Vorträge zum Matthäusevangelium

Kapitel 12

Kapitel 12 vervollständigt das Bild des Übergangs, der im 11. Kapitel begann, und weist nach, daß vor Gott die Krise gekommen war. Der Herr mochte im weiteren Verlauf Gegenstand einer noch tieferen Verwerfung werden, doch der Geist, der später zu Seiner Kreuzigung führte, hatte sich schon offen gezeigt. Im Mittelpunkt des Kapitels sehen wir die Warnung vor der unvergebbaren Sünde, nicht nur gegen den Messias, sondern auch gegen den Heiligen Geist, der von dem Messias Zeugnis gab. Außerdem wird dargelegt, daß Israel als Nation jener Sünde schuldig und deshalb in einer Weise der Macht Satans übergeben werden würde, wie es niemals vorher in seiner traurigen Geschichte der Fall war. Selbst die Verderbtheit, für die Gott die Juden nach Babylon in die Gefangenschaft brachte, war klein im Vergleich zu dem Bösen, dessen sie jetzt im Geist schuldig waren und in das sie bald versinken würden. Dieser Hinweis beendete ausreichend die Ankündigung der Krise; und Kapitel 13 stellt einen neuen Gegenstand vor: Das Reich der Himmel sollte wegen der Verwerfung des Messias in seiner heutigen, geheimnisvollen Form aufgerichtet werden.

Ich muß nun weiter zeigen, wie die Ereignisse in unserem Kapitel den allgemeinen Plan des Evangeliums stützen und wie sehr alles in Übereinstimmung steht mit dem vorherrschenden Gedanken, nämlich dem großen Bruch zwischen Christus und Israel. Darum beschränkt sich der Heilige Geist hier nicht auf die zeitliche Reihenfolge der Geschehnisse. „Zu jener Zeit ging Jesus am Sabbat durch die Saaten; es hungerte aber seine Jünger, und sie fingen an Ähren abzupflücken und zu essen.“ (V. 1). Wir dürfen nicht voraussetzen, daß der Ausdruck „zu jener Zeit“ bedeutet „in jenem Augenblick“. Es ist eine allgemeine Redewendung, die Ereignisse umschließt, die irgendwie in Verbindung stehen, obwohl Monate zwischen ihnen vergangen sein mochten. Sie ist nicht so festlegend wie „unmittelbar danach“, „alsbald“, „eine Woche später“, usw. Was zwischendurch geschah, müssen wir anderen Evangelien entnehmen. Wenn wir das Markusevangelium untersuchen, erfahren wir, daß die Szene am Kornfeld schon früh in der Geschichte des Dienstes unseres Herrn stattfand. So folgt in Kapitel 2 auf die Berufung Levis und den Ausführungen über das Fasten jener Sabbattag, an dem Er „durch die Saaten ging“ (Markus 2,23). Der erste Evangelist nimmt das Ereignis vollständig aus seiner geschichtlichen Umgebung. Markus hält streng an der Reihenfolge der Begebenheiten fest. Matthäus weicht von dieser ab, um den großen Wechsel infolge der Verwerfung des Messias durch Israel zu zeigen. Die Weherufe über Chorazin und Bethsaida durch unseren Herrn und die Worte über den Segen derer, die Ihn annahmen, wurden keineswegs früh ausgesprochen. Hier werden Ereignisse zusammengestellt, weil das Thema des Heiligen Geistes im Matthäusevangelium jenen Wechsel enthüllen sollte. Folglich wählte Er dasjenige aus, was diesen aufzeigt, und reservierte es für unsere Textstelle.

Kurz gesagt, gibt uns der Heilige Geist durch Matthäus ein geschichtliches Bild ohne Beachtung von Zeitdaten; und die Ereignisse und Gespräche, welche den großen Übergang veranschaulichen, sind alle nebeneinander gestellt. Die Jünger gingen durch das Korn und begannen Ähren abzupflücken und zu essen entsprechend der Freiheit, die ihnen das Gesetz gestattete. (3. Mose 23,22). „Als aber die Pharisäer es sahen, sprachen sie zu ihm: Siehe, deine Jünger tun, was am Sabbat zu tun nicht erlaubt ist.“ (V. 2). Unser Herr wies dann auf zwei Ereignisse hin. Das eine betraf die sich ständig wiederholende Handlungsweise der Priester, das andere die Tat ihres hervorragendsten Königs. Beide erwiesen die Sünde und den völligen Ruin Israels. In welchem Zustand befand sich alles, als David gezwungen war, die Schaubrote zu essen? Geschah es nicht darum, weil der wahre König verworfen und verfolgt wurde und der König nach Wahl ihrer eigenen Herzen regierte? Geradeso war es auch jetzt. Die Sünde Israels machte das heilige Brot gemein. Gott nimmt nichts als heilig von einem Volk an, das in Sünde lebt. Eine Zeremonie ist keinen Pfifferling wert, wenn das Herz nicht Christus ehrt. Warum mußten die Jünger Kornähren abpflücken und essen? Warum waren die Gefolgsleute des wahren Königs gezwungen, Hunger zu leiden?

Außerdem, „habt ihr nicht in dem Gesetz gelesen, daß an den Sabbaten die Priester in dem Tempel den Sabbat entheiligen und schuldlos sind?“ (V. 5). Die Priester hatten an jenem Tag eine sehr wichtige Aufgabe zu erfüllen. Sie opferten Opfer, denn Sünde war vorhanden. Die Sünde des Volkes erforderte, was den Pharisäern nach den Buchstaben des Gesetzes wie ein Bruch desselben aussah. Die normalen Rechte des Gesetzes spielten keine Rolle. Wenn auf Seiten des Volkes Gottes Sünde vorliegt, dürfen die Opfer nicht aufgeschoben werden. Sowohl in dem besonderen Fall des Gesalbten des Herrn in den Tagen Sauls, als auch durch den beständigen Priesterdienst am Sabbat spricht diese wirkliche oder scheinbare Unordnung davon, daß die Israeliten Sünder waren. Sie hatten es damals zugelassen, daß der Auserwählte des Herrn auf den Bergen gejagt wurde; und jetzt war ein Größerer als David da. Ähnliches galt für die Priester und ihren Dienst. Ein unendlich Größerer als der Tempel, der Messias selbst, stand unter ihnen; und welch eine Gleichgültigkeit – vielmehr Feindschaft – zeigten sie Ihm!

Das genügte jedoch nicht. Ein weiterer Sabbattag war erforderlich, um das Bild vollständig zu machen. Jetzt wirkte Jesus selbst; und diese beiden Geschehnisse werden hier nebeneinandergestellt. „Als er von dannen weiterging, kam er in ihre Synagoge. Und siehe, da war ein Mensch, der eine verdorrte Hand hatte. Und sie fragten ihn und sprachen: Ist es erlaubt, an den Sabbaten zu heilen? auf daß sie ihn anklagen möchten.“ (V. 9–10). Der Herr nahm die Herausforderung an. „Er aber sprach zu ihnen: Welcher Mensch wird unter euch sein, der ein Schaf hat und, wenn dieses am Sabbat in eine Grube fiele, es nicht ergreifen und aufrichten wird?“ (V. 11). Natürlich würden sie das arme Schaf aus der Grube herausziehen, weil es ihnen gehörte. Sie machten sich kein Gewissen daraus, für ihren eigenen Vorteil zu handeln trotz des Sabbats; und der Herr tadelte sie nicht. Statt dessen stellte Er ihnen die eindringliche Schlußfolgerung vor: „Wieviel vorzüglicher ist nun ein Mensch als ein Schaf! Also ist es erlaubt, an den Sabbaten Gutes zu tun.“ (V. 12). Kurz gesagt, Er weist in diesem zweiten Fall darauf hin, daß Israel nicht nur schuldig war hinsichtlich des wahren Geliebten, sondern außerdem ein Volk gleich dem Menschen mit der verdorrten Hand. Wenn sie nur ihren Zustand anerkannt hätten, um den Herrn willig anzunehmen und sich Ihm zu beugen! Er war in Gnade gekommen, um jede notwendige Heilung zu bewirken. Der Herr konfrontierte sie mit ihrem traurigen Zustand. Die ganze Nation war in sittlicher Hinsicht vor Gott so verdorrt wie die Hand jenes Menschen leibhaftig. Israel war jedoch, ach!, nicht willens, wie jener Kranke geheilt zu werden. Ihr Zustand vor Gott war der einer gänzlichen Abgestorbenheit. „Dann spricht er zu dem Menschen: Strecke deine Hand aus. Und er streckte sie aus, und sie ward wiederhergestellt, gesund wie die andere.“ (V. 13). Warum wird dieses Ereignis in Verbindung mit dem Sabbat geschildert? Warum steht es ausdrücklich neben dem Geschehen am Kornfeld? In letzterem bewies der Herr Israels Schuld im Gegensatz zur Heiligkeit des Sabbats. Im anderen verkündete Er Seine Anwesenheit, um sogar am Sabbat Wiederherstellung zu bewirken. Das sind Berichte von allumfassender Bedeutung; denn der Herr riß sozusagen den äußeren Buchstaben des Bandes zwischen Ihm und Israel in Stücke, wovon der Sabbat ein besonderes Zeichen war.

Ich möchte hier anmerken, daß der Tag des Herrn wesentlich vom Sabbat unterschieden ist. In der frühen Kirche achtete man gewissenhaft darauf, beide nicht zu vermengen. Der Sabbat und der Tag des Herrn sind Zeichen von ganz verschiedenen Wahrheiten. Der erste erhielt seinen Ursprung dadurch, daß Gott Seine Ruhe nach Ausführung des Schöpfungswerkes heiligte. Außerdem war er das Pfand dafür, daß nach Vollendung der Werke Gottes eine heilige Ruhe für den Menschen aufbewahrt blieb. Dann trat die Sünde auf, und alles war verdorben. Wir hören dann kein Wort mehr vom Sabbat (jedenfalls nicht direkt), bis ein Volk aus allen anderen Völkern herausgerufen war, um dem wahren Gott als Seine auserwählte Nation zu dienen. Im Alten Testament sowie auch im Neuen wird uns gezeigt, wie vollständig sie versagte, sodaß jetzt die einzige Hoffnung auf einen wahren Sabbat darin besteht, daß Christus ihn einführt. Als Adam sündigte, kam der Tod über alle; und die Ruhe der Schöpfung wurde gebrochen.

Als Gott in dem Manna ein Sinnbild von Christus gegeben hatte, sprach er direkt danach vom Sabbat. Später wurde das Gesetz eingeführt, welches den Sabbat wieder aufnahm und in die Zehn Gebote und die Satzungen Israels einfügte. Er wurde nicht nur zu einem heiligen Tag, sondern auch zum Gegenstand eines Gebots, welches dem Volk wie die übrigen neun auferlegt war. An diesem Tag war jeder Israelit verpflichtet, persönlich nicht zu arbeiten und allem, was ihm gehörte, Ruhe zu gewähren. Er betraf nicht ein geistliches Volk. Alle Israeliten waren dem Sabbatgebot verpflichtet; und sie teilten ihre Ruhe mit ihrem Vieh.

Andererseits wurde vom Tag des Herrn nie etwas gehört, bevor Christus von den Toten auferstanden war. Danach begann eine ganz neue Ordnung der Dinge. Christus, der Anfang und das Haupt einer neuen Schöpfung, stand am ersten Tag der Woche aus den Toten auf. Daraufhin bewirkte Gott ein Heil, das Er jeder Seele gibt, die glaubt, auch wenn die alte Welt weitergeht, die Sünde noch wirkt und Satan noch nicht gebunden ist. Die Erlösten erkennen, daß der auferstandene Christus ihr Heiland ist und daß sie folglich in Ihm neues Leben haben. Sie kommen am Tag des Herrn zusammen, um diese Wahrheiten und noch viel mehr anzuerkennen, und verkünden Seinen Tod, bis Er kommt. (1. Korinther 11,26). Nichts könnte für uns in der Bibel eindeutiger geschildert sein, falls wir das Wort Gottes kennen lernen möchten und ihm folgen wollen. Hier gibt es weder Juden noch Nichtjuden. Waren sie Christen? Besaßen sie Christus als ihr Leben und ihren Herrn? Wenn sie Ihn dankbar bekannten, dann war der Tag des Herrn ihr Tag.

Christen, die Juden gewesen waren, hielten daran fest, am Sabbat die Synagoge zu besuchen. Das verdeutlicht eigentlich um so klarer, daß nicht einfach nur der Tag gewechselt hat. Der Apostel schreibt an die römischen Erlösten, daß der Mann, der einen Tag achtet, ihn dem Herrn achtet, und derjenige, der in nicht achtet, ihn dem Herrn nicht achtet. (Römer 14,5–6). Ging es um den Tag des Herrn? Nein, sondern um jüdische Tage und Fasten. Der Apostel würde niemals den Tag des Herrn so behandeln, als seien wir frei, ihn zu halten oder nicht. Einige dieser Gläubigen erkannten, daß sie vom Gesetz befreit waren, und hielten die jüdischen Feste und Fasten nicht mehr. Und die Heiden standen natürlich überhaupt nicht unter dem Gesetz. Aber auf jeden Fall machten sich einige der jüdischen Gläubigen noch ein Gewissen aus den alten Feiertagen. Von ihnen spricht der Apostel.

Der Tag des Herrn war niemals ein jüdischer Tag und wird es auch in Zukunft nicht sein. Ihm ist ein besonderer Charakter aufgeprägt. Obwohl Christen nicht unter dem Gesetz stehen wie die Juden hinsichtlich des Sabbats, sind sie doch durch die Gnade noch feierlicher angehalten, ihren Tag für den Herrn zu nutzen. Er ruft sie zusammen im Namen Jesu und in Absonderung von der Welt, damit sie ihrer Erlösung und Rechtfertigung durch Seinen Tod und Seine Auferstehung gedenken. Er ist das Symbol von der Segnung, die ein Christ empfangen hat, obwohl sie sich erst in der Herrlichkeit richtig zeigen wird. Die Welt sowie auch viele Christen verwechseln ihn mit dem Sabbat. Häufig hört man wirkliche, aber unbelehrte Gläubige vom „christlichen Sabbat“ sprechen. Das liegt natürlich daran, daß sie ihre Befreiung vom Gesetz und die Folgen der Tatsache, daß sie dem aus den Toten Auferstandenen angehören, nicht sehen. Diese gesegneten Wahrheiten werden vom Apostel Paulus weiter ausgeführt.

Hier beschäftigt sich unser Herr nur mit den Juden. Er weist auf den damals stattfindenden Wechsel hin. An dem einen Sabbat wehrte Er Seinen Jüngern nicht, als sie Kornähren abpflückten. Am zweiten wirkte Er offen ein Wunder vor allen Anwesenden. Damit gab Er den Pharisäern den gewünschten Anklagegrund. Zweifellos handelte Er in Barmherzigkeit und Güte. Es bestand jedoch keine Notwendigkeit, dabei tätig zu werden, es sei denn, aus einer bestimmten Absicht heraus. Ein Wort von Ihm hätte genügt. Nehmen wir den Blinden in Johannes 9! Aller Schlamm der Welt hätte ihn nicht heilen können ohne die Macht des Herrn. Sein Wort war ausreichend. Er tat jedoch etwas und veranlaßte auch den Blinden, am Sabbat etwas zu tun. Uns wird ausdrücklich gesagt: „Es war aber Sabbat, als Jesus den Kot bereitete und seine Augen auftat.“ (Johannes 9,14).

Der Herr brach das Siegel des Bundes zwischen Jehova und Israel. Der Sabbat besiegelte das Band und war jetzt in Israel für Gott ärger als nur nutzlos, weil die Menschen, welche vorgaben, den Sabbat sorgfältig zu halten, die bittersten Feinde Seines Sohnes waren. Es war völlig unsinnig, Ihn dem Sabbat unterzuordnen. „Der Sohn des Menschen ist Herr des Sabbats.“ (V. 8). Wie uns hier gesagt wird, stellt Er sich eindeutig auf den Boden dieser Wahrheit. Der folgende Sabbat zeigt dann jenes Wunder.

Die Pharisäer empfanden tief, daß dies der Todesstoß für ihr ganzes System darstellte. Sie versammelten sich „und hielten Rat wider ihn, wie sie ihn umbrächten.“ (V. 14). Das war die erste Geheimsitzung in der Absicht, Ihn zu töten. Jesus wußte davon und entwich. „Es folgten ihm große Volksmengen, und er heilte sie alle.“ (V. 15). Das ist ein Bild von dem, was Er tun wollte, nachdem Israel Ihn getötet hatte. Von jener Zeit an sollte das große Werk unter den Nationen geschehen. In diesem Zusammenhang wird der Prophet Jesaja zitiert, um den Charakter unseres Herrn zu bezeugen. „Siehe, mein Knecht, den ich erwählt habe, mein Geliebter, an welchem meine Seele Wohlgefallen gefunden hat; ich werde meinen Geist auf ihn legen, und er wird den Nationen Gericht ankündigen. Er wird nicht streiten noch schreien, noch wird jemand seine Stimme auf den Straßen hören; ein geknicktes Rohr wird er nicht zerbrechen, und einen glimmenden Docht wird er nicht auslöschen, bis er das Gericht hinausführe zum Siege; und auf seinen Namen werden die Nationen hoffen.“ (V. 18–21).

Der Herr entwich aus Israel. Aber das ist nicht alles. Er lieferte ein letztes Zeugnis, bevor Er Sein Urteil über Israel verkündigte. „Dann wurde ein Besessener zu ihm gebracht, blind und stumm; und er heilte ihn, sodaß der Blinde und Stumme redete und sah.“ (V. 22). In diese Lage glitt Israel gerade hinein. Es hatte kein Auge und keine Stimme für Jesus. Welch ein passendes Bild von Israels Zustand! Der Messias wurde unter ihnen nicht erkannt; und Sein Lob nicht ausgesprochen. Und jetzt sehen wir ihr ernstes Bild. Wenn die Armen, die Unwissenden, das ganze Volk ausrief: „Dieser ist doch nicht etwa der Sohn Davids?“, antworteten die Pharisäer, als sie es hörten: „Dieser treibt die Dämonen nicht anders aus, als durch den Beelzebub, den Obersten der Dämonen. Da er aber ihre Gedanken wußte, sprach er zu ihnen: Jedes Reich, das wider sich selbst entzweit ist, wird verwüstet; und jede Stadt oder jedes Haus, das wider sich selbst entzweit ist, wird nicht bestehen. Und wenn der Satan den Satan austreibt, so ist er wider sich selbst entzweit; wie wird denn sein Reich bestehen?“ (V. 23–26). Er ließ sich herab, die Frage mit ihnen zu erörtern. „Und wenn ich durch Beelzebub die Dämonen austreibe, durch wen treiben eure Söhne sie aus? Darum werden sie eure Richter sein. Wenn ich aber durch den Geist Gottes die Dämonen austreibe, so ist also das Reich Gottes zu euch hingekommen.“ (V. 27–28). Sie waren jedoch stumm; sie waren blind. Der Mensch, der sich Jesus unterwarf, wurde geheilt. Doch die Pharisäer ratschlagten, wie sie den Sohn Davids erschlagen konnten. Der Herr fuhr in Seiner Ausführung fort. Er sagte ihnen, daß sie jetzt einen kritischen Punkt erreicht hatten. „Wer nicht mit mir ist, ist wider mich, und wer nicht mit mir sammelt, zerstreut.“ (V. 30). Alles hing davon ab, daß man bei Ihm war und mit Ihm sammelte. Darum fügte unser Herr hinzu: „Jede Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben werden; aber die Lästerung des Geistes wird den Menschen nicht vergeben werden.“ (V. 31). Der Grund für diese Worte liegt darin, daß nicht nur der Sohn des Menschen diese Wunder ausführte, sondern auch die Macht des Heiligen Geistes dabei anwesend war. Obwohl Jesus sich der Erniedrigung unterwarf, verteidigte Er dabei doch die Herrlichkeit Gottes. Der Heilige Geist, der diese mächtigen Taten hervorbrachte, sollte nach dem Weggang Jesu ausgegossen werden. Der Unglaube, der das Zeugnis des Geistes während Jesu Anwesenheit verworfen hatte, würde es nach Jesu Weggang noch stärker bekämpfen. Die Kinder Israel würden sich als genauso schlecht erweisen wie ihre Väter. „Ihr widerstreitet allezeit dem Heiligen Geiste; wie eure Väter, so auch ihr.“ (Apostelgeschichte 7,51). Was folgte daraus? Sie würden jener unvergebbaren Sünde schuldig sein, indem sie nicht nur Jesus selbst als Mensch hier auf der Erde verwarfen, sondern auch die Macht des Heiligen Geistes – sei es, als Er damals in Jesus wirkte, oder heute durch und für Ihn.

Das ist die abschließende Verwerfung des Zeugnisses seitens des Heiligen Geistes über Christus. Sie begann, als der Herr auf der Erde weilte. Seitdem Er im Himmel ist, erreicht sie ihr volles Ausmaß. Die Juden verwarfen Christus sowohl auf der Erde als auch später, nachdem Er in den Himmel aufgefahren war. Sie verwarfen Ihn, obwohl die Macht des Heiligen Geistes allein durch Seinen Namen Tote zum Leben auferweckte und auf diese Weise Seine Herrlichkeit noch mehr bewies als damals Seine persönliche Wirksamkeit auf der Erde. Wer einem Zeugnis wie diesem widerstand, war offensichtlich hoffnungslos im Unglauben und in der Verachtung Gottes in der Person Seines Sohnes verloren. Darum verurteilte unser Herr diese Lästerung als eine solche, für die es keine Vergebung gab. Nicht Unwissenheit ist es, die Christus auf diese Weise verwirft. In letzterem Fall fehlt einem Menschen vielleicht nur das Licht, sodaß er, falls er dieses erhält, durch die Gnade befähigt, den Herrn annimmt. Wer jedoch jedes göttliche Zeugnis verwirft und die geoffenbarte Macht des Heiligen Geistes zum Anlaß nimmt, seinen Haß gegen Jesus zu zeigen, ist offensichtlich für immer verloren. Er trägt den unverkennbaren Stempel des Verderbens auf seiner Stirn. Genau in diese Sünde fiel Israel mit rasender Geschwindigkeit. Der Heilige Geist mochte auf die Erde gesandt werden und größere Werke der Macht tun als der Herr selbst – das änderte keineswegs ihre Herzen. Dem ungläubigen Geschlecht aus Israel wird nicht vergeben werden, „weder in diesem Zeitalter noch in dem zukünftigen.“ (V. 32).

Ich will jetzt nicht das Wort „Haushaltung“ gebrauchen, welches einen bestimmten Zeitlauf andeutet, der durch besondere Grundsätze regiert wird. Hier geht es jedoch darum, daß weder in diesem a¸òn (äon), noch in dem zukünftigen diese Sünde vergeben werden kann. Das zukünftige Zeitalter ist jenes, in dem die Kinder Israel unter der Regierung des Messias stehen werden so wie seit der babylonischen Gefangenschaft unter der Herrschaft der Nationen. Weder damals noch später sollte jene Sünde vergeben werden. Hinsichtlich aller anderen Frevel bestand immer eine Hoffnung, daß das, was zur Zeit nicht vergeben werden konnte, beim Kommen des Messias Vergebung finden wird. Natürlich erfährt jede Seele, die den Herrn annimmt, unbegrenzte Vergebung. Doch die Juden verwarfen Ihn. Sie schrieben die in Seiner Person wirkende Macht des Heiligen Geistes dem Beelzebub zu. Diese Lästerung würde niemals vergeben werden. In dieser ständig zunehmenden Gefahr befand sich Israel. Wenn sie den Messias in der dargestellten Weise verwarfen, waren sie verdammt, da sie so das Zeugnis des Heiligen Geistes ablehnten. Letzteres war der entscheidende Punkt. Darauf weist der Herr besonders hin. Das Verhalten der Juden gegen den Heiligen Geist bewies den schrecklichen Zustand Israels und die Notwendigkeit für den bevorstehenden Wechsel. Gott mußte ein neues Werk einführen.

Folglich nannte der Herr sie eine Otternbrut. „Aus der Frucht wird der Baum erkannt“, sagte Er. Es war ein schlechter Baum; und Er erwartete keinerlei gute Frucht von ihm. „Otternbrut!“, fügte er hinzu, „wie könnt ihr Gutes reden, da ihr böse seid? Denn aus der Fülle des Herzens redet der Mund. Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatze Gutes hervor, und der böse Mensch bringt aus dem bösen Schatze Böses hervor. Ich sage euch aber, daß von jedem unnützen Worte [wie ich vermute, sind das alle jene, die Verachtung Gottes verraten] das irgend die Menschen reden werden, sie von demselben Rechenschaft geben werden am Tage des Gerichts; denn aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verdammt werden.“ (V. 33–37). Wodurch erweist ein Wort sich als unnütz? Wenn es Gott und Seinen Sohn nicht ehrt! Gott besteht darauf, daß Jesus bezeugt wird. Unnütze Worte verraten eine Verwerfung Jesu durch das Herz und behandeln das Zeugnis des Heiligen Geistes über Ihn geringschätzig. „Aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verdammt werden.“ Mit dem Mund wird bekannt zum Heil (Römer 10,10); und Worte, welche Jesus außer acht lassen, beweisen, daß das Herz seine Sünde Ihm vorzieht. Die Worte des Mundes zeigen den Zustand des Herzens. Sie sind der äußere Ausdruck der Gefühle und ein Weg, durch den ein Mensch sich offenbart. Ein anderer Weg ist sein Verhalten. Wenn das Herz böse ist, sind auch Worte und Verhalten böse. Darum muß alles ins Gericht kommen.

Danach verlangten die Pharisäer ein Zeichen; und der Herr gab ihnen ein sehr bedeutungsvolles. Vorher verkündigte Er jedoch Sein sittliches Urteil über die Nation. „Ein böses und ehebrecherisches Geschlecht begehrt ein Zeichen, und kein Zeichen wird ihm gegeben werden, als nur das Zeichen Jonasʼ, des Propheten.“ (V. 39). Was zeichnete Jona als Prophet besonders aus? Wem prophezeite er? Er war von Israel weg zu den Heiden gesandt worden. Doch darüber hinaus mußte er durch das Bild von Tod und Auferstehung gehen, bevor er seine Botschaft richtig verkündigte. Er war so widerspenstig, daß er nicht nach dem Ort reiste, zu dem er gesandt war. Darum sorgte der Herr dafür, daß Jona aus dem Schiff ins Meer geworfen wurde. Danach behandelte Er Jona wie einen Toten und bewirkte ein großes Werk in seiner Seele. Nachdem jener dieses sehr bemerkenswerte Sinnbild von Tod und Auferstehung erlebt hatte, war er für die Botschaft bereit, die der Herr ihm gab. Dieses Zeichen stellte der Herr vor die Pharisäer. Der Zustand der jüdischen Nation war so schlecht, daß Er sie verlassen und zu den Nationen gehen mußte, und zwar nachdem Tod und Auferstehung wirklich stattgefunden hatten und sämtliche Hoffnungen Israels begraben waren. Der Herr hat noch zukünftige Segnungen für Sein Volk aufgespart. Aber jetzt war für Israel alles verloren. Sie hatten ihren Herrn verworfen. Gott wollte sich hinfort mit den Heiden beschäftigen.

Daher dienen als bestätigende Beispiele zunächst die Männer Ninives, die auf die Predigt Jonas hin Buße taten. „Und, siehe, mehr als Jonas ist hier.“ (V. 41). Danach folgt die Königin von Scheba, ebenfalls eine Heidin, die mehr als einfach nur Buße tat. Auch ihre Energie des Glaubens ist, wie ich sagen möchte, aller Beachtung wert, denn sie kam ohne besondere Aufforderung. Der Eifer ihres Herzens und ihr Verlangen nach Weisheit waren so groß, daß sie, nachdem sie von Salomo gehört hatte, eilte, um sie von seinen Lippen zu erfahren. Was für eine Zurechtweisung für Israel! „Mehr als Salomo ist hier“ (V. 42) – und zudem eine Weisheit, die diejenige Salomos soweit übertraf, wie die Person Jesu größer ist als Salomo. Sie waren jedoch ein böses und ehebrecherisches Geschlecht und wußten nicht, daß Der, welcher sie gemacht hatte, ihr Mann war. (Jesaja 54,5). Sie verachteten Ihn. Darum fügte unser Herr hinzu: „Eine Königin des Südens wird auftreten im Gericht mit diesem Geschlecht und wird es verdammen.“ Jetzt verkündigte Er den Juden ihren endgültigen Zustand. Das Band zwischen Israel und Ihm war zerrissen. Wegen jener lästerlichen Verachtung des Zeugnisses des Heiligen Geistes über Jesus als dem Sohn des Menschen sollten sie gerichtet werden.

Aber jener Nation war es auch bestimmt, mit der Macht Satans erfüllt zu werden. Das erklärt der Herr jetzt. „Wenn aber der unreine Geist von dem Menschen ausgefahren ist, so durchwandert er dürre Örter, Ruhe suchend, und findet sie nicht.“ (V. 43). Jeder Schriftforscher wird anerkennen, daß der unreine Geist Götzendienst bedeutet. Müssen wir annehmen, daß unser Herr, nachdem Er bisher ausschließlich von der Nation gesprochen hat, sich plötzlich Einzelpersonen zuwendet? Er spricht eindeutig von Israel. Und worum geht es? Nach der Rückkehr aus Babylon fiel Israel als Nation nie mehr wie früher in Götzendienst. Das heißt nicht, daß die Juden besser geworden waren. Aber der unreine Geist des Götzendienstes war nicht länger mehr ihre besondere Versuchung. Wenn nicht mehr in der alten Art so verführte der Teufel sie auf andere Weise zur Sünde. Der unreine Geist wird jedoch zu seinem Haus zurückkehren und es gekehrt und geschmückt vorfinden. Das war Israels Zustand, als unser Herr auf der Erde weilte. Die Juden hatten ihre götzendienerischen Gewohnheiten abgelegt. Sie gingen jeden Sabbat zur Synagoge und waren eifrig genug, das Meer und das Trockene zu durchziehen, um einen Proselyten zu machen. (Matthäus 23,15). So war das Haus leer, gekehrt und geschmückt. Alles war offensichtlich rein; nichts war zu sehen, was das Auge hätte schockieren können.

„Dann geht er hin und nimmt sieben andere Geister mit sich, böser als er selbst, und sie gehen hinein und wohnen daselbst; und das Letzte jenes Menschen wird ärger als das Erste. Also wird es auch diesem bösen Geschlecht ergehen.“ (V. 45). Der unreine Geist wird zurückkehren, und zwar nicht wie früher, sondern mit der vollen Macht Satans, mit sieben anderen Geistern, „böser als er selbst.“ Böser als Götzendienst! Was kann das sein? „Und sie gehen hinein und wohnen daselbst.“ Hier wird einfach das Bild eines Menschen benutzt, um den Zustand Israels zu veranschaulichen. Die folgenden Worte lassen daran keinen Zweifel. „Also wird es auch diesem bösen Geschlecht ergehen.“ Der Herr nimmt das Beispiel eines Menschen und wendet es auf den Zustand der Nation an. Der unreine Geist des Götzendienstes war vertrieben; und die Juden hatten sich äußerlich gereinigt. Aber der Herr gibt die ernste Warnung, daß der unreine Geist zurückkehren und sieben andere, noch bösere Geister als er selbst mitbringen wird, sodaß der letzte Zustand schlimmer wird als der erste. Wann soll das sein? Es handelt sich um den letzten Zustand. Wie ich glaube, ist er noch nicht gekommen. Er steht den Juden noch bevor.

Der leere, gekehrte und geschmückte Zustand von damals wird anhalten. Die [frommen; Übs.] Juden werden menschlich gesprochen ein sittliches Leben führen. Sie werden den Büchern Moses anhangen und ihren Gottesdienst allein dem wahren Gott widmen. Das wird lange ihre Gewohnheit bleiben; aber nicht für immer. Denn Gott hat jene Nation, wie wir aus der Bibel wissen, für besondere Absichten zuerst im Gericht und danach in Gnade ausersehen. Bald wird Er sie bekehren und in Seine Gegenwart führen, um sie in einen wahren Samen Abrahams zu verwandeln, und zwar nicht nur der Geburt nach, sondern auch in Heiligkeit. Zuerst müssen sie allerdings den Kelch ihrer Bosheit voll machen. Dieser Grundsatz läuft durch alle Wege Gottes. Nicht das Geistliche ist zuerst da, sondern das Fleischliche; später erst folgt das Geistliche. Zuerst kam Adam und dann Christus. So muß in dem Fall vor uns Israel zuerst die verderblichsten Wirkungen der Macht Satans über ihre Seelen zeigen, bevor Gott einen Überrest bekehren und ihn zu einer starken Nation machen kann. Der letzte Zustand, von dem hier gesprochen wird, betrifft jene böse Generation. Der Herr wird später ein anderes Geschlecht erschaffen; „und also wird ganz Israel errettet werden.“ (Römer 11,26).

Was würde der Herr in der Zwischenzeit tun? Beschränkte Er sich auf die Ankündigung des Gerichts über Israel? Weit davon entfernt! Während Er noch zu dem Volk sprach, kam einer zu Ihm und sagte: „Siehe, deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und suchen dich zu sprechen.“ (V. 47). Der Herr ergriff sofort die Gelegenheit und verkündigte, daß Er hinfort keine Beziehungen nach dem Fleisch mehr anerkennen wollte. Er hatte besondere Beziehungen zu Israel, „aus welchen, dem Fleische nach, der Christus ist.“ (Römer. 9, 5). Er erkennt sie nicht länger an. Israel wollte Ihn nicht haben. Er hatte gezeigt, wo das Fleisch endet. Die Juden würden zur Behausung des Teufels in all seiner Macht werden und ihr letzter Zustand schlimmer als ihr erster. „Aber“, sagt der Herr, „ich werde etwas Neues besitzen, ein Volk nach Meinem Herzen.“ Und so streckte Er Seine Hand aus über Seine Jünger und sagte: „Siehe da, meine Mutter und meine Brüder.“ (V. 49). Seine einzigen wahren Verwandten waren jene, die das Wort Gottes annahmen und taten. „Wer irgend den Willen meines Vaters tun wird, der in den Himmeln ist, derselbe ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.“ (V. 50). Kurz gesagt, Er verzichtet für die gegenwärtige Zeit auf alle irdischen Bindungen – auf alle Beziehungen zum Fleisch oder zur Natur. Als einziges Band erkennt Er jetzt das Verwandtschaftsverhältnis zu einem himmlischen Vater an, welches durch die Aufnahme des Wortes Gottes in der Seele geknüpft wird.

So fanden wir in diesem Kapitel, wie der Herr Seine Bindungen an Israel, soweit es das Zeugnis betrifft, abbricht. Im nächsten Kapitel werden wir sehen, was aus den neuen Beziehungen, die der Herr enthüllte, hinsichtlich der Haushaltung folgen sollte.

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