Die ersten Jahrzehnte des Christentums
Kommentar zur Apostelgeschichte

Kapitel 12

Die ersten Jahrzehnte des Christentums

Verse 1-4

Zu jener Zeit hatte die Versammlung unter der Verfolgung des Herodes zu leiden. Wie sein Vorgänger durch die Verwerfung Jesu ein Freund des Pilatus geworden war, wollte auch dieser Herodes durch die Verfolgung der Jünger des Volkes Freund werden. Schon hatte er einige von ihnen misshandelt, Jakobus, den Bruder des Johannes, sogar umgebracht. Und als er sah, dass es den Juden gefiel, fuhr er fort, auch Petrus festzunehmen.

Jakobus war der erste Apostel, dem die Ehre zuteilwurde, für den Namen des Herrn als Märtyrer zu sterben. Sein Dienst war von kurzer Dauer. Er war einer der führenden Apostel gewesen. Der Herr hatte ihn zusammen mit Petrus und Johannes bei der Auferweckung der Tochter von Jairus, auf den Berg der Verklärung und in seine engere Nähe im Garten Gethsemane mitgenommen. Petrus und Johannes blieben, und ihr Dienst trug den Stempel der Ereignisse, denen sie in der Gegenwart des Herrn beigewohnt hatten.

Es gibt drei verschiedene Brüder mit Namen Jakobus: 1. der Bruder des Johannes und Sohn des Zebedäus, den Herodes umbrachte. 2. Jakobus, des Alphäus Sohn und 3. Jakobus, Ältester der Versammlung in Jerusalem, Verfasser des Briefes Jakobus, vermutlich der Bruder des Herrn.

Herodes wollte das Fest der ungesäuerten Brote nicht durch die Vorführung des Petrus stören. Aus eigenem Interesse nahm er auf die Überzeugungen der Juden Rücksicht. Die Religion der Welt verbindet sich leicht mit dem Hass gegen Christus und die Seinen. Die Obersten der Juden hatten ihrerseits den Herrn wegen des Volkes auch nicht während des Festes umbringen wollen. Aber Gott will seine Ratschlüsse zu seiner Zeit durchführen: Jesus sollte während des Festes sterben. Der Aufschub hier sollte aber bei der Befreiung des Petrus mithelfen.

Herodes hatte Petrus sorgfältig bewachen lassen. Dieser war angekettet und sechzehn Kriegsknechten anvertraut. Aber die Vorsicht, mit der die Menschen bei der Erfüllung ihrer bösen Absichten zu Werk gingen, gab Gott Gelegenheit, seine Macht zu offenbaren. Das Gleiche geschah am Grab des Herrn. Sie hatten den Eingang der Gruft durch Versiegelung des davor gewälzten Steines gesichert. Jesus aber konnte dem Grab entsteigen, ohne es zu öffnen. Dann kam ein Engel des Herrn und wälzte den Stein weg (Mt 28,2).

Verse 5-11

„Petrus nun wurde in dem Gefängnis bewacht; aber von der Versammlung wurde anhaltend für ihn zu Gott gebetet.“ Die Menschen meinen, sie könnten nach ihrem Belieben handeln, niemand werde sie daran hindern. Aber Gott ist im Himmel, und auf der Erde erheben die Seinen betende Hände. Das Gebet setzt sozusagen Gottes Arm in Bewegung. Dass wir doch als Einzelne oder auch als Versammlung von diesem gesegneten Mittel mehr Gebrauch machten! Im Allgemeinen beten wir zu wenig ernstlich, weil wir hinsichtlich des Inhalts unserer Gebete zu wenig geübt sind. Das Bedürfnis, darin erhört zu werden, fehlt uns manchmal. Statt inbrünstig zu bitten, verrichten wir Gebete.

In Lukas 11,5-6 finden wir ein Mustergebet: „Freund, leihe mir drei Brote!“ Es bedurfte keiner weiteren Worte, keiner Darlegung vieler Wahrheiten, wie es so oft geschieht. Es genügt, wenn wir die Bedürfnisse klar und kurz umschreiben und vorbringen.

In Johannes 15,7 lehrt uns der Herr, wie sich die Bedürfnisse bei den Gläubigen bilden sollen: „Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, so werdet ihr bitten was ihr wollt, und es wird euch geschehen.“ Wenn wir mit dem Herrn in Gemeinschaft bleiben und uns von seinem Worte nähren, werden wir nur seine Verherrlichung im Auge haben. Wir wünschen dann nur, was Gott uns geben will und sind daher seiner Antwort gewiss. In dieser Weise werden zwei oder drei in der Gegenwart des Herrn übereinkommen, das zu erbitten, was ihnen vom Vater werden wird.

War im Anfang, als sie es mit Satan als dem Löwen zu tun hatten, das Gebet die Macht der Gläubigen, wie viel mehr brauchen wir es heute, wo er als Schlange oder als Engel des Lichts wirksam ist!

Herodes hatte seine Soldaten, aber Gott verfügte über „Engel, Gewaltige an Kraft, Täter seines Wortes“ (Psalm 103,20). Er sendet sie aus „zum Dienst um derer willen, die die Errettung erben sollen“ (Heb 1,14).  

Nun brach für Petrus anscheinend die letzte Nacht an. Herodes wollte ihn am nächsten Tag  dem Volk vorführen. Aber von der Versammlung wurde anhaltend für ihn zu Gott gebetet. Währenddessen schlief Petrus einen von Gott geschenkten, tiefen Schlaf. Er war von vornherein einverstanden mit allem, was Gott über ihn bestimmen würde, daher ruhte er in dem Frieden, der sich im Vertrauen auf Gott findet. Wie der Herr mitten im Sturm im Boot geschlafen hatte, so schlief sein Jünger in Ketten zwischen zwei Soldaten.

Da erschien ein Engel des Herrn und erfüllte den Kerker mit Licht aus dem Himmel. Er stand im Dienst dessen, der die Haare unseres Hauptes alle gezählt hat, und war gegenüber Petrus voller Rücksicht. Er schlug Petrus an die Seite, um ihn zu wecken und hieß ihn aufstehen. Dabei fielen die Ketten von den Händen des Gefangenen. Dann sagte er zu ihm: „Gürte dich und binde deine Sandalen unter... wirf dein Oberkleid um und folge mir.“ Unbehelligt kamen sie an den verschiedenen Wachposten vorbei. Das eiserne Tor tat sich ihnen von selbst auf und sie traten hinaus. Der Engel begleitete ihn noch bis ans Ende der Straße, aber dann zog er sich zurück, weil sein Dienst erfüllt war. Die Engel überschreiten niemals ihren Auftrag. Wir können von ihnen lernen.

Um den Engel, der einen geistigen Leib besitzt, hindurch zu lassen, brauchte sich das Tor nicht zu öffnen. Petrus aber war noch in seinem stofflichen Leib. Die Macht Gottes trug diesem Umstand Rechnung und beseitigte das Hindernis.

Als Petrus dem Engel folgte, meinte er, ein Gesicht zu sehen. Doch als er zu sich selbst kam, sprach er: „Nun weiß ich in Wahrheit, dass der Herr seinen Engel gesandt und mich gerettet hat aus der Hand des Herodes und aller Erwartung des Volkes der Juden.“ Herodes wollte Petrus dem Volk vorführen, nun aber war es Gott, der ihn den versammelten Gläubigen als Freigelassenen darstellte.

Verse 12-17

Der Geist Gottes führte Petrus zum Haus der Maria, der Mutter des Markus, wo viele versammelt waren und beteten. Gott wollte, dass sie die Antwort auf ihre Gebete sogleich erfuhren. So inbrünstig ihr Flehen auch war, so wagten alle außer der Magd doch kaum, mit einer Erhörung zu rechnen. Als diese die Stimme des Petrus, der an die Tür des Tores klopfte, erkannte, öffnete sie vor Freude nicht. Sie lief aber hin und verkündete, dass es Petrus sei. Die Betenden glaubten ihr nicht und sprachen zu ihr: „Du bist von Sinnen!“ Auf ihre Beteuerung hin sagten sie: „Es ist sein Engel.“ Ihr Glaube stand nicht auf gleicher Höhe wie ihre Bitte. Sie waren sich mehr der Macht des Herodes bewusst als der Macht Gottes. Ist es nicht oft auch bei uns so?

Das wird auch den Glauben des Überrestes charakterisieren, wenn der Herr erscheint, um ihn zu befreien. Zuerst werden sie Tag und Nacht um Befreiung flehen, aber der Herr sagt: „Wird wohl der Sohn des Menschen, wenn er kommt, den Glauben finden auf der Erde?“ (Lk 18,8). Wir sind oft weit davon entfernt, wie der Herr sagen zu können: „Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. Ich aber wusste, dass du mich allezeit erhörst“ (Joh 11,41-42). „Und wenn wir wissen, dass er uns hört... so wissen wir, dass wir die Bitten haben, die wir von ihm erbeten haben“ (1. Joh 5,15).

Der Geist Gottes hat die Schönheit des Glaubens der als „von Sinnen“ bezeichneten Magd hervorheben wollen, indem Er ihren Namen bekannt gab. Es war „eine Magd, mit Namen Rhode“. Sie betete im Glauben, ohne zu zweifeln.

Die Jünger waren außer sich, als sie Petrus sahen. Er aber „winkte ihnen mit der Hand, zu schweigen, und erzählte ihnen, wie der Herr ihn aus dem Gefängnis herausgeführt hatte“. Und er fügte hinzu: „Berichtet dies Jakobus und den Brüdern.“ Er benahm sich so, als ob es sich bei all diesem um etwas ganz Natürliches gehandelt hätte. Was dem Menschen übernatürlich erscheint, ist für Gott das „Natürliche“! „Und er ging hinaus und zog an einen andern Ort.“

Mit Ausnahme einer Erwähnung in Kapitel 15 hören wir in der Apostelgeschichte nichts mehr von Petrus. Aber ehe die inspirierte Schrift den Bericht über den Dienst des Petrus abschloss, wollte Gott augenscheinlich bezeugen, dass er den Dienst vollbringen würde, den ihm der Herr nach Johannes 21 anvertraut hatte.

Man begegnet Petrus wieder in seinen Briefen, auch Johannes finden wir in seinen Schriften wieder. In ihnen allen erkennen wir, wie treu diese beiden Jünger in der Erfüllung ihres Dienstes gewesen sind.

Verse 18-25

Das Verschwinden des Petrus verursachte große Bestürzung unter den Soldaten, die ihn bewachen sollten. Als Herodes ihn nicht fand und auf sein Befragen nichts Näheres aus den Wachen herausholen konnte, ließ er sie zu Hinrichtung abführen. Diese Unglücklichen wurden im Gegensatz zu den Soldaten, die das Grab des Herrn bewachen mussten, nicht verschont. Damals hatten die religiösen Führer ein Interesse daran, durch die Wachen die Lüge verbreiten zu lassen, die Jünger hätten den Leib Jesu gestohlen. Herodes aber hatte kein solches Interesse. Bei der Ausführung ihrer bösen Vorsätze kümmern sich die Menschen nicht um Gerechtigkeit.

Im Ärger über seinen Misserfolg ging Herodes nach Cäsarea hinab. Während seines Aufenthalts in dieser Stadt besuchte ihn eine Abordnung der Tyrer und Sidonier, gegen die er ergrimmt war. Da ihr Land von dem Land des Herodes ernährt wurde, wollten sie mit ihm Frieden schließen und wussten Blastus, dem Hofbeamten, auf ihre Seite zu bringen, unter dessen Einfluss Herodes ihr Anliegen günstig aufnahm. An einem festgesetzten Tag hielt er, mit königlichen Kleidern angetan und auf einem Thron sitzend, eine öffentliche Rede an sie. Da rief das Volk: „Eines Gottes Stimme und nicht eines Menschen!“ Dem König gefiel es, von einem Volk, das seine Gunst suchte, diese Huldigung entgegenzunehmen, die ebenso übertrieben wie unaufrichtig war. Ein Engel des Herrn schlug ihn plötzlich, „dafür, dass er nicht Gott die Ehre gab; und von Würmern zerfressen, verschied er“ (siehe Jes 14,11).

Der Mensch in seiner Gottlosigkeit hört gerne auf die Einflüsterungen Satans, die vom Garten Eden herrühren. Dort sagte er zu Eva: „Ihr werdet sein wie Gott.“ Dieses Streben, wie Gott zu sein, kann man in der Geschichte des Menschen immer wieder wahrnehmen. Es wird im Tier und im falschen Propheten seinen Höhepunkt erreichen.

In Herodes, dem falschen König der Juden, dem Mörder und Verfolger der Gläubigen, kann man verschiedene Züge des Antichristen erkennen, der ebenfalls vernichtet wird, weil er sich selbst als Gott einsetzt. Der Gläubige dagegen sagt: „Nicht uns, Herr, nicht uns, sondern deinem Namen gib Ehre, um deiner Güte, um deiner Wahrheit willen“ (Ps 115,1).

Trotz des feindlichen Widerstandes wuchs und mehrte sich das Wort Gottes (Vers 24). Gottes Macht tat sich durch sein Wort unter der Wirksamkeit des Heiligen Geistes kund. Dieses Wort wird hier wie eine Person betrachtet, deren Tätigkeit Resultate bewirkt. Es ist wie eine Sache, die wächst und sich mehrt. Die Bosheit des Menschen und die List Satans vermögen das Werk Gottes, der Menschen zu sich ziehen und erretten will, nicht zu hindern.

Wie gut, zu wissen, dass diese Macht heute wie damals mitten unter Menschen, die der Wahrheit feindlich gegenüberstehen und die noch tot sind in ihren Vergehungen und Sünden, wirksam ist. Wir wollen bitten und flehen, dass dieses Wort des Herrn laufe und verherrlicht werde (2. Thes 3,1). Barnabas und Saulus hatten die Hilfeleistung der Jünger von Antiochien nach Jerusalem gebracht (Kap. 11,30). Ihr Dienst war erfüllt, sie kehrten nach Antiochien zurück und nahmen Johannes Markus, den Neffen des Barnabas, mit.

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