Botschafter des Heils in Christo 1886

"Habt Glauben an Gott!"

Wie geneigt sind wir in Zeiten äußeren Drucks und äußerer Not, unser Auge von dem Herrn abzuwenden und auf irdische Hilfsquellen zu richten! Unsere Herzen sind voll von Vertrauen auf das Geschöpf, voll menschlicher Hoffnungen und irdischer Erwartungen. Wir kennen verhältnismäßig wenig davon, wie gesegnet es ist, einfältig auf Gott zu schauen. Wir sind bereit, überallhin zu blicken, nur nicht auf Ihn. Wir laufen zu jedem durchlöcherten Brunnen und stützen uns auf jeden Zerbrochenen Stab, trotzdem wir eine unerschöpfliche Quelle und den Felsen der Zeitalter stets in unserer Nähe haben. Und doch haben wir zu unzähligen Malen erführen, dass irdische Quellen versiegen und menschliche Hoffnungen trügen, dass der Beste keine untrügliche Stütze und der Reichste keine wahre Hilfsquelle bietet. Enttäuschung über Enttäuschung war unser sicheres Teil, so oft wir auf einen Menschen unser Vertrauen setzten. Wie wäre es anders möglich? „Lasst nun ab von dem Menschen, dessen Odem in seiner Nase ist! denn worin ist er zu achten?“ (Jes 2,22) Und wiederum: „Verflucht ist der Mann, der auf einen Menschen vertraut und Fleisch macht zu seinem Arm, und dessen Herz von Jehova weicht! Und er wird sein wie ein Strauch in der Wüste, und nicht sehen, wenn das Gute kommt; und an dürren Plätzen wird er wohnen in der Wüste, in einem salzigen und unbewohnten Land“ (Jer 17,5–6).

Das ist das traurige Resultat, wenn wir unser Vertrauen auf den Menschen setzen: Dürre, Verwüstung, Enttäuschung. Wir gleichen dann einem verdorrenden Strauch in der Wüste. Keine erfrischenden Regenschauer, kein Tau vom Himmel benetzen ihn; er sieht nicht, wenn das Gute kommt; nichts als Dürre und Trockenheit ist um ihn her. Wie könnte es anders sein? Wenn das Herz sich von dem Herrn, der einzigen Quelle des Segens, abwendet, so kann es nur Enttäuschung und Dürre finden. Es liegt nicht in dem Bereich und der Macht der Kreatur, das Herz zu befriedigen. Das vermag Gott allein. Er kann jedem unserer Bedürfnisse begegnen, alle unsere Wünsche befriedigen. Er lässt nie ein Herz, das Ihm vertraut, zu Schanden werden.

Aber das Vertrauen muss auch ein wahres und aufrichtiges sein. „Was nützt es, meine Brüder“, dürfen wir wohl mit Jakobus sagen, „wenn jemand sagt“, er vertraue Gott, wenn es nicht wirklich der Fall ist? wenn sein ganzes Verhalten beweist, dass er kein Vertrauen auf Gott besitzt? Ein vorgeblicher, eingebildeter Glaube genügt nicht. Es genügt nicht, in Worten und mit der Zunge zu vertrauen. Nein, es muss ein Vertrauen in Tat und Wahrheit sein. Von welchem Nutzen und Wert ist ein Glaube, der mit dem einen Auge auf den Schöpfer, mit dem Anderen auf das Geschöpf blickt? Kann Gott mit dem Geschöpf auf ein und demselben Boden stehen? Unmöglich. Entweder muss es Gott sein, oder – was? Das Geschöpf und der Fluch, der stets dem Vertrauen auf ein Geschöpf folgt.

Beachten wir den Gegensatz: „Gesegnet ist der Mann, der auf Jehova vertraut, und dessen Vertrauen Jehova ist! Denn er wird sein wie ein Baum, der gepflanzt ist am Wasser und am Strom seine Wurzeln ausstreckt und es nicht merkt, wenn eine Hitze kommt. Und sein Laub ist grün, und in einem Jahr der Dürre sorgt er nicht und hört nicht auf, Frucht zu tragen.“

Wie schön! Wie gesegnet! Wer möchte nicht sein Vertrauen auf einen solchen Gott setzen? Welch eine Freude ist es, ganz und gar auf Gott geworfen zu sein, Ihn allein vor dem Auge der Seele zu haben, alle unsere Quellen in Ihm zu finden und fähig zu sein, mit dem Psalmisten auszurufen: „Nur auf Gott vertraue still meine Seele, von Ihm kommt meine Erwartung. Nur Er ist mein Fels und meine Rettung, meine hohe Feste; ich werde nicht wanken!“ (Ps 62,5–6)

Beachten wir das Wörtchen „nur“. Es ist sehr erforschend. Es genügt nicht, zu sagen, dass wir auf Gott vertrauen, während unser Auge begehrliche Blicke auf das Geschöpf wirft. Es ist sehr zu fürchten, dass wir oft von einem Ausschauen nach dem Herrn und seiner Hilfe reden, während wir in Wirklichkeit von einem unserer Mitmenschen Hilfe erwarten. „Arglistig ist das Herz, mehr denn alles, und heillos ist es; wer kennt es? Ich, Jehova, ergründe das Herz und prüfe die Nieren, und zwar um einem jeglichen zu geben nach seinen Wegen, nach der Frucht seiner Werke“ (Jer 17,9–10).

Wie notwendig ist es daher, die tiefsten Beweggründe des Herzens in dem untrüglichen Licht der Gegenwart Gottes zu prüfen! Wir sind nur zu geneigt, durch gewisse schöne Worte, die wir im Mund führen, uns selbst zu täuschen. Die Sprache des Glaubens ist auf unseren Lippen, während das Herz voll Vertrauen auf Menschen ist. Von welchem Wert sind dann jene Worte, so schön sie lauten mögen? Sie haben keine Kraft, keinen Wert, ja, sie sind eine Lüge in unserem Mund. Wir reden zu anderen von unserem Glauben und Vertrauen auf Gott, damit sie uns aus unseren Schwierigkeiten heraushelfen mögen.

Lasst uns aufrichtig sein, geliebte Brüder! Lasst uns wandeln in dem hellen Licht der göttlichen Gegenwart, wo alles so gesehen wird, wie es wirklich ist! Möchten wir nicht Gott seine Verherrlichung und unseren Seelen unermessliche Segnungen rauben dadurch, dass wir bekennen, auf Ihn zu vertrauen, während das Herz im Geheimen nach irdischen, menschlichen Hilfsquellen ausschaut! Möchten, wir nicht der Freude, des Friedens, des Segens, der Kraft und Beständigkeit verlustig gehen, welche der Glaube stets in dem lebendigen Gott und in dem lebendigen Worte Gottes findet! Ja, möchten wir „Glauben haben an Gott!“

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