Botschafter des Heils in Christo 1854

Der Wandel vor Gott

Hat der Christ verstanden, wie nahe ihn das Werk Christi gebracht, und in welch' herrliche Beziehungen er zu Gott dem Vater und dem Herrn Jesus Christus gekommen ist, so ist es ihm auch klar, dass er in seinem ganzen Wandel nur auf die Verherrlichung Gottes und des Werkes Christi bedacht sein darf. „Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken“ (Eph 2,10). In dem Geliebten Gottes sind wir Geliebte geworden, zu Seinem Dienst bereitet. Dieser Dienst ist unser seliges Vorrecht. Die Welt kann Ihm nicht dienen. Für uns aber ist das Heiligtum geöffnet durch das Blut Jesu und durch dieses Blut besprengt, sind wir die geheiligten und geweihten Priester, geistliche Opfer darzubringen. Für uns ist der Vorhang zerrissen durch Sein Fleisch, und auf einem neuen und lebendigen Weg nahen wir freimütig zum Dienst unseres Gottes. Nicht mehr haben wir nötig zu zittern, wie das Volk Israel am Berg Sinai. Nicht mehr hat sich Gott in eine Wolke verhüllt – Jesus hat uns Sein Vaterherz völlig geoffenbart und uns als Seine Kinder Ihm ganz nahe gebracht. So gehören wir auch nun uns nicht mehr selbst, sondern Dem, der für uns gestorben und auferstanden ist. Darum sollen wir unsere Leiber zu einem lebendigen, heiligen und Gott wohlgefälligen Opfer hingeben (vgl. Röm 12,1) und unsere Glieder Gott zu Waffen der Gerechtigkeit.

Unser Wandel betrifft nicht allein den Dienst vor Gott, sondern auch das Leben unter den Heiligen und das Verhalten der Welt und ihrem Wesen gegenüber. Wir sind schuldig, uns überall als die Kinder Gottes zu beweisen, als solche, die den Geist Christi haben. Unsere himmlische Berufung Gottes in Christus Jesus ist etwas Herrliches und unser Wandel soll ihrer würdig sein. Wir sind von der Welt durch den Heiligen Geist für Gott abgesondert und unter den Gehorsam und die Besprengung des Blutes Christi gestellt. Wir sind Schuldner geworden, durch den Geist des Fleisches Geschäfte zu töten und uns von dem Wesen dieser Welt zu trennen und getrennt zu halten. „Wenn ihr nun mit dem Christus auferweckt worden seid, so sucht, was droben ist, wo der Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Sinnt auf das, was droben ist, nicht auf das, was auf der Erde ist; denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit dem Christus in Gott“ (Kol 3, 1–3).

Wir wissen, Geliebte, dass unsere Stellung vor Gott in allen Beziehungen zu Ihm vollkommen ist, weil diese nur eine Frucht des Werkes Christi ist. Solange wir dies nicht erkannt haben, solange der Geist Gottes uns nicht in die Rechte dieses Werkes eingesetzt hat, kann von keinem Wandel und Dienst vor Gott die Rede sein. Wir sind durch den Glauben gerecht, durch die Besprengung des Blutes Christi für immer vor Gott gereinigt. Dieses Blut redet jeden Augenblick für uns. Haben wir dies nicht verstanden, so ist unser Wandel oder Dienst vor Gott nur ein Gelüste des Fleisches. Wir gefallen Gott darin nicht. Suchen wir bewusst oder unbewusst vor Gott eine Gerechtigkeit und Heiligkeit im Fleische aufzurichten, so ist es Ihm ein Greuel. Man kann mit dem Geist sehr beschäftigt sein, Gott dienen zu wollen, während man in der Tat nur sich selbst sucht und dient. Ein solcher Dienst verkennt Gottes Wahrhaftigkeit und das Werk Christi. Der Christ aber ruht in Christus und dient Gott im Geist. Solange wir aber nicht in Ihm sind und nicht zur Freiheit des Glaubens durchgedrungen sind, dienen wir mit dem Fleisch und bringen dem Tode Frucht. Es Ist gut, wenn wir den Dienst im Geist und mit dem Fleisch wohl zu unterscheiden wissen. Der erste ist vor Gott angenehm, der andere verwerflich. Mit dem Fleische dienen wir, um Gott etwas zu bringen, im Geiste aber, weil Gott uns etwas gebracht hat. Jener Dienst ist eine Frucht des Hochmuts und der Eigenliebe, dieser eine Frucht des Werkes Christi und ein Ausfluss der Liebe Gottes.

Wir können den Dienst mit dem Fleisch als unhaltbar und verwerflich vor Gott erkannt haben, und doch den Dienst mit dem Gemüte oder des Geistes, als angenehm vor Gott, nicht anerkennen. Dies ist aber ein Beweis davon, dass wir Gottes Wort und das Werk des Heiligen Geistes in uns nicht recht verstehen. Wir lassen uns dadurch ein köstliches Vorrecht rauben und verherrlichen wenig den Namen Gottes und das Werk Christi. Dieses Werk bleibt wohl in Bezug auf unsere Errettung ewig gültig für uns, wenn wir es wirklich im Glauben angenommen haben, auch wenn wir manchmal nur in geringem Maß seine köstlichen Segnungen genießen. Wir können in Zeiten durch dasselbe sehr getröstet werden, doch wir wandeln nicht immer in der Gemeinschaft und Gegenwart Gottes, in welche uns doch dieses Werk gebracht hat. Unsere Lust und Freude haben wir wenig am Herrn, denn wir verstehen und erfahren nicht, wie nahe wir gekommen sind. Wir durchschauen unseren fleischlichen Dienst und klagen uns darin an, aber wir wachsen nicht in der Erkenntnis Gottes und Christi Jesu unseres Herrn, wie wir es sollen.

Unser Dienst vor Gott kann schwach und unvollkommen sein, aber es ist gut, wenn wir ihn als ein Vorrecht der Kinder Gottes anerkennen. Er wird dann nicht immer so schwach und unvollkommen bleiben. Wir werden suchen in der Erkenntnis Gottes und Christi und in der Kraft Seiner Auferstehung zu wachsen. Den Aufrichtigen wird's gelingen. Der Geist Gottes will uns führen und in die ganze Wahrheit leiten. Er offenbart uns Jesum und die ganze Segensfülle in Ihm. Unser Glaube besitzt in Ihm, was wir zum Leben und göttlichen Wandel bedürfen. Wir werden immer mehr zubereitet von Gott zu Seinem Dienst. Er ist der Gott aller Gnade, der uns berufen hat zu Seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus und wird uns vollkommen machen, stärken, kräftigen, gründen (vgl. 1. Pet 5,10). Er reinigt uns, dass wir mehr Frucht bringen, denn dadurch wird der Vater geehrt, dass wir viel Frucht bringen (vgl. Joh 15,8). Die heilsame Gnade Gottes erzieht uns, das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste zu verleugnen und züchtigt uns, gerecht und gottselig zu leben in dieser Welt (vgl. Tit 2,12). Der Geist Gottes offenbart uns das Werk Christi und die Kraft Seiner Auferstehung und unser Glaube findet darin Leben und Seligkeit, Kraft und Sieg. Er lehrt uns erkennen alle unsere köstlichen Beziehungen zu Gott und überzeugt unsere Herzen von der seligen Hoffnung und Herrlichkeit. Der Geist Christi in uns tröstet, ermahnt und lehrt uns; ja er züchtigt und vertritt uns mit unaussprechlichen Seufzern.

Dies Nahesein verpflichtet uns nicht allein zum Gottesdienst und zu einem würdigen Wandel, sondern es ist, wie.gesagt, ein teures Vorrecht geworden. Wir werden dies erkennen, sobald wir unsere herrlichen Beziehungen recht ins Auge fassen. Als Kinder Gottes sind wir ermahnt Gottes Nachahmer zu sein und als geliebte Kinder in Liebe zu wandeln (vgl. Eph 5,1). Diese Stellung nahm Christus als eingeborener Sohn allein ein, allein Er hat uns mit Sich gleich nahe gebracht und alle Seiner köstlichen Segnungen teilhaftig gemacht. Darum sind auch wir aufgefordert Ihm gleichgesinnt zu sein (vgl. Phil 2,5) und zu wandeln, wie Er gewandelt ist (vgl. 1. Joh 2,6). Wir sind die Braut des Lammes geworden und warten auf unseren geliebten Bräutigam, der die Braut so teuer erkauft hat – wie darf es nun auch anders sein, als dass wir mit aller keuschen Liebe und Treue auf Ihn harren, damit wir am Tag Seiner Ankunft lauter und ohne Tadel erfunden werden? (vgl. Phil 2,15; vgl. 1. Thes 5,23). Wir sind der Leib Christi, die Versammlung, wofür Er Sich Selbst hingegeben hat, um sie Sich herrlich darzustellen (vgl. Eph 5,27). Diese so innige Beziehung, diese so unzertrennliche Einheit fordert die ganze Unterwürfigkeit der Versammlung unter ihr Haupt. Ihr Leben und Wesen ist Eins mit Ihm, so kann auch ihr Wandel nur in Seiner Gemeinschaft sein. Ihr Tun und Lassen darf sich nur auf Ihn beziehen, Sein verborgener, wohlgefälliger Wille darf nur die Triebfeder all ihrer Handlungen sein. Er ist das Haupt der Versammlung, wie könnte sie sich noch selber leben wollen! 0, wohl uns, wenn wir unsere so nahe Stellung in Wahrheit erkennen, so werden wir in kleinen und großen Dingen nur an die Verherrlichung Seines Namens denken, und Alles mit und in Ihm und zu Seiner Ehre tun. Das ist die Liebe zu Gott, dass wir seine Gebote halten, und seine Gebote sind nicht schwer (vgl. 1. Joh 5,3).

Wir sind wie die Davoneilenden, die Alles verlassen haben, um einer unvergänglichen Krone nachzujagen, der Kostbarkeit der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus. Solange wir in dieser Hütte wallen, bleibt unser Leben ein Kampf. Wir haben viele Feinde, die voll Bosheit und List sind. Es sind die unsichtbaren Mächte der Finsternis, die Geister der Bosheit an höheren Örtern. Nur in der Kraft des Herrn, nur in der Waffenrüstung Gottes können wir ihnen gegenüber widerstehen (vgl. Eph 6,10–18). Die Welt umgibt uns mit ihren Reizen, die Sünde legt uns ihre geheimen Netze, und das Fleisch sucht seine Ansprüche geltend zu machen, darum bedürfen wir der Kraft des Glaubens und alle Wachsamkeit und Nüchternheit im Gebet, um den Versuchungen zu widerstehen. Was uns aber namentlich im Kampf ermutigt und ausharrende Geduld gibt, ist die Hoffnung unserer Berufung. Sie bewirkt, dass wir uns reinigen, wie Er rein ist (vgl. 1. Joh 3,3), sie macht und hält uns frei von den Dingen dieser Welt. Die ständige Erwartung des Sohnes Gottes vom Himmel, erhält uns wach und nüchtern, und die Hoffnung Seiner Ankunft und der Herrlichkeit danach, erhält die Freude am Herrn und richtet unsere Blicke stets nach oben. Sie unterhält unsere Sehnsucht nach der Heimat droben, wo Jesus als Erstgeborener vieler Brüder schon eingegangen ist, und gibt uns eine Verleugnung alles Zeitlichen und ein freudiges Ausharren in den Drangsalen dieses Lebens. Wir sind ein himmlisches Volk geworden, darum darf auch unser ganzer Wandel immer nur himmlisch sein.

Was die Gemeinschaft der Glieder des Leibes Christi untereinander betrifft, so kann sie ihrem Wesen nach nur eine innige und herzliche sein, gegründet auf eine ungeheuchelte und aufrichtige Liebe. Erkenne Ich in jedem wahrhaft Gläubigen die nahe Beziehung zu Gott dem Vater und Christus Jesus, als Kind, Bruder, Glied der Braut und des Leibes, so wird dieses Bewusstsein eine dienende und tröstende Liebe, eine sanftmütige und geduldige Tragbarkeit in mir hervorrufen. Verstehe ich in der Tat, wie teuer jeder Miterlöste dem Herrn geworden ist, und mit welcher Liebe, Erbarmung und Langmut ich selbst Immerdar getragen und gepflegt werde, so wird das mein Herz zur Liebe und innigen Teilnahme an all dem erwecken, was jedes Glied betrifft. Wenn ein Glied leidet, so leiden sie alle und wenn ein Glied verherrlicht wird, so freuen sich alle Glieder mit (vgl. 1. Kor 12,26). Verstehe ich in Wahrheit die Gedanken Gottes, den Reichtum der Gnade und die Fülle der Liebe über uns in Christus Jesus, so kann ich nur auf das Wohl und das Heil aller Mitgeliebten bedacht sein. Wünsche ich, dass der Name Gottes und Christi aus Vieler Mund gepriesen und durch Vieler Wandel verherrlicht werden soll, so werde ich nicht müde werden, alle Miterkauften, zur Liebe und zu guten Werken zu reizen. „Wenn es nun irgendeine Ermunterung gibt in Christus, wenn irgendeinen Trost der Liebe, wenn irgendeine Gemeinschaft des Geistes, wenn irgend innerliche Gefühle und Erbarmungen, so erfüllt meine Freude, dass ihr gleich gesinnt seid, dieselbe Liebe habend, einmütig, eines Sinnes, nichts aus Streitsucht oder eitlem Ruhm tuend, sondern in der Demut einer den anderen höher achtend als sich selbst; ein jeder nicht auf das Seine sehend, sondern ein jeder auch auf das der anderen. [Denn] diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christus Jesus war“ (Phil 2, 1–5). „In der Bruderliebe seid herzlich zueinander, (Röm 12,10). „Lasst eure Milde kundwerden allen Menschen; der Herr ist nahe“ (Phil 4,5).

Ja, Geliebte, der Herr ist nahe; darum seid fest, unbeweglich und nehmt immer zu in dem Werk des Herrn (vgl. 1. Kor 15,28). Haltet eure Lampen geschmückt, denn der Bräutigam hat sich aufgemacht, lasst uns Ihm in aller Unterwürfigkeit entgegen gehen. „Um Mitternacht aber erhob sich ein lauter Ruf: Siehe, der Bräutigam! Geht aus, ihm entgegen!“ (Mt 25,6). Liebe Brüder, es Ist die Nacht weit vorgerückt und der Tag herbeigekommen (vgl. Röm 13,12). Das mitternächtliche Geschrei: „Siehe, der Bräutigam!“ wird in unsern Tagen immer lauter und hörbarer. In vielen Herzen der Glieder Christi ist ein Sehnen nach dem Kommen des Herrn erwacht, und immer werden mehr hinzugetan, welche diese Sehnsucht teilen und mit großem Verlangen auf Den warten, Den Ihre Seele liebt. „Und der Geist und die Braut sagen: Komm! Und wer es hört, spreche: Komm!“ (Off 22,17). Lasst euch doch nicht durch die bösen Knechte irre machen, die in falscher Sicherheit sagen:

„Der Herr kommt noch lange nicht“. Schenkt ihnen kein Gehör, selbst wenn sie mit einem Schein von Wahrheit zu euch kommen. Denkt vielmehr daran, dass Er uns alle recht wacker und untadelig finden möchte, zu Seinem Preis und zu unserm Heil! Die Zeit ist kurz, lasst sie uns recht auskaufen.

Nicht mehr lange, so werden Ihn unsere Blicke sehen und wir werden immerdar bei Ihm sein. Diese Welt ist nicht unsere Heimat, sie vergeht mit ihrer Lust. Unsere Heimat ist am Thron, wohin der Erstgeborne der Brüder schon eingegangen ist, und unser Erbe ist ein ewiges, unverwelkliches und unbeflecktes. Wir sind Christi geworden und tragen Seinen Namen. Wir dulden Spott, Hohn, Lästerung und Drangsale aller Art, weil wir Sein sind; aber getrost, wir sind ja auf der Reise zu Ihm. Die Kinder Eines Vaters, der Bräutigam und die Braut, das Haupt und die Glieder, haben alles gemeinsam. Das ist ja gewisslich wahr: Sind wir mit Ihm gestorben, so werden wir auch mit Ihm leben. Harren wir geduldig aus, so werden wir mit Ihm königlich herrschen (vgl. 2. Tim 2,11). Darum lasst uns mit Freuden den Weg laufen und der herrlichen Kostbarkeit der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus unverrückt entgegen eilen. Bald sind wir am Ziel, jeden Augenblick kann unser Sehnen gestillt und unser Glaube und unsere Hoffnung in ein seliges Schauen verwandelt werden. Unsere Freude sei allezeit am Herrn, denn diese Freude ist unsere Stärke. Lasst uns in einem guten Kampf beharren und Seine Erscheinung stets lieb haben, so wird uns, wenn der Erstgeborene erscheinen wird, die Krone der Gerechtigkeit beigelegt werden.

O, geliebte Brüder, welch eine Freude wird es sein, wenn wir Ihn kommen sehen werden, und Ihm mit allen Heiligen entgegengerückt werden. Darum lasst uns doch in diesen wenigen Tagen nicht ermatten und nicht müde werden im Gutestun, bald, bald werden wir auch ohne aufzuhören ernten. „Wacht, steht fest im Glauben; seid mannhaft, seid stark!“ (1. Kor 16,13). Unsere gegenseitige Ermahnung und unser Zuruf bleibt stets: Der Herr ist nahe!

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