Botschafter des Heils in Christo 1860

Das Werk des Heiligen Geistes in Irland Teil 1/2

Seit mehreren Monaten sind die Herzen der Heiligen durch eine mächtige und ausgedehnte Wirkung des Heiligen Geistes in dem bisher so dürren und toten Irland erfreut worden. Es sind dort in sehr kurzer Zeit eine große Menge errettet und der Versammlung Gottes hinzugefügt worden. Dies kann nur für alle, die den Herrn und seine Erscheinung wirklich liebhaben, ein Gegenstand großer Freude sein. Daran zweifeln wir nicht; aber wir glauben, dass bei vielen eine falsche Vorstellung über den wahren Charakter dieses Werkes Gottes herrscht. Wir teilen deshalb zwei Briefe mit, welche wir von Brüdern empfangen haben, die sowohl bei den Anfängen als auch beim Fortgang des Werkes Augenzeuge waren.

Man erlaube uns aber zuvor noch einige Bemerkungen. Manche haben an der Göttlichkeit dieses Werkes gezweifelt, weil viele Bekehrungen eine so mächtige Wirkung selbst auf den Körper ausüben. Allein sie tun unrecht. Es ist nicht unsere Sache, dem allmächtigen Werkmeister vorzuschreiben, auf welche Weise Er sein Werk ausführen möge. Bei einigen lässt Er die Bekehrung so still und unbemerkt vor sich gehen, dass selbst die nächste Umgebung nicht weiß, welch ein herrlich Werk Gott in ihnen darstellt. Andere aber leitet er solche Wege, dass sie unter dem Gefühl ihrer Schuld in ein lautes Schreien ausbrechen. Sind wir aber fähig, diesen Unterschied zu beurteilen? Sind wir dazu berufen? Gewiss nicht. Lasst uns z. B. den Unterschied der Bekehrung zwischen der Lydia und dem Kerkermeister in Apostelgeschichte 16 ansehen. Von der ersteren wird gesagt: „Dieser tat der Herr das Herz auf, so dass sie Acht gab auf das, was von Paulus geredet ward;“ der Kerkermeister aber sprang hinein und zitternd geworden, fiel er vor Paulus und Silas hin. Es würde nun ebenso unrecht sein, deshalb an der Bekehrung des Kerkermeisters zweifeln zu wollen, weil er dabei so aufgeregt war, als es auch unrecht sein würde, an der Bekehrung der Lydia zu zweifeln, weil sie dabei so ruhig geblieben ist. Weder die Aufregung noch die Ruhe haben irgendetwas zur Errettung der Seele beigetragen. Jener fiel hin, diese nicht; aber Beide waren durch Christus errettet.

Betrachtet ferner den Unterschied zwischen der ruhigen Bekehrung des Kämmerers in Apostelgeschichte 8 und der sehr ergreifenden Bekehrung des Saulus von Tarsus (Apg 9). Die eine war ebenso wahr als die andere, wie wohl die Umstände bei beiden sehr verschieden waren. Jemand kann bekehrt werden, ohne einmal von seinem Sitz aufzustehen, wie der Kämmerer; oder zur Erde fallen, wie Saulus. Er kann gleich mit Freude und Friede erfüllt sein, wie jener, oder drei Tage bewusstlos darniederliegen, wie dieser. Die Umstände machen niemals eine Bekehrung zu einer wirklichen. Die Vereinigung mit Christus und nicht die Art und Weise, wie ich mit Ihm vereinigt werde, errettet meine Seele. Die Wahrheit einer Bekehrung zu bezweifeln wegen der fremden Erscheinung, die dabei stattfindet, ist ebenso unverantwortlich, als die Bekehrung nach der Erscheinung abzumessen.

Die Wiedergeburt ist ein Werk Gottes. Der, welcher sie bewirkt, ist der Heilige Geist. Das Mittel ist Gottes Wort. Die Art und Weise, auf welche sie stattfindet, liegt ebenso sehr außer uns, als die Mittel und der Werkmeister. Gott ist allmächtig. Er gibt keine Rechenschaft von seinem Tun; und wir irren sehr, wenn wir meinen, dass unser Urteil hierbei eine Regel sein kannte. Die Geheimnisse und Wunder der neuen Schöpfung werden den weisesten und klügsten Gelehrten in Verwirrung bringen. Immer werden Dinge zum Vorschein kommen, vor welchen das arme, menschliche Verständnis mit Bewunderung stillstehen muss und von welchen man nur sagen kann: „Es ist Gottes Finger.“

Wenn es einen Fall gibt, der ganz und gar gegen Gottes Wort streitet, so sind wir berechtigt, darüber zu urteilen; denn Gottes Wort und Geist können nimmer lügen; aber lasst uns auch selbst dann im Aussprechen unseres Urteils wenigstens vorsichtig sein; denn wir können leicht irren. Ein einfältiges und demütiges Herz aber wird die Wege Gottes leicht von den Irrwegen Satans unterscheiden können.

Der erste Brief nun ist aus Newtown – Limawadn in der Provinz Ulster, im Norden von Irland, und ist folgenden Inhalts:

Geliebter Bruder!

Es ist mir eine liebliche Beschäftigung, Dir in Betreff des großen Werkes, welches Gott in dieser Gegend begonnen hat, einiges mitzuteilen. Ich sage: das Werk, welches Gott begonnen hat, und wahrlich, wie immer, so hat Er auch hier gezeigt, dass Er keine menschliche Hilfe nötig hat. Der Geist Gottes hat dem Menschen jegliche Ursache abgeschnitten, um sich zu erheben. Niemand kann sich rühmen, das Werkzeug zu diesem Werk gewesen zu sein. Gott hat gezeigt, dass alle menschliche Kraft und Weisheit bei Ihm Torheit ist, „auf dass sich kein Fleisch vor ihm rühme.“ – Einige wenige Worte über die Anfänge und den Fortgang dieses Werkes werden dies begründen.

In Conner, einem Dorf in der Grafschaft Autrim, wurde vor ungefähr drei Jahren ein Mann, arm in dieser Welt und von geringer Bildung, durch den Geist Gottes über seine Sünden beunruhigt. Zwei Jahre lang lebte er in diesem Zustand, und weil er keine Kenntnis vom Weg der Seligkeit besaß, so trachtete er, wie es Hunderte mit ihm tun, seine eigene Gerechtigkeit aufzurichten. Er fand aber keine Ruhe, für sein armes, ruheloses Herz. In diesem Seelenzustand hörte er von einer armen christlichen Frau, die sich lange Zeit in Ballymana aufgehalten hatte, und jetzt im Begriff war, eine Gegend zu verlassen, wo sie so wenig, ja fast gar keine christliche Gemeinschaft finden konnte, und wo man nur kalte und tote Herzen antraf. Er machte sich auf, diese Frau zu besuchen; und von ihren Lippen vernahm er die frohe Botschaft einer vollkommenen, freien, augenblicklichen und persönlichen Errettung durch das eine Opfer Jesu Christi auf dem Kreuz. Ihre Worte waren Balsam für sein verwundetes Herz, und in dem Blut Jesu fand er Frieden. Aber bei der unbeschreiblichen Freude seines Herzens entstand eine Betrübnis über den schrecklichen Zustand der Menschen, unter welchen er wohnte und lebte. Er vereinigte sich mit einer oder zwei– ebenso einfachen Seelen, wie er selbst war, um Gott zu bitten, den Toten das Leben zu geben. Sie beteten. Gott hörte – hörte und antwortete – antwortete, wie Er immer tut, weit über ihre Erwartung.

Das ist, geliebter Bruder, in wenigen Worten der Anfang dieses gesegneten Werkes, welches sich in der ganzen Provinz Ulster offenbarte. Lasst uns nicht nach Nebenursachen suchen oder trachten, um auf einem anderen Wege diese Sache dem Verständnis klar zu machen. Gottes Wort und Gebet müssen als die einzigen Mittel für die Anfänge und den Fortgang dieses Werkes angesehen werden. Wo ist der Ruhm des Menschen? Ein ungelehrter Mann aus niedrigem Stand lernt von den Lippen einer Fremden das einfache Evangelium von Jesu. Er und zwei andere fangen an, gemeinschaftlich zu beten und zu predigen, zu predigen und zu beten. Gott segnet. Und der Strom dieser Segnungen hat mit wunderbarer Schnelligkeit das ganze Land erfüllt. Taufende sind durch diesen Strom erquickt. Der Feind hat getrachtet, seinen Lauf zu hemmen; aber die Kraft, womit er fortgetrieben wurde, war zu stark.

Gott war es, der durch seinen Geist die Herzen mächtig ergriff und sie zu Jesu Füßen führte. Mehr als hundert Seelen wurden in einer Woche an meinem Wohnort bekehrt. Ein Tag war mir besonders merkwürdig. Es war Samstag. Ein treuer Knecht des Herrn war gekommen, das Evangelium zu verkündigen. Fünftausend Menschen waren unter freiem Himmel versammelt und hörten mit großer Aufmerksamkeit das Wort von der Versöhnung. Kaum hatte der Redner einige Minuten gesprochen, als viele davon ergriffen wurden, und laut schreiend über ihre Sünde zur Erde Hinfielen. Nach einigen Augenblicken hatten sie Frieden gefunden. Bald nachher wurden wieder andere ergriffen – und fanden Frieden. Die Szene wurde immer ergreifender – der Geist Gottes wirkte kräftig und bezeugte, dass Er noch derselbe war, wie damals, wo Er auf dem Pfingstfest zu Jerusalem diese Erde zu seiner Wohnstätte erkor. Erst um sieben Uhr morgens hatten alle den Ort, wo so viele geboren waren, verlassen.

Wenn du durch die Straßen meines Wohnorts gingst und dir die Mühe gäbest, die Hälfte der Häuser zu besuchen, so würdest du in jedem Haus Menschen antreffen, die mit einander von Jesu sprechen, singen, beten, lesen und sich in großem Maß freuen. Männer und Frauen, Greise und Kinder, Freie und Dienende würdest du die großen Taten verkündigen hören, die der Herr an ihren Seelen getan hat. Meine Feder ist nicht im Stand, den Eindruck zu beschreiben, welchen dies Werk des Geistes in der Seele hervorruft.

Ja, was hier geschehen ist, ist eine ernste Lehre für die bekennende Kirche. Der Heilige Geist hat bezeugt – aufs Neue bezeugt – dass Er frei sein will in allem Tun. Er hat die Anordnungen und Gedanken der Menschen zu Schanden gemacht. Er nahm meistenteils die ungelehrtesten Männer, um Seelen von der Finsternis zum Licht zu führen. So tat Er zurzeit der Apostel; so tat Er im Mittelalter; so tut Er es auch jetzt noch. Wann werden den Christen die Augen aufgehen. Der Herr gebe, dass auch dies von diesem gesegneten Werk eine Frucht sein möge. Ich habe Tausende versammelt gesehen, hängend an den Lippen eines Mannes, der keinen einzigen Satz gut englisch sprechen konnte. Wahrlich, ein ungelehrter Bauer mit Christus im Herzen, ist besser, als ein christlicher Gelehrter mit all den Wissenschaften in seinen Fingerspitzen. Es ist hier sehr deutlich, dass jede Gelehrsamkeit verschwinden muss, sobald man mit Seelen umgeht. Unsere Weisheit wird da zu Schanden gemacht und Gott zeigt, dass bei Ihm tiefe Weisheit, was vor den Menschen Torheit ist.

Und nun, geliebter Bruder, bevor ich diesen Brief beendige noch einige, wenige Worte. Erzähle allen Brüdern und Schwestern in Christus, was Gott hier getan hat. Wenn Freude im Himmel ist über einen Sünder, der sich bekehrt, sollten wir denn nicht mit Freude erfüllt sein, wenn so viele dem Glauben gehorsam werden. Sage ihnen, dass Gott hier das Gebet der Seinen, in Einfalt zu Ihm hinaufgesandt, erhört und über Bitten und Verstehen gesegnet hat. Sage ihnen, dass sie beten und predigen, predigen und beten und von Gott den Segen erwarten. Ja, lasst uns beten, lasst uns warten, immer warten – Gott wird antworten. Bedenken wir aber auch, dass wir keine Erweckungen machen können – dieser Gedanke sei weit von uns entfernt; denn gerade dies ist das größte Hindernis, um den Geist Gottes wirken zu lassen (Schluss folgt).

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