Gedanken über das Johannesevangelium

Auslegung: "Viele glaubten,... als sie sahen"

„Und das Passah der Juden war nahe, und Jesus ging hinauf nach Jerusalem. Und er fand im Tempel die Rinder- und Schafe- und Taubenverkäufer und die Wechsler dasitzen. Und er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle zum Tempel hinaus, sowohl die Schafe als auch die Rinder; und das Geld der Wechsler schüttete er aus, und die Tische warf er um; und zu den Taubenverkäufern sprach er: Nehmt dies weg von hier, macht nicht das Haus meines Vaters zu einem Kaufhaus! Seine Jünger aber erinnerten sich daran, dass geschrieben steht: „Der Eifer um dein Haus wird mich verzehren.“

Die Juden nun antworteten und sprachen zu ihm: Was für ein Zeichen zeigst du uns, dass du diese Dinge tust? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Brecht diesen Tempel ab, und in drei Tagen werde ich ihn aufrichten. Da sprachen die Juden: Sechsundvierzig Jahre ist an diesem Tempel gebaut worden, und du willst ihn in drei Tagen aufrichten? Er aber sprach von dem Tempel seines Leibes. Als er nun aus den Toten auferweckt war, erinnerten sich seine Jünger daran, dass er dies gesagt hatte, und sie glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte.

Als er aber in Jerusalem war, am Passah, auf dem Fest, glaubten viele an seinen Namen, als sie seine Zeichen sahen, die er tat. Jesus selbst aber vertraute sich ihnen nicht an, weil er alle kannte und nicht nötig hatte, dass jemand Zeugnis gebe von dem Menschen; denn er selbst wusste, was in dem Menschen war.

Es war aber ein Mensch von den Pharisäern, sein Name Nikodemus, ein Oberster der Juden“ (Joh 2,13–3,1).

Zur Passahzeit handelten die Menschen mit den Dingen Gottes in den Vorhöfen des Tempels. Das Passahfest spricht von der Errettung Gottes. Es erzählt von dem Sünder, der durch das Blut des Lammes vor dem Gericht Gottes bewahrt wird. Wie unpassend, dass es im Zusammenhang mit dem Passahfest Handel getrieben wurde! Die Erlösung ist nicht käuflich! Sie ist das Geschenk Gottes. Diese Männer nutzten Seine Gnade zu ihrem eigenen Vorteil aus. Sie machten Handel mit Gottes heiligen Dingen. Diese böse Brut ist noch nicht ausgestorben.

Judas spricht von Männern, Abtrünnigen, die gierig dem Irrtum Bileams nachlaufen, um sich zu belohnen. Alle entwürdigenden, unehrenhaften Methoden, die angewandt werden, um Geld für den sogenannten Dienst des Herrn zu sammeln, riechen sehr nach der Sünde dieses Kapitels und stoßen als solche zweifellos immer noch auf das aufrichtige Missfallen des Herrn. Einige verwenden natürlich ernsthaft und in Unwissenheit das so gesammelte Geld für seinen Dienst. Aber viele andere lieben das Geld und entehren den Namen Christi durch die unheiligen Methoden, mit denen sie es für das sogenannte Werk Gottes erbetteln.

Unser Kapitel zeigt, was unser heiliger Herr von solchen Methoden hält. Sehen Sie sich die ungewohnte Empörung an, die unser Herr hier zeigt. Gewöhnlich benutzt Er nur ein Wort oder eine Berührung. Jetzt finden wir Ihn, wie Er eine Geißel aus Stricken webt und diese Sünder mit aller Kraft aus dem Tempelhof vertreibt. Die Szene hat ohne Zweifel auch symbolische Bedeutung. Sie wird in Maleachi 3,1 beschrieben. Dort sieht man den Herrn plötzlich zu seinem Tempel kommen, um das Gericht zu vollstrecken. So wie Er in diesem Kapitel seinen Dienst mit einem Hochzeitsmahl beginnt und darauf die Vollstreckung des Gerichts folgt, so wird auf die „Hochzeit“ des Volkes Israel mit dem Messias und Herrn die Vollstreckung des Gerichts folgen, wenn Er die Herrschaft antreten wird.

Der Herr wird in den Evangelien zweimal bei der Reinigung des Tempels gesehen. Er tut es zum zweiten Mal am Ende seines irdischen Lebens, wie in Matthäus 21,12.13 aufgezeichnet. Hier in Johannes sagt Er ihnen, dass sie das Haus seines Vaters nicht zu einem Kaufhaus machen sollen. In Matthäus, am Ende seines irdischen Lebens, drei Jahre später, klagt Er sie an, den Tempel zu einer „Räuberhöhle“ zu machen. Der Herr klagt sie beim zweiten Mal in viel schärferen Worten an und nennt sie Diebe. Der böse Mensch, der auf seinem sündigen Weg weitergeht, ohne auf Warnungen oder Zurechtweisungen zu achten, kann dasselbe erwarten.

Vier Klassen von Menschen werden in diesen Versen beschrieben.

  1. Die ersten sind die Abtrünnigen.
  2. Als nächstes die, die ein Zeichen verlangen. Zu dieser Gruppe gehören auch die rechtgläubigen Führer des Volkes Israel, die im Johannesevangelium ständig „die Juden“ genannt werden. Das sind die Männer, die lehrmäßig gesund sind, die die Schriften kennen, aber nicht an Jesus glauben. Sie brauchen Zeichen, bevor sie glauben, und ihnen wird gesagt, dass das einzige Zeichen, das der Herr ihnen geben wird, das Zeichen seines Todes und seiner Auferstehung ist – das Zeichen des Jona (Mt 12,39).
    „Reißt diesen Tempel ab“, sagt Er, indem Er von dem Tempel seines Leibes spricht, und deutet damit an, dass die Juden Ihn selbst töten würden. Sie würden seinen Leib töten, aber Er würde von den Toten auferstehen.
    Das ist das einzige Zeichen, das den Sündern gegeben wird. Seinem erlösten Volk gibt Gott viele Zeichen, um zu beweisen, dass Jesus der Christus ist. In Johannes 20,30 wird uns gesagt, dass es noch viele andere Zeichen gab, die der Herr Jesus in der Gegenwart seiner Jünger tat, die nicht von Johannes aufgeschrieben wurden.
  3. Die Dritten sind Skeptiker. Sie glaubten erst, wenn sie sehen. Das ist eigentlich ein Widerspruch in sich. Der Glaube erfordert kein Sehen. Die richtige Reihenfolge wäre, dass sie sahen, nachdem sie glaubten. Die Wahrheit ist, dass ein Mensch nicht sehen kann, bevor er nicht geglaubt hat, bevor er nicht wiedergeboren ist. Wer zu Gott kommt, muss ohne jeden Vorbehalt und ohne Beweis glauben. Wenn Gott Gott ist, muss man Ihm glauben. Daher lesen wir, dass Jesus sich ihnen nicht anvertraut hat. Das Wort „anvertrauen“ ist das gleiche Wort wie das, das mit „glauben“ übersetzt wird. Sie glaubten an Ihn, aber Er glaubte nicht an sie. Er wusste, was im Menschen war. Der Glaube in der Schrift ist keine Frage des intellektuellen Glaubens, sondern der Hingabe des Willens. Dafür sind keine Wunder nötig.
  4. Die vierte Gruppe sind die Gläubigen. Nikodemus repräsentiert sie. Er war eine ehrliche Seele, die das Licht suchte und es fand. Die Juden baten in Johannes 2,18 dreist um ein Zeichen und taten es in Johannes 6,30 wieder. Im letzten Kapitel hatten sie gesehen, wie Jesus Tausende mit fünf kleinen Broten und zwei Fischen speiste, und doch besaßen sie die Dreistigkeit, Ihn um ein Zeichen zu bitten, damit sie an Ihn glauben könnten. Die traurige Wahrheit ist, dass sie nicht glauben wollten. Das war bei Nikodemus nicht so. „Wir wissen“, sagt er, „dass du ein Lehrer bist, der von Gott gekommen ist; denn niemand kann diese Zeichen tun, die du tust, es sei denn, dass Gott mit ihm ist.“ Nikodemus glaubte und wurde wahrhaftig gerettet, wie die anderen Erwähnungen seines Namens in diesem Evangelium beweisen, denn er sprach zur Verteidigung unseres Herrn in Johannes 7 und balsamierte zusammen mit Josef liebevoll Seinen Leichnam ein und begrub Ihn.

Diese Verse stellen die vier Klassen von Menschen vor, die noch unter uns sind:

  1. die offen Bösen
  2. die religiös Rechtgläubigen
  3. die bekennenden Christen und
  4. die wahrhaft gerettete Seele.

Es gibt hier auch vier Gedanken in Bezug auf unseren Herrn:

  1. „Er wusste“ (Joh 2,24,25). Dies beweist, dass Er Gott ist, allwissend.
  2. „Er redete von dem Tempel seines Leibes“ (Joh 2,21); Er war auch wahrer Mensch.
  3. „Reißt diesen Tempel ab ... und ich werde ihn aufrichten“ (Joh 2,19) – ein Hinweis auf Seine Auferstehung.
  4. „Er trieb sie alle aus dem Tempel hinaus“ (Joh 2,15) und vollstreckte das Gericht. Diese Verse erzählen uns von Gott, der Mensch wurde, für unsere Sünden starb, wieder auferstand und eines Tages Gericht halten wird. Denn:

„Weil er einen Tag festgesetzt hat, an dem er den Erdkreis richten wird in Gerechtigkeit durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat, und er hat allen den Beweis davon gegeben, indem er ihn aus den Toten auferweckt hat“ (Apg 17,31).

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