Botschafter des Heils in Christo 1854

Herodes und Petrus

Adam fiel durch Hochmut; er wollte sein wie Gott. Der Mensch außer Christus offenbart immer diesen Charakter. Er sucht sich in der Welt Geltung zu verschaffen; dahin ist sein ganzes Streben gerichtet. Er trachtet nach Reichtum, nach Weisheit, nach eigener Gerechtigkeit, und immer liegt darin das Gelüste, Ehre und Ansehen in dieser Welt zu bekommen. Der Mensch will vor dem Menschen etwas sein. Hat auch Gott hinreichend bezeugt, dass er ein Sünder ist und gar kein Ruhm für ihn übrig bleibt, so achtet er doch nicht darauf, und sucht entweder durch äußeren Schein sein wahres Wesen zu verbergen, aber sucht seine Ehre in der Schande. Der natürliche Mensch denkt nie an den Ruhm und die Verherrlichung Gottes, sondern stets an seinen Ruhm und seine Verherrlichung vor den Menschen. Vielmehr hasst er Gott und alle, die Ihn ehren.

In dem König Herodes tritt uns der Grundcharakter des natürlichen Menschen in auffallender Weise entgegen. Wir lesen Vers 1–3: „Um dieselbe Zeit legte der König Herodes seine Hände an etliche von der Gemeinde, sie zu peinigen. Er tötete aber Jakobus, Johannes Prüder, mit dem Schwert. Und da er sah, dass es den Juden gefiel, fuhr er fort und fing Petrus auch.“ Herodes war ein Feind Gottes, denn er peinigte seine Auserwählten und Geliebten und tötete sie. Er führte Krieg wider Gott. Das Wohlgefallen des Volkes trieb ihn, darin fortzufahren. Das Wohlgefallen Gottes galt bei ihm nichts. Der vergängliche Ruhm bei den Menschen, die doch weniger sind, denn nichts, und dem Fluch und Gericht unterworfen, brachte er alles zum Opfer. Er verfolgte Christus, weil er sähe, dass es den Juden wohlgefiel; er tötete seine Diener, um seine eigene Macht und Herrschaft Gott gegenüber zu behaupten.

Der Mensch will sein, wie Gott. Diesen Charakter finden wir in Herodes sehr deutlich. Wir lesen Vers 21 und 22: „Auf einen bestimmten Tag tat Herodes das königliche Kleid an, setzte sich auf den Richtstuhl und hielt eine Rede. Das Volk aber rief ihm zu: Das ist Gottes Stimme und nicht eines Menschen.“ Herodes raubte Gott, was sein war. Er stellte sich neben Gott und ließ sich göttliche Ehre darbringen. Das Volk, dem Gottes Ehre nichts galt, Zollte sie ihm; was allein Gott gebührte, brachten sie einem sterblichen Menschen dar.

Am Ende sehen wir aber auch die Macht Gottes im Gericht sich verherrlichen. „Alsobald schlug ihn der Engel des Herrn, darum dass er die Ehre nicht Gott gab; und ward gefressen von Würmern und gab den Geist auf“ (V 23). Der Sünder nimmt ein Ende mit Schrecken. Er will in seinem Hochmut sein wie Gott und sich neben Ihn setzen, aber sobald Er seine Ehre und Macht offenbart, fällt er in die tiefsten Tiefen. Der Gottlose besteht nicht vor Gott und in seinem Gericht. In Herodes tritt uns recht klar das Vorbild des Antichristen entgegen. Von diesem lesen wir 2. Thessalonicher 2,4: „Der da ist ein Widerwärtiger und sich überhebt über alles, das Gott oder Gottesdienst heißt, also dass er sich setzt in den Tempel Gottes, als ein Gott und gibt vor, er sei Gott.“ Er wird Vermessenes und Ungeheures reden wider den Gott der Götter (Dan 7,8–11,36). Er spricht: Zum Himmel will ich aufsteigen, über die Sterne Gottes meinen Thron errichten. ... Ich steige auf der Wolken Höhen, stelle mich gleich dem Höchsten (Jes 14,13–14). In dem Antichristen sehen wir den Hochmut Adams und die Selbstverherrlichung des Menschen auf das Höchste gestiegen. Hass, Empörung, Aufruhr, Vermessenheit wider Gott und dann die Selbstvergötterung unter einem abtrünnigen Volk erreichen in dem Antichristen den höchsten Grad. Er trägt darum vornehmlich den Namen Antichrist, weil er in allem das schroffste Gegenbild von Christus ist In Christus sehen wir die größte Verleugnung seiner selbst und die vollkommenste Unterwerfung unter den göttlichen Willen. Obgleich Er Gott gleich war, so erniedrigt Er sich dennoch zur Knechtsgestalt und ward gehorsam bis zum Tod am Kreuz, indem Er nur Gottes Ehre und Verherrlichung suchte. Darum ist Er nun auch von Gott erhöht und zu seiner Rechten gesetzt über alles.

So wie aber Herodes als Vorbild in seinem Übermut plötzlich ein Ende nahm, also wird es auch der Antichrist tun. „Und alsdann wird der Boshafte offenbart werden, welchen der Herr umbringen wird mit dem Geist seines Mundes und wird sein ein Ende machen durch die Erscheinung seiner Zukunft“ (2. Thes 2,8).

Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt Er Gnade (1. Pet 5,5). Er will den Abfall und den Hochmut des Menschen richten. Dies soll in uns eine heilige Furcht erwecken, in keinerlei Weise Teil daran zu nehmen, um nicht auch an dem schrecklichen Gerichte Teil zu haben. Lasst uns nicht eitler Ehre geizig sein, oder nach Menschengunst trachten, vielmehr in allen Dingen Gottes Ehre und Wohlgefallen und Verherrlichung suchen. Unserem Gott allein gebührt Ruhm und Macht und Herrlichkeit, bis in alle Ewigkeit. Amen.

Der Christ gehört Christus an, weil er von Ihm erkauft ist. Der teure Kaufpreis war sein eigenes Blut. Er hat sich hingegeben für seine Gemeinde, welche ist sein Leib; Er hat sie erlöst und versöhnt. Sie ist seine Braut, die Er sich selbst erworben hat und deshalb Ihm allein gehört. Ihre Neigungen, ihre Begierden und ihr ganzes Verhalten darf nur auf Ihn gerichtet sein. In Ihm hat Tuch Gott uns völlig offenbart, was Er für uns ist. Wir haben erkannt und verstanden, dass sein Gott und Vater auch unser Gott und Vater ist, und wir werden es immer völliger erkennen. Das Bewusstsein unserer Beziehung zu Gott als Kind und Erbe, als Miterbe Christi, getragen, geliebt mit einer vollkommenen Liebe, stellt uns in das rechte Verhältnis. Das Kind gehört ganz dem Vater an, dessen Willen es allein unterworfen sein soll.

In unserem Kapitel sehen wir in Petrus eine völlige Hingabe an seinen Gott. Er hatte nicht den Ruhm und das Wohlgefallen der Menschen gesucht. Vielmehr hatte Er Christus bekannt; davon zeugten die Ketten und das Gefängnis. Die Hingabe an Gott und die Verherrlichung seines Namens findet in der Welt keine Anerkennung. Der Christ darf nie darauf rechnen, sondern stets auf das Gegenteil gefasst sein. Hat er darauf gerechnet, so wird er entweder mutlos oder weltlich gesinnt sein. Die Welt kennt weder Gott, noch sein Volk.

Petrus war Wohl verwahrt, d. h. vor den Augen der Menschen. Es heißt Vers 4: „Da Herodes ihn nun griff, legte er ihn ins Gefängnis und überantwortete ihn viermal vier Kriegsknechten, ihn zu bewahren .. (V 7). Und da ihn Herodes wollte vorstellen, in derselben Nacht schlief Petrus zwischen zwei Kriegsknechten, gebunden mit zwei Ketten und die Hüter vor der Tür hüteten des Gefängnisses.“ – Es könnte uns wohl verwundern, dass wir den Petrus in einer solchen Lage schlafend finden. Alle Umstände waren ja nur geeignet, ihm Furcht und Schrecken einzujagen. Wenn er nach diesen enteilte, so hatte er ja nichts als einen baldigen Tod zu erwarten. Sein Richter war ein Feind Gottes, der schon viele Mitbrüder gepeinigt und den Jakobus getötet hatte. Zu diesem Hass kam das Wohlgefallen des Volkes, dem er so gern huldigte. In seinem Gefängnis war er durch Kellen, Kriegsknechte und Hüter Wohl verwahrt und der entscheidende Tag war der nächste. Dennoch schläft Petrus. Es war der Schlaf eines Christen, der ein ruhiges Gewissen hat und der nur an Gottes Ehre und die Verherrlichung seines Namens denkt; es war der Schlaf eines Kindes Gottes, welches sich überall im Schoß des himmlischen Vaters weiß, eines Dieners Christi, welcher sich völlig und willenlos seinem treuen Herrn übergeben hat und sich freut, um seines Namens willen Streiche zu leiden.

In Petrus finden wir den Glauben wirksam, der sich nicht durch das Sichtbare leiten und einnehmen lässt, sondern in jeder Lage auf Gott traut. Wir sehen sein Herz mit Liebe erfüllt, die bereit ist, das Leben zu lassen, die da mit Freuden zur Verherrlichung des göttlichen Namens sich zum Opfer bringt. Es offenbart sich eine lebendige Hoffnung, die da weiß, dass Sterben Gewinn ist, die hier auf Erden nichts sucht, sondern eine unvergängliche Herrlichkeit im Himmel mit Christus erwartet, und dies Bewusstsein gibt ihm Geduld, in allen Drangsalen dieser Seit bis ans Ende zu beharren. Wir werden immer finden, dass, wenn in dem Christen diese drei Stücke, nämlich Glaube, Liebe und Hoffnung, wirksam sind, sein Herz in jeder Lage, auch in der schwierigsten, mit Ruhe und Trost erfüllt ist.

Andererseits tritt uns hier die Treue und herrliche Macht Gottes entgegen, der uns in jeder Lage zu trösten und zu retten weiß. Beschäftigt sich das Herz mit Ihm allein und nicht mit den Umständen, worin es sich befindet, so wird es die größte Ruhe genießen da, wo andere mit Furcht und Schrecken erfüllt sind. Das Härteste, was einem Menschen in dieser Welt begegnen kann, nämlich als ein Missetäter zu sterben, sollte das Los Petrus sein. Er stand im Angesicht dieses Todes; kein Umstand ließ ihn auf Befreiung hoffen, weder der Hass Herodes, der schon seine Mitbrüder getötet, noch das Wohlgefallen eines blutdürstigen Volles, noch seine strenge Bewahrung im Gefängnis. Allein er ruhte auch selbst in den Banden und im Kerker in Gott. Paulus und Silos sangen im Gefängnis zu Philippi Lobgesänge. Ja, der Glaube lässt um überall sicher ruhen und Gott preisen.

Die herrliche Macht Gottes offenbarte sich besonders in der plötzlichen Errettung des Petrus. „Und siehe, ein Engel des Herrn stand da, und ein Licht leuchtete im Kerker; und er schlug Petrus an die Seite, weckte ihn und sagte: Steh schnell auf! Und die Ketten fielen ihm von den Händen. Und der Engel sprach zu ihm: Gürte dich und binde deine Sandalen unter! Er aber tat es. Und er spricht zu ihm: Wirf dein Oberkleid um und folge mir! Und er ging hinaus und folgte und wusste nicht, dass es Wirklichkeit war, was durch den Engel geschah; er meinte aber, eine Erscheinung zu sehen. Als sie aber durch die erste und die zweite Wache gegangen waren, kamen sie an das eiserne Tor, das in die Stadt führte, das sich ihnen von selbst öffnete; und sie traten hinaus und gingen eine Straße entlang, und sogleich schied der Engel von ihm. Und als Petrus zu sich selbst kam, sprach er: Nun weiß ich in Wahrheit, dass der Herr seinen Engel gesandt und mich gerettet hat aus der Hand des Herodes und aller Erwartung des Volkes der Juden“ (V 7–11).

Der Eindruck, welchen diese Verherrlichung der Macht Gottes, auf Petrus machte, war ein gewaltiger. Anfangs glaubte er ein Gesicht zu sehen, aber bald überzeugte er sich von seiner wahrhaftigen Errettung. Diese Offenbarung der herrlichen Macht Gottes muss unsere Herzen sehr erheben und im Vertrauen befestigen. Wir sehen, wie Gott den Seinen so nahe ist, wie seine Treue stets bei den Treuen ist, wie Er sich an denen zu verherrlichen weiß, welche die Verherrlichung seines Namens suchen. Möchte dies uns ermuntern, uns seinem Willen und seiner Führung ganz zu übergeben. Er hält immer bei uns aus und wo Er ist, da haben wir keinen Mangel. Seine Treue, Gnade und Macht übersteigt alles. Darum ist Er allein für eine jede Seele, die auf Ihn harrt, in allen Lagen genug.

Während Petrus an Ketten gebunden im Gefängnis für einen baldigen Tod aufbewahrt wird, sehen wir die Gemeinde Gottes im wirksam. Sie betete für ihn ohne Aufhören zu Gott (V 5). „Wo ein Glied leidet, da leiden alle Glieder.“ Das wird sich immer bewahrheiten, wenn die Glieder sich ihrer gliedlichen Gemeinschaft lebendig bewusst sind, dass sie nämlich Glieder eines Leibes und zwar des Leibes Christi sind. Dies Bewusstsein erweckt eine herzliche Liebe und Barmherzigkeit. Im Haus der Maria sehen wir viele im Gebet vereinigt. Es ist auch ihr Vertrauen auf Gott gerichtet, auch sie sind nur auf die Verherrlichung seines Namens bedacht. Jetzt noch vor der Wut des Drängers geborgen, verharren sie im gemeinsamen Gebet um Errettung. Und über alles Erwarten wird ihr heißes Verlangen gestillt. Der von ihnen getrennte Petrus selbst, wonach sie sehnlichst verlangten, bringt ihnen die gute Botschaft seiner Errettung. Sie sind nicht weniger überrascht, wie er es selbst war. „Als er aber an die Tür des Tores klopfte, kam eine Magd mit Namen Rhode herbei, um zu öffnen. Und als sie die Stimme des Petrus erkannte, öffnete sie vor Freude das Tor nicht; sie lief aber hinein und verkündete, Petrus stehe vor dem Tor. Sie aber sprachen zu ihr: Du bist von Sinnen. Sie aber beteuerte, dass es so sei. Sie aber sprachen: Es ist sein Engel. Petrus aber fuhr fort zu klopfen. Als sie aber geöffnet hatten, sahen sie ihn und waren außer sich“ (V 13–16).

So weiß der Herr unsere Gebete zu erhören, unser Vertrauen zu krönen und die Gerechten aus der Versuchung zu erlösen. Ja der Herr ist immer bereit, sich an seinem Volk zu verherrlichen. Darum lasst uns das Vertrauen und die Freimütigkeit bewahren, denn es hat eine große Belohnung.

Welch einen Unterschied, wenn wir den schrecklichen Ausgang bei Herodes sehen, der sein Vertrauen und seine Ehre bei Menschen suchte, und begehrte in dieser Welt durch diese verherrlicht zu werden, und den herrlichen Ausgang des Petrus und der Gemeinde, welche nur an Gottes Ehre und Verherrlichung dachten. So lasst denn auch uns ausharren im verordneten Kampf und Lauf, das Ende wird herrlich sein. Ausharren ist nötig, um den Willen Gottes zu tun und die Verheißung zu empfangen.

So wie wir aber in dem Herodes das Vorbild des Antichristen haben, so tritt uns in den Leiden des Petrus und der betenden Gemeinde, so wie in der plötzlichen und herrlichen Errettung das Vorbild des Überrestes von Israel in den letzten Tagen vor der Ankunft Jesu Christi entgegen. Wie unter Herodes, so werden auch unter der Regierung des Antichristen die Gläubigen verfolgt sein. „Er wird mit den Heiligen des Höchsten Krieg führen.“ Der Herr wird aber einem Teil seines Volks in diesen Tagen der Drangsale in der Wüste eine Zufluchtsstätte bereiten, und wer da hinein flieht, wird bewahrt bleiben (Sach 14,4–5; Off 12,6.15–16). Mit den Übrigen aber, die da Gottes Gebote halten, und haben das Zeugnis Jesu Christi, wird Satan streiten (Off 12,17).

Aber plötzlich wird auch für sie ein Erlöser aus Zion hervorbrechen und beim Anblick ihres verherrlichten Erlösers, werden sie ausrufen: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn (Ps 118,15.26). Alsdann wird der 126. Psalm seine volle Anwendung finden: „Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein, wie die Träumenden. Dann wird unser Mund voll Lachens und unsere Zunge voll Rühmens sein. Da wird man sagen unter den Heiden: Der Herr hat Großes an ihnen getan. Der Herr hat Großes an uns getan, dessen sind wir fröhlich. Herr, wende unser Gefängnis, wie du die Wasser gegen Mittag trocknest. Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Sie gehen hin und weinen und tragen edlen Samen, und kommen mit Freuden und? bringen ihre Garben.“

Der Herr befestige unsere Herzen in der Wahrheit und lasse uns stets auf den herrlichen Ausgang der Gerechten aufmerksam bleiben.

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