Die ersten Jahrzehnte des Christentums
Kommentar zur Apostelgeschichte

Kapitel 26

Die ersten Jahrzehnte des Christentums

Verse 1-8

Als Paulus die Erlaubnis erhielt, für sich zu reden, hielt er seine Verteidigungsrede. Gleichzeitig aber stellte er seinen Zuhörern die Wahrheit vor, in ihrer vollen geistlichen Frische und ganzen Schönheit, mit großer Freimütigkeit, in der Kraft des ungehemmt wirkenden Geistes. Während seiner zweijährigen Gefangenschaft, in der völligen Zurückgezogenheit von allem, hatte er in der Gemeinschaft mit seinem Heiland neue Kraft geschöpft.

Hier hatte er nicht zu den feindseligen Juden zu reden, und der Apostel schätzte sich glücklich, sich an den König Agrippa wenden zu können. Die Liebe, die sein Herz trieb, ließ ihn hoffen, dass der König aus seinen Worten Nutzen ziehen werde: Der 29. Vers zeigt, dass dies sein Wunsch war. Agrippa war zwar idumäischer Herkunft, bekannte sich aber zum Judentum. Er kannte die jüdischen Bräuche und auch die Fragen, die sie bewegten, worunter gewiss auch die Frage der Auferstehung Jesu war.

Paulus verstand es, sich zu jeder Zeit seinen Zuhörern anzupassen und bei ihnen einen Berührungspunkt zu finden, der es ihm ermöglichte, ihnen die Wahrheit vorzustellen. Bei den Heiden von Athen gab ihm der „dem unbekannten Gott“ geweihte Altar, den er im Vorbeigehen gesehen hatte, Gelegenheit, die Wahrheit zu verkündigen. Das ist ein nachahmenswertes Beispiel für alle, die das Wort predigen. Es gilt zu erfassen, was die Zuhörer beschäftigt. Das ist bei der Predigt des Wortes zu berücksichtigen. Der Herr selbst tat das auf bewunderungswürdige Weise bei der Samariterin.

Der Apostel brauchte über seinen Lebenswandel von Jugend an nicht viel zu sagen; die Juden kannten ihn; er hatte als Pharisäer unter ihnen gelebt. Und wenn er jetzt vor Gericht erschien, so war es nicht wegen einer Sache, die den Juden fremd war, sondern er stand hier wegen der Hoffnung auf die von Gott an die Väter ergangene Verheißung. Diese Verheißung war Christus, der in seinem Tausendjährigen Reich die volle Segnung des Volkes Israel einführen sollte, eine Segnung, die sich auch auf die Nationen ausdehnen wird. Aber diese Verheißung konnte sich noch nicht erfüllen.

Wie Elia angesichts des geteilten Volkes auf dem Karmel einen Altar von zwölf Steinen aufbaute, so sah auch Paulus das Volk Israel trotz seines Zustands in seiner Einheit. „Zu der“, sagt er, „unser zwölfstämmiges Volk, unablässig Nacht und Tag Gott dienend, hinzugelangen hofft.“

Vor seiner Bekehrung war er in der gleichen Verfassung wie diese Juden, von denen er trotz ihres Unglaubens im Blick auf den Messias sagen konnte: „Denn ich gebe ihnen Zeugnis, dass sie Eifer für Gott haben, aber nicht nach Erkenntnis“ (Röm 10,2).

In Lukas 2,36-38 wird von der Prophetin Anna berichtet, dass sie „Nacht und Tag mit Fasten und Flehen diente“. Sie „redete von ihm zu allen, die auf Erlösung warteten in Jerusalem“. Der gläubige Überrest, der Christus angenommen hat, ist in die „Versammlung“ eingegangen. Nach der Entrückung wird sich wieder ein Überrest mit gleichen Charakterzügen bilden und das wahre Israel werden.

Der Herr, der erschienen ist, um die Verheißungen zu erfüllen, ist umgebracht worden, aber Gott hat Ihn auferweckt. Dieser großen Tatsache widersetzten sich die Juden. Das war die Ursache, weshalb sie Paulus anklagten. Was der Apostel bei dieser Gelegenheit sagte, umfasste auch die Einführung des Christentums durch die Auferstehung Christi, aber bis dahin redete er nur von dem, was das Volk Israel betraf.

Die Frage, die Paulus dem König vorlegte: „Warum wird es bei euch für unglaubhaft gehalten, wenn Gott Tote auferweckt?“ scheint anzudeuten, dass Agrippa die Lehren der Sadduzäer teilte. Wenn es keine Auferstehung der Toten gäbe, was sollte dann aus den Vätern werden und aus allen, die im Glauben gestorben sind und die Verheißungen nicht empfangen haben (Heb 11,13)? Ohne Auferstehung kann sich keine Verheißung erfüllen. Jesus ist auferstanden, und durch Ihn wird sich seinerzeit alles verwirklichen, was sich sowohl auf die Versammlung als auch auf Israel bezieht.

Verse 9-23

Paulus meinte einst, viel Feindseliges gegen den Namen Jesu, des Nazaräers, tun zu müssen. Er scheute sich nicht, Ihn mit seinem verachteten Namen zu nennen. Seine Person hatte für sein eigenes Herz einen unermesslichen Wert, und er schätzte es als eine Ehre, seine Schmach teilen zu dürfen. Sein ehemaliger Hass gegen Jesus war dadurch zum Ausdruck gekommen, dass er denen, die an Ihn glaubten und die er jetzt „die Heiligen“ nannte, Leiden zufügte. Er beschreibt hier all das Böse, das er ihnen angetan hatte, um die Veränderung hervorzuheben, die sich nachher in ihm und in seiner gesamten Tätigkeit vollzogen hatte. Das Mittel, durch das seine Bekehrung zustande kam, sollte bei den Hörern die Veränderung in seinem Leben rechtfertigen. Der Herr ließ ihn die Seinen sogar bis in die ausländischen Städte verfolgen, aber auf der Straße nach Damaskus gebot Er ihm Einhalt. Von da an wollte Er die ganze Energie, die Aufrichtigkeit, die Charakterstärke eines solchen Mannes unter seiner Abhängigkeit dazu gebrauchen, sein Werk unter den Nationen zu erfüllen.

Paulus erzählt seine Bekehrung. Durch die größten Feinde Christi mit Gewalt und Vollmacht ausgestattet, verfolgte er die Jünger bis nach Damaskus. Da „sah ich mitten am Tag“, so sagt er, „auf dem Weg, o König, vom Himmel her ein Licht, das den Glanz der Sonne übertraf, welches mich und die, die mit mir reisten, umstrahlte. Und als wir alle zur Erde niedergefallen waren, hörte ich eine Stimme in hebräischer Mundart zu mir sagen: Saul, Saul, was verfolgst du mich? Es ist hart für dich, gegen den Stachel auszuschlagen.“ Alle wurden durch dieses helle Licht zu Boden geworfen, aber die Stimme war für Saulus. In Kapitel 22,9 wird gesagt, dass die Mitreisenden wohl das Licht sahen, aber die Stimme dessen, der mit ihm redete, nicht hörten. Paulus lernte durch das, was diese Stimme des Herrn zu ihm sprach, die große Wahrheit verstehen, dass jeder Gläubige als Glied des Leibes Christi mit dem Herrn verbunden ist. „Was verfolgst du mich?“ sagte Christus zu ihm. Indem Saulus die Christen verfolgte, verfolgte er den Herrn. Saulus kämpfte gegen sein Gewissen, in das der Stachel der Wahrheit eingedrungen war, der er so heftigen Widerstand leistete. Durch das Zeugnis der verfolgten Jünger mochte sein Gewissen getroffen worden sein. Das Zeugnis des Stephanus zum Beispiel war gewiss von großer Kraft. Der Stachel war ein mit einer Spitze versehener Stab, den die Bauern und die Viehhüter in jenen Gegenden benutzten, um die Tiere vor sich her zu treiben. Er wird als Sinnbild für das gebraucht, was das Gewissen in Tätigkeit bringt. Salomo sagt: „Die Worte der Weisen sind wie Treibstacheln, und wie eingeschlagene Nägel die gesammelten Sprüche“ (Pred 12,11). Der Widerstand von Saulus gegen die Macht der Gnade des Herrn, den er verfolgte, war nutzlos.

Saulus hatte auf dem Weg nach Damaskus sofort begriffen, dass die Stimme, die er hörte, von jemand kam, der Gewalt über ihn hatte. Er antwortete daher: „Wer bist du, Herr?“ Die erste Frucht der Wirksamkeit Gottes in einer Seele besteht in der Anerkennung der Autorität und Rechte des Herrn. Der Räuber am Kreuz bekannte Jesus als seinen Herrn, obwohl auch Er gekreuzigt war. In Römer 10,9 lesen wir: „Wenn du mit deinem Mund Jesus als Herrn bekennst und in deinem Herzen glaubst, dass Gott ihn aus den Toten auferweckt hat, wirst du errettet werden.“

Der Herr antwortete ihm nicht: „Ich bin der Herr“, sondern: „Ich bin Jesus, den du verfolgst.“ In diese Welt gekommen, war Er verachtet und verworfen worden. Aber Gott hat Ihn sowohl zum Herrn als auch zum Christus gemacht, wie Petrus zu den Juden sagte. Noch mehr: In der Herrlichkeit, in die Ihn Gott aufgenommen hat, ist Er nun das Haupt eines Leibes, der aus all denen besteht, die an Ihn glauben. Sie sind als Glieder seines Leibes durch das Leben und durch die Kraft des Geistes mit Ihm vereinigt. Wenn Saulus sie also verfolgte, so verfolgte er Jesus, den Herrn. Die Vereinigung der Versammlung mit Christus in der Herrlichkeit ist die große Wahrheit, die Paulus in seinem Dienst ans Licht brachte.

Wenn die Stimme, die Saulus hörte, sich auch mit der Autorität eines Herrn an ihn wandte, so war es doch die Stimme der Gnade. Der Herr erschien ihm nicht als ein Richter, sondern als einer, der ihn brauchen wollte. „Richte dich auf“, sagt Er zu ihm, „und stelle dich auf deine Füße; denn dazu bin ich dir erschienen, dich zu einem Diener und Zeugen zu verordnen, sowohl dessen, was du gesehen hast, als auch dessen, worin ich dir erscheinen werde.“ Das ist Gnade. Er machte ihm keine Vorwürfe, sondern berief ihn zu einem besonderen Dienst. Gott hatte ihn von seiner Mutter Leib an abgesondert (Gal 1,15) und durch seine Gnade berufen.

Mit dem „was du gesehen hast“ ist der verherrlichte Herr gemeint. Um Apostel zu sein, musste er den Herrn gesehen haben. Weil Paulus Ihn nicht auf der Erde lebend gesehen hatte, erschien Er ihm vor Damaskus und auch später noch, um ihm den großen Gegenstand seines Dienstes zu offenbaren. So konnte auch er sagen: „Bin ich nicht ein Apostel? Habe ich nicht Jesus, unseren Herrn, gesehen?“ (1. Kor 9,1). Er sollte einen himmlischen und verherrlichten Christus verkündigen, also so, wie er Ihn gesehen hatte. Er nennt sein Evangelium: „Das Evangelium der Herrlichkeit des Christus“ (2. Kor 4,4).

Von den anderen Aposteln hatte er nichts empfangen. Der Herr selbst hatte ihm die Wahrheiten der Versammlung offenbart und ihm dabei Mitteilungen über das Gedächtnismahl gegeben, das Er eingesetzt hatte. Er hatte auch Belehrungen über den Tisch des Herrn hinzugefügt, wo die Einheit des Leibes Christi verwirklicht wird (1. Kor 10,14-22). Das war den anderen Aposteln nicht offenbart worden.

Ferner sagte der Herr zu Saulus: „Indem ich dich herausnehme aus dem Volk und aus den Nationen, zu denen ich dich sende, um ihre Augen aufzutun, damit sie sich bekehren von der Finsternis zum Licht und von der Gewalt des Satans zu Gott, damit sie Vergebung der Sünden empfangen und ein Erbe unter denen, die durch den Glauben an mich geheiligt sind.“ Saulus war aus den Juden und aus den Nationen herausgenommen worden, um in aller Freiheit unter ihnen arbeiten zu können. Der Diener Gottes und überhaupt jeder Christ wird aus der Welt, aus der er kommt, herausgenommen. Er wird geheiligt, abgesondert und kann nun mit Recht von sich selbst sagen, er sei in die Welt gesandt, weil er nun nicht mehr zu ihr gehört. Der Herr sagt: „Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandt“ (Joh 17,18). Damit sagt Er gewissermaßen: „Ich bin vom Himmel gekommen; auch ihr seid nun vom Himmel und seid wie Ich in diese Welt gesandt.“

Vier Dinge kennzeichneten den wunderbaren Dienst, den der Herr Saulus anvertraute:

  1. Die Augen derer, zu denen er gesandt war, sollten aufgetan werden, damit sie sich von der Finsternis zum Licht bekehrten.
  2. Sie sollten von der Gewalt Satans zu Gott geführt werden.
  3. Als Sünder sollten sie die Vergebung der Sünden empfangen.
  4. Sie sollten das Erbe kennen lernen, das denen gegeben ist, die durch den Glauben an den Herrn Jesus geheiligt sind.

Im Reich der Finsternis, in das Satan den Menschen eingeführt hat, steht dieser unter seiner Gewalt. Werden ihm die Augen geöffnet, so verlässt er die Finsternis, um zu Gott geführt zu werden. Dieser Gott, der „Licht“ ist, hat in unsere Herzen geleuchtet „zum Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi“, sagt der Apostel (2. Kor 4,6). Hat er sich diesem Gott, der Licht und Liebe ist, zugewandt, so empfängt er die Vergebung seiner Sünden und noch weit mehr: ein Erbe unter den Geheiligten. Wir lesen in Kolosser 1,12-13: „Danksagend dem Vater, der uns fähig gemacht hat zu dem Anteil am Erbe der Heiligen in dem Licht, der uns errettet hat aus der Gewalt der Finsternis und versetzt in das Reich des Sohnes seiner Liebe.“ Wer gerettet ist, hat Anteil an diesem Erbe mit allen, die geheiligt sind, und ist fähig gemacht, alles das in Besitz zu nehmen, was Gott nach seinen ewigen Ratschlüssen seinen Auserwählten geben wollte. Sie sind von dieser Welt abgesondert und durch das Werk Christi zu „berufenen Heiligen“ geworden (vgl. 1. Kor 1,2; Röm 1,7).

Wir sind nicht berufen, Heilige zu werden. Die praktische Heiligung vollzieht sich im christlichen Wandel nicht mit dem Ziel, dass der Christ heilig werde, sondern weil er heilig ist. Er soll seiner Stellung entsprechen und heilig sein, wie Christus es ist. „Seid heilig, denn ich bin heilig“ (1. Pet 1,16).

„Der Glaube an mich“, an Jesus, den Heiland, ist das Mittel, durch das der Mensch solche Segnungen empfängt. „Denn es ist auch kein anderer Name unter dem Himmel, der unter den Menschen gegeben ist, in dem wir errettet werden müssen“ (Apg 4,12).

Als Paulus, von der Macht des Herrn ergriffen, von seiner Berufung hörte, war er dem himmlischen Gesicht nicht ungehorsam. Sofort begann er denen in Damaskus, in Jerusalem, in der ganzen Landschaft von Judäa und den Nationen seine herrliche Botschaft zu verkündigen und sie aufzurufen, „Buße zu tun und sich zu Gott zu bekehren und der Buße würdige Werke zu vollbringen“. Der Mensch hat sich durch die Sünde von Gott abgewandt. Jetzt aber wird er eingeladen, mit bußfertigem Herzen zu Ihm zurückzukehren. Buße ist eine Sinnesänderung im Blick auf sich selbst und gegenüber Gott. Der verlorene Sohn meinte, er könne fern von seinem Vater das Glück finden. Die Buße aber brachte ihn zu der Einsicht, dass das Glück nur bei seinem Vater zu finden war. Der Buße würdige Werke sind solche, die von dem Vorhandensein der Buße Zeugnis geben. Bei dem verlorenen Sohn bestanden diese Werke in der Rückkehr zum Vater und im Bekenntnis der Schuld. Auch Johannes der Täufer ermahnte die Menschen, die sich von ihm taufen lassen wollten, zu solchen Werken.

„Deshalb“, fuhr Paulus fort, „haben mich die Juden, als ich im Tempel war, ergriffen und versucht, mich zu ermorden.“ Dass sowohl den Juden als auch den Nationen das gleiche Evangelium verkündigt wurde, erregte den Hass dieses hochmütigen Volkes gegen Paulus, und sie suchten ihn zu töten.

Da ihm aber die Hilfe Gottes zuteilwurde, war er bis dahin am Leben geblieben. Trotz aller Anstrengungen des Feindes hat er seinen Dienst erfüllen können, „bezeugend sowohl vor Kleinen als Großen“, indem er nichts sagte „außer dem, was auch die Propheten und Mose geredet haben, dass es geschehen werde, nämlich, dass der Christus leiden sollte, dass er als Erster durch Toten-Auferstehung Licht verkündigen sollte, sowohl dem Volk als auch den Nationen“. Der große Gegenstand der Prophetie ist Christus, seine Leiden und seine Verherrlichung. Das war es auch, was der Herr die Jünger auf dem Weg nach Emmaus lehrte. Er musste leiden - das war eine absolute Notwendigkeit, wenn Gottes Ratschlüsse erfüllt werden sollten. Der Tod Christi setzte dem durch die Sünde verunreinigten Zustand der Dinge ein Ende und durch die Auferstehung aus den Toten führte der Herr eine neue Ordnung der Dinge ein. Er, der „Erstgeborene der Toten“, ließ dem Volk und den Nationen Licht verkündigen. Er ist die „Garbe der Erstlinge“, die der Priester „am anderen Tag nach dem Sabbat“ weben sollte (3. Mo 23,10-11). So hat Er mitten im Schauplatz des Todes „Leben und Unverweslichkeit ans Licht gebracht durch das Evangelium“ (2. Tim 1,10).

Verse 24-29

Festus, der in der Finsternis war, verstand die Sprache des Paulus nicht und hielt ihn für einen Rasenden. Er billigte ihm wohl ein großes Wissen zu, meinte aber, dieses bringe ihn außer sich. „Der natürliche Mensch aber nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm eine Torheit“ (1. Kor 2,14). Paulus sprach besonnene und wahre Worte. Wenn der Gläubige durch den Geist Worte aussprechen kann, die dem Ungläubigen unbegreiflich sind, so tut er es nicht, ohne selbst verstanden zu haben, wovon er redet. Damit steht er im Gegensatz zu den Menschen, die unter dem Einfluss von Dämonen reden. „Die Geister der Propheten sind den Propheten untertan.“ Sie waren sich immer dessen bewusst, was sie sagten und fähig, es zu überprüfen.

Paulus sprach vor Agrippa umso kühner, als er wusste, dass dem König alle diese Dinge bekannt waren; denn, sagt er, „nicht in einem Winkel ist dies geschehen“. Damit meinte er das, wovon er in seiner Rede berichtete. Paulus wusste, dass der König an die Propheten glaubte. Agrippa war von dieser Aussage des Paulus vor einer solchen Zuhörerschaft überrascht, wollte aber deren Wirkung durch die Worte abschwächen: „In kurzem überredest du mich, ein Christ zu werden.“ Paulus aber im Bewusstsein der Erhabenheit seiner christlichen Stellung antwortete ihm: „Ich möchte wohl zu Gott beten, dass über kurz oder lang nicht allein du, sondern auch alle, die mich heute hören, solche würden, wie auch ich bin, ausgenommen diese Fesseln.“ Die Liebe Christi drängte ihn. Er wünschte, alle möchten das gleiche Glück genießen wie er, jedoch ohne die Ketten, die er nur darum trug, weil er „dem himmlischen Gesicht“ gehorsam gewesen war. Die Menschen mochten begehrt haben, am Platz des Königs Agrippa zu stehen. Aber Paulus wünschte im Gegenteil, Agrippa möchte so werden wie er. Er genoss ein Glück, das ihn über alles Sichtbare erhob, seien es Herrlichkeiten oder Leiden.

Verse 30-32

Alle waren von der Unschuld des Paulus überzeugt. Sie zogen sich zurück und sagten zueinander: „Dieser Mensch tut nichts, was des Todes oder der Fesseln wert wäre. Agrippa aber sprach zu Festus: Dieser Mensch hätte freigelassen werden können, wenn er sich nicht auf den Kaiser berufen hätte.“ Als der Herr am Kreuz war, ließ Gott durch den Übeltäter ausrufen: „Dieser aber hat nichts Ungeziemendes getan.“ Dem Apostel, der seinem Meister so nahe nachgefolgt war und der auch seinerseits als Jünger Christi in den Augen der Juden zu den Übertretern gehörte, wurde Ähnliches bezeugt. Auch später wurde es vor dem ganzen Prätorium und vor allen offenbar, dass die Gefangennahme von Paulus nicht die eines Übeltäters war, sondern „Fesseln in Christus“ waren (Phil 1,12-13).

Paulus musste nach Rom gehen, nicht nur weil er sich auf den Kaiser berufen hatte, sondern vor allem, weil er den Namen des Herrn vor ihn tragen sollte (Apg 9,15).

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