Was sagen uns die Psalmen?

Psalm 74-77

Psalm 74

Vers 1‑11

Asaph ist hier das Werkzeug in der Hand Gottes, um die Klagen des Überrestes Israels in der Endzeit in Worte zu kleiden. Es handelt sich hier um die Getreuen aus dem ganzen zwölfstämmigen Volk. Anlässlich der Rückkehr nach dem Lande der Väter vor der Aufrichtung des Tausendjährigen Reiches macht Gott einen Unterschied zwischen Juda und Benjamin (die Juden) und den zehn Stämmen. Die ersteren sind es, die ihren Messias verworfen haben; die zehn Stämme hingegen, die sich damals noch in der Gefangenschaft befanden, sind unschuldig in Bezug auf diese schreckliche Tat. Sie werden aber nichtsdestoweniger durchs Gericht gehen müssen, denn auch sie bedürfen der Läuterung, bevor sie der Segnungen des Tausendjährigen Reiches teilhaftig werden können. Ihre Drangsal wird jedoch verschieden sein von derjenigen der Juden, die sich an ihrem Messias vergriffen und Ihn dem Kreuzestod überliefert haben. Nach den Worten Asaphs in unserm Psalm zu urteilen, besteht das Strafgericht zum Teil darin, dass der Tempel, die Stätte der Anbetung, vernichtet ist, und Gott nicht mehr wie früher inmitten Seines Volkes wohnen kann, Geschichtlich betrachtet ist die Zerstörung des Tempels bereits unter Nebukadnezar geschehen, siehe 2. Chr. 36, 17‑21.

Vers 12‑23

Jerusalem mit dem Tempel und dem Altar darin war für Israel der Inbegriff der Gegenwart Gottes in seiner Mitte. Wie überaus schmerzlich muss es für die Treuen im Volke nun sein, wenn sie sehen, dass die Stadt von Widersachern niedergetreten und der Tempel nur noch eine Trümmerstätte ist! Auch gibt es keine Propheten mehr, die, wie früher, dem Volke das Wort Gottes mitteilen und eine Antwort auf die Frage: „bis wann?“ geben können.

Es ist indessen ergreifend, den Glauben jenes Überrestes wahrnehmen zu dürfen. Trotz der Bedrückung des Feindes, und obschon die Verbindung mit oben unterbrochen ist, geben diese Gerechten ihr Vertrauen nicht auf. Sie halten daran fest, dass Israel ein aus Ägypten erlöstes Volk ist und erinnern ihren Gott an die Wunder, die Er seinetwegen getan hat. Sie klammern sich an Seine Verheissungen und leben in der Überzeugung, dass Er trotz allem ihrer gedenken und sie aus ihrer Trübsal herausführen werde. Das Interesse für die heilige Stätte und das Vertrauen zu Gott, welches diese Gläubigen hier bekunden, muss uns tief beeindrucken.

 

Psalm 75

Der erste Vers gibt uns eine Zusammenfassung der Gedanken des Verfassers, nachdem er die Wege Gottes mit den Übermütigen an sich hat vorübergehen lassen. jene Menschen mögen Gelingen haben in der Welt und sich erhöhen, aber was ihn anbelangt, so hat er in den Heiligtümern Gottes ihr Ende angesehen. Für ihn selber ist es wichtig, dass er die Gemeinschaft seines Gottes geniessen kann. In den folgenden Versen sehen wir einerseits den erhabenen Gott, den Richter der Erde, und anderseits die Menschenkinder. Die Zeit wird kommen, wo Er sie in Geradheit richten wird. Endlich wird ein unbestechlicher Richter auf dem Richterstuhl sitzen, und keiner wird bestehen können, der nicht zuerst Jesus als seinen persönlichen Heiland angenommen hat. Bevor aber dieses Gericht abgehalten wird, ergeht Seine Mahnung an die Menschen: „Ich sprach zu den Übermütigen: Seid nicht übermütig! und zu den Gesetzlosen: Erhebet nicht das Horn!“ In Seinem Erbarmen warnt Gott bis zum letzten Augenblick, denn Er will, „dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ (1. Tim. 2, 4). Möchten doch jetzt schon alle erkennen, mit wem sie es zu tun haben, und sich retten lassen solange der Tag der Gnade noch währt!

 

Psalm 76

Wir haben bereits erwähnt, dass das dritte Buch der Psalmen nicht mehr ausschliesslich die beiden Stämme Juda und Benjamin zum Gegenstand hat, sondern ganz Israel: „Bekannt ist Gott in Juda, in Israel gross sein Name.“ Hier sehen wir prophetischerweise das zwölfstämmige Volk vereinigt in seinem Lande. Das Gericht über die Nationen ist vollzogen (Offbg. 19, 11‑21), und „alle Sanftmütigen des Landes“ sind gerettet. Gott wohnt wieder inmitten Seines Volkes: „in Salem ist seine Hütte, und seine Wohnung in Zion“.

Die Verse 3‑9 geben uns die Gedanken jener geretteten Sanftmütigen wieder; mit Bewunderung schauen sie auf die Gerichte Gottes zurück und dürfen nun die Frucht ihrer Leiden und Entbehrungen geniessen. Zur Zeit als die grosse Masse des Volkes dem Antichrist nachlief, waren sie von allen verachtet und mussten schwere Drangsal erleiden. Nun dürfen sie erleben, dass sie nicht umsonst ihrem Messias die Treue gehalten haben. Wir können hier einen Vergleich machen mit denen, welche heute um ihres Glaubens willen leiden müssen. Bald kommt der Augenblick, wo auch sie die Rettung Gottes sehen werden.

 

Psalm 77

Wir erkennen hier einen ähnlichen Gedankengang wie in Psalm 73, der auch von Asaph verfasst wurde. In beiden stellt er in der ersten Hälfte des Psalmes Vergleiche an, welche aber dem Gläubigen meistens nicht förderlich sind. Sei es, dass er im 73. Psalm an das Gedeihen der Übermütigen denkt und sich mit ihnen vergleicht, oder, wie hier, mit Sehnsucht feststellt, dass die früheren Tage besser waren als die gegenwärtigen ‑ das Ganze ist eine unfruchtbare Arbeit. Aspah ist uns hierin ein warnendes Beispiel. Nachdem er eine Weile seine trübseligen Betrachtungen fortgesetzt hat, kommt er zu der Erkenntnis: „das ist mein Kranksein“. Und dann gibt er seinen Gedanken eine andere Richtung; er will sich das Tun Gottes vorstellen und über Seine Taten nachsinnen. Von da ab tritt eine glückliche Wendung ein. Hier, wie in Psalm 73, war diese Wendung nur möglich, nachdem er an Gott dachte in Seinem Heiligtum. An dieser heiligen Stätte befindet sich der göttliche Prüfstein, wo die früheren und die gegenwärtigen Wege Gottes gemessen werden können.

Unser Psalm ist in zwei Abschnitte eingeteilt: In der ersten Hälfte, Verse 1‑9, sehen wir Asaph in der Traurigkeit seines Herzens; kein Lichtstrahl ist ersichtlich, kein Hoffnungsschimmer lässt sich blicken. Doch von Vers 10 an scheint wieder das Licht. Es ist derselbe Asaph, den wir sprechen hören, aber er ist wie umgewandelt. Vorher sah er alles nur von der negativen Seite an, jetzt aber erscheinen ihm die Dinge im hellen Sonnenschein der Macht und Güte Gottes.

Sind wir nicht manchmal Asaph ähnlich, wie er hier vor uns steht? Wie leicht sind wir geneigt, wenn eine Prüfung über uns kommt, uns dem Trübsinn hinzugeben, und wir vergessen, dass unser Vater uns ebenso sehr liebt wie in den Tagen, als es uns äusserlich gut ging. Wenn wir in diese Gefahr geraten, so lasst uns in die Heiligtümer Gottes eintreten. Dort werden wir erkennen, dass Er uns aus Liebe erzieht und züchtigt, und was uns vorher dunkel war, wird im Sonnenschein Seiner Gnade und Seines Erbarmens hell.

Nächstes Kapitel »« Vorheriges Kapitel