jedenfalls seine besondere Bedeutung in den Wegen Israels.

Der Pfingsttag war für dieses Volk der Frühregen und die Ankunft des Herrn zum Gericht wird der Spätregen sein. Sie sind alsdann sowohl mit dem heiligen Geist, als auch mit Feuer getauft. Aber auch wir, als zur Versammlung, dem Leib Christi, gehörend, finden in diesen Worten eine ernste und liebliche Ermahnung zum vollkommenen Ausharren bis zur Ankunft des Herrn. Denn seine Ankunft wird auch für uns das Ende aller Versuchungen sein, indem sie uns in Seine glorreiche Herrlichkeit einführen wird. Für uns kommt Er als Bräutigam, um uns zu sich in den Himmel aufzunehmen, und für jene als Richter, um sie auf der Erde von ihren Unterdrückern zu befreien.

„Seufzt nicht gegen einander, Brüder, damit ihr nicht gerichtet werdet!“ (V. 9). Dieses Seufzen gegen einander war, wenn auch ein stilles, so doch ein gegenseitiges Verklagen und Richten. Ein solches Verhalten aber war gegen die Liebe und zog das Gericht nach sich. Es sollte der Gedanke, dass der Herr nahe ist, und „der Richter vor der Tür steht“, sie stets leiten, sowohl alles zu vermeiden, was sie unter sein Gericht bringen konnte, als auch im Unrechtleiden auszuhalten. Der Apostel weist sie deshalb auf das treue Ausharren anderer Gläubigen hin, die in ähnlichen Leiden waren. Zuerst stellt er „das Beispiel der Geduld und des Leidens der Propheten“ vor ihre Seele (V. 10). Die Ausharrenden werden seliggepriesen (V. 11), weil sie die Verheißung davontragen. Dies sehen wir in dem folgenden Vers, wo der Apostel an das Ausharren Hiobs und an das Ende des Herrn dabei erinnert (V. 11). Dies Ende des Herrn in seinen Wegen gegen den ausharrenden Hiob offenbart Ihn als einen Gott voll Erbarmen und Mitleiden. Er segnete den Hiob nachher mit größerem Segen, als er vorher hatte. Und also wird Er sich am Ende gegen alle offenbaren, die in der Versuchung hienieden völlig ausgeharrt haben (vgl. 2. Tim 4,7.8).

Vor allem aber, meine Brüder, schwört nicht, weder bei dem Himmel noch bei der Erde, noch mit irgendeinem anderen Eid; es sei aber euer Ja ja, und euer Nein nein, damit ihr nicht unter Gericht fallt (Jak 5,12).

In diesem Vers tritt der Apostel der Unsitte des Schwörens entgegen, die besonders bei den Juden zur Gewohnheit geworden war (vgl. Mt 5,35). Diese traurige Sitte findet da am meisten Eingang, wo am wenigsten die Wahrheit geredet wird. Es sind etliche der Meinung, dass der Apostel hier auch von dem Eid, den etwa die Obrigkeit zur Bezeugung irgendeiner Sache von uns fordert, rede, und wollen somit jeden Eidschwur verbieten. Dass dies aber nicht der Fall sein kann, geht schon daraus hervor, dass er hier verschiedene Formeln des Eides, die unter den Juden üblich waren, nennt, und dann haben ja die Männer Gottes zu aller Zeit Eid getan, ohne dass Gott jemals sein Missfallen darüber bezeugt hätte (vgl. 1. Mo 14,2224; 1. Kön 17,12; Ps 132,2; 2. Kor 1,23). Er selbst hat oft auf diese feierliche Art seine Zusage bekräftigt, und auch der Herr Jesus beantwortete den Eid des Hohenpriesters, als dieser Ihn bei dem lebendigen Gott beschwur (vgl. Mt 26,63.64). Der Apostel tadelt hier also nur die Unsitte des Schwörens untereinander, indem sie ihre gegenseitigen Aussprüche durch allerlei Eide, welchen sie sogar eine unterschiedene Wichtigkeit beilegten, leichtfertig beteuerten. Sie sollten vielmehr in allem wahr und aufrichtig sein, denn anders würden sie unter das Urteil des Gerichts kommen.

Leidet jemand unter euch Trübsal? Er bete. Ist jemand guten Mutes? Er singe Psalmen. Ist jemand krank unter euch? Er rufe die Ältesten der Versammlung zu sich, und sie mögen über ihm beten und ihn mit Öl salben im Namen des Herrn. Und das Gebet des Glaubens wird den Kranken heilen, und der Herr wird ihn aufrichten, und wenn er Sünden begangen hat, wird ihm vergeben werden. Bekennt nun einander die Sünden und betet füreinander, damit ihr geheilt werdet; das inbrünstige Gebet eines Gerechten vermag viel. Elia war ein Mensch von gleichen Empfindungen wie wir; und er betete ernstlich, dass es nicht regnen möge, und es regnete nicht auf der Erde drei Jahre und sechs Monate. Und wieder betete er, und der Himmel gab Regen, und die Erde brachte ihre Frucht hervor (Jak 5,13–18).

Wir sehen hier (V. 13), dass jeder Zustand und jede Lage, worin wir uns befinden, so wie auch alle unsere Gefühle stets ihren Ausdruck vor dem Herrn haben sollen. Vor Ihm sollen wir allezeit unsere Herzen ausschütten und unsere Gefühle kund werden lassen, sei es durch Gebet oder Lobgesang, denn Gott allein ist unsere Hilfe, und Ihm haben wir alles zu verdanken.

Die in Vers 14 erwähnten Ältesten, die der Kranke zu sich rufen lassen sollte, hatten nicht in der Weise ein Amt, wie der Apostel Paulus solche hin und her in der Versammlung einsetzte, sondern waren die ältesten Personen, die, an Erfahrung reich, eine gewisse Aufsicht hatten. Dies war überhaupt bei den Juden Brauch, und wir haben schon einige Male bemerkt, dass dieser Brief an solche gerichtet war, die noch mit dem Judentum in Verbindung standen. Auch das Salben mit Öl war eine jüdische Verordnung. Beachtenswert ist, dass nicht das Öl, sondern das Gebet des Glaubens den Kranken rettet oder heilt und die Vergebung seiner Sünden bewirkt, wenn diese die Quelle seiner Krankheit sind (V. 15). Zu diesem Ende fordert auch der Apostel (V. 16) zu einem gegenseitigen Sündenbekenntnis und zur Fürbitte auf, mit der Versicherung, dass das Gebet des Gerechten viel vermag, wozu das Gebet des Elias (V. 17) den Beweis liefert. Köstliche Verheißung! Jedoch dürfen wir nicht vergessen, dass nur der in Wahrheit fähig ist, für andere zu beten, dessen Herz in Gemeinschaft mit Gott wandelt.

Meine Brüder, wenn jemand unter euch von der Wahrheit abirrt, und es führt ihn jemand zurück, so wisse er, dass der, der einen Sünder von der Verirrung seines Weges zurückführt, eine Seele vom Tod erretten und eine Menge von Sünden bedecken wird (Jak 5,19.20).

Schließlich zeigt der Apostel in diesen beiden Versen, wie gesegnet das Verhalten eines Christen hier auf der Erde sein kann. Ein Leben in Hass, Neid und Bitterkeit dient nur zum eigenen Unsegen und zum Unsegen anderer, und gibt zu vielen Sünden Anlass. Aber ein Wandel in Liebe und Erbarmen wird mit vielem Segen gekrönt. Die Liebe allein bessert. Durch sie sind wir durch die Gnade Gottes fähig, den Sünder von dem Irrtum seines Weges zu bekehren. Und welch ein großer Gewinn ist es, eine „Seele vom Tode zu erretten und dadurch eine Menge Sünden zuzudecken!“ Dies Zudecken aber geschieht durch die wirksame Kraft des Blutes Christi, zu dessen Besprengung das Herz im Glauben gelangt.

Es freuen sich aber auch die Engel Gottes über einen Sünder, der Buße tut. Denn unermesslich ist der Wert einer jeden erretteten Seele, wenn wir sie nach ihrem kostbaren Kaufpreis, nach dem heiligen und teuren Blut Jesu Christi schätzen. Dies Bewusstsein möge der Heilige Geist im Verkehr mit anderen stets in unseren Herzen lebendig erhalten!

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