Botschafter des Heils in Christo 1860

Der Friede mit Gott und der Friede Gottes

Beides fehlt dem natürlichen Menschen ganz und gar. Er hat weder Frieden mit Gott, noch genießt sein Herz den Frieden Gottes. Sein Unglaube verhindert das eine und seine Sünden das andere. Nur da, wo Gerechtigkeit ist, da ist auch wahrer Friede. Wohl mag der natürliche Mensch sich in dem Besitz der vergänglichen Güter und in dem Genuss der eitlen Freuden dieser Welt für einen Augenblick glücklich fühlen, aber dies ist nicht der süße, unveränderliche und jeden Verstand übersteigende Friede Gottes.

Für den Gläubigen allein ist beides vorhanden, sowohl der Friede mit Gott, als auch der Friede Gottes und er besitzt und genießt beides, wenn er im Glauben da ruht, wo auch Gott Seine Ruhe hat, in Christo und Seinem Werk. Je mangelhafter aber dies ist, desto mangelhafter ist auch die Gewissheit und der Genuss in seinem Herzen. Und leider sind durch Mangel an Erkenntnis der Gedanken Gottes und des Werkes Christi und durch Vermengung der einfachen und lauteren Wahrheit Gottes, diese köstlichen Dinge bei vielen Christen sehr verkümmert. Ist aber schon der Friede mit Gott im Gewissen geschwächt, so ist es noch viel mehr der Friede Gottes im Herzen.

Es ist nun sicher der Mühe wert, die Fülle der Segnungen, die wir aus Gnaden in Christo Jesu empfangen haben, recht zu verstehen und zu würdigen. Denn nur dann werden wir mit glücklichem und dankbarem Herzen Gott preisen. Jede Gleichgültigkeit gegen dies Verständnis aber würde nur Undank und Gleichgültigkeit gegen Gott selbst verraten.

Zunächst möchte ich nun mit einigen Worten diese Frage zu beantworten suchen: Worauf ist der Friede mit Gott gegründet? Viele Gläubige, wenn sie gefragt werden, ob sie Frieden mit Gott haben, denken zuerst an ihre Gefühle und nach diesen richtet sich auch ihre Antwort. Sie machen den Frieden mit Gott davon abhängig und gerade dadurch schwächen sie das Bewusstsein desselben in ihren Herzen. Er steht und fällt mit ihren Gefühlen, die sich doch so bald verändern und uns auch so leicht täuschen können. Gott aber sei Dank, unser Friede mit Ihm hat eine bessere und untrüglichere Grundlage. Er ist auf das Werk Christi gegründet und auf dieses Werk allein. Es handelt sich nicht darum, was ich bin, noch was ich fühle, sondern um das, was Er ist, was Er für mich getan hat und ob Gott dieses für mich vollbrachte Werk völlig angenommen hat. Nichts ist törichter, als bei der Frage meines Friedens mit Gott, den Blick auf mich zu richten. Ich habe nichts in dieser Sache getan, noch tun können. Allein ich besitze diesen Frieden völlig, weil ich fest glaube, dass Christus ihn für mich gemacht hat, dass ich durch Sein kostbares Blut ein für allemal mit Gott versöhnt bin. Er hat auf dem Kreuz die Scheidewand für immer beseitigt, die mich von Gott trennte. Er ist an meiner Stelle für alles, was ich war und für alles, was ich getan hatte, vor Gott im Gericht erschienen und darum sind alle meine Sünden für immer beseitigt. „Den, der Sünde nicht kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht, damit wir Gottes Gerechtigkeit würden in Ihm“ (2. Kor 5,21). Diese Gerechtigkeit ist für den Glauben nicht mehr ein Gegenstand der Furcht, sondern der Freude. Sie ist in Christo Jesu sein eigenes gesegnetes Teil geworden. Sie ist das Kleid, worin er allezeit in der Gegenwart Gottes steht. Richtet Gott nach Seiner Gerechtigkeit, so kann Er ihn nicht richten, weil Er sich selbst nicht richten kann. Und weil Gott gerecht ist, so wird Er ihm keine Sünden zurechnen, weil Er sie schon alle unserm Bürgen auf dem Kreuz zugerechnet hat. „Glückselig der Mann, dem der Herr die Sünde nicht zurechnet!“ (Röm 4,8). Und diese Glückseligkeit ist das gesegnete Teil eines jeden wahren Gläubigen.

Der Mensch hat durch die Sünde alles verloren. Er besitzt keine Gerechtigkeit vor Gott. „Da ist kein Gerechter, auch nicht einer“ (Röm 3,10). „Jetzt aber ist, ohne Gesetz, Gottes Gerechtigkeit offenbart worden, bezeugt durch das Gesetz und die Propheten: Gottes Gerechtigkeit aber durch Glauben an Jesus Christus gegen alle und auf alle, die glauben“ (Röm 3,21.22). Wir besitzen diese im Evangelium offenbarte Gerechtigkeit durch den Glauben an Christum Jesum. Der Glaube bewirkt sie nicht, aber durch Glauben besitzen wir die Gerechtigkeit, welche Christus Jesus bewirkt hat. „…der unserer Übertretungen wegen hingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist“ (Röm 4,25).

Gott ist in Seiner unendlichen Liebe nicht nur in die Tiefe meines Verderbens hernieder gekommen und ist all meinem Elend und meinen Bedürfnissen dort begegnet, sondern Er hat mich auch aus diesem allen herausgezogen, mich bekleidet mit Seiner eigenen Gerechtigkeit und in Seine Gegenwart gesetzt. Und jeder Feind, jeder Ankläger gegen mich muss schweigen, schweigen für immer. Die Gerechtigkeit, in welcher der Gläubige vor Gott steht, ist Christus selbst, welcher uns von Gott geworden ist und in Ihm sind wir zur Gerechtigkeit Gottes geworden. (1. Kor 1,30)

Welch eine tiefe und gesegnete Wahrheit! Welch ein liebliches Evangelium! Gott hat in Christo alles beseitigt, was ich zu fürchten hatte, alles dargereicht, was mich erfreuen kann. Ich glaube, was Er getan hat, bin völlig gerechtfertigt und für immer errettet. Ja, um des für mich vergossenen kostbaren Blutes Jesu willen, ist es jetzt Gott selbst, der mich rechtfertigt. Mein Friede mit Gott hat also einen sichereren Grund, als meine Gefühle. Darum ist meine Antwort: Ich habe Frieden mit Gott, denn ich glaube zuversichtlich, dass Christus ihn gemacht hat. Ich habe Frieden, denn ich glaube zuversichtlich, dass Christus „…der unserer Übertretungen wegen hingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist“ (Röm 4,25), dass Er alle meine Sünden durch Sein eigenes Blut getilgt hat und ich in Ihm die Gerechtigkeit Gottes worden bin. „Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus“ (Röm 5,1).

Was ist aber nun der Friede Gottes? Es ist der glückselige Friede, welcher in Gott selbst ist. „…der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt“ (Phil 4,7).

Und welch eine Gnade und welch ein Vorrecht für uns, ihn zu besitzen und zu genießen. Der Herr Jesus sagte am letzten Abend zu Seinen Jüngern: „Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch“ (Joh 14,27). Aber ach, wie wenig wird er von den Seinen genossen!

Der Friede Gottes kann nur da vorhanden sein, wo praktische Gemeinschaft mit Gott ist, und diese Gemeinschaft ist vornehmlich von drei Stücken abhängig.

Zuerst muss ich durch Gnaden verstanden haben, dass in dem Werke Christi jede Frage über meine Sünde beseitigt ist, dass in Seinem Opfer nicht nur alle meine Sünden, als Vergehungen, getilgt sind, sondern auch die Sünde, als Wesen, das im Fleisch wohnende und täglich fühlbare Böse, für immer gerichtet ist – „Also ist jetzt keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind.“ (Röm 8,1) – und dass der Geist Gottes in mir wohnt.

Zweitens muss ich erkannt haben, dass ich jetzt meine Stellung vor Gott nicht mehr im Fleisch, sondern im Geist und in Christo, dem Auferstandenen, habe und deshalb trotz meiner Mängel und Gebrechen hier auf der Erde, völlig geliebt bin. „…dass, wie er ist, auch wir sind in dieser Welt“ (1. Joh 4,17). „...und sie geliebt hast, wie du mich geliebt hast“ (Joh 17,23). „denn der Vater selbst hat euch lieb“ (Joh 16,27).

Und drittens muss ich alle meine Sorgen in den Umständen und Schwierigkeiten hier auf der Erde völlig auf Ihn werfen. „Seid um nichts besorgt, sondern in allem lasst durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott kund werden; und der Friede Gottes, der allen Verstand  übersteigt, wird eure Herzen und euren Sinn bewahren in Christus Jesus“ (Phil 4,6.7). Gott übernimmt unsere Sorgen, damit wir Seinen Frieden haben möchten.

Je völliger nun dies alles in unsern Herzen durch Glauben verwirklicht ist, desto völliger und glücklicher werden wir in der Gemeinschaft Gottes wandeln und Seinen Frieden genießen. Jede Ungewissheit in diesen Dingen aber stört die Gemeinschaft und trübt den Frieden.

Der Genuss des Friedens Gottes in unseren Herzen ist also, wie gesagt, von unserer praktischen Gemeinschaft mit Gott abhängig. In dem Werke Christi sind wir zu dieser Gemeinschaft tüchtig gemacht und wir verwirklichen sie auf der Erde durch Glauben und mittels des in uns wohnenden heiligen Geistes. Durch Glauben sind wir völlig beruhigt über unsere Sünde. Durch Glauben erkennen wir unsere Stellung vor Gott und durch Glauben überlassen wir Ihm jegliche Sorge in unseren Umständen. Ja durch Glauben werden wir durch Seine Kraft und Sein Licht geleitet und durch Glauben verstehen wir, dass Gott stets für uns und mit uns ist, dass Er alle unsere Schwachheiten und Versuchungen kennt und dass Er die Liebe ist.

Zwei Dinge können aber diese gesegnete Gemeinschaft leicht stören und schwächen. Unsere Verunreinigung durch Gedanken, Wort oder Werk und eine nicht ganz völlige Absonderung von der Welt und ihrem Wesen. Und in beidem liegt für viele Gläubige die Quelle ihrer mannigfachen Unruhen und Schmerzen. Die Gemeinschaft Gottes fordert ein gereinigtes und ungeteiltes Herz. Sind wir nachlässig in Betreff unserer Reinigung, oder gleichgültig in Betreff der Absonderung von allem Bösen, so kann unmöglich unser Herz in Seiner Gemeinschaft glücklich sein und Seinen Frieden genießen.

„Er selbst aber, der Herr des Friedens, gebe euch den Frieden allezeit und auf alle Weise!“ (2. Thes 3,16).

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