Botschafter des Heils in Christo 1884

Das Blut des Lammes

Jeder Mensch ist von Natur ein verlorener und verderbter Sünder und befindet sich in einer verlorenen und verdorbenen Welt. Aber was ist das gegenwärtige Zeugnis Gottes dem sündigen und verlorenen Menschen gegenüber anders, als ein Zeugnis von seiner Gnade und von seiner Bereitwilligkeit und Fähigkeit, dem Menschen in diesem hoffnungslosen Zustand zu begegnen, und zwar auf einem Weg, den nur seine Gnade erdenken und bereiten konnte? Doch was ist es, das Gott in den Stand setzt, in Gnade und Erbarmen dem verlorenen Sünder zu begegnen? „Das Blut des Lammes.“ Dieses Blut allein erlaubt dem heiligen Gott, mit dem unheiligen Sünder in Gnade zu handeln und ihn auf seinen eignen, bösen Wegen aufzusuchen. Es füllt die unermessliche Kluft zwischen dem Thron Gottes und dem Sünder in seinem Elend aus. „Also hat Gott die Welt geliebt, dass Er seinen eingeborenen Sohn gegeben, auf dass jeder, der an Ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe“ (Joh 3,16).

Das Evangelium verkündigt dem Menschen nicht nur den Wert der Person Christi, sondern auch des Blutes, das für ihn vergossen worden ist. Die Frage, welche Gott gleichsam an einen jeden Menschen richtet, lautet daher: „Was dünkt dich von meinem Sohn, und was ist sein auf Golgatha vergossenes Blut für dich?“ Hier gibt es keinen so genannten neutralen Boden. Wenn es sich um das Elend und das Bedürfnis des Menschen handelt, so ist Gottes Gedanke, dass es dafür nichts Kostbareres und Passenderes gibt, als das Blut seines Eingeborenen. Die Frage ist nun: Was denkst du darüber?

Das Blut Christi, geliebter Leser, bringt nicht nur Gott in Gnade zu uns herab, sondern es bringt uns zu Gott hinauf. „Denn freilich hat Christus einmal für Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, auf dass Er uns zu Gott führe“ (1. Pet 3,18). Die Gnade begegnet dem Sünder gerade da, wo er sich befindet, in all seinem Elend und seinem Verderben; dort kommt ihm die Liebe Gottes entgegen. Alle, welche Christus angenommen haben, dürfen in Wahrheit sagen: „Gott aber erweist seine Liebe gegen uns, indem Christus, da wir noch Sünder waren, für uns gestorben ist“ (Röm 5,8). Durch ein und dasselbe Blut wird ein Sünder, der an Jesus glaubt, von allen seinen Sünden gewaschen, gerechtfertigt und zu Gott geführt! Ja, mein lieber, unbekehrter Leser, mögen deine Gedanken über deinen Zustand auch sein, welche sie wollen, Gott weiß, dass derselbe ein hoffnungslos verlorener ist, und deshalb flieht der Strom seiner unermesslichen Gnade gerade dir zu; und diese Gnade allein kann dein Gewissen von jeder Befleckung reinigen und dir die Versicherung geben, dass du untadelig und unsträflich vor Gott hingestellt bist und in seiner Gegenwart weilen kannst mit überströmender Freude. „So sei es euch nun kund, Brüder, dass durch diesen (Jesus) euch die Vergebung der Sünden verkündigt wird; und von allem, wovon ihr in dem Gesetz Moses nicht gerechtfertigt werden konntet, ist in diesem jeder Glaubende gerechtfertigt“ (Apg 13,38–39).

Er, der einst um der Sünde willen, die Er trug, von Gott geschlagen wurde, dessen Blut am Stamm des Kreuzes zwischen den beiden Missetätern stoß, ist jetzt auf den Thron der Herrlichkeit erhoben. Dort wartet Er, bis Gott alle seine Feinde zum Schemel seiner Füße legen wird. Doch bis zu dem Augenblick, da das Gericht über diese schuldige Welt hereinbrechen und Er sich erheben wird, um in flammendem Feuer vor aller Augen offenbart zu werden, ist Er in Gnade mit dem verlorenen Sünder beschäftigt und redet von den Himmeln herab zu ihm. „Seht zu, dass ihr den nicht abweist, der da redet!“ Er sagt uns, dass Er bereitsteht, uns zu dienen und allen unseren Bedürfnissen als verlorene und verdorbene Sünder zu begegnen. Und umsonst will Er uns geben, was wir bedürfen. Das ewige Leben ist eine Gabe Gottes. Gott weih, dass wir von Natur nichts anders als Sünder sind, und Er bietet uns daher in der Person des ein für alle Mal geopferten und jetzt wieder auferstandenen und verherrlichten Jesus sowohl das vollkommene Heilmittel für alle unsere Sünden, als auch den unumstößlichen Rechtstitel auf die Herrlichkeit an. Wer das Zeugnis Gottes über seinen Sohn mit einfältigem, bußfertigem Herzen annimmt, dessen Freude ist es, zu wissen, dass Er in Ihm mehr besitzt, als sein Herz je wünschen konnte: er hat nicht nur die Vergebung aller seiner Sünden, sondern ist auch fähig gemacht zu dem Anteil des Erbes der Heiligen in dem Licht und dem übergeben, der ihn ohne Anstoß zu bewahren und tadellos darzustellen vermag vor seiner Herrlichkeit mit Frohlocken (Kol 1,12; Jud 24).

Welch einen unermesslichen Wert hat das Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Flecken, in den Augen Gottes! Nicht nur reinigt es den Gläubigen von aller Schuld, sondern es verbindet ihn auch mit Christus und mit Gott, dem Vater, und deshalb wird in der Herrlichkeit „das Blut des Lammes“ den Gegenstand aller Loblieder der Erlösten, ja der Anbetung des ganzen Weltalls bilden. „Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in seinem Blut und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern seinem Gott und Vater – Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht in die Zeitalter der Zeitalter! Amen.“ – „Und die vier lebendigen Wesen und die vier und zwanzig Neuesten fielen nieder vor dem Lamm, und diese hatten jeder eine Harfe und goldene Schalen voll Rauchwerk, welches die Gebete der Heiligen sind. Und sie singen ein neues Lied und sagen: Du bist würdig, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen; denn du bist geschlachtet worden und hast für Gott erkauft, durch dein Blut, aus jedem Geschlecht und Sprache und Volk und Nation“ (Off 1,5–6; 5,8–9).

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