Botschafter des Heils in Christo 1869

Die letzten Worte Davids

Es liegt etwas außergewöhnlich Rührendes und Zugleich Tröstendes in den letzten Worten des Mannes, der „hochgestellt ist ... lieblich mit Psalmen Israels“ (V 1). Und sicher ist es für uns sehr nützlich und lehrreich, wenn wir auf die „letzten Worte“ eines erfahrenen Greises, oder auf die weichen Töne solcher Heiligen Gottes und solcher Diener Gottes lauschen, welche die letzte Station ihres stürmischen Lebens erreicht haben. Wir wissen, dass unsere ersten Schritte auf der christlichen Bahn mit vielen eitlen Einbildungen und törichten Vorstellungen, die unser Herz füllen, begleitet sind. Wir erwarten große Dinge von den Menschen und von den Umständen. Wir halten alles, was glänzt, für reines Gold, und wir schenken dem, was das Herz bewegt und was das Auge sieht, ein blindes Vertrauen, ohne an der Verwirklichung desselben auch nur im Geringsten zu zweifeln. Aber, ach! wie bald werden wir enttäuscht! Wie bald wird unser Irrtum offenbar! Die traurige Wirklichkeit heilt uns nur zu bald von den Träumen unserer Kindheit; und die schneidenden Windstöße der Wüste verscheuchen die Blumen unserer Jugendtage. Der junge Gläubige ist geneigt, einem jeden, der ein gutes Bekenntnis ablegt, Vertrauen zu schenken; und in der Tat, dieses arglose Vertrauen ist liebenswürdig. Möchte dasselbe doch eine würdigere Erwiderung finden! Aber leider ist dieses nicht immer der Fall. Wie bald stößt die junge Seele auf ältere Christen, die, anstatt den Wachstum derselben zu fördern, vielmehr einen schädlichen Einfluss ausüben und Mutlosigkeit, Trägheit und Kälte in dem noch unerfahrenen Herzen hervorrufen! Wie wichtig und wertvoll sind daher die „letzten Worte“ eines Gläubigen, besonders wenn dieselben nicht nur die Frucht eines durch Erfahrung gereiften Unheils, sondern, wie bei David, durch Inspiration des Heiligen Geistes hervorgegangen sind!

Dieses sind die letzten Worte Davids: „Es spricht David, der Sohn Ischais es spricht der Mann, der hochgestellt ist, der Gesalbte des Gottes Jakobs, lieblich mit Psalmen Israels. Der Geist des Herrn hat durch mich geredet; und sein Aussprechen ist auf meiner Zunge. Es hat gesagt der Gott Israels, mir hat der Herr Israels verheißen einen gerechten Herrscher über die Menschen, einen Herrscher in der Furcht Gottes. Und wie das Licht des Morgens wird die Sonne aufgehen, ein Morgen ohne Wolken, da vom Glanz nach dem Regen das Gras aus der Erde wächst“ (V 1–4).

Hier richtet David die göttliche Standarte des Charakters für jemanden auf, der berufen ist, über die Menschen zu herrschen. Er muss sein ein „gerechter Herrscher“; und auf der Grundlage der Gerechtigkeit ist aufgerichtet ein Gebäude des wolkenlosen Lichts, der reichsten Segnung und der überströmenden Fülle. Dieses alles wird, wie wir wohl wissen, verwirklicht werden, wenn der jetzt in den Himmeln verborgene Sohn Davids vom Thron seines Vaters herabsteigen und sein Zepter über die wiederhergestellte Schöpfung ausstrecken wird.

Aber David richtet nicht nur die göttliche Standarte auf, sondern er vergleicht sich selbst damit; und in diesen Vergleich finden wir jene große moralische und praktische Wahrheit, welche ich dem Herzen meines Lesers tief einprägen möchte. David sagt: „Obwohl mein Haus nicht also ist bei Gott, so hat Er dennoch mir einen ewigen Bund gesetzt, wohl geordnet in allem und bewahrt. Das alles ist mein Heil und Wunsch; wiewohl er es nicht blühen lässt“ (V 5). Der einzige Weg zur Erlangung einer richtigen Meinung von uns selbst ist, dass wir auf Christus blicken. Und dieses ist es, was David in diesen „letzten Worten“ tut. Er wiegt sich auf einer vollkommenen Wage und befindet sich als gering; er misst sich mit einem vollkommenen Maßstab und findet sich mangelhaft. Er blickt auf das vollkommene Muster und ruft aus: „Ich gleiche ihm nicht.“ Er schaut zurück auf die Vergangenheit und sieht die Mängel und Gebrechen. Er wendet eine Blattseite der Geschichte seines an Erfahrungen reichen Lebens nach der anderen um; und sein Auge, erleuchtet durch die Lichtstrahlen des Heiligtums, sieht die Runzeln und Flecken. Aber, gepriesen sei Gott! er kann zurückgreifen nach dem „ewigen Bunde, wohl geordnet in allem und bewahrt;“ und in diesem wohlgeordneten Bund findet er „all sein Heil und seine Wünsche.“

Es zeigt sich eine ungewöhnliche Schönheit in der Verbindung der beiden Wörtchen: „Obwohl“ und „dennoch“, welche wir in der oben angeführten Stelle finden. Ersteres lässt einen weiten Rand offen, um dem Ausdruck eines überführten und gebeugten Herzens einen Platz anzuweisen; und Letzteres öffnet die Schleusen, um die volle Flut göttlicher Gnade und Huld einzulassen. Das Wörtchen: „Obwohl“, setzt den Menschen in den Staub eines Fehlenden, während das Wörtchen „Dennoch“ Gott einführt in der Fülle seiner erbarmenden Liebe. Jenes ist die Sprache einer Seele, die sich kennen gelernt, dieses der Ausdruck eines Herzens, welches einige Bekanntschaft mit Gott gemacht hat.

O mein geliebter Leser! Ist es nicht ein großes Glück, dass, wenn wir das Ende unserer Geschichte erreicht haben und, zurückblickend auf unser Leben, in Betreff unserer aussagen müssen; „Mein Haus ist also bei Gott!“ – wir dann die ewige Unerschütterlichkeit jener Gnade erfahren, in welcher all „unser Heil und unser Wunsch ist?“

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