Botschafter des Heils in Christo 1884

Gedanken

Die Geißel und die Rute mögen gerecht sein, aber es ist unmöglich, das Herz eines Menschen mit denselben zu gewinnen. Auch ist es nicht Gerechtigkeit, welche in der Mitte der Heiligen Gottes regiert, sondern die „Gnade herrscht durch Gerechtigkeit zu ewigem Leben durch Jesus Christus, unseren Herrn.“

Ach, wie viele Sünden, die vielleicht hätten weggewaschen werden können (Joh 13,14), sind zurückgehalten worden! Wie viele Brüder sind für immer entfremdet worden, die für Gott und für uns hätten zurückgewonnen werden können, und zwar weil wir nur auf ihr Gewissen gehämmert, aber kaum den Versuch gemacht haben, ihr Herz zu gewinnen!

Wir haben das Böse nicht überwunden, weil wir es nicht mit dem Guten überwunden haben. Wir haben uns nur zu bereitwillig auf den Richterstuhl gesetzt und deshalb Gericht zurückempfangen, während das demütige Werk unseres Herrn und Meisters wenig von uns getan worden ist. Ach, wie wenig verstehen wir noch, dass eine bloß gerechte Handlungsweise – so durchaus gerecht sie an und für sich sein mag – eine Seele nicht wiederherstellt, dass ein Gericht, so milde und wahrheitsgemäß es auch ist, nie ein Herz berühren, besänftigen und der Belehrung zugänglich machen wird, welches gerade durch das, was vorgefallen ist, bewiesen hat, dass es sich nicht auf seinem wahren Platze vor Gott befindet.

Der Mensch ist nicht ausschließlich Gewissen; und ein Gewissen, das aufgeweckt ist, ohne dass das Herz zugleich erreicht ist, wird heute dasselbe tun, was es bei dem ersten Sünder unter den Menschenkindern getan hat – es wird ihn hinwegtreiben unter die Bäume des Gartens, um der unwillkommenen Stimme zu entfliehen.

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