Botschafter des Heils in Christo 1886

Die zehn Jungfrauen

Als die Zeit nahte, dass der Herr von seinem Volk Israel dem Kreuzestod überliefert werden sollte, rief Er über die Pharisäer, die Schriftgelehrten und Führer des Volkes, die als die Bauleute Ihn, den „Stein.“ verworfen hatten, ein siebenfaches „Wehe euch!“ aus (Mt 23). Dann verließ Er den Tempel mit den Worten: „Siehe, euer Haus wird euch wüste gelassen.“ „Und Jesus trat hinaus und ging von dem Tempel hinweg“ (Mt 23,38; 24,1). Der Tempel war nicht länger Jehovas Haus und Heiligtum; er war nun der Juden Haus, von welchem der Herr sich wegwandte, und das der Zerstörung anheimfallen sollte (Kap 24,2). Da traten seine Jünger herzu mit der Frage: „Sage uns, wann wird dieses geschehen nämlich (die völlige Zerstörung des Tempels), und welches ist das Zeichen deiner Ankunft und der Vollendung des Zeitalters?“ In Beantwortung dieser Frage eröffnet der Herr seinen Jüngern, dass über die Stadt und das Volk schwere Gerichte ergehen, und dass diese ihren Höhepunkt erreichen würden zurzeit des Antichristen, der sich als „Gräuel der Verwüstung an heiligem Ort“ erheben wird wider Gott und seinen Gesalbten. „Alsdann wird große Drangsal sein, dergleichen von Anfang der Welt bis jetzt nicht gewesen ist.“ Jedoch „um der Auserwählten willen“ aus dem für eine Zeit dahingegebenen, aber dereinst „von den vier Winden und den äußersten Enden der Erde“ wieder gesammelten Volk des Herrn werden „jene Tage verkürzt werden“ (Mt 24,22). Diese „Auserwählten“ (vgl. zu dieser Benennung des gläubigen Überrestes aus Israel Jes 65,9.22) werden auch in der Drangsalszeit die Boten bilden, welche „das Evangelium des Reiches auf dem ganzen Erdkreis allen Nationen“ verkündigen.

Das Reich seines Vaters David war dem Herrn vielmals verheißen worden, aber Er wurde verworfen und abgeschnitten aus dem Land der Lebendigen, und hatte nichts (Dan 9,26). Die Verheißung wird sich dereinst noch erfüllen; und die Auserwählten in jener Zeit werden Ihn erwarten. Jedoch werden sie ermahnt, Ihn nicht in der Wüste, noch in den Gemächern zu suchen und nicht zu glauben, wenn Verführer ihnen sagen werden: „Siehe, hier der Christus, oder hier!“ Denn Er, der Verworfene, der jetzt im Himmel thront, wird von dort wiederkommen wie „der Blitz, der vom Aufgang leuchtet bis zum Niedergang“, „mit Macht und großer Herrlichkeit.“ Nach großer Trauer und vieler Herzensangst werden sie Ihn sehen, in den sie gestochen haben, und werden sprechen: „Gesegnet, der da kommt im Namen des Herrn!“ (Sach 12,10–14; Mt 23,39)

Sie werden erkennen, dass der, den ihre Väter verworfen und getötet haben ihr Messias und ihr Jehova war, und werden Ihn aufnehmen mit tiefer Zerknirschung des Herzens und unter lauter Wehklage (Mt 24,30).

Alsdann wird der Herr „König“ sein „auf seinem Thron der Herrlichkeit“, und wird die Nationen voneinander scheiden, gleich wie der Hirte die Schafe von den Böcken scheidet, und wird die Erde richten in Gerechtigkeit. Es wird sich dann völlig erfüllen, was Isaak einstmals segnend dem Jakob verhieß: „Wer dich segnet, der ist gesegnet, wer dich verflucht, der ist verflucht“ (vgl. 1. Mo 27,29 mit Mt 25,34.41). Sowie sich die Völker gegenüber den Brüdern des Königs, den Auserwählten, verhalten haben werden, also wird sein Verhalten ihnen gegenüber sein. Er wird die Einen segnen, die Anderen verfluchen. Und Er wird König sein über sein Volk, und alle Völker werden Ihm dienen (vgl. Sach 14,9; Ps 72; 97; 99).

Unsere Zeit ist die Zeit der Verwerfung Christi und der Zerstreuung Israels, aber auch die Zeit, da Gott durch seinen Heiligen Geist seinem Sohn aus allen Geschlechtern, Völkern und Zungen eine Braut sammelt. Die Kirche oder Versammlung ist „das Weib, die Braut des Lammes“ (Off 21,9). Sie ist für den Herrn, was Eva für Adam war, Fleisch von seinem Fleisch, Gebein von seinen Gebeinen (Eph 5,25–32), „die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt“ (Eph 1,23). Sobald die „Vollzahl der Nationen“ eingegangen ist, wird der Herr für die Seinen wiederkommen und die Braut entrücken, wie Er Henoch vor der Sintflut entrückt hat (vgl. Joh 14,3; 1. Kor 15,51–52; Off 3,10). Am Tag seiner Erscheinung aber, d. h., wenn Er als König kommt, wird Er Seine Braut mit sich bringen, die Er in der Zeit seiner Verwerfung fand; gleich wie Joseph und Moses, die von ihren Brüdern verkauft oder verworfen wurden, aber in der Zeit ihrer Verwerfung aus fremdem Volk ein Weib gewannen und schon besaßen, als sie nachmals nach schweren Gerichten als Retter des Volkes erkannt und aufgenommen wurden.

In dieser Zeit der Sammlung der Braut, in welcher Gottes freie Gnade unter allen Völkern verkündigt und der Schuldige und Verlorene bedingungslos zum Hochzeitsfest des Königs, des Lammes Gottes, geladen wird (vgl. Mt 22,1–9), leben wir also. Alle aber, die Gottes frohe Botschaft vernommen und, wenn auch nur äußerlich, angenommen haben, stehen unter einer besonderen Verantwortlichkeit. Von dieser Verantwortlichkeit spricht der Herr im Verlauf seiner Rede in drei Gleichnissen, die Er zwischen die Ankündigung seiner Gerichte über Israel und die Weissagung seiner Rückkehr als König stellt. Es sind die Gleichnisse von dem Haushalter, der in Abwesenheit seines Herrn das Haus bewachen und dem Gesinde die Speise geben soll; von den Zehn Jungfrauen, die dem kommenden Bräutigam entgegengehen und zum Hochzeitsfest begleiten sollen, und endlich von den Knechten, die mit den anvertrauten Talenten arbeiten sollen, bis ihr Herr wiederkehrt (Mt 24,42–25,30). Es handelt sich in jedem derselben um die Verantwortlichkeit derer, die seinen Namen bekennen, und welche für Christus in der Zeit seiner Abwesenheit als ein Zeugnis in der Welt dastehen sollen.

Wir wollen uns jetzt jedoch nur mit dem mittleren der drei Gleichnisse, mit demjenigen von den zehn Jungfrauen, näher beschäftigen. Wir finden in demselben nicht eine Braut, sondern zehn Jungfrauen, die den Bräutigam nach morgenländischer Sitte zur Hochzeit führen sollen; aber es ist auch neben ihnen keine Braut genannt. Wir haben deshalb die Kirche hier nicht vor uns nach ihrer gesegneten Stellung und Einheit mit Christus, sondern in ihrem dienenden, verantwortlichen Charakter, wobei die Frage, ob die Glieder derselben der Erlösung teilhaftig geworden sind, oder sich nur zu seinem Namen bekennen, zunächst nicht in Betracht kommt.

Im Anfang stand niemand auf dem Boden der Christenheit, der nicht auch errettet und somit ein Glied am Leib Jesu war und zu seiner Braut gehörte. Die Gläubigen lebten getrennt von der Welt, und „niemand wagte, sich ihnen anzuschließen.“ Die ersten Christen bestanden somit nur aus klugen Jungfrauen, und diese werden in unserem Gleichnis auch zuerst genannt. Sie hatten sich „bekehrt von den Götzenbildern zu Gott, um dem lebendigen und wahren Gott zu dienen, und seinen Sohn aus den Himmeln zu erwarten“ (1. Thes 1,9–10). Des Herrn Rückkehr zu ihrer Aufnahme in die Herrlichkeit war, nach seiner Verheißung und der Belehrung durch den Heiligen Geist, ihre Erwartung und Hoffnung (vgl. Joh 14,3; 1. Kor 15,51–52; 1. Thes 4,16–18; Phil 3,20–21; 2. Kor 5,4;). Sie gingen aus, dem Bräutigam entgegen.

Als die Versammlung aber die erste Liebe verlieh, und die Absonderung von der Welt deshalb schwächer wurde, da schlössen sich ihr bald auch Unbekehrte an, die nach der Lampe, dem bloßen Bekenntnis, griffen, aber kein Öl in ihre Gefäße nahmen. Es sind dies die törichten Jungfrauen. Die Absonderung der Gläubigen von der Welt, die der Herr so sehr erflehte (Joh 17), wurde von da ab, gemeinschaftlich wenigstens, aufgegeben und die Verbindung mit der Welt hergestellt. Das Unerlaubte der Gemeinschaft des Lichts mit der Finsternis wurde im Lauf der Jahrhunderte zeitweilig von gläubigen Männern gefühlt; aber der seit Augustins Tagen gebräuchliche, unbiblische Ausdruck: „unsichtbare Kirche“, wonach die wahren Gläubigen nicht von den Unbekehrten zu trennen wären und in ihrer Einheit und Gemeinschaft auf Erden nicht sichtbarlich offenbar werden könnten, beruhigte sie wieder. Schon Paulus spricht in seinem letzten und prophetischen Briefe von solchen, die eine Form der Gottseligkeit haben, aber ihre Kraft verleugnen, und gebietet, sich von solchen zu trennen (2. Tim 3,5).

Die Form der Gottseligkeit ohne Kraft, oder was dasselbe ist, die Lampe ohne Öl, fand aber im Lauf der Jahrhunderte Anerkennung in ihrer Verbindung und Gemeinschaft mit den Gläubigen. Es kam zu einer christianisierten Welt, zu „einem großen Haus mit Gefäßen der Ehre und der Unehre“, von welch letzteren der Heilige Geist unsere Absonderung verlangt (2. Tim 2). Das Zusammengehen der Gläubigen mit den Ungläubigen „in ungleichem Joch“ ist indes nicht nur für die ersteren, sondern auch für die letzteren von Unsegen. Diese werden durch eine solche Verbindung in dem verderblichen Wahne bestärkt, dass es zur Errettung genug sei, der Wahrheit äußerlich zuzustimmen, ohne die Kraft derselben an Herz und Gewissen zur Wiedergeburt erfahren und sich in wahrem Selbstgericht um Heil und Erlösung an Christus gewandt zu haben. Sie haben die Taufe empfangen und sind darin, wie viele meinen, der Wiedergeburt teilhaftig geworden; sie feiern in Gemeinschaft mit den Gläubigen das Abendmahl des Herrn, sie gehen fleißig zur Kirche, um der Predigt des Wortes zuzuhören, und wähnen nun, alles sei in bester Ordnung. Aber ach! Sie sind trotz alledem tot, ohne Leben, ohne Gott in der Welt; sie haben kein Öl in ihren Gefäßen.

Aber auch für die Gläubigen, für die, welche vom Tod zum Leben gekommen sind, ist die bewusste, anerkannte Verbindung mit den Ungläubigen höchst verderblich gewesen. Das Bewusstsein der himmlischen Berufung und Stellung der Kirche Christi ist ihnen mehr und mehr verloren gegangen. Auch die Hoffnung auf die Rückkehr des Herrn als Bräutigam verschwand. „Als aber der Bräutigam verzog, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein.“ So finden wir in den Schriften, Predigten und Liedern selbst gläubiger Männer des Mittelalters und noch der letzten Jahrhunderte wohl vielfach Hinweise auf das kommende Gericht, das als ein allgemeines Endgericht betrachtet wurde, wobei dann die Hoffnung, dem Bräutigam zur Rechten gestellt zu werden, ausgesprochen wird; aber nirgends zeigt sich die freudige Hoffnung und klare Erwartung der Braut, den Herrn als glänzenden Morgenstern noch vor Anbruch des Tages der Rache und der Gerichte zu sehen, um mit Ihm einzugehen zur Herrlichkeit des Vaterhauses.

Der Herr aber, der nicht gern vor den Seinen verbirgt, was Er im Begriff ist zu tun, griff ein, gleich wie wir in unserem ernsten prophetischen Gleichnis lesen: „Um Mitternacht aber ward ein Geschrei: Siehe, der Bräutigam! Geht aus, Ihm entgegen!“ Der Heilige Geist hat die Verheißung des Herrn: „Ich komme bald!“ in diesen letzten Tagen den Herzen der Gläubigen wieder köstlich gemacht und den Schrei: „Siehe, der Bräutigam!“ ergehen lassen. Seit mehreren Jahrzehnten schon macht der Ruf: „Der Herr ist nahe!“ die Runde auf der Erde und hat in vielen Herzen Freude, große Freude hervorgerufen und zugleich eine heilige Absonderung von der Welt, sowie viel Bewegung und Tätigkeit unter allen christlichen Bekennern zuwege gebracht: „Da standen alle jene Jungfrauen auf und schmückten ihre Lampen.“

Der Heilige Geist sucht in dieser Zeit die Gläubigen, „die Heiligen und Geliebten“, zurückzuführen zu dem, was von Anfang ist. Er stellt ihnen die kostbare Person Jesu Christi, in dem wir alles haben, vor Augen, und sagt: „Siehe, der Bräutigam!“ Er ist beschäftigt, sie in die gesegnete Erkenntnis ihrer herrlichen Stellung und himmlischen Berufung in und mit Christus einzuführen. Und wo irgend Gläubige diese Wahrheiten verstanden und erkannt haben, dass Christus in ihnen und sie in Christus sind, da werden sie auch begehren, vor dem Heiligen und Wahrhaftigen treu erfunden zu werden, sein Wort zu bewahren und seinen Namen nicht zu verleugnen. Sie werden mit in den Ruf einstimmen: „Amen, komm, Herr Jesu!“ Sie sind nicht von der Nacht, dass der Herr oder der Tag des Herrn sie „wie ein Dieb ergreife.“ Sie gehen aus, Ihm entgegen!

Der Heilige Geist sagte durch den Mund des Apostels zu den Gläubigen aus den Heiden: „Geht aus von ihnen, und sondert euch ab!“ (2. Kor 6); und zu den Christen aus den Juden: „Lasst uns zu Ihm hinausgehen außerhalb des Lagers, seine Schmach tragend!“ (Heb 13,13) Da nun die Braut hinsichtlich der Erwartung des Bräutigams in Schlaf gefallen, und durch ihre Verbindung mit den Törichten sogar viel Heidnisches und Jüdisches in die Kirche Christi eingedrungen ist, so hären wir nach Mitternacht wieder den Ruf: „Geht aus!“ Hienieden, wo Verderben und Verfall allenthalben wahrzunehmen ist, muss der Treue ausgehen und sich absondern. Dereinst beim Herrn werden die Überwinder „nicht mehr hinausgehen“ (Off 3,11–12).

Über die Masse der Christenheit aber, selbst über Sardes, dem der Herr gebietet, dass es bedenken soll, „wie es empfangen und gehört hat“ (Off 3,1–6), wird der Herr kommen „wie ein Dieb.“ Die bekennende Kirche hat sich mit der Welt verbunden und sich ihr gleichgestellt, und so wird sie auch wie die Welt gerichtet werden. Wie betrübend ist es nun, dass so manche wahre Gläubige trotz der ernsten Ermahnung des Herrn, „auszugehen und Unreines nicht anzurühren“, doch in Gemeinschaft mit den Ungläubigen bleiben, und sich dabei noch auf die Worte des Herrn berufen: „Lasst beides Unkraut (und Weizen) zusammen wachsen bis zur Ernte.“ Ach, sie wissen nicht, dass sie dadurch das schärfste Urteil über sich selbst fällen; denn sie sagen durch ihre Berufung auf jene Worte deutlich, dass die bekennende Kirche und die Welt eins geworden sind (vgl. Mt 13,38). O, möchten doch ihre Herzen geöffnet werden, um auf den mitternächtlichen Ruf: „Siehe, der Bräutigam! Geht aus, Ihm entgegen!“ acht zu haben! Möchten sie nicht länger in Verbindung bleiben mit einem System, das der Herr binnen kurzem aus seinem Mund ausspeien wird!

Doch neben dieser absondernden Tätigkeit nehmen wir noch eine andere Wirksamkeit des Heiligen Geistes wahr, die sich auf die Unbekehrten erstreckt. Doch hören wir, was unser Gleichnis sagt: „Da standen alle jene Jungfrauen auf und schmückten ihre Lampen. Die Törichten aber sprachen zu den Klugen: Gebet uns von eurem Öl, denn unsere Lampen erlöschen. Die Klugen aber antworteten und sagten: Nicht also, damit es nicht etwa für uns und euch nicht ausreiche; geht lieber hin zu den Verkäufern und kauft für euch selbst.“

Die törichten Jungfrauen, unter denen wir uns also nicht etwa Gottlose und Gotteslästerer zu denken haben, wachen mit auf; wir hören zwar jetzt nicht, dass sie mit ausgehen, aber sie kommen doch in Bewegung und „schmücken ihre Lampen.“ Worin dieses Schmücken auch bestehen mag – sei es in vermehrtem Eifer, zu hören und zu lernen, oder in erhöhter äußerer Tätigkeit – Gott wirkt das Bewusstsein in vielen Herzen, dass die Lampe ohne Öl nicht genügt, dass die Gläubigen etwas besitzen, was ihnen gebricht. Jetzt erst, wo der Ruf ertönt: „Siehe, der Bräutigam! Geht aus, Ihm entgegen!“ werden sie inne, dass ihre Lampen erlöschen.

Bloße Kirchlichkeit mit sittlichem Lebenswandel, bloße Rechtgläubigkeit, und wäre sie noch so orthodox, eine bloße Form der Gottseligkeit, und wäre sie noch so schön und anscheinend echt, ohne Leben aus Gott, sind nicht genügend; sie berechtigen nicht zum Eingang in das Vaterhaus. Welch eine Torheit und Täuschung, mit einer Lampe ohne Öl Christus erwarten zu wollen zur Seligkeit! Wie schrecklich muss das Erwachen sein! Wie töricht schon, von Menschen das Heil zu erwarten, wie jene Jungfrauen sagen: „Gebt uns von eurem Öl!“ Was Menschen geben können, mag für diese Zeit scheinbar genügen, genügt aber nicht für die Ewigkeit. Die Erlösung ist eine persönliche Sache; das Heil muss ein persönliches Eigentum werden: „Kauft für euch selbst!“ Der Herr sagt: „Kommt her zu mir!“ (Mt 13,28) Er rät dem betörten Laodizea: „Ich rate dir, Gold von mir zu kaufen!“ (Off 3,18)

Viele Tausende haben in der Tat seit dem Aufwachen der klugen Jungfrauen, seit dem Wiedererwachen der Hoffnung auf das persönliche Kommen Jesu als Bräutigam, Heil und Frieden bei Jesu gesucht und gefunden. Dennoch hören wir neben dem Rufen des Geistes und der Braut nach der Ankunft des Morgensterns, auch ein Rufen: „Wen da dürstet, der komme! Wer da will, der komme und nehme das Wasser des Lebens umsonst!“ (Off 22,17) Viele, viele sind in den letzten Jahrzehnten in der Nähe und Ferne bekehrt worden. Manche, vielleicht viele, aber sind auch noch zurück, die zum Herrn kommen werden; und gewiss eine große Anzahl wird das traurige Los der törichten Jungfrauen teilen (vgl. Lk 13,22.25). „Als diese aber hingingen zu kaufen, kam der Bräutigam, und die bereit waren, gingen mit Ihm ein zur Hochzeit, und die Tür ward verschlossen.“ Welch ein düsteres Bild von den Tausenden, die hienieden eine Form der Gottseligkeit, ich wiederhole, eine vielleicht sehr schöne Form besaßen, aber ohne Leben aus Gott waren und deshalb nicht mit eingehen zur Hochzeit! Sie begehren das Öl und zuletzt noch den Einlass in die Herrlichkeit. Aber zu spät! Sie stehen mit erloschenen Lampen, also in tiefer Dunkelheit, vor verschlossener, auf immer verschlossener Tür.

Geliebter Leser, die Wirklichkeit wird dieses düstre Bild an Schrecklichkeit noch weit übertreffen! Darum lass mich dich fragen: Bist du errettet? Hast du dich je im Licht Gottes gesehen? Hast du erkannt, dass du von Natur blind, nackt und bloß bist, und hast du bei Gott selbst dir Gold gekauft, göttliche Gerechtigkeit, im Feuer geläutert? Sind deine Sünden, dein Leben, dein Herz dir offenbar geworden in Gottes Gegenwart, und bist du gereinigt und mit Gott versöhnt? Kannst du deine Rechte aufs Herz legen und sagen: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt!“? Bist du ein Kind Gottes? „Wer Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein!“ (Röm 8,9) O, ihr Kinder von gläubigen Eltern, ihr Verwandte von Gläubigen, die ihr so oft eingeladen, so oft gewarnt worden seid, wendet euch noch heute zu Christus! Erwartet nicht, dass noch große Dinge geschehen werden! Ungesehen und plötzlich nahm der Herr den Henoch vor der Sintflut hinweg (Heb 11,5); so kann der Herr auch im nächsten Augenblick kommen und in einem Nu die Braut wegnehmen. Wo wirst du dann sein?

Derselbe Herr, der jetzt voll Gnade ruft: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch Ruhe geben!“ muss dann alle von sich weisen, die gleich den törichten Jungfrauen draußen stehen und noch Einlass begehren. Er, der jetzt noch die Tür ist, die frei zu Gott führt (Joh 10,9), wird dann, kann dann nicht mehr öffnen. Die törichten Jungfrauen gehen nicht sogleich ein ins ewige Feuer; sie bleiben zunächst vor verschlossener Tür, hienieden auf der Erde, über welche die Zeit der großen Drangsal kommt. Wohl wird nachmals die Tür wieder geöffnet (Off 19,11), aber nur um dem kommenden Richter und König und den himmlischen Heerscharen aufzutun, damit die Erde gerichtet werde in Gerechtigkeit (Apg 17,31), und Er sein Reich beginne.

Siehe, „noch ist Raum da!“ Und der Herr nötigt durch seine Boten, „hereinzukommen, auf dass sein Haus voll werde.“ Willst du der Einladung folgen? Latz dich bitten, nicht länger mehr aufzuschieben! Und wenn du des Herrn bist, o dann antworte auch auf seine herrliche Verheißung: „Ja, ich komme bald!“ mit glücklichem Herzen: „Amen, komm, Herr Jesu!“

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