Botschafter des Heils in Christo 1886

Noah - Teil 3/4

„Und Noah baute Jehova einen Altar, und nahm Don allem reinen Vieh und von allem reinen Gevögel und opferte Brandopfer auf dem Altar“ (Kap 8,20). Als in späteren Tagen Salomo das Königreich empfing, geschah es auf Grund des Blutes Christi und im Glauben an dasselbe. Es handelt sich hier nicht darum, wie weit das Verständnis Salomos ging, sondern um die wahre Grundlage, auf welcher ihm das Königtum zuteilwurde. Er ging hinauf auf die Höhe zu Gideon, weil dort das Zelt war, welches Mose in der Wüste gemacht hatte, und opferte tausend Brandopfer. So auch unser Patriarch. Sobald er sein Erbe empfing und seinen Fuß auf die „jetzige“ Erde (wie Petrus sie nennt) setzte, bezeugte er durch den Altar und das Opfer, dass er durch die Kraft desselben Blutes in sein Besitztum eintrat; denn in dem Glauben daran betete er an.

Die Antworten Gottes auf den einfältigen Glauben seiner Knechte übertreffen alle Beschreibung. In der Nacht, die jenem Tag folgte, an welchem Salomo sich vorbildlich auf das Blut Christi berufen hatte, erschien ihm Gott und sagte: „Bitte, was ich dir geben soll.“ So kostbar war das Blut in seinen Augen, dass Er sich dem Sünder, der es vor Ihn gebracht hatte, sogleich zur Verfügung stellte! Und auf Grund desselben Blutes und des Glaubens, der es vor Ihn bringt, dürfen auch wir jetzt zu einem jeden sagen: Bitte den Herrn, deinen Gott, um was du willst; erbitte es in der Tiefe oder in der Höhe, ja, fordere von Ihm alles, was du bedarfst, alles, was seine Hände bereitet haben! Er wird es dem Glaubenden nicht vorenthalten. Es verhält sich mit uns, wie mit Salomo. War er in sich besser oder vor Gott willkommener, als wir? Nein, in keiner Hinsicht.

So war auch bei Noah nichts anderes vor Gott, als das Opfer und der Glaube, der sich auf dasselbe stützte. „Und Jehova roch den lieblichen Geruch, und Jehova sprach in seinem Herzen: Nicht mehr will ich hinfort die Erde verfluchen um des Menschen willen; denn das Dichten des menschlichen Herzens ist böse von seiner Jugend an; und nicht mehr will ich hinfort schlagen alles Lebendige, wie ich getan habe. Forthin, alle Tage der Erde, soll nicht aufhören Saat und Ernte, und Frost und Hitze, und Sommer und Winter, und Tag und Nacht.“ Die Reinigung der Erde durch die Wasser des Gerichts hatte keine Veränderung in dem Dichten und Trachten des menschlichen Herzens hervorgebracht. Es war noch böse und nur böse; es war unverändert geblieben, denn: „was aus dem Fleisch geboren ist, ist Fleisch.“ Es gab in dem Menschen keine Veränderung, welche Gott Gedanken des Friedens über ihn hätte eingeben können; es war einzig und allem das Blut, auf welches der Glaube eines armen Sünders vor Ihm sich stützen konnte. Aber dieses Blut erweckte trotz des Bösen Gedanken des Friedens in seinem Herzen. Christus stand vor den Augen Gottes, und das war genug. Gerade so wie es der Fall war an dem großen Versöhnungstag in Israel (3. Mo 16). Das Blut der Besprengung wurde da überall gesehen. Das war das große Geheimnis, der Hauptgrundsatz jenes vorbildlichen Tages. Das Blut des Lammes Gottes wurde in die Gegenwart Gottes gebracht, begleitet von der Wolke des Weihrauchs, so dass Aaron selbst verborgen blieb, während zugleich kein Mensch in dem Zelt der Zusammenkunft sein durfte, solange der heilige Dienst der Sprengung des Blutes währte. Christus wurde vorbildlich gesehen, und nur Er allein; und die Folge davon war, dass die Sünden hinweggetragen wurden in eine Wüste, in ein ödes Land – an einen Ort des Vergessens, wo es keine anklagende, richtende oder verdammende Stimme mehr gab, ja, wo nichts gehört werden konnte, als die Stimme jenes Blutes, das Besseres redet, als das Blut Abels.

Jenes Blut stand auch in dem Fall Noahs vor dem Auge Jehovas und bewegte sein Herz. „Jehova sprach in seinem Herzen: Nicht mehr will ich hinfort die Erde verfluchen.“ Wie der Herr selbst sagt: „Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse.“ Das Herz Jehovas besiegelte die Annahme des Opfers, als der glaubende Noah sich vorbildlich auf Jesus stützte. Die unbeschränkte Aufforderung Gottes: „Bitte, was ich dir geben soll!“ besiegelte sie später für Salomo (2. Chr 1). In diesen und ähnlichen Zeugnissen, die sich wieder und wieder im Alten Testament in Vorbildern und Schatten finden, erkennen wir eine gesegnete Darstellung des Wertes des Kreuzes Christi vor Gott. Das Zerreißen des Vorhangs, das Erdbeben und die geöffneten Gräber zurzeit, als das wahre Opfer ein für alle Mal dargebracht würde, bezeugten dasselbe. In der verschiedensten Weise wird die Annahme des auf Golgatha geschehenen Werkes bestätigt und bezeugt.

Noah wird jetzt auch der Gegenstand neuer und vielfältiger Segnungen in der Herrlichkeit der neuen Erde, wie er vorher schon gesegnet war in der Erwählung der Gnade und in der Gerechtigkeit, die aus Glauben ist. „Und Gott segnete Noah und seine Söhne und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch, und füllt die Erde. Und eure Furcht und euer Schrecken sei auf allem Getier der Erde und auf allem Gevögel des Himmels, in allem, was sich regt auf dem Erdboden, und in allen Fischen des Meeres; in eure Hand sind sie gegeben.“

Diese Segnung brachte Noah auf der neuen Erde Besitz und Herrschaft, sowie die freie Benutzung aller Geschöpfe, welche gut zur Speise waren. „Alles, was sich regt, was da lebt, sei euch zur Speise.“ Das war ein großes Geschenk, so ausgedehnt, wie der Schauplatz, der ihn umgab. Er war Herrscher über alles, was er rings um sich her erblickte, Herr der neuen Erde, wie Adam Herr des Gartens gewesen war. Indes wird Noah nicht nur geehrt und bereichert, sondern auch unterrichtet; er wird belehrt, dass das Blut der Tiere nicht mit ihrem Fleisch gegessen werden sollte. „Das Fleisch mit seiner Seele, seinem Blut, sollt ihr nicht essen.“ Dieser Grundsatz zieht dem Geschenk, welches Noah empfing, eine Grenze, sowie einst das Geschenk, das Adam empfing, eine Beschränkung erfahren hatte dadurch, dass der Baum in der Mitte des Gartens davon ausgeschlossen wurde.

Das Blut war das Leben, und deshalb sollte der Mensch es nicht essen. Es würde das ein eigenwilliges Wieder –an –sich –reißen dessen gewesen sein, was er durch die Sünde verloren halte. Infolge seines Falles war ihm der Weg zum Baum des Lebens für immer versperrt worden; wie hätte er sich einen Durchgang durch das zuckende Schwert der Cherubim erzwingen können? Diese Anordnung sagte dem Sünder, dass er sein Recht auf den Baum des Lebens für immer verloren hatte und in eigener Kraft nie wieder zu demselben gelangen konnte. Das Leben ist gleichsam wieder zu Gott zurückgekehrt, das Blut gehört Ihm. Und das Evangelium sagt uns, wie Er es dazu benutzt hat, um für den verlorenen, im Tod liegenden Sünder ein neues, unvergängliches und ewiges Leben zuzubereiten. Die Handlungsweise Gottes in dem Evangelium wird uns daher in der göttlichen Verordnung an Noah aufs Neue dargestellt: „Das Fleisch mit seiner Seele, seinem Blut, sollt ihr nicht essen.“ Der Altar Noahs hatte uns schon gesagt, dass er, wie Adam, an den Samen des Weibes glaubte, und dass jenes Geheimnis die Grundlage seiner Religion und seiner Anbetung bildete. Und hier, wo Gott ihm alle Dinge zum Besitz und zum Gebrauch gibt, übergeht Er diese große Ausnahme in seinem Geschenk nicht, weil sie den seinem Evangelium zu Grund liegenden Hauptgedanken ausdrückt. Diese Ausnahme war, infolge der seit den ersten Tagen Adams eingetretenen großen Veränderung und im Blick auf den Unterschied zwischen einem unschuldigen Geschöpf und einem ruinierten Sünder, ebenso passend und notwendig, wie die Ausnahme des Baumes der Erkenntnis, als Gott, der Schöpfer, einst alles das dem Adam schenkte, womit Er den Schauplatz geschmückt und angefüllt hatte.

Wir empfangen Leben von Jesu, der durch sein Blut Versöhnung gemacht hat, indem wir zugleich völlig anerkennen, dass wir es sonst nirgendwo erhalten können. Wir wissen, dass wir tot waren in Vergehungen und Sünden, aber wir wissen auch, dass wir jetzt Leben haben in Ihm, und in Ihm allein. Adam lernte dies durch die Verheißung des Samens des Weibes und durch das Schwert der Cherubim; Noah lernte und bezeugte es durch jene Verordnung und durch seinen Altar. Ja, das ganze Buch Gottes offenbart diese Wahrheit, und die Ewigkeit wird sie verherrlichen.

Doch mehr noch; wir finden Noah mit dem Schwert der Gerechtigkeit in der Hand. Sein Mitmensch sollte beschützt und gerächt werden. Die Person des Menschen war geheiligt, und sein Leben oder sein Blut sollte gefordert werden von einem jeden, der es vergoss. „Und wahrlich, euer Blut, das Blut eurer Seelen, will ich fordern; von der Hand alles Getiers will ich es fordern und von der Hand des Menschen, von der Hand eines jeglichen, seines Bruders, will ich die Seele des Menschen fordern. Wer eines Menschen Blut vergießt, durch Menschen soll sein Blut vergossen werden.“ 1

Wer wird dem nicht unwillkürlich zustimmen? Unser ganzes Gefühl urteilt, dass es richtig ist, die Person des Menschen als geheiligt zu behandeln. Während jedes andere lebende Wesen dem Gebrauch des Menschen unterworfen wurde, sollte sein Mitmensch in seinen Augen geheiligt sein, und zwar deshalb, weil er „im Bild Gottes“ geschaffen ist. Es ist eine Würde in dem Menschen, die er allein besitzt; er ist das natürliche Haupt der Schöpfung. Er ist der Besitzer und Regent, nicht aber ein Teil des übertragenen Erbes oder des anvertrauten Besitztums.

Wir kommen jetzt zu einem anderen wichtigen Gegenstand. „Mit dir will ich meinen Bund errichten“, hatte Gott zu Noah gesagt, bevor die Arche gebaut war. Jetzt nachdem das Gericht vorüber und die neue Erde in Besitz genommen ist, wird jener Bund dem Auserwählten Gottes ausführlich vorgestellt und aufs Neue zugesichert. Das Wort „Bund“ wird bei Noah zuerst gebraucht. Die Bündnisse, von denen wir in der Schrift lesen, haben alle ihren besonderen Charakter. Die Personen, zwischen denen sie errichtet werden, sowie die Gegenstände, auf welche sie sich beziehen, werden alle genau bezeichnet. Sie können nicht verwechselt werden. Mag es sich handeln um den Bund mit Noah betreffs der Erde, um den Bund mit Abraham und seinem Samen, um den Bund mit Pinehas betreffs des Priestertums oder mit David in Bezug auf den Thron – stets werden die Personen und Gegenstände deutlich genannt. Allein alle diese Bündnisse, ob einzeln oder zusammengenommen, stellen nicht die besondere Berufung der Kirche dar. Geistliche Segnungen in den himmlischen Örtern und die Resultate des Einsseins mit Christus werden durch dieselben weder beschrieben noch angedeutet. Das Alte Testament redet nichts von der besonderen Stellung, Berufung und Hoffnung der Kirche. Dagegen offenbaren die Schriften des Neuen Testamentes in reichem Maß einen Vorsatz oder einen Ratschluss, den Gott gefasst hat nach dem Wohlgefallen seines Willens, ein Geheimnis, welches vor Grundlegung der Welt in Gott verborgen war und das die Kirche unmittelbar betrifft (siehe Röm 16,25; 1. Kor 2,7; Eph 1,9; 3,8–11; Kol 1,26; 2. Tim 1,9).

Es könnte hier die Frage entstehen: Nimmt denn dieser Vorsatz oder Ratschluss nicht die Form eines Bundes an? Hat er überhaupt nicht den Charakter eines Bundes? Er wird nie so genannt, obwohl viele Dinge als mit ihm in Verbindung stehend angedeutet werden, welche die Natur eines Bundes haben. Es werden Verheißungen gegeben, Bedingungen aufgestellt und Anordnungen getroffen, wie es zwischen zwei Parteien geschieht. „In der Rolle des Buches ist von mir geschrieben“ – „ich war eingesetzt von Ewigkeit her“ – und ähnliche Worte von hoher und heiliger Bedeutung mögen zur richtigen Beantwortung dieser Frage beitragen. Nicht nur waren unsere Auserwählung und Bestimmung die Gegenstände der Ratschlüsse Gottes vor Grundlegung der Welt (Röm 8,28–29; Eph 1,4–5; 1. Pet 1,2), sondern wir wurden damals auch förmlich und tatsächlich von dem Vater Christus gegeben (Joh 6,37.39; 10,29; 17,2–9). Auch hören wir, dass Gott das ewige Leben verheißen hat vor den Zeiten der Zeitalter (Tit 1,2), ein Wort, das gleichfalls den Charakter eines Bundes andeutet.

Wie gesagt, wird der Ratschluss Gottes in Bezug auf uns nicht ein Bund genannt, aber doch hat er manche Eigenschaften eines Bundes. Und wie wird der Geist eines Gläubigen erfreut durch die gesegnete Wahrheit, dass bei jener großen Handlung die ganze Gottheit zu Gunsten unserer Seelen tätig war! So lesen wir z. B. in 1. Petrus 1: „Auserwählt nach Vorkenntnis Gottes, des Vaters, durch Heiligung des Geistes, zum Gehorsam und zur Blutbesprengung Jesu Christi.“ Welch unerschütterliche Grundlagen sind das! Welch eine wunderbare Offenbarung der Gnade! Gott selbst, Vater, Sohn und Heiliger Geist, sind in Beratschlagung und in Tätigkeit für uns! In dem Evangelium der Gnade nimmt der Mensch nur den Platz des Sehens und Hörens ein, Gott denjenigen des Handelns. Und diese Handlungen Gottes sind, wie wir sehen, die Frucht köstlicher und wunderbarer Vorsätze, die Er in sich selbst fasste, bevor die Welten gegründet waren. Kann es für den Sünder wohl etwas geben, was die Unruhe seines Gewissens besser zu stillen vermöchte, als diese Handlungen und Opfer Gottes für Hu gemäß seinen ewigen Ratschlüssen?

Noah erhielt die Verheißung, dass die Wasser nicht wieder zu einer Flut werden sollten, die Erde zu verderben; aber diese Verheißung ruhte auf den festen Grundlagen des Blutes eines Bundes. Noahs Altar hatte schon einen lieblichen Geruch, einen Geruch der Ruhe, zu Gott emporsteigen lassen; und in der Befriedigung und Freude darüber hatte der Herr gesagt: „Nicht mehr will ich hinfort die Erde verfluchen um des Menschen willen.“ Jenes Blut war die Grundlage der Verheißung. Es gibt keine verheißene Segnung, die nicht zugleich eine erworbene ist – keinen Thron der Gnade, der sich nicht auf die Lade des Bundes stützt.

Doch dem Bund fehlt auch sein Siegel nicht. Der Bogen in den Wolken besiegelt ihn, wie das Blut ihn aufrechterhält. Wunderbare Gedanken treten in diesem allem vor unsere Seele. Die Grundlage und das Zeugnis, das Blut und das Siegel, der Beweggrund und die Bestätigung der großen Tat Gottes stehen hier vor uns. Aber alle diese Zeichen, so schön und köstlich sie auch sein mögen, verschwinden, sobald wir an das große Gegenbild dieser Dinge denken. Der Heilige Geist selbst ist uns jetzt gegeben als das Siegel unserer Sohnschaft, als das Unterpfand unseres Erbes, das Zeugnis des vollendeten Werkes Jesu und der Annahme desselben in all seiner Genügsamkeit und Kostbarkeit.

Wie köstlich ist der Gedanke, dass die Verheißung, Gottes durch das Blut des Sohnes aufrechterhalten und durch die Gegenwart des Geistes bezeugt wird! Wie hat Gott sich selbst uns mitgeteilt in dieser wunderbaren Tat für Sünder! Die Seele kann nichts Höheres empfangen. Wir haben Anteil an göttlichen Handlungen, und zwar an solchen Handlungen, die auf ewige Ratschlüsse gegründet sind, und die uns den Namen Gottes offenbaren, als „Vater, Sohn und Heiliger Geist.“

Die Betrachtung dieses Geheimnisses sollte unsere Herzen erheben, und wir sollten, wie Mose, „hinzutreten, um dieses große Gesicht zu sehen.“ Möchten wir viel darüber nachdenken. „Das Geheimnis Jehovas ist für die, welche Ihn fürchten, und sein Bund – um ihnen denselben kund zu tun“ (Ps 25,14). Lasst uns diese große Handlung Gottes betrachten, die, bevor die Welten waren, angeordnet wurde; lasst uns sie betrachten, wie sie alle Kräfte der göttlichen Liebe und Macht in dem Vater, Sohn und Heiligen Geist in Bewegung setzt und die tiefsten und wunderbarsten Vorsätze der Gnade und Herrlichkeit für die Auserwählten fasst; lasst uns den Blick darauf richten, bis wir, wie Mose, Ihn entdecken, der der Mittelpunkt von diesem allen ist und dessen Name alles erklärt.

Welch eine wunderbare Sache! Von Natur sind wir weit entfernt und entfremdet von Gott; wir sind so in Gefangenschaft, dass wir nicht einen Schritt vorwärtskommen können. Aber Gott selbst hat es unternommen, die unermessliche Entfernung, die uns von Ihm trennte, zu beseitigen und das Haus unseres starken Feindes anzugreifen. Und in der Menschwerdung Jesu Christi, in seinen Leiden und seinem Sieg hat diese große Tat der Liebe ihre Erfüllung gefunden, und wir sind umgeben „mit Rettungsjubel.“ Wäre es möglich, dass wir, während wir dies anstaunen, noch im Geringsten fürchten könnten, der Entfernte sei nicht nahegebracht, oder der Gefangene nicht befreit? „Gewiss, bei Flut großer Wasser – sie werden ihn nicht erreichen.“ Wir dürfen mit aller Gewissheit sagen: „Du bist ein Bergungsort für mich; vor Bedrängnis behütest du mich; du umgibst mich mit Rettungsjubel“ (Ps 32).

Diesen allgemeinen Gedanken über die Bündnisse und ihre Zeichen möchte ich noch eine Bemerkung über das dem Noah gegebene Zeichen hinzufügen. Es hat eine schöne Bedeutung. Der Bogen ruhte, so zu sagen, triumphierend auf den Wolken; sein Ansehen und seine Stellung waren die eines Siegers. Er rief der Wolke gleichsam zu: „Bis hierher sollst du kommen und nicht weiter.“ Die Erde sowohl, wie der Bund, der jene sicherstellt, leben in dem Gedächtnis Gottes. „Der Bogen wird in den Wolken sein; und ich will ihn ansehen, um zu gedenken des ewigen Bundes zwischen Gott und jeglicher lebendigen Seele in allem Fleisch, das auf Erden ist.“ Gott gedenkt also dieser Verheißung für die Erde und sieht den Bogen in den Wolken an zu aller Zeit und während all der verschiedenartigen Verwaltungen Gottes auf der Erde. Er gedachte daran, während die Herrlichkeit ihren Wohnsitz auf der Erde aufgeschlagen und Gott selbst sich zwischen, den Cherubim in dem Tempel zu Jerusalem niedergelassen hatte. Und als der Thron Gottes jene Stadt verließ und das Heiligtum wegen der Gräuel des Volkes die Herrlichkeit verlor, wurden der Thron und die Herrlichkeit durch den Regenbogen zum Himmel begleitet (Hes 1–11). Und obgleich die Erde dann für eine Zeit aufhörte, der Wohnplatz Gottes zu sein, so blieb sie doch noch vor Ihm im Gedächtnis. Er wollte ihrer eingedenk sein als des Gegenstandes seiner treuen Fürsorge gemäß seiner Verheißung. 2

Daher sehen wir auch, wenn der Himmel vor unseren Blicken geöffnet wird, den treuen Bogen den Thron umringen (Off 4). Ferner zeigt er sich, wenn der Herr zur sofortigen und unmittelbaren Ausführung des Gerichts erscheint. In Offenbarung 10 sehen wir einen starken Engel, den göttlichen Vollstrecker des Tages des Herrn, herniederkommen auf die Erde, bekleidet mit einer Wolke, dem Symbol des Gerichts und dem schrecklichen Gefäß der Rache. Aber auf seinem Haupt glänzt der Regenbogen, und das zeigt uns, dass Gott bis zum Ende hin seiner Verheißung betreffs der Erde gedenkt. Die Wolke muss allerdings Herabkommen – „sie werden sehen den Sohn des Menschen, kommend auf den Wolken des Himmels.“ Das Gericht muss stattfinden; die Bücher müssen aufgetan und die Schalen ausgegossen werden, aber es geschieht nur, um diejenigen aus dem Reich zu entfernen, welche lästern, „um diejenigen zu verderben, welche die Erde verderben.“ Wenn die Wolke ihren Auftrag ausführt, muss sie auf das Geheiß des Bogens innehalten. Der Tag des Herrn, oder das Gericht, muss der Gegenwart des Herrn, oder der Erquickung und Wiederherstellung, Platz machen. „Es wird keine Frist mehr sein“, mag der starke Engel rufen; der gegenwärtige Zeitlauf mag wieder unterbrochen werden, wie einst in den Tagen Noahs, aber vor den Augen des Herrn glänzt der Bogen so herrlich wie je zuvor, und in seinem Herzen lebt seine Verheißung. Wie Israel um der Väter willen, so ist die Erde noch geliebt um Noahs willen – jenes wahren Noah, in dem (und in dem allein) alle Verheißungen Gottes Ja und Amen sind, und von welchem in seiner ganzen Fülle und Wahrheit gesagt werden wird: „Dieser wird uns trösten über unser Tun und über die Mühsal unserer Hände wegen des Erdbodens, den Jehova verflucht hat.“

Unsere Erde wird daher das Gericht überdauern; sie wird den Stoß des Herniederkommens des starken Engels aushalten, obgleich derselbe mit einer Wolke bekleidet ist und seinen rechten Fuß auf das Meer und den linken auf die Erde setzt und mit starker Stimme ruft, wie ein Löwe brüllt. Und wozu wird sie aufbewahrt? Noch zu etwas Höherem, als was der Bogen ihr verheißen hat. Sie wird nicht nur erhalten mit Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht, sondern sie wird freigemacht werden „zu der Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes.“ Das ist mehr, als verheißen war. – So wird das Siegel anerkannt und das Pfand eingelöst werden. Welch ein herrliches Geheimnis: Gottes Verheißung, mit dem Opfer des Sohnes als Grundlage und der Gegenwart des Geistes als Zeugnis!

Und nun, Geliebte, sollten wir solchen Offenbarungen Gottes mit derselben Ruhe gegenüberstehen, mit welcher sie uns gegeben werden? Oder was geziemt sich für uns? Die Königin von Scheba stand den Herrlichkeiten Salomos durchaus nicht in derselben Weise gegenüber, in welcher Salomo unter ihnen wohnte. Salomo war in ihrer Mitte zu Haus; sie waren alle sein eigen. Es war seine Weisheit und sein Haus, das er gebaut hatte, die Speise seines Tisches und das Sitzen seiner Knechte; es war sein Aufgang, auf dem er hinaufging zum Haus Jehovas. Die Königin von Scheba aber kam aus dem fernen Süden und war in dieses alles nur eingeführt. Passend war es, dass Salomo darin ruhte, und passend, dass sie außer sich kam. So sollte es auch sein mit dem Buch Gottes und dem Gläubigen. Alle die tiefen und kostbaren Geheimnisse, welche der Geist darin entfaltet, sind sein eigen, die Gedanken und Ratschlüsse des Herzens Gottes. Wir finden da keine Anstrengung, um bei der Mitteilung derselben Effekt hervorzurufen; die Erzählung der Wunder der Gnade und Herrlichkeit ist ungekünstelt. Aber sollte die Seele, die darin eingeführt wird, ebenso unbewegt sein? Im Gegenteil! Sie sollte noch viel mehr in Entzücken geraten, als jene, die von den äußersten Enden der Erde kam; denn „mehr als Salomo ist hier.“

Ach, möchten wir mehr von diesem Entzücken kennen! Wir reden gar zu leicht von den Dingen Gottes in einer Weise, als ob nicht mehr Kostbarkeit darin enthalten wäre, als das, was unsere Herzen davon erfassen können. Aber wenn vor unseren erstaunten Blicken ein Geheimnis nach dem Anderen aus der Weisheit dessen, der größer ist als Salomo, hervorkommt, dann sollte wahrlich auch die Sprache unserer Herzen sein: „Glückselig sind deine Männer, glückselig diese deine Knechte, die vor dir stehen beständig, die deine Weisheit hören!“ (Schluss folgt)

Fußnoten

  • 1 In Noah wurde der Grundsatz der Regierung dargestellt, wie Adam der Repräsentant der Schöpfung war.
  • 2 Gerade so verhält es sich mit dem Thron Davids. Derselbe liegt gegenwärtig in Trümmern; aber der Herr gedenkt seiner Verheißung in Bezug auf ihn, wie derjenigen betreffs der Erde. In Jeremia 33,20-26 finden wir diese beiden Verheißungen und Bündnisse miteinander verbunden. Obgleich jetzt missachtet und von den Bösen bespöttelt, sind diese Verheißungen doch noch im Gedächtnis Gottes, und sie werden zu ihrer Zeit in Erfüllung gehen.
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