Vorträge zum Matthäusevangelium

Kapitel 17

Das zuletzt betrachtete Kapitel zeigte uns Jesus, wie Er als Messias oder Christus verworfen und als Sohn des lebendigen Gottes verkündet wurde. Zudem sollte Er bald als Sohn des Menschen wiederkehren. Doch zusammen mit der Herrlichkeit, in der Er kommen und einen jeden nach seinen Werken belohnen wird, lesen wir von Seinen Leiden. Diese bestanden nicht ausschließlich in Seiner Verwerfung, sondern vor allem in Seinem Tod. Zweifellos würde Seine Auferweckung am dritten Tag folgen. Doch als Sohn des Menschen mußte Er leiden. Aber Er wird auch als Sohn des Menschen in Herrlichkeit zurückkehren. Der Herr hatte gerade über die Herrlichkeit des Vaters gesprochen (Kap. 16,27), in welcher Er Selbst mit Seinen Engeln kommen würde, um in Seinem Reich Vergeltung zu üben. Danach folgt das Bild auf dem heiligen Berg. Dieses ist sehr treffend, und zwar in zweifacher Hinsicht. Wie wir sahen, beruht die Herrlichkeit des Reiches darauf, daß Er der Sohn des Menschen ist – der erhöhte Mensch, Welcher zuerst litt und in Dessen Hände hinterher alle Herrlichkeit gelegt wurde. Er hat – um jeden Preis! – die Ehre Gottes wiederhergestellt und wird alle Segnungen für den Menschen verwirklichen. Kraft Seines Leidens hat Er die Macht Satans schon für jene, die glauben, zunichte gemacht. Schließlich wird Er beim Aufrichten Seines Reiches Satan ein für alle Mal hinauswerfen und das einführen, worauf Gott wartet, nämlich ein Königreich, welches von Grundlegung der Welt an bereitet ist. (Matthäus 25, 34). Demnach lesen wir: „Nach sechs Tagen [ein Hinweis auf die normale Arbeitszeit in der Welt] nimmt Jesus den Petrus und Jakobus und Johannes, seinen Bruder, mit und führt sie auf einen hohen Berg besonders.“ (V. 1). Das heißt, Er wählte besondere Zeugen aus; denn das Folgende sollte nur ein Zeugnis von dem Königreich geben. Genaugenommen sehen wir nicht das Reich, sondern nur ein Muster davon. Auf dieses hatte Er hingewiesen, als Er sagte: „Es sind etliche von denen, die hier stehen, welche den Tod nicht schmecken werden, bis sie den Sohn des Menschen haben kommen sehen in seinem Reich“ (Matthäus 16, 28).

Es geht hier also vor allem um das Kommen des Sohnes des Menschen und nicht so sehr um das Reich selbst. Daher zeigt unser Kapitel nur einen Teilaspekt, der ausreicht, um die Herrlichkeit des verschmähten Sohnes des Menschen zu schildern. Doch so eingeschränkt das Bild auch ist – nichts könnte gesegneter sein außer das Königreich selbst. Und der Glaube bewirkt in uns eine echte Vorwegnahme dieser zukünftigen Dinge. Er ist „eine Verwirklichung dessen, was man hofft, eine Überzeugung von Dingen, die man nicht sieht.“ (Hebräer 11, 1). Das Reich, von dem unser Herr hier sprach, ist natürlich noch nicht gekommen. Als Er jedoch sagte: „Es sei denn, daß jemand aus Wasser und Geist geboren werde, so kann er nicht in das Reich Gottes eingehen.“ (Johannes 3, 5), bezog Er sich anscheinend auf ein Reich, in welches wir jetzt schon eintreten; denn Johannes stellt das Reich Gottes nicht als einen Gegenstand rein äußerlicher Offenbarung vor. Er gibt uns einen tieferen Einblick in dasselbe, so wie es für uns verwirklicht ist. Dieses Reich betritt jeder, der aus Gott geboren ist. In Bezug auf seinen himmlischen und irdischen Bereich wird es erst später enthüllt. Matthäus hingegen, der sich mit dem jüdischen Teil, bzw. mit den alttestamentlichen Vorhersagen des Reiches, beschäftigt, beschreibt uns eine Offenbarung vom Sohn des Menschen, wie Er in Seinem Reich kommt.

Der Herr erfüllte demnach Sein Wort und nahm diese Jünger „mit. . . auf einen hohen Berg besonders. Und er wurde vor ihnen umgestaltet. Und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, seine Kleider aber wurden weiß wie das Licht.“ Die Sonne ist ein Sinnbild von höchster Herrlichkeit, da sie den Tag regiert. „Und siehe, Moses und Elias erschienen ihnen und unterredeten sich mit ihm.“ (V. 3). Mose war der Mann, durch welchen das Gesetz gegeben worden war, Elias das große Beispiel eines Propheten, der das Volk zu einem gebrochenen Gesetz zurückrief. Folglich waren sie die Säulen des jüdischen Systems. Jeder wahre Jude blickte auf sie mit den tiefsten Gefühlen der Ehrfurcht. Zudem war Einer von ihnen dadurch ausgezeichnet, daß er als einziger Israelit in den Himmel einging, ohne den Tod zu erfahren. Der andere wurde in einmaliger Weise geehrt, indem der Herr selbst ihn begrub, damit er nicht nach seinem Tod ein Gegenstand der Anbetung werden konnte.

Diese beiden Männer erschienen in der Gegenwart unseres Herrn. Sie wurden als Mose und Elias erkannt; ihre Identifizierung machte anscheinend keine Schwierigkeit. Genauso werden auch im Auferstehungszustand die persönlichen Unterschiede erhalten bleiben. Jene Art von Gleichheit, welche die Besonderheiten eines Auferstandenen auslöscht, gibt es nicht. Selbstverständlich hören dort die irdischen Verwandtschaftsbeziehungen auf. Besondere Bindungen, welche den einen Menschen mit dem anderen verknüpfen, so fest sie auf der Erde auch sind, werden im Himmel nicht mehr bestehen. Trotzdem wird jeder seine Individualität bewahren – allerdings mit jenem gewaltigen Unterschied, daß alle Heiligen dann das Bild des Himmlischen tragen. Der Mensch ist jetzt nach dem Muster des Irdischen gestaltet; denn in unserem Leib gleichen wir dem gefallenen Adam. Dennoch gehören wir nicht zu einer allgemeinen, ununterscheidbaren Masse. Jeder von uns hat seinen besonderen Charakter und seine eigene Körpergestalt. Geradeso wird in der Herrlichkeit jeder als derjenige erkannt, der er ist. Mose und Elias werden als verherrlicht gesehen; und doch erkennen die Jünger sie als Mose und Elias. In ihrer Mitte wird der Herr umgestaltet.

„Petrus aber hob an und sprach zu Jesu: Herr, es ist gut, daß wir hier sind. Wenn du willst, laß uns hier drei Hütten machen, dir eine und Moses eine und Elias eine.“ (V. 4). Er erkannte genau, wer jeder einzelne war. „Während er noch redete, siehe, da überschattete sie eine lichte Wolke, und siehe, eine Stimme kam aus der Wolke, welche sprach: Dieser ist mein geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen gefunden habe; ihn höret.“ (V. 5).

Hierin liegt, wie ich annehme, die wahre Bedeutung dieses Abschnitts. Petrus wollte seinen Herrn ehren – doch in einer menschlichen Weise. Er sann in einem gewissen Maß immer noch auf das, was des Menschen ist, und nicht auf das, was Gottes ist (Matthäus 16, 23) und stellte seinen Herrn auf denselben Boden mit den Häuptern des Gesetzes und der Propheten. Das durfte jedoch nicht sein. Der Vater brach sofort das Schweigen. Neue Offenbarungen sollten folgen und wurden auch gegeben. Was immer die Stellung Moses sein mochte, was immer der besondere Auftrag des Elias – wer oder was waren sie in Gegenwart des Sohnes Gottes? Der Sohn mochte Sich selbst zu Nichts machen; der Vater liebt indessen den Sohn. Petrus wollte Ihn auf ein Niveau mit den geehrtesten Personen der Menschheit stellen. Nach den Ratschlüssen des Vaters hingegen muß jedes Knie sich vor Ihm beugen. Alle Menschen sollen den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren. Der Mensch handelte niemals so. Er sah in dem Sohn einfach einen Menschen. Nirgendwo ehrte er Ihn mit einer Gott gemäßen Huldigung. Das vermag nur der Glaube; denn er sieht Gott in dem Sohn, hört Gott in Ihm und erkennt Seine überaus gesegnete Beziehung zu Gott als Seinem Vater. Wenn wir Jesus nur als Gott kennen würden und nicht zugleich als Sohn, dann wäre diese Offenbarung unvergleichlich weniger gesegnet als die, welche wir tatsächlich empfangen haben. Falls eine göttliche Natur ohne die glückselige Beziehung der Sohnschaft vor dem Vater möglich wäre, würden wir den lieblichsten Teil unserer Segnung verlieren. Wir haben nicht allein die Gottheit Jesu anzuerkennen, obwohl diese die Grundlage der ganzen Wahrheit bildet, sondern auch Seine ewige Beziehung als Sohn zum Vater. Er war nicht nur Sohn in dieser Welt. Es ist sehr gefährlich, die Sohnschaft Christi in solcher Weise einzuschränken; denn sie bestand von Ewigkeit. Die Menschen folgern aus der Bezeichnung „Sohn“, daß Er in der Zeit und folglich nach dem Vater Seinen Anfang haben müsse. Alle derartigen Gedankenspielereien hat ein Christ aus seiner Seele zu verbannen. Die Lehre der Bibel spricht nicht von einem Vorrang in der Zeit. Er wird „Sohn“ genannt in Hinsicht auf die Zuneigungen und die Nähe der Beziehungen. Das ist ein Vorbild von dem gesegneten Platz, auf welchen uns die Gnade durch die Vereinigung mit dem Herrn Jesus Christus gestellt hat, abgesehen natürlich von den unerforschlichen Höhen und Tiefen, die ausschließlich Sein Teil sind. Wenn wir in dieser Hinsicht einfältig sind, empfangen wir aus diesem Bewußtsein die höchste Freude, welche wir in der Erkenntnis des wahren Gottes finden können, und zwar in Seinem Sohn.

Der Vater unterbrach also die Worte des Petrus und antwortete Selbst. Die lichte Wolke, welche sie überschattete, war, wie Petrus sehr gut wußte, die Wolke der Gegenwart Jehovas. Es war jedoch des Vaters Stimme, die sprach: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen gefunden habe.“ Er sagte nicht: „Dieser ist euer Messias.“ Das war Er natürlich auch. Statt dessen verkündigte Er die großartige Offenbarung des Neuen Testaments über Jesus. Er offenbarte Ihn als Seinen geliebten Sohn und bestätigte Sein uneingeschränktes Wohlgefallen an Ihm. „Dieser ist mein geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen gefunden habe; ihn höret.“ Auch die abschließende Aussage ist von großer Bedeutung. Wer waren jetzt Mose und Elias? Der Vater erwähnt sie nicht einmal. Ich brauche wohl kaum zu sagen, daß jeder, der diese Worte über Jesus als den Sohn Gottes hört, nicht den geringsten Anlaß darin findet, Mose und Elias zu mißachten. Diejenigen, welche die Gnade verstehen, haben einen weit tieferen Respekt vor dem Gesetz als solche, die Gesetz und Gnade miteinander vermengen. Ausschließlich in der Erkenntnis der Gnade Gottes können wir alles, was von Gott ist, richtig würdigen.

Bevor ich Seine Gnade erkenne, fehlt mir sowohl das Verständnis über mich selbst als auch über Gott. Und ich erkenne die Gnade nur in der Person Seines Sohnes. „Das Gesetz wurde durch Moses gegeben; die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesum Christum geworden.“ (Johannes 1, 17). Er war voller Gnade und Wahrheit.

Daher richtete der Vater die Aufmerksamkeit auf Ihn. Er sagte: „Ihn höret!“ Die Aufforderung lautete nicht mehr: „Hört auf Mose!“ oder „Hört auf Elias!“, sondern: „Ihn höret!“ Was konnte für einen Juden überraschender sein!? Alles muß vor dem Sohn weichen. Die Würde der anderen wird nicht geleugnet, ihre besondere Stellung nicht abgeschwächt. Die Herrlichkeit der Sonne, die am Tag scheint, läßt uns keineswegs die Sterne verachten. Gott machte Mose zu dem, der er war; und Elias empfing in gleicher Weise, was Gott ihm zuteilte – doch was waren sie im Vergleich zum Sohn? Es ist leicht erkennbar und überaus traurig, wie die Menschen unserer Tage ebenfalls zwei Hütten bauen, eine für Mose (wenn nicht auch für Elias) und eine für den Herrn Jesus. Die Handlungsweise des Petrus, welche ihm die Zurechtweisung zuzog, wurde von den Menschen bis heute fortgesetzt. Sie sprechen von der Unveränderlichkeit Gottes. Aber Er, Der die Nacht eingesetzt hat, schuf auch den Tag; und Er, Der damals die Worte des Gesetzes aussprach, hat uns jetzt das Evangelium gesandt. Darin sehe ich die Entfaltung der Herrlichkeit Gottes, Welcher einst den einen Aspekt Seines Wesens herausstellte und jetzt einen anderen. Das spricht nicht von einer Veränderung. Gott läßt uns Seine verschiedenen Wesenszüge, Seine mannigfaltige Weisheit und Seine unendliche Herrlichkeit erkennen. Ich muß jedoch alles in seinem richtigen Umfeld betrachten und zu verstehen suchen, warum Gott die verschiedenen Offenbarungen gegeben hat. Mose und Elias waren die beiden großen Hauptsäulen des jüdischen Systems. Doch jetzt war Jemand gekommen, Der an Größe dieses ganze System weit übertraf: Jesus, der Sohn Gottes. In Seiner Gegenwart sollte auf die Vertreter des Gesetzes und der Propheten nicht einmal mehr gehört werden. Eine Fülle der Wahrheit wurde erst in dem Sohn Gottes bekannt gemacht. Wenn ich die Gedanken Gottes, soweit sie mich jetzt betreffen, verstehen will, muß ich auf den Sohn hören. Das konnte ein Jude nur sehr schwer verstehen. Tatsächlich war es, wenn möglich, für ihn viel wichtiger, auf diese Aufforderung zu hören, als für irgend einen anderen Menschen; denn er hatte eine Religion, die sich gerade auf das Gesetz und die Propheten stützte. Doch jetzt wird der geliebte Sohn Gottes, über Dem der Vater Sein vollkommenes Wohlgefallen ausdrückt, allen Menschen anempfohlen. „Ihn höret!“

Jesus, der Sohn Gottes, ist der Gegenstand der unendlichen Liebe des Vaters. Aber Er ist auch das Mittel, durch welchen diese Liebe sogar uns erreicht. Wenn ich sehe, daß Er der geliebte Sohn des Vaters ist, ruht meine Seele in Ihm; und ich trete in die Gemeinschaft mit dem Vater. „Und zwar ist unsere Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus.“ (1. Johannes 1, 3). Was ist Gemeinschaft? Gemeinschaft ist die gemeinsame Freude mit jemand anderem an einem gemeinsamen Gegenstand. Wir teilen jetzt unsere Freude mit dem Vater und dem Sohn. Der Vater fordert mich auf, dem Sohn zuzuhören; und der Sohn verkündet den Vater. Wir haben Gemeinschaft mit dem Vater, Der Denjenigen vor unsere Herzen stellt, an Dem Er sich selbst erfreut. Wir haben Gemeinschaft mit dem Sohn, insoweit Er uns den Vater bekannt macht. Wie erkenne ich den Vater? Wie Seine Gefühle? Einzig und allein, indem ich auf den Sohn sehe! Wenn ich Ihn anschaue, erblicke ich den Vater. Der Sohn spricht, und ich höre dabei auch des Vaters Stimme. Ich weiß, wie Er handelt. Seine Liebe kann sich dem verdorbensten Menschen zuwenden. So handelte Christus; und so, dessen darf ich mir sicher sein, handelt auch der Vater. Ich erkenne, wer Gott der Vater ist, wenn ich dem Sohn nachfolge und auf Ihn höre. Er offenbart nicht sich selbst, sondern den Vater. Der Sohn kam, um den Vater in einer Welt bekannt zu machen, die Ihn nicht kannte.

Was dachten selbst jene Männer, die Glauben hatten, vom Vater? Schauen wir uns die Jünger an; dann erkennen wir, wie wenig sie auf das Herz des Vaters antworteten und mit diesem übereinstimmten. Obwohl sie aus Gott geboren waren, ging ihre Erkenntnis nur bis zur Bitte des Philippus: „Zeige uns den Vater, und es genügt uns.“ (Johannes 14, 8). Natürlich kannte Philippus in gottgemäßer Weise Jesus als den Messias. Er hatte jedoch die glückselige Bedeutung dessen, daß Er als der Sohn der Offenbarer des Vaters war, noch nicht erfaßt. Erst als der Heilige Geist nach dem Weggang des Sohnes in den Himmel auf die Erde herab kam, erlangten die Jünger ein Verständnis von der Gnade, in der sie standen.

Die Worte des Apostel Paulus gehen noch weiter. „Wenn wir aber auch Christum nach dem Fleische gekannt haben, so kennen wir ihn doch jetzt nicht mehr also.“ (2. Korinther 5, 16). Indem wir Christus zur Rechten Gottes kennen und Seine Stellung dort zu schätzen wissen, kennen wir Ihn viel besser, als wenn wir jede Seiner Predigten auf der Erde gehört und jedes Seiner Wunder gesehen hätten. Das bewirkt eingehender und vollkommener der Heilige Geist durch Sein Wort. Ich will nicht davon reden, wie weit wir wirklich in das eindringen, was der Heilige Geist lehrt; denn das hängt natürlich und rechtmäßigerweise vom Maß unserer Geistlichkeit ab. Doch der Heilige Geist ist bei uns, um die Dinge Christi zu nehmen und uns zu zeigen. (Johannes 16, 14). Er macht uns mit Christi Herrlichkeit und Leiden vertraut, weil es den Vater freut, wenn wir Ihn kennen. Es gab aber noch vieles, was die Jünger damals nicht ertragen konnten. Nach Seinem Kommen sollte sie der Heilige Geist in die ganze Wahrheit leiten.

Das ist der Vorsatz des Vaters. Er benutzt den Anblick der Herrlichkeit Jesu als Sohn des Menschen, um vorzustellen, daß Ihm eine weit höhere Herrlichkeit gehört. Das Reich Christi vermag nicht im geringsten die volle Glorie Seiner Person aufzuzeigen; und nur in Verbindung mit Seiner höheren Herrlichkeit wird die Entstehung der Kirche (Versammlung) herausgestellt. Erst das Bekenntnis Seiner Sohnschaft rief die Worte hervor: „Auf diesen Felsen will ich meine Versammlung bauen.“ (Matthäus 16, 18). Das ist der Kern der neutestamentlichen Offenbarung. Der Vater offenbart den Sohn; und der Heilige Geist befähigt uns zu erkennen, was der Sohn ist, und zwar unter zwei Gesichtspunkten. Erstens sehen wir Ihn als das Bild des unsichtbaren Gottes; zum zweiten führt Er uns in die Gemeinschaft mit dem Vater. Uns wird nicht einfach Gott als Solcher bekannt gemacht, sondern der Vater durch den Heiligen Geist in dem Sohn. Daher gibt sich der Geist Gottes im Matthäusevangelium, das vor allem für jüdische Gläubige geschrieben wurde, besondere Mühe, diese Wahrheit herauszustellen. (Siehe auch das Ende von Kapitel 11!). Als Petrus den Sohn Gottes auf denselben Boden mit den geehrtesten und am meisten begünstigten Dienern Gottes stellen wollte, wurde dieser höhere Gesichtspunkt kundgetan. Dabei war es für Mose und Elia eine Freude, vor Ihm die Stellung einfacher Knechte einzunehmen. Gott stellt uns den Sohn als die Person vor, auf die wir hören sollen.

Diese Wahrheit ist von allergrößter Wichtigkeit, damit eine Seele gänzlich auf christlichem Boden steht. Christen fürchten sich oft, die verschiedenen Handlungsweisen Gottes zu unterscheiden, und schrecken davor zurück, die Stellung unseres Herrn voll anzuerkennen. Es ist jedoch die erste Pflicht einer Seele, Jesus Seinen rechtmäßigen Platz zu geben, und zwar so, wie der Vater ihn verkündet hat. Er sprach von Jesus als Gott der Vater von Gott dem Sohn. Wir benötigen mehr Einfalt des Auges, einen hingebungsvolleren Geist und größere Erkenntnis, um dem Sohn Gottes zunehmend mehr Ehre erweisen zu können. Die Wurzel jeder Irrlehre besteht in einer Geringschätzung Christi. So überbewertet der eine Mensch die guten Taten, ein anderer das Evangelium und wieder ein anderer die Kirche (Versammlung), je nachdem, wem er den Vorzug gibt. Doch derjenige ist Gott praktisch am nahesten, der alles mit Christus in Verbindung bringt. Das ist die höchste Stufe einer geistlichen Gesinnung, da sie aufs einfältigste die Gedanken Gottes, Seine Gefühle und Seine Worte in uns lebendig macht.

Die Jünger waren durch das, was sie hörten, verwirrt und fielen in größter Furcht auf ihre Angesichter. Sie konnten das Geschehen noch nicht richtig würdigen. Zur damaligen Zeit vermochten sie nur langsam die Wahrheit des Erlebten zu erfassen. Später erinnerte sie der Heilige Geist daran. „Und Jesus trat herzu, rührte sie an und sprach: Stehet auf und fürchtet euch nicht. Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesum allein.“ (V. 7–8). Die himmlische Vision wurde weggenommen. Sie befanden sich wieder mit Jesus allein auf dem Berg. Was für eine Freude! Wenn auch das Gesicht verschwand – Er blieb!

Laßt uns kurz auf die Berichte über diese Szene in den anderen Evangelien eingehen! In Markus 9 finden wir dieselbe Erscheinung der Herrlichkeit; und sie beginnt in ähnlicher Weise. Ich will jetzt nicht auf alle Punkte des Unterschieds eingehen; denn es gibt mehrere. Was mich aber hauptsächlich beschäftigt, ist: In den Worten des Vaters über Christus werden die Worte „an welchem ich Wohlgefallen gefunden habe“ weggelassen. Überall wird nachdrücklich betont und nirgendwo vergessen, daß Er der Sohn ist. Sowohl bei Markus als auch bei Matthäus ist Er der Sohn (und nicht einfach ein Knecht, obwohl Er auch dies war), auf Den gehört werden soll. Aber der Heilige Geist fügt bei Matthäus hinzu: „An welchem ich Wohlgefallen gefunden habe.“ Die Freude des Vaters am Sohn wird als Grund angeführt, warum man auf Ihn als dem vollsten Ausdruck der Gedanken des Vaters hören soll. Im Lukasevangelium sehen wir etwas anderes. „Und siehe, zwei Männer redeten mit ihm, welche Moses und Elias waren.“ (Lukas 9, 30). Sie werden ausdrücklich als Männer (oder Menschen) bezeichnet, weil dieses Evangelium insbesondere den Menschen als solchen im Blickfeld hat. „Diese erschienen in Herrlichkeit und besprachen seinen Ausgang, den er in Jerusalem erfüllen sollte.“ Wir lesen vom Inhalt ihres Gesprächs – ein Gegenstand von tiefstem Interesse, der uns viel zu sagen hat. Der Tod und die Leiden Jesu sind das große Thema, über das die Menschen sich in der Herrlichkeit mit Ihm, dem Sohn Gottes, unterhalten. Und Jerusalem – ja, Jerusalem – würde der Ort Seines Todes sein, anstatt Seine Herrschaft willkommen zu heißen. Doch danach lesen wir von den traurigen Anzeichen menschlicher Schwachheit: Petrus und seine Begleiter waren vom Schlaf beschwert. Wieder hören wir die Worte der Zuneigung des Vaters an den Sohn. Die höchsten Herrlichkeiten des Judentums verblassen; wir sollen auf den Sohn hören. Bei Lukas stehen überall die sittlichen Gesichtspunkte im Vordergrund.

Wir sehen noch mehr. Johannes läßt nämlich die Verklärung in seinem Evangelium vollständig weg. Seine Aufgabe bestand nicht darin, sich mit Christi äußerer Offenbarung an die Welt als Sohn des Menschen in Seinem Reich zu beschäftigen, sondern mit Seiner ewigen Herrlichkeit als der eingeborene Sohn des Vaters. Johannes selbst drückt es so aus: „Wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater.“ (Johannes 1, 14).

In 2. Petrus finden wir eine sehr interessante Anspielung auf die Verklärung. Dort lesen wir: „Er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Herrlichkeit.“ (2. Petrus 1, 17). Dieser Vers bestätigt die früher gemachte Bemerkung, daß diese Szene uns nicht die wesensmäßige Herrlichkeit des Herrn zeigt, sondern die von Gott dem Vater empfangene. „Er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Herrlichkeit, als von der prachtvollen Herrlichkeit [d. h. aus der Wolke als dem wohlbekannten äußerlichen Sinnbild der Majestät Jehovas] eine solche Stimme an ihn erging: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen gefunden habe.““ Beachte jedoch! Die Worte „Ihn höret!“ fehlen. Das ist sehr auffällig. In keinem der drei Evangelien werden diese Worte weggelassen, sondern nur im Zweiten Brief des Petrus. Matthäus gibt uns den vollen Wortlaut – alles, was Gott der Vater gesagt hat: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an welchem ich Wohlgefallen gefunden habe; ihn höret.“ Dagegen übermitteln uns die anderen beiden Evangelisten, Markus und Lukas: „Dieser ist mein geliebter Sohn; ihn höret“, während Petrus, der als Augenzeuge dabei war, die Worte „ihn höret“ wegläßt. Matthäus zeigt uns das Wohlgefallen des Vaters an Jesus, um insbesondere die Herzen der jüdischen Gläubigen von dem Blick auf Seinen Platz als Messias zu der angemessenen Freude des Vaters an Ihm als dem Sohn zu erheben. Darum sollten sie Sein Wort über alles wertschätzen. Petrus läßt das „Ihn höret“ weg, weil inzwischen die Lehre Jesu ausreichend geoffenbart war. Die ewige Freude des Vaters an dem Sohn bleibt jedoch unverändert bestehen. Ich maße mir nicht an zu entscheiden, inwieweit die inspirierten Schreiber alle Gedanken Gottes in dieser Angelegenheit kannten. Sie schrieben, wie der Heilige Geist sie trieb.

Man kann, wie ich anmerken möchte, diese Unterschiede in den Berichten, wie sie uns gegeben sind, auf zwei Arten betrachten. Die eine ist die der Ungläubigen, die andere die der Christen. Die ungläubige Sicht setzt voraus, daß Matthäus, Markus und Lukas als Menschen sich beim Schreiben die größte Mühe gaben, dabei aber doch hin und wieder Fehler machten. Nun, der Unglaube ist immer die größte Torheit von der Welt. Er verunehrt nicht nur Gott, sondern ist auch – ich wiederhole es – so unsinnig wie möglich, wenn wir uns in aller Ruhe mit den Fakten beschäftigen. Wie kam es, daß der Mann, der das erste Evangelium schrieb, diese Szene am ausführlichsten gab? Wenn er nach den anderen Evangelisten geschrieben hätte, dann könnte ich verstehen, daß er sich daran erinnerte, was die anderen vergessen hatten, um es nachzutragen. Doch Matthäus gibt uns den ersten und zudem genauesten Bericht. Markus und Lukas lassen einige Einzelheiten weg und Petrus diejenige, welche alle anderen geschrieben haben, nämlich die Worte: „Ihn höret.“ Demnach zeigt der Skeptizismus nicht nur den Stolz der Herzen, sondern auch die Torheit verzogener Kinder dem Wort Gottes gegenüber.

Doch laßt uns das Problem von der Glaubensseite her betrachten! Wir sind unwissend; wir wissen nicht, wie wir erkennen sollen. Laßt uns glauben, daß das, was Gott sagt – alles, was Er uns in Seinem Wort gegeben hat –, vollkommen ist! Sogar in den Unterschieden verbirgt sich eine göttliche Absicht. Matthäus schrieb an solche, die unter jüdischen Vorurteilen standen. Darum stellt er das Wohlgefallen des Vaters an Jesus als Seinem Sohn heraus als das große Mittel, um den Blick der Seelen von der Erde weg zum Himmel zu erheben. Und da es die Evangelisten waren, welche diese neue und gesegnete Wahrheit als erste bekannt machten, fügten sie ausnahmslos das „Ihn höret“ in ihren Bericht ein. Dagegen macht Petrus, der viel später schrieb, nicht die Offenbarungen durch den Sohn, sondern Seine Person zum Hauptgegenstand seiner Darstellung. Was will Petrus uns lehren, wenn Er sagt, daß keine Prophezeiung der Schrift von eigener Auslegung ist? Wir können die Prophetie nicht verstehen, wenn wir sie nur stückweise und für sich betrachten. Falls wir eine Prophezeiung nur auf besondere Umstände und Personen beziehen, verliert sie ihre eigentliche Bedeutung. Christus ist der Gegenstand der Prophetie. Seine Herrlichkeit wird von den Prophezeiungen herausgestellt. Sie stehen in erster Linie nicht in Verbindung mit England oder Frankreich oder irgendeinem anderen denkbaren Land. Wir müssen ihre Verbindung zu Christus sehen. Wenn wir das tun, finden wir ein sicheres Licht. Gott denkt immer an Seinen geliebten Sohn und erwartet das auch von uns. Er will, daß unsere Herzen von Seinem Sohn erfüllt sind und nicht von Gedanken über unser Heimatland oder berühmte Männer. Der Sohn Gottes ist der Gegenstand, mit dem sich der Vater beschäftigt. Darauf legt der Heilige Geist hier den Nachdruck. Er spricht von der Prophetie als einer Lampe, die an einem dunklen Ort leuchtet. Das ist sie nur, wenn sie mit Gottes Mittelpunkt in Verbindung steht. Betrachte sie im Zusammenhang mit ihrem richtigen Ziel; und alles wird hell. Wenn du sie indessen auf dich selbst beziehst, dann verwandelt sich dieselbe Prophezeiung Gottes in ein falsches Licht, welches dich in die Irre führt. Laßt uns deshalb in tiefster Seele festhalten, daß wir jedem Wort Gottes glauben sollen, indem wir jedes Seiner Worte und Gedanken ins Herz fassen und erwägen. Dabei dürfen wir dem Heiligen Geist vertrauen, daß Er uns in die ganze Wahrheit leiten wird. Um zu erkennen, was die besondere Absicht und der Gegenstand des Heiligen Geistes in einer Schriftstelle ist, muß ich auf Gott warten. Gott ist treu, welcher uns in die Gemeinschaft mit Seinem Sohn, Jesus Christus, unseren Herrn, berufen hat; und wenn Er uns in die Gemeinschaft mit Seinem Sohn berufen hat, was sollte Er uns dann über Seinen Sohn nicht mitteilen? Der Sohn steht ständig vor Seinen Augen. Der Herr möge geben, daß es auch bei uns so ist!

Als die Jünger vom Berg herabstiegen, gebot ihnen der Herr: „Saget niemand das Gesicht, bis der Sohn des Menschen aus den Toten auferstanden ist.“ (V. 9). Das Reich Christi sollte nicht mehr bezeugt werden. Es war verworfen worden. Das Gesicht war für die Jünger bestimmt, um ihren Glauben an Jesus zu stärken. Der Herr beschäftigte sich mit den Seelen der Gläubigen und nicht mit der Welt. Es gibt immer wieder Zeiten, in denen ein äußeres Zeugnis beendet wird. Wir dürfen uns an Paulus erinnern, als er die Gläubigen in Ephesus von der Menge absonderte und sie in ihre besonderen Segnungen einführte. (Apostelgeschichte 19, 9). Zur damaligen Zeit, bevor der Heilige Geist gegeben worden, der Herr aus den Toten auferstanden und Kraft von oben gekommen war, um aufgrund dieser Voraussetzungen einen Neuanfang zu machen, hatte es keinen Sinn, weiter zum Volk von diesen Wahrheiten zu zeugen. „Und seine Jünger fragten ihn und sprachen: Was sagen denn die Schriftgelehrten, daß Elias zuerst kommen müsse? Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Elias zwar kommt zuerst und wird alle Dinge wiederherstellen. Ich sage euch aber, daß Elias schon gekommen ist, und sie haben ihn nicht erkannt, sondern an ihm getan, was irgend sie wollten.“ (V. 10–12). Er zeigte, daß für den Glauben Elias schon gekommen war. Wenn Israel als Nation das Wort angenommen hätte, dann wäre Elias in Person nach der Prophezeiung Maleachis gekommen. Doch Israel verwarf Jesus. Daher lehrte Er die Jünger, in dem Zeugnis Johannes des Täufers praktisch das des Elias zu erkennen. Das steht in Übereinstimmung mit den Worten in Kapitel 11, wo gesagt wird: „Wenn ihr es annehmen wollt, er ist Elias, der kommen soll.“ (V. 14). Damit zeigte der Herr, daß Johannes nicht der wirkliche und buchstäbliche Elias war, obwohl er in dem Geist und der Kraft des Elias kam. Bald wird der Messias in Herrlichkeit erscheinen; dann kommt auch Elias. Aber jetzt war der Messias in Schwachheit und Erniedrigung anwesend; und Sein Vorläufer fand den Tod. Elias trat auf in der Person des leidenden Johannes der Täufer; und sein Zeugnis wurde verachtet. In dieses Geheimnis werden die Jünger eingeführt. „Elias (ist) schon gekommen, und sie haben. . . an ihm getan, was irgend sie wollten. Also wird auch der Sohn des Menschen von ihnen leiden. Da verstanden die Jünger, daß er von Johannes dem Täufer zu ihnen sprach.“

Ferner gilt zu bedenken: Die Wirksamkeit Satans ist durch die Offenbarung der Herrlichkeit Jesu auf dem Berg keineswegs zu Ende. Am Fuß desselben Berges, auf dem der Herr die Herrlichkeit des Reiches entfaltet hatte, übte Satan seine Macht aus. Sie war noch nicht gebrochen. Das Reich war immer noch ausschließlich ein Gegenstand des Zeugnisses. Die Jünger versagten darin, die Hilfsquellen Christi zu nutzen, um die Macht des Feindes niederzuwerfen. Das zeigte sich im folgenden Ereignis: Ein Mann kam zu dem Herrn, kniete vor Ihm nieder und sagte: „Herr, erbarme dich meines Sohnes, denn er ist mondsüchtig und leidet arg; denn oft fällt er ins Feuer und oft ins Wasser.“ (V. 15). Welch gegensätzliche Taktiken Satans! „Und ich brachte ihn zu deinen Jüngern, und sie konnten ihn nicht heilen. Jesus aber antwortete und sprach: O ungläubiges und verkehrtes Geschlecht! bis wann soll ich bei euch sein? bis wann soll ich euch ertragen? Bringet mir ihn her. Und Jesus bedrohte ihn, und der Dämon fuhr von ihm aus; und von jener Stunde an war der Knabe geheilt.“ (V. 16–18). Als die Jünger wissen wollten, warum sie den Dämon nicht austreiben konnten, sagte der Herr ihnen: „Wegen eures Unglaubens.“ (V. 19–20).

Das ist sehr ernst. Aber wir dürfen gewiß sein, daß immer Unglauben an der Wurzel aller Schwierigkeiten liegt, in welche Satan uns stürzt. Über jene, welche Glauben haben, hat er seine Macht verloren. Ein Gläubiger kann, während er mit dem Herrn wandelt, in keine dieser Schwierigkeiten geraten. Wir müssen allerdings einen Fehltritt in die Sünde von einem Fall unter die Macht Satans unterscheiden. Letzteres ist, wie ich glaube, sein Einfluß, der jedes Vertrauen auf die Güte Gottes zerstört. Demnach wird ein Mensch, der aus der Kirche (Versammlung) entfernt werden mußte, dem Satan überliefert zum Verderben des Fleisches (1. Korinther 5, 5) mit dem Ziel, daß der Geist am Tag des Herrn errettet werde. Immer wenn eine Person wirklich und zu Recht vom Tisch des Herrn entfernt wird, lastet auf ihrer Seele ein außerordentlich großer Druck. Dieser endet erst nach geistlicher Wiederherstellung der Seele, indem der Fallstrick Satans zunichte gemacht worden ist.

Hier sehen wir diese Wahrheit in Hinsicht auf den Leib. Das Kind war mondsüchtig und wurde sehr gequält. Doch der Unglaube kann die Kraft Gottes nicht nutzbar machen, obwohl sie eigentlich den Jüngern zur Verfügung stand. „Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, so werdet ihr zu diesem Berge sagen: Werde versetzt von hier dorthin!“ (V. 20). Die geringste Wirkung des Glaubens in der Seele reicht in den gegenwärtigen Schwierigkeiten aus. Die Stärke der Welt, d. h. die festgefügte Macht der Dinge auf der Erde, wovon der Berg ein Bild ist, sollte vor dem Glauben der Jünger vollständig verschwinden. „Diese Art aber fährt nicht aus, als nur durch Gebet und Fasten.“ (V. 21). Zum Kampf mit den Mächten des Bösen gehört Abhängigkeit. Darin bestand die moralische Herrlichkeit Christi; darin liegt das Geheimnis unserer Kraft. Das Anmaßen von Kraft, nur weil wir äußerlich mit Jesus in Verbindung stehen, versagt und endet in Schande. Wir müssen auch leer von uns selbst sein und voller Selbstverleugnung, damit Gott handeln kann. Wenn Jesus wiederkommt, wird die ganze Macht Satans zerbrechen und verschwinden.

Danach folgt eine weitere Ankündigung Seiner Leiden. Ich will mich jetzt nicht damit aufhalten. Es sei nur angemerkt, daß wir hier im Unterschied zu Kapitel 16, 21 nicht die Leiden seitens der Juden (Älteste, Hohepriester und Schriftgelehrte) finden, sondern vielmehr seine Verwerfung durch die Nationen. „Der Sohn des Menschen wird überliefert werden in der Menschen Hände.“ (V. 22). Diese Worte folgen der Offenbarung Seiner Herrlichkeit als Sohn des Menschen, wohingegen die erste Ankündigung sich an das Bekenntnis Seiner noch höheren Herrlichkeit als Sohn Gottes anschließt.

Laßt uns zum Schluß den lehrreichen Bericht über das Geldstück für den Tempeldienst anschauen! Petrus antwortete wieder einmal vorschnell im Eifer seines Wesens. Als die Steuereinnehmer des Tempels kamen und den üblichen Beitrag forderten, beteuerte Petrus eilig, daß sein Meister natürlich den Tribut zahlt. Seine Gedanken gingen nicht über die jüdische Stellung hinaus. Doch unser Herr kam dem Petrus zuvor, als sie in das Haus traten, und sprach zu ihm: „Was dünkt dich, Simon? von wem erheben die Könige der Erde Zoll oder Steuern, von ihren Söhnen oder von den Fremden?“ (V. 25). Das besagt natürlich nicht, daß irgendein König der Erde damals von ihnen Steuern erheben wollte. Es ging um Geld für den Tempel Jehovas. Petrus antwortete ganz richtig: „Von den Fremden.“ Darauf sagte Jesus zu ihm: „Demnach sind die Söhne frei.“ (V. 26).

Nichts könnte schöner sein. Hier wird uns nämlich gesagt: Wie strahlend auch immer die Herrlichkeit des kommenden Reiches sein mag, wie häßlich die Macht Satans, die vor dem Wort Jesu verschwindet, und wie groß der Glaube, welcher Berge versetzt – nichts veranlaßt den Sohn Gottes den Platz der Gnade zu verlassen. Kein Anspruch lag vor, kein Recht zu fordern – die Söhne sind frei. Ist es nicht unsinnig zu erwarten, daß die Könige der Erde ihre Kinder hinsichtlich der Zahlung von Tribut denselben Forderungen unterwerfen wie Fremde? Sie sind davon befreit. Jesus nahm diesen Platz ein und zwar – wie lieblich – in einer allgemeinen Form, sodaß der Grundsatz nicht nur für Ihn, sondern auch für andere galt. Die Söhne sind frei. Er gab Seine Antwort in den umfassendsten Worten, um eine Vorstellung davon zu vermitteln, auf welchen Platz des Segens die Kinder des Reiches – die Kinder jener Person, in Deren Namen die Forderung erhoben wurde – gestellt sind. „Jesus sprach zu ihm: Demnach sind die Söhne frei. Auf daß wir ihnen aber kein Ärgernis geben, geh an den See, wirf eine Angel aus und nimm den ersten Fisch, der heraufkommt, tue seien Mund auf, und du wirst einen Stater finden; den nimm und gib ihnen für mich und dich.“

Das ist das große Wunder Christi und in der Praxis das Wunder des Christentums, daß wir, die wir unsere Herrlichkeit kennen und als Söhne der Herrlichkeit sowie als Söhne Gottes durch diese Welt zu wandeln haben, gerade aus diesem Grund von Christus aufgefordert werden, die demütigsten und sanftmütigsten Menschen zu sein, die keinen Platz für sich auf der Erde beanspruchen. Damit sage ich nicht, daß wir keinen Platz für Christus fordern sollen. Es ist unsere Aufgabe, für nichts als Christus und die Wahrheit zu leben. Wo es jedoch um uns selbst geht, sollten wir bereit sein, niedergetreten und als Abschaum der Welt und Auskehricht aller Dinge angesehen zu werden. Fleisch und Blut lieben das nicht. Die Macht des Geistes Gottes erhebt uns über unsere Natur. Das sind keine voreiligen Gefühle. Noch weniger geht es um das Reden über unsere Rechte und dergleichen. Wir leben in dem Bewußtsein, daß die Söhne frei sind. Unser Teil ist eine Fülle an Vorrechten. Aber zur gleichen Zeit wird gesagt: „Auf daß wir ihnen aber kein Ärgernis geben, geh an den See. . . du wirst einen Stater finden; den nimm und gib ihnen für mich und dich.“ Das ist die Stellung eines Christen. Er kämpft nicht für eigene Interessen, sondern ist eifrig für die Dinge Gottes. Was uns selbst betrifft, sollen wir bereitwillig leiden.

Beachte auch die Art, in welcher unser Herr alle Anforderungen des Tributs erfüllte! Er instruierte Petrus, wie er das Geldstück finden konnte, und sagte: „Den nimm und gib ihnen für mich und dich.“ Was für eine Freude, daran zu denken, daß Jesus uns mit sich verbindet und daß Er für alles sorgt, wenn wir es Ihm überlassen! Jesus erwies sich in dieser Angelegenheit als Gott, der Schöpfer. Er offenbarte göttliches Wissen und befahl der ruhelosen Tiefe. Als solcher wirkte Er dieses außergewöhnliche Wunder, indem Er durch einen Fisch das Geld für die Tempelsteuer liefern ließ. Wie groß, daß dieser Jesus uns einen Platz mit sich selbst gibt und für alle unsere Bedürfnisse Vorsorge trifft! Nichts könnte uns in schönerer Weise zeigen, daß unser Platz trotz des Bewußtseins unserer Herrlichkeit immer derjenige der Unterwerfung und Niedriggesinntheit Christi zu sein hat. Wie gesegnet ließ sich der Sohn herab, Knecht zu sein, und führte Er die „Söhne“ auf denselben Weg der Gnade!

Der Herr schenke uns die Erkenntnis, wie diese beiden Gesichtspunkte zu vereinigen sind! Dies gelingt uns nur, wenn unser Auge unverrückt auf Christus gerichtet ist.

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