Botschafter des Heils in Christo 1869

Kurze Bemerkungen über Philipper 4

Bei Betrachtung der Brief an die Philipper ist es lehrreich, in Verbindung mit derselben die persönliche Geschichte des Apostels ins Auge zu fassen. Er schrieb dieselbe im Gefängnis zu Rom. Abgeschnitten von seinem Dienst, mühte er sagen: „Alle, die in Asien sind, haben sich von mir abgewandt.“ – „Alle suchen das ihre, nicht das, was Jesu Christi ist.“ Dennoch aber gab es etwas, das sein Herz über alles andere erhob. Nicht als ob er sich gleichgültig über alles hinwegsetzte; aber er kannte eine höhere Kraft. Der Ausblick auf Christus und nicht auf die Umstände war die Ursache seiner Freude. In Galater 4 sagt der Apostel: „Ich fürchte um euch;“ – und im nächsten Kapitel lesen wir: „Ich habe Vertrauen zu euch im Herrn.“

Der Weg des Herrn war stets derselbe. Überall begegnete er der Trübsal und dem Elend; und dennoch betete Er für seine Jünger, dass sie seine Freude völlig in sich haben möchten. Er lebte in einer Kraft, die über das Böse erhaben war; und wenn wir nicht in dieser Kraft leben, werden wir, anstatt uns allezeit zu erfreuen, von dem Strom des Bösen in uns und um uns her niedergedrückt werden. Um sich allezeit freuen zu können, ist es nötig, dass unser Herz bei Ihm sich befindet, der schon überwunden und sich zur Rechten Gottes gesetzt hat. Das erste Merkmal der Kraft ist die Geduld. Wer sehen dieses an dem Apostel. Nichts störte den Frieden seiner Seele, so dass er sich frei genug fühlte, an andere zu denken, wie z. B. an die Evodia usw., oder sich wegen eines davongelaufenen Sklaven Mühe zu machen. Er ging durch das Tränental und machte es zu einer Quelle. Es ist weit gesegneter, Trübsale zu einer Ursache des Dankes zu machen, als selbst unsere Segnungen. „Jehova will ich preisen allezeit; beständig soll sein Lob in meinem Mund sein“ (Ps 32). In allen seinen vielen widrigen Umständen durfte er erfahren, dass der Herr genug war. Er besaß jenes innere Glück, welches ihn, als er vor Festus stand, zu sagen befähigte: „Wollte Gott, dass alle solche würden, wie ich bin“ (Apg 26,29).

Bist auch du so glücklich in deiner Seele, um eine solche Sprache führen zu können? Der junge Christ ist meistens nur glücklich bei dem Gedanken an seine Errettung, an seine Freude, an seinen Frieden, kurz an das, was er besitzt. Der alte Christ hingegen freut sich mehr in Christus. Der junge Christ sagt: „Ich habe dieses, ich habe jenes“; während der alte Christ sagt: „Christus ist dieses und Christus ist jenes.“ Nicht etwa, als begehe der junge Christ ein Unrecht, also zu reden; denn in diesem Sinn kann er kein alter Christ sein; und wenn er mit Gott wandelt, so wird auch er schnell heranreifen. „Ich habe euch. Väter, geschrieben, weil ihr den erkannt habt, der von Anfang ist“ (1. Joh 2,12–14). Während der Apostel in Bezug auf die Jünglinge ins Einzelne geht, wiederholt er nur das, was er einmal in Betreff der Väter gesagt hat.

Es gibt beständigen Kampf mit Amalek; jedoch dürfen wir mit der Zuversicht kämpfen, dass er schon überwunden ist. „In der Welt habt ihr Angst; aber seid gutes Mutes! ich habe die Welt überwunden“ (Joh 16,33). „Lasst uns mit Ausharren laufen den uns vorliegenden Wettlauf, hinschauend auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens, welcher – sitzt zur Rechten auf dem Thron Gottes“ (Heb 12,1–2). Lassen wir uns durch keine Macht des Bösen oder der Umstände verhindern, allezeit im Herrn uns zu freuen, was allerdings nur in seiner Gegenwart geschehen kann. „Eure Lindigkeit lasst kund werden allen Menschen“ (Phil 4,5). Meiner Natur nach will ich auf meinem Recht in der Welt bestehen; und es verwundet mich tief, wenn ich sehe, dass mir Unrecht geschieht. Die Lindigkeit legt unserem eigenen Willen einen Hemmschuh an und ist mit dem zufrieden, was sich in der gegenwärtigen Zeit findet. „Der Herr ist nahe.“ Als der Herr sein Antlitz wie einen Felsen gen Jerusalem richtete und die Samariter Ihn nicht aufnahmen, wollten die Jünger Feuer auf sie fallen lassen (Lk 9). Wenn du dein Antlitz feststellst, um nach Jerusalem zu gehen, so werden die Lauen (Halbherzigen) auch dich nicht aufnehmen. „Der Herr ist nahe.“ Glaubst du das? Wenn du es glaubst, so wird der Charakter deines ganzen Lebens dadurch regiert werden. Du sagst vielleicht: „Ich habe Schwierigkeiten in meiner Familie“, oder: „Es steht schlecht in der Versammlung.“ – „Seid um nichts besorgt, sondern in allem lasst durch Gebet und Flehen mit Danksagung euer Begehren vor Gott kundwerden.“ Was bedarfst du? Gehe und bitte Ihn darum. Anstatt dich abzuquälen, bringe dein Begehren zu Gott. Obwohl nicht gesagt wird, dass Er dir gerade das geben wird, um was du Ihn bittest, weil vielleicht das nicht zu deinem Besten dienen könnte, so gibt Er dir doch seinen Frieden. Lege deine Sorgen in sein Herz; und Er wird seinen Frieden in dein Herz legen. Kann etwas, welches dich beunruhigt, den Frieden Gottes stören? „Mit Danksagung lasst euer Begehren vor Gott kundwerden.“ – Wenn ich meine Angelegenheiten in die Hand eines anderen lege und ihn dieselben für mich zu besorgen bitte, so bedanke ich mich für seine Mühe zum Voraus, obgleich er bis jetzt noch nichts darin getan hat. In diesem Seelenzustand ist das Herz frei, die Gunst zu genießen, welche ich bei einem anderen entdecke. Es ist eine starke Neigung in uns, in den Dingen dieser Welt zu leben, wo aber das Herz Christi nicht bei uns sein kann. „Was ihr auch gelernt und empfangen und gehört und an mir gesehen habt, dieses tut; und der Gott des Friedens wird mit euch sein“ (V 9). Die Freude ist eine veränderliche Sache, während der Friede etwas Beständiges und Bleibendes ist. Gott wird nie der Gott der Freude, aber oft der Gott des Friedens genannt. Solange Christus vor seinem Tod bei seinen Jungem war, sagte Er nie zu ihnen: „Friede euch!“ wohl aber: „Fürchtet euch nicht.“ Nachdem Er aber aus den Toten auferstanden war, sprach Er zu ihnen: „Friede euch!“ Christus hat durch das Blut seines Kreuzes auf eine solche Weise Frieden gemacht, dass, wenn Gott in jeder seiner Eigenschaften auftritt. Er nichts sieht, was seinen Frieden stören könnte. Ich bin im Licht, wie Er im Licht ist; und wenn ich Frieden mit Gott habe, so werde ich ruhig sein, obgleich ich Kampf mit der Welt, dem Fleisch und Satan habe. „Dein Friede wird sein wie ein Wasserstrom.“ Der wahre Seelenzustand eines Menschen kann durch seine täglichen Lebensgewohnheiten beurteilt werben. Der Apostel sagt: „Ich habe gelernt, worin ich bin, mich zu begnügen.“ Er hatte es gelernt und nicht nur gesagt. Überfluss zu haben, ist gefährlicher, als erniedrigt zu sein; allein Christus war ihm genug. Ich bekomme nicht nur Frieden in den Umständen, sondern auch moralische Kraft, um mich über dieselben zu erheben. Wenn er sagt: „Mein Gott“, so will er damit gleichsam sagen: „Ich kenne Ihn gut; ich siehe dafür, dass Er alle eure Notdürfte erfüllen wird nach seinem Reichtum in Herrlichkeit in Christus Jesu.“ Welch eine Wirklichkeit ist doch das Leben des Glaubens! Der Herr mag uns durch Trübsale führen, weil das gut für uns ist; aber Er wird in allen Trübsalen bei uns sein.

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