Botschafter des Heils in Christo 1860

Der aus dem Feuer gerettete Brand

Wenn ein Sünder durch die Stimme Gottes wahrhaft erweckt und das Gewissen in Bezug auf seine Stellung vor Gott beunruhigt ist, so entsteht die große Frage: Wie kann ich vor Gott erscheinen? – Ich habe Ihn beleidigt und mein ganzes Leben fern von Ihm zugebracht, wie kann ich vor Ihm bestehen? Wie darf ich es wagen, vor sein heiliges Angesicht zu treten? Alle diese Fragen, die für jeden verlorenen Sünder von der größten Wichtigkeit sind, werden in dem vorliegenden Kapitel vollkommen beantwortet.

„Und mir ward gezeigt der Hohepriester Josua, stehend vor dem Engel des Herrn; und der Satan stand zu seiner Rechten, dass er ihm widerstände. Und der Herr sprach zu dem Satan: Der Herr schelte dich, du Satan, ja, der Herr schelte dich, der Jerusalem erwählt hat! Ist dieser nicht ein Brand, der aus dem Feuer gerettet ist?“ (V 1–2) – Hier steht Josua an der Stelle Jerusalems, an der Stelle des jüdischen Volkes. – Er hatte unreine Kleider an – ein wahres Bild des Zustandes, worin sich jeder Sünder vor Gott befindet. – „Es ist kein Unterschied, sie sind allzumal Sünder und erreichen die Herrlichkeit Gottes nicht“ (Röm 3,23). seine unreinen Kleider geben Zeugnis von seiner Schuld und seiner Befleckung. Gerade sowie er ist, steht er vor Gott. Und nun, was wird Gott mit ihm machen? Was kann er mit einem solchen Sünder machen? Wird er ihn hinausstoßen? Wird er sagen: Dieser ist noch schwärzer, als ich ihn mir vorstellte; wie kann ich ihn schneeweiß machen? (Jes 1,18) O nein, gelobt sei sein heiliger Name! Er stößt die Sünden hinaus, aber nicht den Sünder. – Keiner, der als solcher zu Ihm gekommen ist, wurde je hinausgestoßen, und Keiner wird es je werden. Der Herr hat sein Wort gegeben, dass Er den, der zu Ihm kommt, nimmermehr hinausstoßen will. – Unter keiner Bedingung – er sei auch wie er wolle – wird Er ihn hinausstoßen. – Im Gegenteil, Er will ihn retten! – Aber Satan „steht zu seiner Rechten, dass er ihm widerstehe! Beachte wohl den Platz, den der Teufel einnimmt; er steht zu seiner Rechten.“ – Er will sich der Befreiung des Sünders entgegensetzen, ihn erschrecken, ihn herabwürdigen, ihn mutlos machen. Ja, wenn er es könnte, so würde er ihn in das Feuer zurückschleudern, aus welchem Gottes unendliche Gnade ihn herausgerissen hat. – Aber der Herr ergreift das Wort für den armen, zitternden Sünder. „Der Herr schelte dich, du Satan. ... ist dieser nicht ein Brand aus dem Feuer gerettet?“ – Er umgibt ihn mit seinem Schild, wer kann ihn antasten? Er ist durch den mächtigen Arm der Gnade Gottes aus dem Feuer gerissen und alle Mächte der Hölle sind an ihm zu Schanden geworden; sie können ihm nichts mehr anhaben. – Gott ist alles für ihn; Er bedeckt ihn mit dem Schatten seiner Flügel, und der Sünder ist nun für alle Ewigkeit in Sicherheit!

Welch eine Zufluchtsstätte für den verlorenen Sünder! – eine Zufluchtsstätte für alle, die zu Ihm kommen, wer sie auch sein mögen. Hast du nun, geliebter Leser, den Frieden deiner Seele dort gefunden? – Wenn nicht, dann eile doch zu Ihm. Verschiebe es nicht länger, ich bitte dich! Deine Noch ist dringend, deine Gefahr ist groß. – Satan ist zu deiner Rechten und bemüht sich, deine Seele zu täuschen und an sich zu reißen. Fliehe, o fliehe sogleich, es gilt dein Leben, das ewige Leben deiner Seele! Die Tür steht Tag und Nacht offen und die Stimme Jesu ruft noch immer: „Kommt her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch Ruhe geben.“

Wie wunderbar! die Gegenwart Gottes ist der einzige Ort, welche der schuldigen Seele Sicherheit und Hilfe darbietet! – Es ist der einzige Ort, wo wir von unseren Sünden und von unseren befleckten Kleidern befreit werden können, und es ist der einzige Rettungsort vor dem schrecklichen Feind unserer Seele. – Was hätte Josua dem Teufel antworten sollen? Wie hätte er ihm widerstehen können? Er war vollkommen schuldig, verunreinigt und ganz und gar unfähig, vor Gott hinzutreten? Wäre er nach Verdienst behandelt worden, so würde die Holle auf ewig sein Teil gewesen sein. Gott allein konnte ihm helfen und dem Verkläger Stillschweigen gebieten. Und nun, was geschieht? Der Herr selbst nimmt Josuas Sache ganz in seine Hand und ordnet alles für ihn. – Josua tut auch den Mund nicht auf. Was hätte er auch sagen wollen. Er war ja schuldig erfunden und war als Solcher allein auf die Gnade Gottes angewiesen. Er konnte auf nichts mehr hoffen, als auf die unergründliche Barmherzigkeit Gottes.

Und jetzt, da er auf diesem Grund steht, handelt Gott mit ihm nach seinem eignen, innersten, göttlichen Wesen. Seine Liebe leitet Ihn, und Er kommt allen Bedürfnissen des Sünders mit dem Reichtum seiner Gnade entgegen. „Und der Herr antwortete und sprach zu denen, die vor Ihm standen: Tut die unreinen Kleider von ihm.“ – seine vielen Sünden waren alle vergeben; keine einzige blieb übrig. Sie wurden hinweggetan nach allen Ansprüchen der Heiligkeit Gottes und nach der Vollkommenheit des Werkes Christi am Kreuz. – Gott kann die Sünde nicht vor sich sehen; sie verträgt sich nicht mit seinem heiligen Wesen; aber Er kann sie hinweg tun – sein Name sei gepriesen! und dies ist auch das Erste, was Er für die Seele tut, welche vor Ihm steht. „Tut die unreinen Kleider von Ihm.“ – Was kann der Teufel nun noch sagen? Er ist für immer zum Schweigen gebracht. Die Sünde, die Waffe, auf welche er sich verließ, ist hinweggetan. Und nun, da die Sünde hinweggenommen und der Teufel zum Schweigen gebracht ist, wendet sich der Gott der Gnade mit unaussprechlicher Huld und Liebe an den Sünder selbst. „Und er sagt zu ihm: Siehe, ich habe deine Sünden von dir genommen!“ O welch ein zartes Mitleiden mit einer betrübten Seele und welch eitlen festen Grund des Friedens enthalten diese Worte! Was kann fester, sicherer und unbeweglicher sein, als dies Wort Gottes: „Siehe, ich habe deine Sünden von dir weggenommen.“ O betrübte Seele, betrachte sie noch einmal, diese köstlichen Worte! Bedenke wer der ist, der sie ausgesprochen hat! Er kann nicht täuschen; und sei auch völlig versichert, dass dies das Gnadenwerk Gottes an einer jeglichen Seele ist, welche allein auf das, was Er ist, ihre Blicke richtet. Diese Worte sind dazu geeignet und auch bestimmt, in seiner heiligen Gegenwart dir augenblicklichen Frieden zu geben. Könntest du je wieder zweifeln, wenn du eine solche Zusicherung vor dir hättest? Gewiss nicht! Gott ist es, der sie gibt, und das ist genug. – Und also handelt Gott in Gnaden mit einer jeglichen Seele, die an Christus glaubt – an Ihn, dessen Blut von aller Sünde reinigt (1. Joh 1,7). „Denn es ist kein Unterschied zwischen Jude und Grieche: denn derselbe Herr von allen ist reich für alle, die Ihn anrufen. Denn jeder, der den Namen des Herrn anrufen wird, wird errettet werden“ (Röm 10,12–13).

Als nun die unreinen Kleider weggetan waren, wird dem Josua ein Gewand gegeben, welches Gott selbst ihm zubereitet hatte. „Ich habe dich mit Feierkleidern angezogen.“ Gott spricht nicht nur für Josua, sondern Er handelt auch für ihn. Und Josua steht nun nicht in unreinen Kleidern vor dem Herrn, sondern in der göttlichen Gerechtigkeit. Also wird es auch einst in den letzten Tagen mit Israel sein. Der Herr wird die Sache seines Volkes in seine eigne Hand nehmen und gegen alle ihre Feinde aufstehen! Er wird sie von allen ihren Befleckungen reinigen und mit Kleidern des Heils bekleiden. Er hat es sich in seinem Herzen vorgenommen, sie zu segnen, und darum werden sie auch gesegnet werden. „Ja der Herr schelte dich, der Jerusalem erwählt Hat; ist dieser nicht ein Brand, der aus dem Feuer gerettet ist.“ – Aber Er kann nach seiner Heiligkeit nicht ein schuldbeladenes Volk mit einem Rock der Herrlichkeit bekleiden; Er muss es zuerst reinigen und dann wird Er es bekleiden. So handelt Gott mit allen denen, die da glauben. Unsere befleckten Kleider werden durch den fleckenlosen Rock der Gerechtigkeit Christi ersetzt. Wenn unsere Sünden durch das Blut Christi abgewaschen sind, so werden wir mit der Gerechtigkeit Gottes bekleidet (2. Kor 5,21; Röm 5,19–26). Doch dies ist noch nicht alles. Der Herr handelt in Gnaden, und Er segnet auf eine Art, die ganz und gar seiner würdig ist. Er macht sich. Josua zu einem Priester. Er reinigt und kleidet ihn nicht allein, sondern Er bedeckt ihn auch mit dem priesterlichen Hut. „Und Er sprach: Setzt einen reinen Hut auf sein Haupt.“ – Dies ist ein köstliches Bild von dem, was einst das Volk Israel sein wird, wenn sie als ein königliches Priestertum und als ein heiliges Volk, errettet aus der Hand ihrer Feinde, dem Herrn dienen werden in Heiligkeit und Gerechtigkeit ihr Leben lang (2. Mo 19; Lk 1).

Der wahre Gottesdienst ist ein Überströmen des Herzens. Wenn wir wissen, dass alle unsere Sünden vergeben sind, und dass wir vor Gott stehen, bekleidet mit der Gerechtigkeit Gottes und angenommen in dem Geliebten, so ist das Herz nicht nur erfüllt davon, sondern es strömt auch über. In diesem Zustand können wir nur loben und preisen, und den anbeten, „in dem alle unsere Quellen sind“ (Ps 87,7). Die Sehnsucht des Herzens ist befriedigt, jeder Wunsch gestillt und es bleibt nur noch übrig, den Herrn für alle seine Huld und Gnade zu preisen.

Wir sind nun bis zum Ende des ersten Teiles dieses interessanten Kapitels gekommen (V 1–5). Es besteht aber eigentlich aus drei Teilen. Zuerst zeigt es, wie wir gesehen haben, Gottes Gnadenerweisungen gegen einen schuldbeladenen Sünder. Gott handelt nach seinem eigenen göttlichen Wesen. – Dann zeigt es uns die Verantwortlichkeit derer, welche einer solchen Gnade teilhaftig geworden sind (V 6–7). „So spricht der Herr Zebaoth: Wirst du in meinen Wegen wandeln, und meiner Hut warten, so sollst du auch regieren mein Haus und meine Vorhöfe hüten; und ich will dir geben von diesen, die hier stehen, dass sie dich geleiten sollen.“ Die Gnade führt zur Gottseligkeit, und ist auch die einzige Kraft, welche uns zu einem heiligen Wandel vor Gott befähigt. – Endlich finden wir in diesem Kapitel die Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit. Nachdem Josua in die gesegnete Nähe Gottes und in seine glückselige Gemeinschaft gebracht ist, wird auch die Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit vollkommen und deutlich offenbart. – „Siehe ich will meinen Knecht Zemah kommen lassen.“ Jesus, der einst das „geringe Reis vom Stamm Isai“ war, wird an jenem lang ersehnten Tage auftreten, als „der Zweig des Herrn, der lieb und wert“ ist (Jes 4,2). „Ja, den Tempel des Herrn wird Er bauen, und wird den Schmuck tragen, und wird sitzen und herrschen auf seinem Thron“ (Kap 6,13). „Und man wird an Ihn hängen alle Herrlichkeit seines Vaters Hauses, beide Sprössling und Auswuchs, alle Geräte der Kleinen von den Becken bis auf die Krüge“ (Jes 22,24; Ebenso Jes 11). – Er ist aber nicht nur der Zweig des Herrn, an welchem alle Herrlichkeit hängt, sondern Er ist auch der feste Grund, auf welchem alles ruht. Denn „siehe auf dem einigen Stein, den ich vor Josua gelegt habe, sollen sieben Augen sein. Siehe, ich will seine Schrift in ihn graben, spricht der Herr Zebaoth, und will die Sünde desselbigen Landes wegnehmen auf einen Tag. Zu derselben Zeit, spricht der Herr Zebaoth, werdet ihr einer den anderen laden unter den Weinstock und unter den Feigenbaum“ (Sach 3,9–10). Er wird der sichere Grundstein von den Segnungen Israels sein am letzten Tage, sowie auch von allem Segen und aller Herrlichkeit während des tausendjährigen Reiches. – Die sieben Augen beweisen die vollkommene Einsicht dessen, der über alles herrscht.

So führt der Herr in wunderbarer Liebe den, der an Christus glaubt, von der Tiefe des Elends und des Verderbens zu den Höhen des Heils und der Herrlichkeit. Es gibt keinen Zwischenzustand, keinen Ruhepunkt vorher. Gott findet ihn als einen Brand im Feuer; Er errettet ihn und bringt ihn in seine eigene Gegenwart, „in die himmlischen Örter in Christus Jesus.“ Welch ein Wechsel! Von den Tiefen des schrecklichen Abgrundes bringt Er ihn zu den erhabenen Höhen des Lichts und der Herrlichkeit! Er macht ans ihm – einem Kind des Zorns und einem Erben der Hölle – ein Kind Gottes und einen Erben des Himmels. Er macht ihn, der vorher so schwarz wie ein rauchender Brand war, weißer als Schnee, und auch fähig für das Paradies Gottes. Er bringt ihn aus der Stelle der größten Entfernung in die nächste Nähe seines Thrones, und zwar als einen Priester, bedeckt mit einem priesterlichen Hut und bekleidet mit Kleidern der Herrlichkeit und Schönheit. Und was alle diese wunderbaren Segnungen noch besonders für das Herz so tröstlich und köstlich macht, ist das Bewusstsein, das Gott selbst dies alles tut. Josua sagt nichts und tut auch nichts dabei. Er war schon vorher zu der Überzeugung gekommen, dass er in dieser Sache nichts tun konnte, dass es mit seiner Kraft aus war. Er hatte sich dem Herrn in die Arme geworfen und auf Ihn verließ er sich ganz.

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