Botschafter des Heils in Christo 1869

Ausheimisch vom Leib

Wir sind oft geneigt, uns darüber zu verwundern, dass im Neuen Testament so wenig die Rede ist von dem Zustand des Geistes von jenem Augenblick an, wo derselbe bis zum Auferstehungsmorgen den Leib verlässt. Und dennoch muss es bei näherer Prüfung dieses Gegenstandes auffallen, dass gar manches darüber gesagt wird. Allerdings finden wir nur vier Stellen im Neuen Testament, die auf dieses äußerst, wichtige Verhältnis Bezug haben; aber welch ein Schatz von Unterweisung liegt in einer jeden dieser Stellen aufgeschlossen! Wenn unsere Leser einige Augenblicke mit uns bei diesen Stellen verweilen wollen, dann werden sie sehen, dass dieser Gegenstand uns in seiner Anwendung auf vier verschiedene Zustände des christlichen Lebens vor Augen gestellt wird. Wir werden den erlösten Geist aus vier verschiedenen Zuständen in die Gegenwart Christi übergehen sehen. Wir werden jemandem begegnen, der einfach als ein durch die Gnade geretteter Sünder, und einem anderen, der als Märtyrer diese Welt verlässt. Wir werden dann die Seufzer eines beschwerten Gemüts vernehmen, welches verlangt, „ausheimisch von dem Leib und einheimisch bei dem Herrn zu sein“, und schließlich werden wir auf die heiße Sehnsucht eines Arbeiters im Weinberg des Herrn,–auf ewig in der Gegenwart seines Herrn und Meisters zu ruhen, unsere Aufmerksamkeit lenken.

1. Zunächst wenden wir uns zu der ersten Stelle in Lukas 23, wo wir lesen: „Einer aber der gehängten Missetäter lästerte Ihn und sagte: Wenn du der Christus bist, so rette dich selbst und uns! – Der andere aber antwortete und strafte ihn, und sagte: Auch du fürchtest Gott nicht, da du in demselben Gericht bist? Und wir zwar mit Recht; denn wir empfangen, was unsere Taten wert sind; dieser aber hat nichts Ungeziemendes getan. Und er sprach zu Jesu: Gedenke meiner, Herr, wenn du in deinem Reich kommst! – Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein“ (V 33–43).

Es ist nicht meine Absicht, bei dieser lieblichen Geschichte stehen zu bleiben und die Einzelheiten in ihrer evangelischen Unterweisung zu entfalten. Ich habe diese Stelle nur angeführt, um dem Leser ein deutliches Zeugnis der Schrift vor Augen zu stellen. Wir begegnen hier jemandem, der in dem einfachen Charakter eines aus Gnaden geretteten Sünders ins Paradies ging. Am frühen Morgen war er ein verurteilter Missetäter, im Lauf des Tages ein Lästerer Jesu (Mt 27,44) und ehe der Abend einbrach, war seine erlöste Seele im Himmel; „heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ Als ein mit Recht verurteilter Sünder hatte er sich Jesu übergeben und anvertraut, und als ein mit Blut erkaufter Heiliger ging er mit Jesu ins Paradies. Er ward nicht berufen, die Krone eines Märtyrers zu tragen. Es ward ihm nicht gestattet, für seinen Herrn und Meister zu arbeiten. Er hatte als Christ keine lange, gefahrvolle Laufbahn zu durchwandern. Aber er war ein Sünder, der durch die Gnade errettet war. Und überdies wurde er durch die Gnade fähig gemacht, ein Zeugnis abzulegen von der sündlosen Menschheit unseres gesegneten Herrn, und Zwar in einem Augenblick, wo die religiösen Führer des jüdischen Volkes den Herrn als einen Missetäter der weltlichen Obrigkeit überliefert hatten. Ja, er bekannte Ihn als seinen Herrn und sprach von seinem künftigen Königreich in einem Augenblick, wo das menschliche Auge keinen Zug von seinem Königtum zu unterscheiden vermochte. Das waren gute Werke. Christus zu bekennen und der Welt, die Christus verwirft, entgegen zu sprechen – das sind Werke der erhabensten Art, Werke, die den herrlichsten Wohlgeruch verbreiten und im vollsten Glänze strahlen. Der Mörder am Kreuz zeugte von Jesu, als die feindliche Welt Ihn verwarf und die erschreckten und verzagten Jünger Ihn verlassen hatten. „Herr, gedenke meiner“, sagte er, „wenn du in deinem Reich kommst!“ – Liebliche Worte für den sterbenden Erlöser! Aber noch lieblicher ist die Antwort, welche der sterbende Mörder empfing: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ Das übertraf seine kühnsten Erwartungen. Der sterbende Jesus tat über Bitten und Verstehen; an eine solche Erfüllung seiner Wünsche hatte der Mörder nicht gedacht. Er bat nur, dass der Herr seiner gedenken möge, wenn Er sein Königreich aufrichten würde. Aber der Herr sagte: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ Und darum, als die römischen Kriegsknechte kamen, um das fürchterliche Werk des Beinbrechens an dem sterbenden Mann zu verrichten, konnte er voll Freude sagen: „O diese Männer kommen, um mich geradewegs zum Himmel zu senden.“

Ja, teurer Leser, der Mörder ging in den Himmel, um dort bei Ihm zu sein, der zu seiner Seite an dem Fluchholz gehängt, und der solch herrliche Worte gesprochen hatte, um sein Herz zu trösten. Das war für ihn unwiderruflich gewiss. Nimmer war er einem solchen Freund begegnet, wie es Jesus war. Niemand als Jesus hatte ihn so sehr geliebt, niemand sein Herz so getröstet. Die Gnade Jesu hatte einen Strom himmlischen Lichtes ausgegossen über das fürchterliche Kreuz, an welches der Mörder zur Strafe seiner Missetaten geheftet war; und nun ging er ins Paradies, um für ewig bei Jesu zu sein. Das Paradies sollte kein fremder Platz für ihn sein; denn er sollte dort Jesus sehen. Wie köstlich ist dieses für unser Herz! Wie erquickend ist der Gedanke daran! Der Himmel ist weit näher bei uns, als wir oft denken. Er ist die Wohnstätte jener Liebe, die ihre glänzenden und gesegneten Strahlen über die dürre Wüste ausbreitet, durch welche wir zu pilgern haben. Bei Jesu zu sein, das ist das Beste von allem; das macht das Herz jetzt schon glücklich. In der Gesellschaft dessen zu sein, der mich so unaussprechlich liebt, dass Er sich selbst für mich hingab, was kannte es Köstlicheres geben? Sicher, wir werden uns ganz zu Haus im Himmel fühlen. Wir haben nicht nötig zu fragen: „Wo ist der Himmel? Wie ist diese Wohnstätte beschaffen? Was werden wir dort tun?“ – Wir werden „bei Jesu“ sein; das beantwortet alle dergleichen Fragen. Dort wo die zärtlichsten Zuneigungen eines Vaterherzens in göttlicher Reinheit und unwandelbarer Kraft uns entgegenströmen – wo die Liebe des Bräutigams in ungestörtem Genuss unser Teil sein wird – wo die Gemeinschaft eines Herzens, das sich nicht schämt, uns Brüder zu heißen, sowie die Sympathie eines Freundes in all ihrer göttlichen Frische und Kraft gekostet wird – dort ist der Himmel; dorthin ging der am Kreuz Hangende Mörder. „Heute wirst du mit mir im Paradies sein!“ Wohl mögen wir ausrufen: Was wird's sein, was wird's sein.

Führest Du mich droben ein!

Wo nicht Sünd' und Welt mehr störet,

Nie ein Seufzer wird gehöret, –

Ewig werd' ich bei dir sein! Freilich musste der Mörder seinen Leib zurücklassen, bis der herrliche Auferstehungsmorgen anbrechen und der Leib in Unverderblichkeit, in Unsterblichkeit, in Herrlichkeit und Kraft auferweckt werden sollte. Er harrt jetzt mit allen, die in Jesu entschlafen sind, diesem glückseligen Augenblicke entgegen. Aber ebenso gewiss ist es, dass der Herr Jesus zu ihm sagte: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ Welch ein Gedanke! Vom Kreuz – dem schändlichen Kreuz eines Missetäters – in das Paradies Gottes – von einem Schauplatz der Lästerung, der Verhöhnung und der Grausamkeit in die Gegenwart Jesu einzugehen, das war das herrliche Los des sterbenden Missetäters, und zwar nicht aus eigenem Verdienst, sondern in Folge des köstlichen Opfers Christi, der ins Heiligtum einging mit seinem kostbaren Blut.

2. Betrachten wir jetzt die zweite Stelle, die über unseren Segensstand handelt. Wir finden dieselbe in Apostelgeschichte 7,59–60. „Und sie steinigten den Stephanus, der anrufend sprach: Herr Jesu, nimm meinen Geist auf! Er kniete aber nieder und rief mit starker Stimme: Herr rechne ihnen diese Sünde nicht zu! Und als er dieses gesagt hat, entschlief er.“ –

Hier sehen wir das Ende eines Märtyrers, des ersten aus der großen Schar, die ihr Leben für den Namen des Herrn Jesus hingegeben haben. Stephanus war nicht nur ein aus Gnaden geretteter Sünder, sondern litt auch um des Namens und um der Sache Jesu willen. Er litt bis in den Tod. Er verließ die Mordstätte der Steinigung, um in die Gegenwart seines Herrn zu gehen, der ihm erst vor kurzem vorangegangen war und nun bereitstand, um den Geist seines Knechtes zu empfangen. Welch eine Veränderung! Welch ein Gegensatz! Und lasst uns daran denken, dass es Stephanus gestaltet wurde, einen klaren Blick werfen zu dürfen in den Schauplatz, in welchen er sobald eintreten sollte. „Als er aber, voll des Heiligen Geistes, unverwandt gen Himmel schaute, sah er die Herrlichkeit Gottes, und Jesus zur Rechten Gottes stehen, und sprach: Siehe, ich sehe den Himmel geöffnet, und den Sohn des Menschen stehen zur Rechten Gottes“ (V 55–56). Wunderbarer Anblick! Der Himmel sollte kein fremder Wohnsitz für Stephanus sein. „Der Sohn des Menschen“, war dort, so dass er sich in jener Stätte ganz zu Haus fühlen musste. Er sah nicht, wie der Mörder am Kreuz, Jesus an seiner Seite hängen; aber er sah Ihn vor sich im Himmel. Er sah nicht, wie der Mörder, einen sterbenden Heiland, sondern er sah Ihn auferstanden und verherrlicht – gekrönt mit Herrlichkeit und Ehre, zur Rechten der Majestät in der Höhe.

Konnte daher der Mörder denken an den Himmel, als an die Wohnstätte jenes Gesegneten, der an das Kreuz genagelt war, so konnte Stephanus den Himmel als die Wohnung dessen anschauen, der bereits in die Herrlichkeit eingegangen war. Es war derselbe Himmel und derselbe Jesus für den einen, wie für den anderen. Für beide war es kein fremdes, unbekanntes Land; o nein, es war die glückselige Wohnung des gekreuzigten, auferstandenen und verherrlichten Jesus. Allerdings musste der Märtyrer ebenso gut wie der Missetäter seinen Leib zurücklassen, damit derselbe im Schoß der Erde schlafe, bis zum Auferstehungsmorgen; allerdings musste auch er diesem ersehnten und gewünschten Augenblicke entgegen harren; aber nichtsdestoweniger war sein Geist von dem Augenblick seines Abscheidens von dieser Erde an bei Jesu. Ja, sowohl der Märtyrer als auch der Missetäter – Beide sind jetzt bereits seit achtzehn Jahrhunderten bei ihrem Herrn. Welch glückselige Augenblicke werden diese Jahrhunderte einschließen! Nicht die geringste Störung hat sie in ihrem Genuss der herrlichen Gemeinschaft zu schmälern vermocht. Ihre Stellung ist eine wartende, das ist wahr; aber dennoch ist vollkommene Ruhe ihr Teil. Kein Kampf, kein Schmerz, keine Veränderung! Alles dieses ist für sie auf immer vorüber. Stets sind sie glücklich, stets getrennt von Sünde und Schwachheit, stets befreit von den Versuchungen einer feindseligen Welt und von den Listen des Teufels. O wie herrlich dort zu sein! Erblicken wir hierin auch noch nicht unsere Vollendung, und mag auch unsere Freude noch größer sein, wenn wir, bekleidet mit unserem neuen Leib, durch Jesus in die Wohnungen des Vaterhauses eingeführt worden sind, so wird doch die Freude, mit dem Herrn im Paradies zu sein, alle unsere Vorstellungen übertreffen.

3. Dieses führt uns zu unserer dritten Stelle, die wir in dem zweiten Brief an die Korinther finden. „Denn wir freilich, die in der Hütte sind, seufzen beschwert; wiewohl wir nicht entkleidet, sondern überkleidet sein wollen, damit das Sterbliche verschlungen werde vom Leben. Der uns aber eben hierzu gebildet hat, ist Gott, der uns auch das Pfand des Geistes gegeben hat. Daher sind wir allezeit gutes Mutes, da wir wissen, dass wir, weil einheimisch in dem Leib von dem Herrn abwesend sind; (denn wir wandeln kraft des Glaubens, nicht des Schauens) Wir sind aber gutes Mutes, und möchten lieber ausheimisch von dem Leib, und einheimisch bei dem Herrn sein“ (Kap 5,4–8).

Aus diesen Worten des Apostels sehen wir deutlich, dass nicht das Entkleidetsein, sondern das Überkleidetsein die eigentliche Hoffnung der Christen ist. Der Gläubige harrt dem Augenblick entgegen, wo er mit einem verherrlichten Leib bekleidet werden wird, und zwar gleichförmig dem Leib Jesu. Mit anderen Worten, er wartet auf die glückselige Erscheinung des Sohnes Gottes, der da kommen wird, um seine teure Braut in seine Herrlichkeit aufzunehmen. Die Worte: „Wiewohl wir nicht entkleidet, sondern überkleidet sein wollen“, wollen nichts anders sagen, als: „Wiewohl wir nicht zu sterben, sondern, ohne zu sterben, den neuen, verherrlichten Leib zu empfangen wünschen.“ Wenn der Herr Jesus in der Luft erscheint, (1. Thes 4) um seine Versammlung aufzunehmen, dann werden die entschlafenen Heiligen auferweckt, und die übriggebliebenen Lebenden verwandelt werden. Es war nun vor allem das Verlangen des Apostels, der Zahl der übrig gebliebenen Lebenden anzugehören und das ist die wahre Hoffnung aller wahren Glieder der Versammlung. Nichtsdestoweniger aber ist es stets sein Wunsch, den Leib der Sterblichkeit ablegen zu können, um bei dem Herrn zu sein. Es ist weit besser, bei dem Herrn zu wohnen, als in dieser finsteren, öden Welt. Darum sagt der Apostel: „Wir möchten Über ausheimisch von dem Leib, und einheimisch bei dem Herrn sein.“ Stellt er das Sterben dem Verwandeltwerden gegenüber, dann wählt er das Letztere; allein wenn er das Sterben dem Bleiben auf dieser Erde gegenüberstellt, dann will er lieber sterben und bei dem Herrn sein. Dieser Augenblick, der für den unbekehrten Menschen der Tod, der König des Schreckens ist, ist für den Gläubigen nichts anders, als einfach ein Ablegen alles dessen, was ihn verhindert, um mit Jesu in einer ungestörten Gemeinschaft sein zu können. Welch ein Unterschied bestand zwischen jenen beiden Missetätern, die unter den Händen römischer Kriegsknechte ihr Leben endeten! Der eine ging hin, um für immer bei Jesu zu sein, der andere eilte jener Stätte zu, wo jede Hoffnung ausgeschlossen ist. Wie herrlich für uns zu wissen, dass unser „Ausheimischsein vom Leib“ nichts anders ist, als ein „Einheimischsein bei dem Herrn!“ Aber wie schrecklich, wie unaussprechlich entsetzlich ist der Zustand derer, die „ausheimisch aus dem Leib“ einheimisch sind bei dem Teufel und seinen Engeln.

4. Verweilen wir jetzt einige Augenblicke bei unserer vierten Stelle, welche wir in dem schönen Briefe an die Philipper finden. „Beides aber liegt mir hart an, indem ich Lust habe, abzuscheiden und bei Christus zu sein; denn es ist weit besser“ (Kap 1,23).

Hier sehnt sich ein Arbeiter in dem Werk des Herrn mit brennendem Verlangen nach dem Augenblick, wo er in der Gegenwart seines Herrn sein wird. Er ist in Kampf mit sich selbst. Seine Seele verlangt abzuscheiden; doch heftet er seinen Blick auf die, welche über seinen Verlust betrübt sein würden; und der Gedanke hieran, bringt ihn in Verlegenheit. Für ihn war es besser, „abzuscheiden und bei Christus zu sein;“ für die geliebten Philipper aber war sein Bleiben besser. „Das Bleiben im Fleisch ist nötiger um euretwillen“ (V 24). Was sollte er wünschen? Sollte er das Abscheiden wählen? Nein! „In dieser Zuversicht weiß ich, dass ich bleiben, und bei und mit euch allen bleiben werde zur Förderung und Freude des Glaubens“ (V 25). Welch eine Selbstverleugnung! Welch eine aufopfernde Liebe gegen die Philipper strahlt uns hier entgegen! Er verlangte, im Himmel zu sein; aber da er noch auf der Erde nötig war, erklärte er sich bereit zu bleiben. Für ihn war es „weit besser“, abzuscheiden; aber das Bleiben war um ihretwillen nötiger; und darum war er, erfüllt mit dem Geist Christi, sogleich bereit, seinen eigenen Vorteil und seinen eigenen Genuss ihnen zum Opfer zu bringen. Welch ein treuer Knecht war Paulus! Möchten wir ihm gleichen und in seinen Fußstapfen wandeln!

Wenn wir nun das, was uns diese vier Stellen gezeigt haben, zusammenfassen, dann haben wir alles für uns, was im Neuen Testament über die Seelen derer gesagt wird, die im Glauben an Christus entschlafen sind; und dann wird es uns zu gleicher Zeit deutlich, dass der Heilige Geist uns diesen Gegenstand unter vier verschiedenen Gesichtspunkten vor Augen stellt. In Lukas 23 sehen wir einen soeben geretteten Sünder mit Jesu im Paradies aufgenommen. In Apostelgeschichte 7 bemerken wir einen Gläubigen, der um des Namens Jesu willen den Märtyrertod erduldet. In 2. Korinther 5 hören wir einen seufzenden und beschwerten Christen das Verlangen aussprechen, seinen Leib ablegen und bei dem Herrn sein zu können. Und in Philipper 1 schauen wir einen Arbeiter des Herrn, welcher an dem Herzen seines geliebten Meisters auszuruhen wünscht. Wir haben also wohl Ursache zu sagen, dass der Herr uns, wenn auch nur in einzelnen Stellen, vieles über den Zustand der Seelen nach dem Tod gesagt hat. Wir können vollkommen ruhig sein; denn die entschlafenen Heiligen sind mit Jesu im Paradies; und bei Jesu ist es gut; bei Jesu ist es besser als hier, bei Jesu ist man vollkommen glücklich. Es gibt deshalb keinen Schatten von Grund für die Meinung, zu welcher sich etliche hinneigen, dass die Seele, solange der Leib im Grab ruhe, sich in einem schlafenden Zustand befinde. In der Tat, sollten wir auch nicht so viele Schriftstellen haben, die eine solche Meinung mit einem Mal als ungegründet erklären, so würde dennoch diese seltsame Vorstellung, so zu sagen, sich selbst widerlegen. Wer kann sich einen schlafenden Geist vorstellen? Und der Herr Jesus sagte nicht zu dem Mörder: „Heute wirst du schlafen“, sondern: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ Es wäre in der Tat keine herrliche Aussicht für die Seele dieses Mannes gewesen, wenn er hätte im Paradies schlafen sollen. Was würde er dann an Jesu gehabt haben? Paulus hätte dann wirklich nicht sagen können: „Ich habe Lust abzuscheiden und bei Christus zu sein; denn es ist weit besser.“ Ach, nein! Wenn wir nach unserem Abscheiden schlafen sollen, dann ist es weit besser, hier auf der Erde zu bleiben; denn solange wir hienieden sind, können wir wenigstens Gemeinschaft mit Jesu machen und seine Liebe genießen, wie mangelhaft dieses auch sein mag; und das würde unmöglich im Paradies der Fall sein können, wenn mir dort schlafen würden. Es ist daher unbegreiflich, wie jemand einer solchen Vorstellung Raum geben kann. Der Herr sei gepriesen, dass uns sein Wort in der unzweideutigsten Weise lehrt, dass, wenn es der heilige Wille Gottes ist, uns vor der Wiederkunft unseres Herrn und Heilands Jesu Christi von dieser Erde abzurufen, unser Platz bei Ihm droben in jener herrlichen Welt sein wird, wo Sünde und Traurigkeit keine Stätte finden, um dort die ungestörte Gemeinschaft dessen zu genießen, der uns geliebt und uns durch sein Blut von unseren Sünden abgewaschen hat, und um dem glückseligen Augenblicke entgegen zu harren, wo beim Ton der Posaune die Toten unverweslich auferweckt und die übrig gebliebenen Lebenden verwandelt werden sollen.

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