Botschafter des Heils in Christo 1869

Das christliche Amt

Man beschuldigt uns der Verwerfung des christlichen Amtes und wir haben daraus die einfache Antwort, dass wir nur ein unchristliches Amt verwerfen.

Wir glauben nicht, dass jemand auf dem Weg der Einsetzung einer weltlichen Behörde, oder durch die Wahl des Volkes in den Besitz eines solchen Amtes gelangen kann, und hierin liegt der Kern dieser Frage. Wir räumen auf Grund des Wortes Gottes weder einer Behörde noch dem Volk das Recht der Berufung oder des Mahlens in dieser Sache ein. Nur Gott hat dieses Recht. Nichtsdestoweniger glauben wir, dass für die gegenwärtige Zeit das christliche Amt so nötig ist, wie die Wiederkunft Christi; und wir sind ebenso weit entfernt, das christliche Amt bei Seite zu setzen, als wir überzeugt sind, dass es wirklich von Gott ist. Aber wir begreifen nicht, dass der bloße Wille einer Staatsbehörde oder des Volkes – obschon beides an seinem Platz zu ehren ist – sich mit einer so heiligen Sache befassen kann, welche der Herr allein nach seinem Willen ordnet.

Wir lesen, dass der gen Himmel gefahrene Herr die „Einen zu Aposteln, die anderen zu Propheten, die anderen zu Evangelisten, andere zu Hirten und Lehrern“ gegeben hat. Dieses, nicht aber die Berufung irgendeiner Staatsbehörde, oder die Wahl des Volkes ist die einzige Quelle des Amtes. Man behauptet zwar von der einen Seite, dass eine Behörde das Recht zur Berufung, und auf der anderen Seite, dass das Volk das Recht zur Wahl habe; aber wir verneinen beides. Christus verleiht das Amt, wann und wie Er es für gut findet, und wehe dem, der ein solches Amt nicht anerkennt! Wenn aber, wie in einem Schriftchen behauptet worden ist, ein Mensch eben sowohl das Recht hat, sich seinen eigenen Pastor zu wählen, wie er bei Gericht sich seinen Advokaten oder in Krankheitsfällen sich seinen Arzt wählen darf, so scheint Gott in der Tat gänzlich ausgeschlossen zu sein, und dagegen richten wir unseren Einwurf. Wenn Christus eine Gabe verliehen hat, so ist der Gläubige verpflichtet, ihre Ausübung und durch dieselbe das Wort Christi anzuerkennen.

Der Beweis von der Gabe eines Evangelisten zeigt sich in den durch seine Wirksamkeit bekehrten Seelen, und die Kirche ist genötigt einen solchen anzuerkennen. Befinden sich die Glieder der Kirche in einem geistlichen Zustand, so werden sie, wenn die Gabe und der Beweis, dass Gott sie gegeben, vorhanden sind, sicher ihre Anerkennung nicht versagen. Wenn sie es tun, so sündigen sie wider Christus, der diesen Evangelisten gesandt hat. Jenes menschliche Einsetzen und Wählen aber hat zur Folge, dass man das Auge auf jemanden richtet, der – mag er tauglich oder untauglich sein – der Behörde, dem Patron oder dem Volk gefällt, und der, will die Kirche die ihr eingeräumten Rechte nicht einbüßen, als die einzige Persönlichkeit anerkannt werden muss, in welcher alle Gaben vereinigt sind. Und auf diese Weise dreht sich gewöhnlich der ganze Dienst um einen Prediger.

Wir machen daher keine Einwendungen gegen das Amt, wohl aber gegen dessen Übernahme von Seiten einer Persönlichkeit, deren göttliche Sendung nicht erwiesen ist; denn ob auch selbst die eine oder die andere Gabe bei jemanden vorhanden sein mag, so besitzt er doch nicht alle Gaben. Wenn ein solcher augenscheinlich zu einem Evangelisten geeignet ist, kann ihm deshalb das Amt eines Pastors oder Hirten, wozu er nicht die geringsten Eigenschaften besitzt, übertragen werden? Vielleicht hat er die Gabe zu lehren, während ihm die Gabe zu regieren durchaus mangelt; – kann er nun zum Hüter der Erde angestellt werden? In der Tat, die Einsetzung eines – ob guten oder schlechten – Pfarrers für das ganze Werk des Dienstes beklagen wir aufrichtig. Und was ist die Folge? Man verrückt gleichsam den Rahmen, der den Leib Christi umschließt. Und ist die so genannte innere oder Heimatmission etwas anders, als eine Anstrengung, um die ans Licht getretenen Schäden an dem Bauwerk jener Körperschaften, welche sich Kirchen nennen, auszubessern?

Der Grund, warum wir das Amt in der gegenwärtigen Periode als durchaus notwendig erachten, findet seine Erklärung in den Worten: „Gott war in Christus, die Welt mit sich selber versöhnend, ihnen ihre Übertretungen nicht zurechnend, und in uns das Wort der Versöhnung legend“ (2. Kor 5). Also das Versöhnen der Welt, das Nichtzurechnen der Sünde und das Gründen des Amtes – dieses waren die drei Dinge, die Gott in Christus wirkte. Unter den Juden war es nicht so; sie waren ein durch Geburt gebildetes Volk, welchem als solche bestimmte Gesetze gegeben waren. Aber als Gott in Christus als ein versöhnender Gott erschien, so war ein Amt als das Mittel notwendig, um gerade diese Absicht Gottes in Ausführung zu bringen.

So ist also das Amt wesentlich der unterscheidende Charakter der gegenwärtigen Periode. Die Gnade mag die Gaben, wie bei den Aposteln, in wunderbarer Weise in einer Person vereinigt haben, aber gewöhnlich sind sie in verschiedenen Gefäßen des Dienstes verteilt. Sie dienen zum Nutzen der Kirche, und diese ist genötigt, sie anzuerkennen, oder sie leugnet das Recht des Herrn Jesus, diese Gaben zum Besten der Kirche auszuteilen, welches Recht Er aber so notwendig besitzen muss, als die Macht, durch welche Er als Versöhner vergeben kann und die Sünde nicht zurechnet. Ein jeder, welcher; versöhnt ist, ist zubereitet und, insofern er fähig ist, verpflichtet, den Unkundigen die Herrlichkeit Christi als des Versöhners zu verkündigen. Es gibt solche, welche die besondere Gabe haben, das Evangelium zu predigen; und natürlich ist nicht die Kirche oder Versammlung der Platz für die Ausübung ihrer Gabe, sondern die Welt, wo sie den Sündern das Evangelium verkündigen. Niemand hat das kleinste Recht in der Kirche zu reden, wenn Gott ihm keine Gaben gegeben hat, um sie erbauen zu können. Für die Natur gibt es hier keinen Platz, sie hat in Christus ihren Tod gefunden. Außer Christus ist sie tot in den Sünden und Vergehungen; ihr Teil ist ewige Vernichtung. Wir können dem rebellischen Sünder kein anderes Recht einräumen, als dass er verloren ist. Christus hat alle Rechte und alle Gewalt. Nimmer räumt die Gnade das Recht ein, in der Kirche zu reden, wenn es nicht zur Erbauung der Brüder dient. Diese werden es bald herausfinden, ob sie durch jemanden erbaut werden oder nicht; und im letzteren Fall ist die Unfähigkeit des Redners, und besäße er auch die Weisheit eines Fürsten von Tyrus, (Hes 28) völlig erwiesen, denn der Heilige Geist spricht stets zum Nutzen derer, zu denen er redet.

Freilich mögen die Zustände so schlecht sein, dass die Menschen die gesunde Lehre nicht mehr ertragen wollen; und in diesem Fall gibt es kein anderes Hilfsmittel als die Dazwischenkunft der Barmherzigkeit, die irgendeine dazu begabte Persönlichkeit sendet, um die Irrenden zurück zu bringen. Die Kirche hat das Recht, Nutzen zu ziehen aus jedem Dienst, wozu Gott irgendeinen der Brüder zu ihrer Auferbauung begabt hat. Wem diese Gabe mangelt, muss natürlich schweigen, denn es ist Gott, welcher allein segnen kann, und Er wird dieses Vorrecht darin erweisen, dass Er seine Gaben gibt, welchem Er will. Wenn jemand in besonderer Weise von Gott mit Erkenntnis und Weisheit ausgerüstet ist, die Seelen in Liebe zu pflegen, sowie mit der Fähigkeit, die Unordentlichen in der Kraft des Heiligen Geistes zurecht zu weisen und die Kunstgriffe Satans aufzudecken, so wird sein Wert, die Herde Christi zu weiden, bald erkannt werden, und der geistliche Teil der Kirche wird bald zubereitet sein, sich eher zu viel als zu wenig an jemanden zu klammern, der zur Führung, zum Trost und zur Stütze gegeben ist.

Wer eine Gabe hat, ist verpflichtet, sie nach dem Maß, in welchem sie ihm gegeben worden ist, zu üben, sei es im engeren oder ausgedehnten Kreise. Wenn jemand viel Gabe, das Wort der Wahrheit recht auszuteilen, von Gott empfangen hat, so kann er, mag er auch die oben besprochenen Gaben eines Hirten nicht besitzen, seine Gabe als Lehrer mit ebenso viel Nutzen üben, wie ein anderer, der einen anderen Dienst unter den Brüdern verrichtet. Ob der eine ein Wort der Weisheit, ein anderer ein Wort der Erkenntnis besitzt – zu allem ist die Kirche berechtigt. Alles, was Gott gegeben hat, ist zum Nutzen der Kirche gegeben. Wie aber können wir diese Gaben genießen, wenn sie nicht in Tätigkeit gesetzt werden? Dass Christus Rechenschaft wegen des gegebenen Talents fordern wird, ist gewiss. Aber dabei ist viel mehr gewonnen, als die bloße Übung der von Gott verliehenen Gaben; denn gewiss, da wo der Heilige Geist anerkannt wird, wird auch die Kraft der Gemeinschaft vorhanden sein, aber auch nur da, wo der Heilige Geist geehrt wird, werden die Seelen in der Kraft der Gnade und der Gemeinschaft reichlich gesegnet werden.

Wir erkennen also völlig das christliche Amt an, aber wir bestreiten auf Grund der Schrift, dass es sich in den Händen derer befinde, die sich berechtigt glauben, dasselbe einem einzelnen Menschen, welches auch das Maß seiner Fähigkeit sein mag, nach Belieben anvertrauen zu dürfen. Sind Personen vorhanden, welche eine fortdauernde Gabe von einem bestimmten Charakter besitzen, so ist es ihre Pflicht, sie in Tätigkeit zu setzen, indem sie von Zeit zu Zeit ein Wort zum Nutzen an die Seelen richten. Gibt es solche, welche durch Gottes Gnade Erfahrungen zur Leitung und Regierung der Kirche gesammelt haben, so werden die Heiligen durch den Geist Gottes geleitet werden, sich demselben zu ihrem eigenen Nutzen unterzuordnen, ja. Alle werden einander untergeordnet sein. Wo der Geist der Gnade und der Liebe vorhanden ist, da wird alles gut gehen, wo nicht, so wird sich bald das Böse zeigen, wenn nicht der Herr in seinem Erbarmen dazwischentritt und jemanden sendet, der die Unordentlichen warnt und die Widersacher überführt. Der Herr wird sicher der Kirche alles darreichen, was sie bedarf, obschon Er uns zu unserem Besten zuweilen darauf warten lässt, um uns zu belehren, dass wir abhängig von Ihm sind. Würden wir auf Ihn unsere Blicke richten, so würden wir sicher nicht so vielen Schwierigkeiten begegnen, denn Er würde mehr, ich möchte sagen, in einer sichtbarerern Weise für uns tätig sein.

Ferner fügen wir hinzu, dass, wenn jedes Amt oder jede Gabe ein Segen für die Kirche ist und anerkannt werden muss, es nichtsdestoweniger das offenbare Vorrecht zweier oder dreier Christen ist, sich – wenn es nicht im Geist der Trennung geschieht – im Namen Jesu zu versammeln, um das Brot zu brechen, mag unter ihnen auch kein Amt oder keine Gabe vorhanden sein. Sie besitzen als Christen dieses Vorrecht. Selbstredend sind alle Gaben zum Nutzen der Heiligen und müssen freudig begrüßt und zur Bedienung angewandt werden, aber keineswegs dürfen sie mit dem wirklich bleibenden Vorrecht der Gemeinschaft und den Pflichten unter einander, als dem beständigen Teil der ganzen Sache, verwechselt werden. Die Notwendigkeit – und soweit ist es leider gekommen – einen Pfarrer zum Dienst in der Kirche oder Versammlung haben zu müssen, ist nur ein Überrest des Abfalls in der Kirche; obschon auch da, wo viele Gläubige versammelt sind. Diejenigen, welche in der Versammlung dienen, das Brot brechen werden. Das Amt bedarf sicher nicht der Bestätigung angesichts der Welt und durch die Welt; und dennoch macht man sie in unseren Tagen zur Bedingung, um ein Geistlicher zu sein. In diesem Fall aber treten die Zeichen und Siegel des Abfalls – die Vereinigung der Kirche mit der Welt – deutlich ans Licht; und die Stellung eines Geistlichen in diesem Sinn verschmähen und verwerfen wir im höchsten Gerade. Nur die Natur oder das Fleisch – davon sind wir überzeugt – liebt eine solche Stellung. Die Autorität, in der Kirche dienen zu dürfen, hängt nur von der Befugnis ab, welche Christus erteilt; ihre Anerkennung von Seiten der Kirche ist daher eine Verantwortlichkeit, deren Ernst aller Beachtung bedarf. Ist der Geist Gottes gegenwärtig, so wird Er alles, was zur Bedienung nötig ist, anordnen und den Irrtum aufdecken und beseitigen. Wenn wir von einer Autorität zum Dienst in der Kirche reden, so ist es sicher eine große Verantwortlichkeit, dieselbe dem Wort Gottes gemäß auszuüben; und ohne Zweifel wird Christus Rechenschaft fordern und unsere Nachlässigkeit richten. Jede Anerkennung von Seiten der Kirche mag an und für sich und wegen der Ordnung ganz am Platz sein; allein auf diesem Weg kann keine Befugnis zum Dienen erteilt werden. Wehe der Kirche, wenn sie das nicht anerkennt, was Christus gegeben hat! Der Herr kann, wenn es Ihm gefällt, eine Aussonderung zu irgendeinem besonderen Dienst bewirken; wenn Er es tut, so wird Er selbst den Weg dazu bereiten, und dieser wird sich als gut erweisen und von den Kindern der Weisheit gerechtfertigt werden. Dass eine solche Aussonderung für die beständige Segnung der Kirche nicht durchaus erforderlich ist, zeigt uns die Geschichte der Kirche zu Antiochien.

Gott wirkt, trotz unserer Schwachheit und Torheit, durch seine Macht viel tiefer und mächtiger, als es die ersonnene Anordnung menschlicher Einrichtungen zu tun vermag. Möge Er uns bereitmachen, auf seine Zeit und seine Wege für jede Gabe und Leitung des Heiligen Geistes zu warten! Sein Geist ist unumschränkter Herrscher und wird sich als ein solcher erweisen, obwohl die Menschen Kanäle erbauen, um die frischen Ströme hindurch zu leiten. Vielleicht mag, wenn die Wasser diese Kanäle überschwemmen und ihre Ufer zerstören, kostbare Nahrung und Salbung zurückbleiben und sich ablagern, während der Kanal, dem man die größte Sorgfalt widmet, nur Sand und Steine in seinem Busen trägt, welche den Strom trübe machen und ihren Nutzen und Wert nur darin erweisen, dass sie die Dämme durchbrechen, die durch die Weisheit des Menschen aufgerichtet sind. Wir sind völlig überzeugt, dass der Herr, wenn wir geduldig und unterwürfig sind, weit mehr Segen darreichen wird, als wir bis jetzt gesehen haben. Mit aller Freimütigkeit erkennen wir daher, im Blick auf die, welche der Herr befähigt hat, der Kirche zu nützen, und welche, wie es nur im Geist geschehen kann, geübt und der Autorität Gottes unterworfen sind, ein Amt in jeder im Dienst Gottes tätigen Gabe, welche Christus zum Nutzen und zur Auferbauung seiner Kirche gegeben hat. Wenn Gott jemanden beruft und ihm irgendeine Gabe gibt, so ist derselbe selbstredend ein Diener und ist verpflichtet mit dieser Gabe zu dienen. Wir überschätzen unsere Weisheit in diesen Dingen nicht, aber wir sehen dieselben in der heiligen Schrift, und wir glauben, dass Gott geehrt ist, wenn wir uns stets seinen Gedanken und Wegen unterwerfen. J. N. D.

Nächstes Kapitel »« Vorheriges Kapitel