Botschafter des Heils in Christo 1884

Leben durch den Tod

Da Gott heilig und der Mensch schuldig ist, so muss die Sünde gerichtet werden. Einst bestand eine ungehinderte Gemeinschaft zwischen Gott und dem Menschen, als dieser noch in dem Stand seiner Unschuld einherging. Aber sobald die Sünde kam, zerriss sie dieses Band, und dasselbe kann durch nichts wiederhergestellt werden, es sei denn durch die völlige Ausübung des Gerichts eines heiligen, gerechten Gottes über die Sünde. Wir können nicht anders Leben haben, als „durch den Tod.“ Gott kann infolge Seiner Heiligkeit nicht anders, als die Sünde richten. Er errettet den Sünder, aber Er verurteilt und richtet die Sünde. Das Kreuz Christi ist der vollkommene Ausdruck dieser ernsten und zugleich so gesegneten Tatsache.

Vorbildlich kam diese wichtige Frage am Abend „des 14. Tages des ersten Monats“ zum Austrag, als Gott im Begriff stand, sein Gericht an allen Erstgeborenen im Land Ägypten zur Ausführung zu bringen; die Frage nämlich: Wie kann Gott diejenigen, welche seine Heiligkeit wegen ihres sündigen Zustand verdammen muss, von allem Gericht befreien und sie zu Gegenständen seiner Huld machen? Auf diese ernste Frage gab es nur eine Antwort, welche die Forderungen der Heiligkeit Gottes zu befriedigen vermochte, und diese bestand in dem Blut des Lammes, das Gott sich selbst vorgesehen hatte. „Wenn ich das Blut sehe, so werde ich an euch vorübergehen.“ Dies ordnete alles. Es handelte sich um Leben oder Tod, um Befreiung oder Gericht. Die blutbestrichenen Türpfosten waren eine vollkommene Antwort auf alle Anforderungen der göttlichen Heiligkeit, sowie auf alle Bedürfnisse des Volkes. Alles war jetzt in Ordnung gebracht. Durch das Blut des Lammes war Gott verherrlicht, die Sünde gerichtet und hinweggetan und Israel errettet.

Gesegnete, köstliche Wahrheit! Israel hatte jetzt Frieden mit Gott, es konnte sich in glücklicher Zurückgezogenheit seiner Errettung freuen, obwohl es sich noch in Ägypten, dem Land des Todes und des Gerichts, befand. Gott war jetzt verpflichtet, Israel zu befreien – ein schönes Vorbild von der vollkommenen Sicherheit aller derer, welche ihr Vertrauen auf das Blut Christi, des Lammes Gottes, setzen! Sie konnten sich in Frieden und völliger Sicherheit von dem gebratenen Lamm nähren, während „Jehova um Mitternacht alle Erstgeburt im Land Ägypten schlug, von dem Erstgeborenen Pharaos, der auf seinem Thron saß, bis zum Erstgeborenen des Gefangenen, der im Haus der Beste war, und alle Erstgeburt des Viehes. Und Pharao stand auf in der Nacht, er und alle seine Knechte und alle Ägypter, und es war ein großes Geschrei in Ägypten, denn es war kein Haus, in welchem nicht ein Toter war“ (2. Mo 12,29–30). Aber in der Mitte des Volkes Israel herrschte vollkommene Ruhe und ungetrübter Friede, nach den Worten des Herrn: „Aber gegen alle Kinder Israel wird nicht ein Hund seine Zunge spitzen, vom Menschen bis zum Vieh, auf dass ihr wisst, dass Jehova einen Unterschied macht zwischen den Ägyptern und den Israeliten“ (Kap 11,7).

Aber wie konnte Gott, möchte man fragen, diesen Unterschied machen? Die Israeliten waren doch eben sowohl Sünder wie die Ägypter. Allerdings; auf diesem Boden und nach dieser Seite hin gab es „keinen Unterschied.“ Aber vorbildlich hatte das Gericht Gottes über die Sünde seines Volkes in dem Tod des fleckenlosen Lammes seinen Ausdruck gefunden. Das Blut an den „beiden Pfosten und an der Oberschwelle“ war der Beweis dafür. Es erklärte mit vernehmlicher Stimme, dass das Lamm geschlachtet, das Lösegeld bezahlt, der Gefangene befreit, die göttliche Gerechtigkeit befriedigt und die Stunde der Befreiung Israels gekommen war. Es war das Blut, das den Unterschied machte, und nichts anders als das Blut. „Denn alle haben gesündigt und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes“ (Röm 3,23).

Aber welch ein Unterschied war dies! Der Eine in göttlicher Weise vor dem Schwert des Gerichts geschützt, der Andere von dem vernichtenden Schlage desselben getroffen. Der Eine, sich nährend von den reichen Schätzen, welche die Gnade vorgesehen und bereitet hatte, der Andere gezwungen, die Bitterkeit des Kelchs des Zornes zu schmecken. Der Würgengel trat in jedes Haus im ganzen Land Ägypten ein, das nicht das Zeichen des Blutes trug. Der Erstgeborene Pharaos, der auf seinem Thron saß, und der Erstgeborene des Gefangenen im Haus der Beste wurden zugleich hinweggerafft. Kein Rang, kein Alter konnte vor dem Zorn Jehovas und vor dem furchtbaren Schwert seines Engels schützen. Die Zeit der Langmut und Geduld Gottes war vorüber und die Stunde seines Gerichts gekommen. Nur eins leitete den Engel des Todes in jener finsteren, schrecklichen Nacht, und das war: Wo kein Blut ist, da gibt es keine Rettung, keine Schonung.

Mein lieber unbekehrter Leser, bedenke wohl, dass es heute noch ebenso ist! Wo kein Blut ist, da ist auch keine Vergebung, keine Rettung möglich. „Ohne Blutvergießen ist keine Vergebung.“ Könnte es eine Frage geben, die von höherer Wichtigkeit für dich wäre, als diese: Bin ich in Sicherheit gebracht durch das Blut Jesu? O, lass dich fragen: Haft du deine Zuflucht genommen zu dem Blut, das auf Golgatha vergossen worden ist? Dort ist „Christus, unser Passahlamm“, für uns geschlachtet worden. Sein kostbares Blut ist von Ihm selbst in das himmlische Heiligtum getragen und auf den Gnadenstuhl droben gesprengt worden. Dort sieht Gott allezeit das Blut unseres wahren Passahlammes. Glaubst du an dieses kostbare Blut? Kannst du im tiefen Bewusstsein deiner unzählbaren Sündenschuld sagen: Dieses Blut ist mein einziger Bergungsort? Ich stütze mich ans das Blut des reinen und fleckenlosen Lammes Gottes? Wenn du es sagen kannst, so darfst du auch versichert sein, dass du in vollkommener Sicherheit, dass du für ewig errettet bist. Du hast die eignen Worte Gottes als den unumstößlichen Beleg dafür: „Sehe ich das Blut, so werde ich vorübergehen.“ Der Gläubige besitzt die „Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Vergehungen, nach dem Reichtum seiner Gnade.“ „Jetzt aber, in Christus Jesus, seid ihr, die einst ferne waren, durch das Blut des Christus nahe geworden.“ „Welchen Gott dargestellt hat zu einem Gnadenstuhl durch den Glauben an sein Blut“ (Eph 1,7; 2,13; Röm 3,25).

Aber auf der anderen Seite kann es da, wo das Blut Jesu geringgeachtet oder gar verworfen wird, keine Sicherheit, keinen Frieden, keine Errettung geben. „Wie werden wir entfliehen, wenn wir eine so große Errettung vernachlässigen?“ (Heb 2,3) Entweder sieht der Würgengel das Blut, oder er tritt ein als der Richter und Rächer der Sünde. Jede Sünde muss gerichtet werden, sei es nun in der Person des Sünders oder in derjenigen seines Stellvertreters. Dies ist eine Wahrheit von tiefem. Ernst. Doch wie gesegnet ist es, zu wissen, „dass Christus einmal für Sünden gelitten hat, der Gerechte für die Ungerechten, auf dass Er uns zu Gott führe“ (1. Pet 3,18). „Ihn, der Sünde nicht kannte, hat Er für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir würden Gottes Gerechtigkeit in Ihm“ (2. Kor 5,21). Diesen göttlichen Stellvertreter und diesen Bergungsort, welchen Gott selbst bereitet hat, verachten, heißt, die Seele dem erbarmungslosen, gerechten Gericht Gottes preisgeben. Keine Sünde, so klein und geringfügig sie scheinen mag, kann dem Gericht entfliehen. Entweder muss sie auf dem Kreuz Christi vor mehr als achtzehnhundert Jahren ihr Gericht gefunden haben, oder sie wird es finden in dem See, der mit Feuer und Schwefel brennt. O, wie unschätzbar ist der Wert des Blutes, das da von aller Sünde reinigt und uns passend macht für den Himmel selbst, für das Vaterhaus droben!

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