Botschafter des Heils in Christo 1869

Geheiligt dem Herrn

Wenn ich dem Herrn folge, so befinde ich mich da, wo Er ist und in dieser Stellung lerne ich jedenfalls seine Gedanken über die gegenwärtige Zeit kennen. Ich bin dann im Licht wie „Er im Licht ist“ (1. Joh 1,7). „Unsere Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus“ (1. Joh 1,3). das Verständnis der Gedanken der heiligen Schrift an und für sich ist noch nicht die Gemeinschaft. Die Gemeinschaft besteht dann, zur bestimmten Zeit einen und denselben Gedanken mit dem Herrn zu haben; und zu diesem Zweck müssen wir uns im Licht befinden, wie Er selbst im Licht ist. Nun aber ist die Gemeinschaft mit dem Herrn, als dem ewigen Leben anklebend, selbstredend einzig und allein unser wahre Zustand; wir haben Christi Sinn. Es ist unmöglich, daran zu zweifeln, dass es des Herrn Wille sei, uns in dieser seiner Nähe zu haben; denn nur dort können wir wissen, wie wir uns in einer Welt zu betragen haben, wo alles finster und in Opposition gegen Gott ist, und wo selbst unter denen, welche Ihm anzugehören bekennen, alle Schätzungen von Ansichten und die verschiedensten Handlungsweisen zu finden sind. Der Dienst des Herrn hat gerade den Zweck, uns in diese Nähe zu führen. Er wäscht mir die Füße, damit ich durch sein Wort von den Einflüssen, welche mich umringen und mich von Ihm entfernen, getrennt sei und wie Maria zu seinen Füßen sitzen könne, um von Ihm zu lernen. Müssen wir denn gedrängt werden, um diesen Platz einzunehmen? Kann es für das Herz dessen, der die Liebe Christi geschmeckt hat, etwas Köstlicheres geben, als zu wissen, dass Jesus uns seine Gedanken mitteilen will, und dieses nicht nur in einer allgemeinen Weise, sondern gerade in Bezug auf die Gegenwart? Und das ist Gemeinschaft. Nicht als ob es nicht der Zweck der heiligen Schriften sei, uns die Gedanken des Herrn über gewisse Zeiten und über die allgemeinen sie immer beherrschenden Grundsätze kund zu tun; allein, wie schon bemerkt, die Erkenntnis der Gedanken Christi allein, wie die heilige Schrift sie uns gibt, genügt nicht. Um die heilige Schrift anwenden zu können, muss ich in der Gemeinschaft des Herrn selbst sein; denn nur da bin ich im Licht, wie Er im Licht ist. Ich vermag z. B. aus verschiedenen Stellen des Wortes zu ersehen, dass Salomon ein Vorbild auf Christus in seinem messianischen Reiche ist; aber wenn ich dieses Vorbild auf die Kirche anwenden will, so ist es klar, dass ich in dieser Hinsicht nicht in die Gedanken des Herrn eingegangen bin, weil dieses Vorbild sich nicht auf seine Verbindung mit seinem himmlischen, sondern mit seinem irdischen Volk bezieht.

Es gibt nichts Gesegneteres für die Seele, als die Gedanken des Herrn bezüglich des gegenwärtigen Augenblicks zu besitzen; und dennoch, ach! legen die Christen oft in dieser Beziehung eine so große Gleichgültigkeit an den Tag. Dieses kommt ohne Zweifel größtenteils daher, dass diese Gedanken so wenig erkannt und darum auch so wenig nach ihrem wahren Werte geschätzt werden. Jedoch das wirkliche Hindernis besteht darin, dass man dort nur durch den Glauben eintreten kann. Nichts in den uns umgebenden Umständen befähigt uns, die Gedanken Christi zu verstehen; im Gegenteil, wenn wir auf die äußeren Dinge unsere Blicke richten und durch sie irgendwelche Leitung oder Hilfe zu erlangen suchen, so können wir gewiss sein, dass wir in Irrtümer geführt werden; denn diese Dinge sind Finsternis und nicht Licht. Die Umstände und der Zustand der Dinge hienieden können uns zum Herrn treiben; und in seiner Gegenwart sehen wir dann, wie sehr das, was die Menschen gutheißen und unterstützen, den Grundsätzen Christi zuwider ist.

Es liegt – ich wiederhole es – klar am Tag, dass die Grundsätze, welche uns nur durch die heilige Schrift offenbart werden, nur dann ihre Wichtigkeit und ihre Kraft erlangen, wenn wir uns in der Gegenwart Gottes befinden. Dort allein sind wir durch den Glauben erleuchtet, um sowohl die Natur und die Macht dieser Grundsätze, als auch deren Gegensatz zu den Wegen und Gedanken der Menschen zu erkennen. Nehmen wir als Beispiel einen Jünger Christi, der durch die Gnade dahin gebracht ist. Ihm zu folgen. Seine Füße sind gewaschen; und zum ersten Mal genießt, was die wahre Heiligkeit ausmacht, seine Seele das Glück, im Geist durch die Kraft des Wortes für Christus im Licht abgesondert zu sein. Wird er nicht, als Folge dessen, was er bei dem Herrn genossen hat, in seinem Wandel allen Verkehr mit Personen und Dingen meiden, welche durchaus keine, Übereinstimmung und Gemeinschaft mit den Gedanken Christi kundgeben? Seine Gemeinschaft mit Ihm mag sehr schwach gewesen sein; aber er macht einen guten Gebrauch von der ihm verliehenen Gnade; und darum wird er mehr empfangen. Er beginnt aufs allerbeste; sein Anfang ist von Oben. In Gemeinschaft mit Christus und nach dem Maß seines Lichtes und seiner Kraft wendet er sich von allem ab, was dieser Gemeinschaft nicht entspricht. Das Licht, in welchem allein diese Gemeinschaft bestehen kann, fordert dieses von ihm. Wenn er sagt, dass er Gemeinschaft mit Ihm habe und in der Finsternis wandelt, so lügt er und tut nicht die Wahrheit. Darum ist auch die Gemeinschaft der Prüfstein jeder Tätigkeit; denn sie kann nur existieren, wenn wir im Licht wandeln, wie Christus im Licht ist. Wenn wir aufhören, im Licht in der Heiligkeit Gottes zu wandeln, so verlieren wir zu gleicher Zeit den Genuss und das Vorrecht der Gemeinschaft, und wir sind nicht zu beurteilen fähig, in welcher Weise wir uns in einer Welt, die im Argen liegt, zu benehmen haben.

Die gewöhnliche Handlungsweise der Heiligen besteht indes; weit mehr darin, dass sie berechnen, was sie, ohne ihr Gewissen zu besudeln, beibehalten können, als dass sie, gleich dem oben erwähnten Jünger, von Anfang an in die Gedanken des Herrn einzugehen und nach dem Maß, wie sie es verstehen und wie das Wort sie dazu ermächtigt, sich von allem abzuwenden trachten, was nicht Gott gemäß ist. Wenn ich in der Gemeinschaft mit dem Herrn bin, so habe ich das Bewusstsein dessen, was Ihm angenehm ist. Sein Wort hält mich dort durch den Glauben aufrecht; und inmitten der mich umringenden Unordnung suche ich Ihm zu dienen und Ihn zu ehren. Welch verschiedene Resultate aber stellen die beiden Zustände dar! In dem einen Zustand in der Gemeinschaft der Gedanken des Herrn nehme ich nur das an, was heilig und der Gegenwart Gottes entsprechend ist; in dem anderen Zustand in dem der Heiligen im Allgemeinen habe ich kein klares Verständnis von dem, was Gott will, sondern ich wünsche von Ihm, in den Umständen, worin ich mich gerade befinde, unterstützt zu werden. In dieser letzteren Stellung bin ich wie Abraham, welcher zwar in einer guten Absicht, aber außerhalb der Stätte des Glaubens die Worte sagte: „Ich bitte dich, dass doch Ismael vor dir lebe;“ (1. Mo 17,18) während ich in der anderen wie Moses bin, welcher die Ausrottung und Zerstörung alles dessen verlangte, was mit der göttlichen Gegenwart nicht vereinbar war (2. Mo 32,20–27). In dem Zustand des wahren Jüngers bemühe ich mich um die Fortdauer des Guten, welches rein ist, welches ich selbst in der Gegenwart Gottes gekostet und genossen habe und wovon ich durch sein Wort weiß, dass Er mich darin erhalten wird, während ich in einem schlechten Zustand wünsche, dass der Herr die Dinge, wie sie sind, gutheißen möchte, indem ich keinen wahren Begriff habe von einer erhabenem Stellung, welche in ihrer Anwendung alle diese Dinge bei Seite legen und gewiss nichts schonen würde, was der Heiligkeit Gottes nicht entspricht. In diesem Fall suche ich nicht, was göttlich ist, sondern die göttliche Anerkennung dessen, was ich hienieden finde und als das Beste kenne. Ich kann mich bemühen, die vorliegenden Dinge zu Verbessern oder zu verändern; aber ob auch verbessert, sind und bleiben sie doch stets menschliche Dinge, während das, was göttlich ist, keiner Vervollkommnung bedarf, und selbst den Platz dessen einnimmt, was die menschlichen Dinge völlig ersetzt.

Das „Geheiligtsein für den Herrn“ die Absonderung von jeder Art erkannter Befleckung ist die erste und vornehmste Sache, auf die ein Mensch, welcher Christus folgt und mithin in Gemeinschaft mit Ihm ist, sich stützen wird. Was für einen anderen Zweck, was für ein anderes Bedürfnis könnte auch derjenige haben, der sich im Licht befindet, wie Gott im Licht ist? „Wir sind die Behausung Gottes im Geist;“ (Eph 2,22) und je mehr ich im Licht bin, desto mehr wird dieses Wort eine Bedeutung für mich haben, und desto mehr werde ich es auch durch den Glauben festhalten; denn meine Seele ist in seiner Gemeinschaft versichert, dass dieses Wort von Ihm ist. Von allen Zeiten her hat der wahre Heilige seine Absonderung von dem Bösen behauptet und diese Absonderung als den hauptsächlichsten Charakter seiner Berufung angesehen; und je mehr Gott offenbart worden ist, desto mehr ist dieser Grundsatz mit Autorität und mit Macht in den Vordergrund gestellt worden. Als Gott, (wie er es auf Grund der Erlösung tut) unter seinem Volk auf der Erde wohnte, wurde, nachdem die Kinder Israel aus Ägypten gezogen waren, jenes vornehmste Gebot vor ihre Augen gestellt: „Seid heilig; denn ich bin heilig;“ (3. Mo 19,2) und sicher es existierte nimmer ein aus einem aufrichtigen Herzen hervorgegangenes Zeugnis der Hingabe an Gott, welches nicht diesen Charakter getragen hätte. Sei es ein Daniel in Babylon, ein Esra oder Nehemias unter den nach Jerusalem zurückgekehrten Gefangenen immer lautet der sie beherrschende Grundsatz: „Geheiligt für den Herrn!“ Sei es bei einem Pinehas oder bei einem Gideon nirgends zeigt sich eine Macht, als nur wenn von Anfang an derselbe Grundsatz aufrechterhalten wird, sich vom Bösen abzuwenden und sich in der ausdrücklichsten Weise davon zu trennen. Und in der Tat, nichts ist folgerichtiger. Gott ist Licht. Je mehr ich mich in seiner Nähe befinde, und je mehr ich es verwirkliche, dass ich durch den Geist seine Behausung bin, desto mehr muss ich in aller Einfalt und Klarheit mich als solcher erweisen. Nur Er und nichts anderes darf meine Wege ordnen; und mit Eifer habe ich das Wort in Psalm 93 aufrecht zu erhalten: „Jehova! Heilig ist die Zierde deines Hauses für lange Tage.“

Dieses ist es, was den Jünger leitet, der sich in der Nähe seines Herrn gehalten hat und in dessen Gemeinschaft gewesen ist. Er hat sich in jeder Hinsicht auf die Heiligkeit zu stützen; er kann nichts dulden, was er als unrein erkennt; er kann und darf sich demselben nicht nähern. Er hat eine Stätte betreten, wohin keine Unreinigkeit zu dringen vermag; seine Neigungen und Gewohnheiten sind dort gebildet worden; und die Trennung von jedem erkannten Bösen ist eine natürliche Folge davon. Er heißt davon nichts gut, unter welchem Vorwand es auch sein konnte; und der einzige Beweggrund seiner Handlungen ist stets das „Geheiligtsein für den Herrn.“ Aus diesem Grund sagt Gott, als der Zustand der Dinge in der Versammlung einen ungewöhnlichen Grad des Bösen erreicht hatten, durch sein Wort zu Timotheus: „Wenn sich nun jemand von diesen (den Gefäßen der Unreinheit) reinigt, der wird ein Gefäß zur Ehre sein, geheiligt und nützlich dem Hausherrn“ (2. Tim 2,21). Und sicher man kann dieses nur sein, wenn man sich also absondert.

So sehen wir also, dass kein Ausspruch des Wortes so bestimmt und so klar ist, als wenn gesagt wird, dass die erste Grundlage der Behausung Gottes die Heiligkeit ist. Gott ist heilig; und die Seele, welche in seiner Heiligkeit lebt, kennt seine Heiligkeit, findet darin ihr Glück und kann sich in dem, was hienieden für Ihn geschehen ist, durchaus unter Nichts beugen, welches sich in irgendwelcher Verbindung mit dem Bösen befindet. In der Gemeinschaft mit Gott lerne ich die wahre Macht und den Wert seines Wortes kennen; und wenn ich mich daran halte und im Glauben wandle, so werde ich durch den Herrn in der Richtung und in dem Weg, die allein Ihm gefallen, gestärkt und unterstützt werden. In seiner Gegenwart liebt mein Herz keinen anderen Weg; und also geleitet, bin ich wahrhaftig ein Zeuge für Gott.

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