Botschafter des Heils in Christo 1884

Der Weg Gottes und wie dieser zu finden ist

„Da ist ein Pfad – der Raubvogel kennt ihn nicht, und das Auge der Weihe erspäht ihn nicht. Die Raubtiere haben ihn nicht betreten, nicht ist darüber gegangen der grausame Löwe“ (Hiob 28,7–8). Welch ein gesegnetes Bewusstsein ist es für einen jeden, der wirklich mit Gott zu wandeln wünscht, dass Gott selbst einen Pfad für seine Erlösten bereitet hat, auf welchem sie mit aller Gewissheit und Ruhe wandeln können! Es ist das Vorrecht eines jeden Kindes Gottes, eines jeden Knechtes Christi, über die Tatsache, dass er auf dem Weg Gottes wandelt, ebenso gewiss zu sein, als über die Errettung seiner Seele. Diese Behauptung erscheint vielleicht gewagt, und wohl möchte uns mancher Leser, angesichts der Verwirrung, welche heutzutage auf religiösem Gebiet herrscht, und im Blick auf die unzähligen widersprechenden Meinungen und Ansichten der Menschen, eines hohen Maßes von Selbstvertrauen beschuldigen. Allein was sagt die Schrift? Sie erklärt uns einfach und bestimmt: „Da ist ein Pfad!“ und macht uns zugleich damit bekannt, wie wir diesen Pfad finden und ihn wandeln können. Ja, dieselbe Stimme, welche uns versichert: „Wer an den Sohn Gottes glaubt, hat ewiges Leben“, sagt uns auch, dass es einen Weg gibt, der so einfach ist, dass ein jeder, der darauf wandelt, „selbst Toren nicht irren werden.“

Das ist, wir wiederholen es, ein Vorrecht von unermesslicher Bedeutung, vor allen Dingen in einer Zeit der Unordnung und Verwirrung, wie die gegenwärtige. Es ist sehr schmerzlich, den Zustand völliger Ungewissheit zu sehen, in welchem sich so viele teure Kinder Gottes in diesen letzten Tagen befinden. Wir denken jetzt nicht an die Frage der Errettung, an die Gewissheit des Heils in Christus; was uns beschäftigt, ist vielmehr der Pfad des Christen, oder die Frage, was er tun und lassen, welchen Platz er einnehmen und wie er sich Verhalten sollte inmitten der bekennenden Christenheit. Ist es nicht nur zu wahr, dass Hunderttausende von Christen sich in Bezug auf diese Dinge wie in einem Schiff auf stürmischer See befinden? Gibt es nicht viele, die – wenn sie anders den wahren Gefühlen ihrer Herzen Ausdruck geben wollen – bekennen müssen, dass sie sich in einem Zustand der größten Ungewissheit befinden, dass sie nicht wissen, was sie tun, wohin sie sich wenden und was sie glauben sollen? Nun, die Frage ist: Will Gott seine Kinder, will Christus seine Knechte in einer solchen Ungewissheit und Finsternis lassen?

Darf, ja sollte nicht ein Kind den Willen seines Vaters kennen? Sollte nicht ein Knecht über die Wünsche seines Herrn unterrichtet sein? Wenn das wahr ist in Bezug auf unsere irdischen Verhältnisse, wie viel mehr im Blick auf unseren Gott und Vater und auf unseren Herrn und Meister im Himmel! Wie konnte Israel seinen Weg kennen, als es das Rote Meer durchschritten hatte und an dem Rand jener großen und schrecklichen Wüste stand, die zwischen ihnen und dem Land der Verheißung lag? Von allen Seiten umgab sie der Sand der Wüste. Es war vergebliche Mühe, in demselben nach Fußspuren zu suchen. Selbst das scharfe Auge des Adlers hätte keinen Weg zu erspähen vermocht. Mose fühlte dies, als er zu Hobab sagte: „Verlass uns doch nicht, weil du weißt, wo wir lagern sollen in der Wüste, und du wirst unser Auge sein“ (4. Mo 10,31). Wie gut vermögen unsere armen, ungläubigen und verzagten Herzen diese Bitte zu verstehen! Wie gerne hängt man sich an einen menschlichen Führer inmitten einer Szene der Unordnung und Verwirrung! Wie bereitwillig vertraut sich das Herz einem Menschen an, den es für fähig halt, in Zeiten der Schwierigkeit den rechten Weg anzugeben!

Und doch mögen wir mit allem Recht fragen: Wozu brauchte Mose die Augen Hobabs? Hatte nicht Jehova in seiner Gnade es selbst übernommen, der Führer des Volkes zu sein? Ganz gewiss! Denn wir lesen: „Und am Tag der Aufrichtung der Wohnung bedeckte die Wolke die Wohnung des Zeltes des Zeugnisses, und des Abends war es über der Wohnung wie der Anblick des Feuers bis an den Morgen. ... Und so wie sich die Wolke erhob vom Zelt, so brachen danach die Kinder Israel auf; und an dem Ort, wo die Wolke blieb, daselbst lagerten die Kinder Israel. ... Und wenn die Wolke viele Tage verweilte auf der Wohnung, so warteten die Kinder Israel der Hut Jehovas und brachen nicht auf. Und geschah es, dass die Wolke wenige Tage auf der Wohnung war – nach dem Befehl Jehovas lagerten sie, und nach dem Befehl Jehovas brachen sie auf“ (4. Mo 9,15–23).

Das war in der Tat eine göttliche Leitung, eine Leitung, welche die Israeliten völlig unabhängig machte von ihren eignen Augen, von den Augen Hobabs und von den Augen irgendeines anderen Sterblichen. Es ist beachtenswert, dass wir im Anfang des 4. Buches Mose der göttlichen Anordnung begegnen, dass die Bundeslade ihren Platz in der Mitte des Volkes finden sollte, während wir im 10. Kapitel lesen: „Und sie brachen auf vom Berg Jehovas und zogen drei Tagereisen, und die Lade des Bundes Jehovas zog vor ihnen her drei Tagereisen, um ihnen einen Ruheort zu erkunden“ (V 33). Anstatt einen Ruheort in der Mitte seines erlösten Volkes zu finden, zieht Jehova als Führer vor ihnen her, um ihnen einen Ruheort zu suchen. Welch eine herablassende Gnade, und zugleich welch eine Treue! Zu derselben Zeit, da Mose seinen Schwager Hobab bittet, dem Volk als Führer zu dienen, erhebt sich Jehova aus der Mitte des Lagers und geht vor den Zwölf Stämmen her, um ihnen einen Ruheplatz auszukundschaften. Kannte Er nicht die Wüste? War Er nicht ein besserer Führer als Zehntausend Hobabs? Durften sie ihm nicht völlig vertrauen? Sicher und gewiss. Er konnte sie nicht irreführen. Wenn seine Gnade sie aus der Sklaverei Ägyptens erlöst und sie mit erhobenem Arm durch die Fluten des Roten Meeres geführt hatte, so hatten sie wahrlich alle Ursache, dieser Gnade zu vertrauen, dass dieselbe sie durch die schreckliche Wüste leiten und wohlbehalten in das Land der Verheißung bringen würde.

Doch wir dürfen nicht vergessen, dass, um Nutzen aus der göttlichen Leitung zu ziehen, unser eigener Wille völlig aufhören und alles Vertrauen auf menschliche Meinungen und Urteile beiseitegesetzt werden muss. Wenn ich Jehova zu meinem Führer habe, so habe ich die Augen eines Hobab niemals nötig. Gott ist für alles genug. Ich kann mich Ihm völlig anvertrauen. Er kennt den ganzen Weg durch die Wüste; wenn ich daher mein Auge auf Ihn gerichtet halte, so werde ich stets den rechten Weg gehen.

Doch dies führt uns zu dem Zweiten Teile unseres Gegenstandes, zu der Frage: „Wie kann ich Gottes Weg finden?“ in der Tat, eine äußerst wichtige Frage! Wohin soll ich mich wenden, um den Gott wohlgefälligen Weg zu finden? Wenn das scharfe, weitsehende Auge des Raubvogels ihn nicht erspäht – wenn der Mensch nicht den Wert der Weisheit kennt, und sie nicht gefunden wird im Land der Lebendigen – wenn die Tiefe spricht: Sie ist nicht bei mir, und das Meer: Sie ist nicht bei mir – wenn sie nicht durch Gold und Edelsteine erkauft werden kann – wenn die Reichtümer des ganzen Weltalls nicht mit ihr zu vergleichen sind und der Verstand des Menschen sie nicht zu entdecken vermag, wohin soll ich mich dann wenden? Wo soll ich sie finden? Wer wird mich den richtigen Weg lehren? Soll ich mich zu jenen großen orthodoxen Religionssystemen wenden, zu welchen sich Millionen und abermals Millionen in der weiten Ausdehnung der Christenheit bekennen? Ist dieser wunderbare Pfad der Weisheit bei ihnen zu finden? Bilden sie eine Ausnahme von der allumfassenden Regel in Hiob 28? Sicherlich nicht Was soll ich denn tun? Ich weiß, dass es einen Weg gibt, der Gott wohl gefällt. Der Gott, der nicht lügen kann, erklärt es, und ich glaube Ihm; doch wo soll ich ihn finden? „Die Weisheit nun, woher kommt sie, und wo ist die Stätte des Verstandes? Denn verborgen ist sie vor den Augen aller Lebendigen, und vor den Vögeln des Himmels ist sie verhüllt. Das Verderben und der Tod sagen: Wir haben ihr Gerücht gehört mit unseren Ohren“ (V 20–22). Scheint es nicht eine völlig hoffnungslose Aufgabe für einen armen, unwissenden Sterblichen zu sein, diesen wunderbaren Pfad zu suchen? Nein, Gott sei gepriesen! es ist durchaus keine hoffnungslose Aufgabe, denn „Gott versteht ihren Weg, und Er weiß ihre Stätte. Denn Er schaut bis an die Enden der Erde, unter alle Himmel sieht Er. Da Er dem Wind Gewicht machte und die Wasser mit dem Maß abwog, da Er dem Regen ein Gesetz gab und eine Bahn dem Donnerstrahl: da sah Er sie und tat sie kund, Er bestellte sie und erforschte sie auch; und zu dem Menschen sprach Er: Siehe, die Furcht des Herrn ist Weisheit, und vom Bösen weichen ist Verstand“ (V 23–28).

Hierin also beruht das göttliche Geheimnis. „Die Furcht des Herrn ist Weisheit.“ Das bringt das Gewissen unmittelbar in die Gegenwart Gottes, welche der einzig wahre Platz desselben ist. Satan ist unaufhörlich beschäftigt, das Gewissen von diesem Platz fern zu halten und es unter die Gewalt und Autorität des Menschen zu bringen. Er sucht es den Geboten und Lehren der Menschen untertan zu machen und etwas zwischen dasselbe und die einzige Autorität des Herrn Jesus Christus zu stellen. Zur Erreichung dieses Zweckes ist ihm alles recht, sei es ein Glaubensbekenntnis, seien es die Statuten irgendeiner religiösen Gemeinschaft, oder die Meinungen und Urteile eines geachteten und geschätzten Predigers – mit einem Wort, alles, was in dem Herzen den Platz einnehmen kann, welcher allein dem Wort Gottes gebührt. Dies ist eine der gefährlichsten Schlingen Satans, ein ernstes Hindernis für unsere Fortschritte auf dem Weg des Herrn. Das reine untermischte Wort Gottes muss mich leiten und regieren, nicht aber menschliche Erklärungen desselben. Ohne Zweifel kann Gott einen Menschen benutzen, um mir sein Wort auszulegen, aber stets habe ich diese Auslegung zu prüfen, ob sie mit der Wahrheit in Übereinstimmung ist, und dann ist es nicht die Auslegung, welche mich leitet, sondern das Wort Gottes selbst, obwohl erklärt von einem Menschen. Das ist ein Unterschied von hoher Wichtigkeit. Nichts anders als das Wort des lebendigen Gottes kann uns auf dem rechten Wege erhalten und unserem Wandel als Christen Festigkeit und Beständigkeit verleihen. Wir wissen alle, wie sehr wir geneigt sind, uns durch die Meinungen und Lehren hervorragender Männer leiten zu lassen. Aber nie wird eine Wahrheit Autorität über mein Herz und Gewissen haben, solange ich sie nicht als unmittelbar von Gott kommend aufgenommen habe, obwohl sie mir mittels eines Menschen mitgeteilt worden sein mag. Sie wird mich nicht in lebendige Verbindung mit Gott selbst bringen, sondern tatsächlich diese Verbindung verhindern, indem sie etwas zwischen meine Seele und die heilige Autorität Gottes stellt.

Wir möchten an dieser Stelle den Leser noch auf einige Punkte von hoher praktischer Bedeutung aufmerksam machen, die uns in dem elften Kapitel des Lukas vor Augen gestellt werden und, wenn wirklich verstanden, dazu dienen, uns noch klarer zu zeigen, wie der Weg Gottes zu finden ist. Wir führen die ganze Stelle an: „Die Lampe des Leibes ist dein Auge; wenn dein Auge einfältig ist, so ist auch dein ganzer Leib licht; wenn es aber böse ist, so ist auch dein Leib finster. Siehe nun zu, dass das Licht, das in dir ist, nicht Finsternis sei. Wenn nun dein ganzer Leib licht ist und keinen finsteren Teil hat, so wird er ganz Licht sein, wie wenn die Lampe mit dem Schein dich erleuchtete“ (V 34–36).

Diese Worte machen uns mit dem Geheimnis bekannt, wie es möglich ist, den rechten Weg, den Pfad Gottes, zu unterscheiden. Es mag sehr schwierig scheinen, inmitten des bewegten Meeres der bekennenden Christenheit sein Schifflein richtig zu steuern. So viele geradezu entgegengesetzte Ansichten nehmen unsere Aufmerksamkeit in Anspruch, so viele Männer Gottes weichen in ihrem Urteil voneinander ab, dass es fast unmöglich erscheint, zu einem gesunden, wahrheitsgemäßen Urteil zu gelangen. Wir gehen heute zu einem Mann, von dem wir glauben, dass er ein einfältiges Auge besitzt, und er sagt uns: „Ihr müsst rechts gehen“; morgen gehen wir zu einem anderen, den wir ebenfalls für einen nüchternen Christen halten, und er gibt uns auf unsere Fragen zur Antwort: „Nein, links ist der Weg.“ Was sollen wir mm tun? Wem sollen wir glauben? – Eins ist gewiss: solange wir in Zweifel und Ungewissheit von einem Menschen zum anderen laufen, solange ist unser eigenes Auge nicht einfältig. Das einfältige Auge ist allein auf Christus gerichtet, und daher ist der Leib voll von Licht. Ein Israelit in der Wüste brauchte nicht hierhin und dorthin zu laufen, um mit seinen Mitpilgern zu beraten, welches der richtige Weg sei. Ein jeder hatte denselben göttlichen Führer: die Wolkensäule bei Tage und die Feuersäule bei Nacht. Mit einem Wort, Jehova selbst war der unfehlbare Führer eines jeden Einzelnen in der ganzen großen Gemeinde. Sie hatten nicht dem Einsichtsvollsten und Erfahrensten unter ihnen zu folgen, noch ihren eignen Weg zu suchen: ein jeder war berufen, Jehova nachzufolgen. Die silberne Trompete verkündete allen gleichmäßig die Gedanken Gottes. Das Auge und Ohr musste auf Gottallein gerichtet sein, und glückselig für einen jeden, bei dem dies der Fall war. Und so wie es damals war, so ist es heute noch. So wie ein Israelit einst in der pfadlosen Wüste hilflos umherirrte, wenn er seinen göttlichen Führer verließ, so ist auch heute ein Christ in der weiten moralischen Wüste, durch welche er zu pilgern hat, der größten Ungewissheit und Verwirrung preisgegeben, sobald sein Auge sich von dem Einzigen abwendet, der ihn den rechten Weg zu leiten vermag. Der Eine sagt: „Höre auf mich!“ der andere: „Nein, ich bringe dir die Wahrheit!“ ein Dritter endlich: „Man muss jeden seinen eigenen Weg gehen lassen!“ Allein ein gehorsames Herz sagt, im Gegensatz zu allen diesen: „Ich muss meinem Herrn folgen!“

Das macht alles so einfach. Auch wird es in keiner Weise einen Geist hochmütiger Unabhängigkeit wachrufen, sondern gerade das Gegenteil in mir bewirken. Denn je mehr ich lerne, mich auf Gott allein zu stützen und zu Ihm um Leitung aufzublicken, desto mehr werde ich mir selbst misstrauen und von meiner Person und meinen Meinungen wegblicken lernen; und das ist sicherlich keine Unabhängigkeit. Allerdings wird es mich von jeder knechtischen Nachfolge eines Menschen befreien, indem es mich meine Verantwortlichkeit Christus gegenüber fühlen lässt; aber gerade das ist es, was wir in der gegenwärtigen Zeit so sehr bedürfen. Je genauer wir die Elemente, die uns in der bekennenden Christenheit von allen Seiten umgeben, kennen lernen, desto mehr werden wir fühlen, wie durchaus nötig es ist, der göttlichen Autorität völlig unterworfen zu sein, und dies ist nur ein anderer Name für „die Furcht des Herrn“ oder „ein einfältiges Auge.“ Die Antwort des Apostels Petrus auf das Gebot des Synedriums, nicht mehr in dem Namen Jesu zu reden (Apg 4,19), enthält ein wirksames Gegenmittel gegen den Eigenwillen sowohl, als auch gegen die knechtische Furcht vor Menschen: „Ob es vor Gott recht ist, auf euch mehr zu hören, als auf Gott, urteilt selbst.“ – „Wir müssen gehorchen“, das ist das Heilmittel für den Eigenwillen; „wir müssen Gott gehorchen“, das ist das Heilmittel für jede Neigung, sich menschlichen Einrichtungen und Satzungen zu unterwerfen. Gehorsam muss vorhanden sein, und zwar ein Gehorsam gegen die Autorität Gottes allein. Auf diese Weise wird die Seele einerseits vor den Einflüssen des Unglaubens und andererseits vor denjenigen des Aberglaubens bewahrt. Der Unglaube sagt: „Handle, wie es dir gefällt!“ Der Aberglaube sagt: „Tue, was der Mensch dir sagt!“ Der Glaube aber spricht: „Wir müssen Gott gehorchen.“

Das ist es, was die Seele inmitten der widerstreitendsten Meinungen und verwirrendsten Einflüsse in heiliger Ruhe und in stetem Gleichgewicht erhält. Als ein Knecht habe ich meinem Herrn zu gehorchen, als ein Kind den Geboten meines Vaters zu lauschen, selbst für den Fall, dass mich meine Mitknechte und Mitbrüder nicht verstehen sollten. Ich darf nie vergessen, dass ich es zunächst und unmittelbar mit Gott zu tun habe. Es ist mein Vorrecht, in Bezug auf meinen Pfad ebenso gewiss zu sein, als im Blick auf die Errettung und ewige Sicherheit meiner Seele. Sollte ich nicht ein einfältiges Auge haben? Sicherlich. Und wenn ich es habe, so ist mein ganzer Leib, nach den Worten des Herrn selbst, „voll von Licht.“ Wenn aber mein Leib voll von Licht ist, könnte dann meine Seele voll von Unruhe und Ungewissheit sein? Unmöglich. Diese beiden Dinge können nicht mit einander gehen, und wenn deshalb jemand in Ungewissheit und Zweifel ist, so ist es klar, dass seinem Auge die Einfalt mangelt. Ein solcher mag sehr ernst sein und aufrichtig nach dem rechten Wege verlangen; aber er darf versichert sein, dass sein Auge nicht einfältig ist, dass er nicht einzig und allein nach Oben blickt. Gott wird eine gehorsame, unterwürfige Seele stets recht leiten. Aber auf der anderen Seite werden wir auch, wenn wir nicht dem empfangenen Licht gemäß wandeln, wiederum in Dunkel und Finsternis hineingeraten. Das empfangene Licht wird dann zur Finsternis, und ach! „wie groß ist diese Finsternis!“ Nichts ist verhängnisvoller und gefährlicher, als mit dem Licht, das Gott gibt, zu spielen. Es muss früher oder später zu den traurigsten Folgen führen. „Siehe nun zu, dass das Licht, das in dir ist, nicht Finsternis sei!“ „Hört und nehmt zu Ohren, erhebt euch nicht! denn Jehova hat es geredet. Gebet Jehova, eurem Gott, Ehre, bevor Er finster macht, und bevor eure Füße sich stoßen an dem Berg der Dämmerung; und ihr auf Licht wartet, und Er es zum Schatten des Todes macht und zur Dunkelheit setzt!“ (Jer 13,15–16)

Wie ernst sind solche Worte! Welch ein Gegensatz zwischen einem Menschen, dessen Auge einfältig ist, und einem Menschen, der nicht nach dem Licht handelt, welches Gott ihm gegeben hat! Des einen Leib ist voll von Licht, des anderen Leib voll von Finsternis; der Eine ist ein Licht für andere, der Andere ein Stein des Anstoßes für viele. Wie ernst ist ein solches Gericht Gottes, wenn Er das Licht, welches wir besitzen, in Finsternis verwandelt, weil wir uns weigern, nach diesem Licht zu handeln!

Mein lieber christlicher Leser, hat Gott einen Strahl seines göttlichen Lichtes in deine Seele fallen lassen? Hat Er dir etwas in deinen Wegen und Verbindungen gezeigt, das verkehrt ist? Gehst du auf einem Weg voran, von welchem dem Gewissen dir sagt, dass er nicht in völliger Übereinstimmung mit dem Willen deines Herrn und Meisters ist? Prüfe dich aufrichtig. Gib Jehova, deinem Gott, Ehre! Handle nach dem Licht, das du empfangen hast. Zögere keinen Augenblick. Denke nicht an die Folgen, die es möglicherweise nach sich ziehen könnte. Gehorche dem Wort des Herrn. Lass es von diesem Augenblick an den ernsten Vorsatz deines Herzens sein, von aller Ungerechtigkeit abzustehen, wo und in welcher Form du sie finden magst. Denke nicht daran, was die Welt oder die Weltkirche von dir sagen wird; frage nicht, was deine Freunde und Bekannten von dir denken werden. Erhebe dich über alle diese Dinge und betritt den Pfad des Lichts, jenen Pfad, welcher Heller und Heller werden wird, bis der Tag des ewigen Lichts, der ewigen Herrlichkeit anbricht. Bedenke wohl, dass Gott nie Licht für zwei Schritte auf einmal gibt. Hat Er dir Licht für einen Schritt gegeben, so tue ihn in wahrer Gottesfurcht und aus Liebe zu seinem heiligen Namen; und du kannst versichert sein, dass du mehr und mehr Licht empfangen wirst.

Weigerst du dich aber, das zu tun, was du für richtig erkannt hast, so wird das Licht, das in dir ist, zu dichter Finsternis werden; dein Fuß wird sich stoßen an den Bergen des Irrtums, welche zu beiden Seiten des geraden und schmalen Pfades des Gehorsams liegen, und du wirst zu einem Stein des Anstoßes für andere werden. Wie schmerzlich und traurig ist es, wenn solche, die hellscheinende Lichter in dieser Welt sein sollten, andere aufrichtige Seelen zurückhalten und durch ihr Verhalten verhindern, den Pfad Gottes zu betreten. Möchte sich keiner durch solche aufhalten lassen! Der Weg liegt klar und einfach vor uns. „Die Furcht des Herrn ist Weisheit, und vom Bösen weichen ist Verstand.“ Möchte ein jeder die Stimme des guten Hirten hören und ihr gehorchen! „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir.“ Der Herr sei gepriesen für dieses kostbare Wort! Es stellt einen jeden auf den Platz unmittelbarer Verantwortlichkeit Christus gegenüber und zeigt uns klar, was der Weg Gottes ist, und wie wir ihn finden können.

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