Botschafter des Heils in Christo 1884

Bruchstücke

Was könnte beklagenswerter, trauriger und entmutigender sein, als solchen zu begegnen, die ein erhabenes Bekenntnis im Mund führen, welche davon reden, mit Christus gestorben und auferweckt zu sein und sich laut ihrer hohen Vorrechte und himmlischen Segnungen rühmen, während ihr Wandel und Verhalten ihre Worte Lügen straft?

Es ist sehr tröstlich für das Herz des ermüdeten Pilgers, versichert sein zu dürfen, dass jeder Abschnitt seiner Wüsten Wanderung den Stempel der unendlichen Liebe und unfehlbaren Weisheit Gottes trägt. Gott leitet die Seinen auf dem rechten Weg, und es gibt in dem, was ihnen begegnet, keinen einzigen Umstand, in ihrem Kelch keinen einzigen Tropfen, der nicht von Gott selbst mit väterlicher Sorgfalt angeordnet und zubereitet wäre.

Der Glaube ist die Kraft sowohl des Dienstes, als auch des Zeugnisses und der wahren Anbetung. Wenn ich nicht lebe „durch den Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich dahingegeben hat“, so werde ich weder ein gesegneter Diener, noch ein treuer Zeuge, noch endlich ein wahrhaftiger Anbeter sein. Ich mag beschäftigt sein mit vielem Dienen, aber es wird kein Dienst sein, den Christus anerkennen kann. Ich mag viel reden, aber mein Zeugnis wird der wahren Kraft entbehren und nicht Christus allein zum Gegenstand haben. Ich mag endlich viel Frömmigkeit und Hingebung zur Schau tragen, aber meine Anbetung wird keine wahre und geistliche sein.

Das, was den Charakter und den Zustand eines Menschen tatsächlich kennzeichnet, ist seine Kenntnis oder seine Unkenntnis von Gott.

Wie oft hört man Personen ihr Verharren in einer Stellung, welche sie als verkehrt kennen, damit verteidigen, dass sie vorgeben, in derselben einen weiteren Wirkungskreis zu besitzen und sich mehr nützlich machen zu können. Ach, solche vergessen völlig, dass der wirksamste Dienst der Welt gegenüber darin besteht, treu zu sein, sich von ihr abzusondern und dadurch gegen sie zu zeugen. „Rühre Unreines nicht an!“ – „Weiche vom Bösen!“ Das ist der göttliche Grundsatz. Dann erst folgt die Ermahnung: „Tue Gutes!“

Der wahre Glaube macht unabhängig, aber niemals gleichgültig. Er hüllt sich nie in einen warmen Pelz ein, während der arme Bruder vor Kälte zittert. Drei Dinge sind es, welche der Glaube bewirkt: er „überwindet die Welt“, er „reinigt das Herz“, und er „wirkt durch die Liebe.“

Je mehr ich den Herrn Jesus liebe, in desto innigerer Verbindung werde ich mit Ihm wandeln, und je inniger diese Verbindung ist, desto mehr werde ich nach seinem Bild verwandelt werden, und je mehr ich nach seinem Bild verwandelt werde, desto mehr werde ich mit Ihm leiden. Allein mein Auge wird dann nicht auf die Leiden gerichtet sein, sondern auf den, für welchen ich leide. Seine köstliche Person wird mein ganzes Herz ausfüllen.

Es ist nicht dasselbe, ein Kind Gottes und ein Diener Christi zu sein. Mose brachte vierzig Jahre in der Wüste zu, bevor Gott ihn zu seinem wichtigen Dienst berief. Ähnlich wird es allen wahren Dienern Christi ergehen. Sie müssen zuerst erprobt werden, und erst, nachdem sie treu erfunden sind, wird der Herr sie in seinen Dienst stellen. Ein jeder, der viel im öffentlichen Dienste auftritt, bedarf jenes gereiften Urteils, jenes unterwürfigen und sanftmütigen Geistes, jenes gebrochenen Willens und demütigen Herzens, welche die gesegneten Resultate der geheimen Zucht Gottes sind. Man wird immer finden, dass Gläubige, welche einen hervorragenden Platz einnehmen, ohne die oben genannten moralischen Eigenschaften mehr oder weniger zu besitzen, früher oder später zusammenbrechen werden.

Der Christ könnte und sollte stets voll Friede und Freude sein, stets fähig, Gott zu danken, komme was da wolle. Sein Friede beruht nicht auf etwas in ihm, seine Freude stießt nicht aus den Umständen hervor, durch welche er zu gehen hat; sein Glaube und seine Hoffnung gründen sich vielmehr auf den lebendigen Gott, und die Quellen seines Friedens und seiner Freude liegen weit außer dem Bereich irdischer Einflüsse.

Sobald wir unser Auge von Gott abwenden und unseren Blick auf uns selbst und auf unsere Umstände und Schwierigkeiten richten, ist alles finster um uns her; wir sind unzufrieden und murren und klagen. Aber das ist nicht Glaube; es ist vielmehr ein finsterer, Gott entehrender und die Seele niederdrückender Unglaube. Wollen wir glücklich sein, so müssen wir uns mit Gott und mit den Dingen beschäftigen, die droben sind, wo der Christus ist. Was war es, das Zacharias Mund verschloss? Der Unglaube. Was war es, das die Herzen der Maria und Elisabeth mit Freude erfüllte und ihren Mund zu Lob und Dank öffnete? Der Glaube. Der Glaube allein gibt Gott den Platz, der Ihm gebührt, und infolge dessen ist auch der Glaube allein imstande, uns über die Umstände um uns her zu erheben. Der Glaube bringt Gott in alles hinein, und darum ist alles leicht und licht; der Unglaube schließt Gott aus, und darum ist alles schwierig und finster.

„Wir sind mehr als Überwinder durch den, der uns geliebt hat“ (Röm 8,37). Die Gnade, in welcher wir stehen, nimmt dem Fleisch seine ganze Macht über uns. Wenn das Gesetz „die Kraft der Sünde“ ist, so ist die Gnade gleichsam die Schwachheit derselben. Das erstere gibt der Sünde Gewalt über uns, die letztere gibt uns Gewalt über die Sünde.

Man wird nicht selten finden, dass Personen, die in der Erkenntnis sehr rasche Fortschritte machen, im praktischen Leben nur wenig Kraft und Treue offenbaren. Es ist bei ihnen mehr ein Werk des Verstandes, als des Herzens und des Gewissens. Doch vergessen wir nicht, dass das Christentum nicht in der Kenntnis einer gewissen Anzahl von Lehrsätzen und Meinungen besteht, sondern dass es vor allen Dingen eine lebendige Wirklichkeit, eine persönliche, praktische Sache ist, die sich in allen Lagen und Umständen des täglichen Lebens kundgibt, ihren heiligenden Einfluss auf Charakter und Verhalten ausübt und einem jeden Verhältnis, in welches ich von Gott berufen sein mag, ihren himmlischen Stempel aufdrückt.

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