Botschafter des Heils in Christo 1870

Josia und seine Zeit - Teil 3/3

Doch wir wollen zu Josia zurückkehren und sehen, wie er nach seinem Maß den großen Grundsatz anerkannte, bei dem wir verweilen. Er machte in der Tat keine Ausnahme von der allgemeinen Regel, sondern trat in die Fußstapfen aller gottesfürchtigen Könige Judas, die stets auf die Einheit des Volkes Israel Rücksicht nahmen und nie zugaben, dass ihre Gedanken, ihre Sympathien und ihre Handlungen von einem engeren Rahmen, als dem „unserer zwölf Stämme“ begrenzt wurden. Die zwölf Brote auf dem Schaubrottisch waren stets vor dem Auge Gottes, und stets vor dem Auge des Glaubens. Auch war dieses keine bloße Anschauung, kein leeres Dogma, kein toter Buchstabe, sondern es war in jedem Fall eine große, praktische, einflussreiche Wahrheit. „Josia tat weg alle Gräuel aus allen Landen, die der Kinder Israel waren.“ Das war eine Handlung in völligster Übereinstimmung mit seinem Vorfahr Hiskias, welcher einst befohlen hatte, dass das Brandopfer und Sündopfer für ganz Israel dargebracht werde.

Und nun, mein christlicher Leser, merke dir die Anwendung von diesem allen auf unsere eigenen Seelen in dem gegenwärtigen Augenblick! Glaubst du, auf die göttliche Autorität hin, von Herzen an die Einheit des Leibes Christi? Glaubst du, dass sich hier auf dieser Erde ein solcher Leib befindet, und zwar durch den Heiligen Geist vereinigt mit seinem göttlichen, lebendigen Haupt im Himmel? Glaubst du diese göttliche, in der heiligen Schrift mitgeteilte Wahrheit? Mit einem Wort: Hältst du fest an der unauflöslichen Einheit der Kirche Gottes, als eine Haupt– und Grundwahrheit des Neuen Testaments? Wende dich nicht um zu der Frage: „Wo ist sie zu sehen?“ Dieses ist eine Frage, die der Unglaube stets stellen muss, weil sein Auge auf die zahllosen Sekten und Parteien des Christentums gerichtet ist, während der Glaube hinschaut auf den unvergänglichen Ausspruch: „Es ist ein Leib und ein Geist.“ Merke auf die Worte: „Es ist“ und nicht: „Es war“ oder „Es wird sein.“ Auch lesen wir nicht, dass dergleichen im Himmel existiert, sondern „es ist ein Leib und ein Geist“ jetzt auf dieser Erde. Kann diese Wahrheit durch den Zustand der Dinge in der bekennenden Kirche angetastet werden? Hat Gottes Wort aufgehört, wahr zu sein, weil der Mensch aufgehört HKJ, treu zu sein? Wagt es jemand zu behaupten, dass die Einheit des Leibes nur eine Wahrheit für apostolische Zeiten sei, und dass sie keine Anwendung auf die Gegenwart habe, weil ihre Verwirklichung fehle? Hüte dich, mein teurer Leser, dein Herz für eine solche ungläubige Gesinnung zu öffnen! Du kannst versichert sein, dass sie die Frucht wirklichen Unglaubens in Bezug auf das Wort Gottes ist. Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Schein gegen diese Wahrheit ist. Aber baut der Glaube auf das, was das Auge sieht? Baute Elias auf das Sichtbare, als er seinen Altar, nach der Zahl der zwölf Stämme, aus zwölf Steinen aufrichtete? Baute der König Hiskias auf das Sichtbare, als er jenes schöne Gebot erließ, dass das Brandopfer und Sündopfer für das ganze Israel dargebracht werden sollte? Baute Josia auf das Sichtbare, als er seine reformatorischen Bestrebungen in allen Landen verfolgte, die der Kinder Israel waren? Keineswegs. Sie bauten auf das treue Wort des Gottes Israels. Jenes Wort war treu, mochten Israels Stämme zerstreut oder vereinigt sein. Wenn die Wahrheit Gottes durch äußeren Schein oder durch die Wirksamkeit der Menschen angetastet werden kann, wo befinden wir uns dann? Und was haben wir zu glauben? Es ist Tatsache, dass es in dem ganzen Umfange göttlicher Offenbarung schwerlich eine Wahrheit gibt, welcher wir mit ruhigem Vertrauen unsere Seele übergeben können, wenn wir zugeben, dass etwas durch den äußeren Anschein angetastet werden könne.

Nein, mein Leser; der einzige Grund, auf dem unser Glaube ruhen kann, ist der eine ewige Ausspruch: „Es steht geschrieben!“ Gibst du dieses zu? Beugt sich deine ganze Seele unter denselben? Glaubst du nicht, dass er ein völlig lebendiger Grundsatz ist? Wir sind der Meinung, dass du als Christ ihn anerkennen musst. Nun denn, es steht geschrieben: „Es ist ein Leib und ein Geist“ (Eph 4). Dieses ist in der Schrift ebenso klar offenbart, wie das Wort: „Wir sind gerechtfertigt aus Glauben“, oder wie irgend jede andere Wahrheit. Erschüttert der äußere Anschein die rettende Grundlehre der Rechtfertigung aus Glauben? Haben wir diese köstliche Wahrheit in Frage zu stellen, weil so wenig Verwirklichung ihrer reinigenden Kraft in dem Leben der Gläubigen ist? Wer möchte einen solch unheilbringenden Grundsatz aufstellen? Welch ein vollständiger Umsturz aller Grundlagen unseres Glaubens würde unabweislich durch die Zulassung dieser höchst schädlichen Mutmaßung herbeigeführt werden! Wir glauben, weil es in dem Wort geschrieben steht, nicht weil es in der Welt verwirklicht ist. Allerdings sollte es verwirklicht sein; und es ist unsere Sünde und Schande, dass es nicht geschieht. Auf dieses werden wir hernach noch mehr zurückkommen; aber wir müssen auf dem eigentlichen Grund des Glaubens beharren, nämlich auf dem der göttlichen Offenbarung; und wenn dieses klar geschehen und völlig anerkannt ist, so findet es seine Anwendung ebenso bestimmt auf die Einheit des Glaubens, wie auf die Lehre von der Rechtfertigung aus Glauben.

Auf diesem Grundsatz zu beharren, ist von äußerster Wichtigkeit, weil es der einzige Grund ist, auf welchem unser Glaube an irgendeine Lehre, als im Wort Gottes offenbart, seinen Stützpunkt hat. Auf diese Weise glauben wir alle die erhabenen Wahrheiten des Christentums. Wir wissen nichts und können nichts, was geistlich, himmlisch oder göttlich ist, glauben, wenn wir es nicht im Wort Gottes offenbart finden. Woher weiß ich, dass ich ein Sünder bin? Weil die Schrift erklärt hat, dass wir alle gesündigt haben. Ich fühle ohne Zweifel, dass ich ein Sünder bin; aber ich glaube es nicht, weil ich es fühle, sondern ich fühle es, weil ich es glaube; und ich glaube es, weil Gott es gesagt hat. Der Glaube ruht auf göttlicher Offenbarung, nicht auf menschlichen Gefühlen oder menschlichen Vernünfteleien. „Es steht geschrieben“, – das ist ganz hinreichend für den Glauben. Es genügt nichts weniger, es bedarf nichts mehr. Gott spricht es, und der Gläubige glaubt es; ja, er glaubt einfach, weil Gott spricht. Er beurteilt nicht das Wort Gottes nach dem äußeren Anschein, sondern er beurteilt den äußeren Anschein nach dem Wort Gottes.

So ist es mit allen Hauptwahrheiten des Christentums, es sei die Lehre der Dreieinigkeit, der Gottheit unseres Herrn Jesus Christus, seiner Versöhnung, seines Priestertums, seiner Ankunft, oder die Lehre des Sündenfalls des Menschen, der Rechtfertigung, des künftigen Gerichts, des ewigen Verdammens. Wir glauben diese erhabenen und ernsten Wahrheiten, nicht auf dem Grund des Gefühls, der Vernunft oder des äußeren Anscheins, sondern einfach auf dem Grund göttlicher Offenbarung.

Wenn nun gefragt wird, auf welchem Grund unser Glaube an die Lehre der Einheit des Leibes ruhe, so weisen wir auf denselben Grund hin, auf welchen unser Glaube an die Lehre der Dreieinigkeit, der Gottheit Christi und der Versöhnung ruht. Wir glauben diese Wahrheit, weil sie an mehreren Stellen des Neuen Testaments offenbart ist. So z. B. im 12. Kapitel des 1. Korintherbriefes, wo wir lesen: „Denn gleich wie der Leib einer ist und viele Glieder hat, alle die Glieder des einen Leibes aber, obgleich viele, ein Leib sind, also auch der Christus. Denn auch durch einen Geist sind wir alle zu einem Leib getauft; es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle in einem Geist getränkt.“ Ferner: „Gott hat den Leib passend zusammen verbunden, indem Er dem mangelhafteren reichlichere Ehre gegeben hat, auf dass nicht eine Trennung in dem Leib sei. ... Ihr aber seid der Leib Christi und Glieder in Sonderheit.“

Hier haben wir die vollkommene und unaufhörliche Einheit der Kirche genau dargestellt, und zwar durch dieselbe Autorität, wie jede andere allgemein unter uns aufgenommene Wahrheit, so dass ebenso viel Grund vorhanden ist, die Gottheit Christi in Frage zu stellen, als die Einheit des Leibes zu beanstanden. Das eine ist so wahr, wie das andere; und beides, weil göttlich offenbart, ist göttlich wahr. Wir glauben, dass „Jesus Christus Gott über alles ist, gepriesen in Ewigkeit“, weil die Schrift es uns also sagt; wir glauben, dass „Ein Leib“ existiert, weil ebenfalls die Schrift es uns sagt. Wir vernünfteln in dem ersten Fall nicht, sondern glauben und beugen uns; und wir sollen auch in dem anderen Fall nicht vernünfteln, sondern glauben und uns beugen. „Es ist ein Leib und ein Geist.“

Nun möchten wir wohl beachten, dass diese Einheit des Leibes nicht ein abstrakter Gegenstand, eine fruchtleere Ansicht, ein kraftloser Glaubensgrundsatz ist. Es ist eine praktische, wesentliche, einflussreiche Wahrheit, in deren Licht wir zu wandeln berufen sind, und uns, und alles um uns her zu richten haben. So war es bei den alten Gläubigen in Israel. Die Einheit des Volkes war ihnen eine wesentliche Sache, und nicht bloß eine Lehre, die man nach Belieben annehmen oder verwerfen kann. Es war eine erhabene, wesentliche, kraftvolle Wahrheit. Das Volk war eins in den Gedanken Gottes; und wenn dieselbe nicht verwirklicht war, so hatten die Gläubigen nur den Platz des Selbstgerichts, des zerschlagenen und betrübten Herzens einzunehmen. Wir sehen dieses bei Hiskia, Josia, Daniel, Esra und Nehemia. Es fiel diesen Gläubigen nimmer ein, die Wahrheit der Einheit Israels aufzugeben, weil Israel im Festhalten derselben gefehlt hatte. Sie maßen die Wahrheit Gottes nicht ab nach den Handlungen der Menschen, sondern sie beurteilten die Handlungen der Menschen und sich selbst durch die Wahrheit Gottes. Das war der einzig richtige Weg. Wenn die verwirklichte Einheit Israels durch des Menschen Sünde und, Torheit zerstört war, so bekannten die wahrhaften Glieder des Volkes Gottes die Sünde und trugen Leid über dieselbe; sie bekannten sie als ihre eigene Sünde und blickten auf Gott. Zudem aber fühlten sie ihre Verantwortlichkeit, nach der Wahrheit Gottes zu handeln, was auch der äußere Zustand der Dinge sein mochte.

Wir wiederholen es, dass dieses die Bedeutung des aus „zwölf Steinen“ errichteten Altars des Elias war, angesichts der achthundert falschen Propheten der Isebel, und trotz der Trennung des Volkes nach menschlicher Anschauung (1. Kön 18). Ebenso war dieses die Bedeutung der Briefe, die Hiskias an das ganze Israel sandte, um sie einzuladen, „zu kommen zum Haus des Herrn zu Jerusalem, um den Sabbat zu halten dem Herrn, dem Gott Israels.“ Nichts kann rührender sein, als der Sinn und Inhalt dieser Briefe. „Ihr Kinder Israel, bekehrt euch zu dem Herrn, dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, so wird Er sich kehren zu den Übrigen, die noch übrig unter euch sind aus der Hand der Könige von Assyrien; und seid nicht wie eure Väter und Brüder, die sich am Herrn, ihrer Väter Gott, vergriffen; und Er gab sie in eine Verwüstung, wie ihr selber seht. So seid nun nicht so störrig, wie eure Väter, sondern gebt eure Hand dem Herrn und kommt zu seinem Heiligtum, das Er geheiligt hat ewiglich, und dient dem Herrn, eurem Gott, so wird sich der Grimm seines Zornes von euch wenden. Denn so ihr euch bekehrt zu dem Herrn, so werden eure Brüder und Kinder Barmherzigkeit haben vor denen, die sie gefangen halten, dass sie wieder in dieses Land kommen; denn der Herr, euer Gott, ist gnädig und barmherzig und wird sein Antlitz nicht von euch wenden, so ihr euch zu Ihm bekehrt“ (2. Chr 30,6–9).

Hier handelt der Glaube gemäß der großen, ewigen, unveränderlichen Wahrheit der Einheit des Volkes Israel. Das Volk war nach dem Vorsatz Gottes eins; und Hiskias blickte auf dasselbe von diesem göttlichen Gesichtspunkt aus, wie es der Glaube immer tut; und er handelte demgemäß. „Und die Läufer gingen von einer Stadt zur anderen im Land Ephraim und Manasse, und bis gen Sebulon; aber man lachte über sie und spottete ihrer.“ Wie traurig! Und dennoch haben wir nichts anders zu erwarten. Es ist sicher, dass die Handlungen des Glaubens den Spott und die Verachtung derer herausfordern, welche nicht auf dem Standpunkt der Gedanken Gottes stehen. Ohne Zweifel betrachteten die Männer von Ephraim und Manasse die Botschaft Hiskias als Anmaßung oder eitle Schwärmerei. Vielleicht war die große Wahrheit, die mit solcher Gewalt auf seine Seele wirkte, seinen Charakter bildete und sein Verhalten regelte, nach ihrer Ansicht eine Fabel, oder eine wertlose Lehre, ein Ding aus der Vergangenheit, eine Einrichtung früherer Zeiten, die auf die Gegenwart keine Anwendung fände. Aber der Glaube wird immer durch die Gedanken der Menschen in Tätigkeit gesetzt; und darum ging Hiskias mit seinem Werk voran, und Gott bekannte sich zu ihm und segnete ihn. Es mochte wohl Veranlassung zum Spott sein, als man „Etliche aus Asser, Manasse und Sebulon sich demütigen und nach Jerusalem kommen sah.“ Aber Hiskia und alle, welche sich also unter die gewaltige Hand Gottes beugten, ernteten eine reiche Segensernte, während die Spötter und Verächter in der Unfruchtbarkeit und in der Erstarrung gelassen wurden, in welche ihr eigener Unglaube sie versetzt hatte. Man achte auf die Kraft der Worte Hiskias: „Wenn ihr euch bekehrt zu dem Herrn, so werden eure Brüder und Kinder Barmherzigkeit haben vor denen, die sie gefangen halten.“ – Wie sehr nähert sich dieses der Wahrheit des Neuen Testaments! Wir sind unter einander Glieder, und das Verhalten eines Gliedes berührt alle übrigen. Der Unglaube fragt, wie dieses möglich sei, und in wie weit das Verhalten des einen auf entfernt wohnende andere Einfluss haben könne. Jedoch wie einst in Israel, so ist es jetzt in der Kirche Gottes. Siehe den Fall Achans in Josua 7. Dort sündigt ein Mann, während die ganze Versammlung, wie uns das Wort sagt, mit dem Vorgang unbekannt war; und dennoch lesen wir: „Die Kinder Israel sündigten an dem Verbannten;“ – und: „Israel hatte gesündigt.“ Wie war dieses möglich? Einfach, weil das Volk eins war, und Gott in dessen Mitte wohnte. Das war offenbar der Grund einer doppelten Verantwortlichkeit – einer Verantwortlichkeit gegen Gott und einer Verantwortlichkeit gegen die ganze Versammlung und gegen jedes Glied insbesondere. Keines der Glieder dieses Volkes konnte diese hohe und heilige Verantwortlichkeit der Versammlung von sich abschütteln. Ein in Dan wohnender Mann hätte fragen können, inwiefern sein Verhalten eine in Beerscheba lebende Person berühren könne. Dennoch war die Tatsache also, und der Grund dieser Tatsache lag in der ewigen Wahrheit der unauflöslichen Einheit Israels und des Wohnens Jehovas inmitten seiner erlösten Versammlung (Siehe 2.Moses 15,2 und die vielen Stellen, welche von dem Wohnen Jehovas in der Mitte Israels reden).

Wir wollen indessen bei den zahllosen Schriftstellen, die von der Gegenwart Gottes in der Versammlung Israels, von seiner Wohnung in ihrer Mitte reden, nicht länger verweilen. Nur lenken wir die Aufmerksamkeit des Lesers auf die höchstwichtige Tatsache, dass jene Schriftstellen mit Mose 15 beginnen. Als Israel, als ein völlig erlöstes. Volk, auf der kanaanitischen Seite des roten Meeres stand, waren sie erst fähig zu sagen: „Der Herr ist meine Stärke und mein Lied, und Er ist meine Rettung geworden; Er ist mein Gott, und ich will eine Wohnung hier zubereiten.“ Die Erlösung bildete den Grund bezüglich des Wohnens Gottes unter seinem Volk, und sicherte ihre vollkommene Einheit. Daher konnte kein einzelnes Glied dieser Versammlung sich selbst als einen vereinzelten, unabhängigen Teil betrachten. Jeder war berufen, sich als ein Teil des Ganzen zu betrachten, und sein Verhalten mit Rücksicht auf alle, welche gleich ihm einen solchen Teil bildeten, passend einzurichten.

Nie hätte die Vernunft eine solche Wahrheit fassen können, die gänzlich jenseits der Sehweite aller menschlichen Berechnung lag! Nur der Glaube konnte sie annehmen und danach handeln. Der Gläubige in Israel erkannte sie und handelte danach. Warum sandte Hiskia Briefe an das ganze Israel? Warum befahl er, ohne sich um den Spott des Unglaubens zu kümmern, dass „das Brand– und Sündopfer für ganz Israel dargebracht werde“? Warum erstreckte Josia seine reformatorischen Bestrebungen über alle Land der Kinder Israel? Weil diese Männer Gottes die göttliche Wahrheit der Einheit Israels anerkannten und sie nicht darum unbeachtet ließen, weil dieselbe so wenig verwirklicht war. „Das Volk wird allein wohnen“, und: „Ich, der Herr, will unter den Kindern Israels wohnen.“ – Diese Wahrheit strahlt gleich köstlichen Edelsteinen von himmlischem Glanz in den Blättern des Alten Testaments, und wir finden unveränderlich, dass in dem Maß jemand in der Nähe Gottes, in der Nähe der lebendigen und immer strömenden Quelle lebte, er auch in die Gedanken, Ratschlüsse, Sympathien und Absichten Gottes einging, sie kennen lernte und das auszuführen suchte, was Gott als wahr von seinem Volk gesagt, wie untreu dasselbe sich auch gegen IHK erweisen mochte.

Erkennst du, mein teurer Leser, in der Einheit des jüdischen Volkes nicht das Vorbild einer höheren Einheit in dem einen Leib, von welchem Christus das Haupt ist? Wir setzen es voraus. Wir hoffen von Herzen, dass dein ganzes moralisches Wesen sich in ehrfurchtsvoller Unterwerfung unter die mächtige Wahrheit beuge: „Es ist ein Leib.“ Du wirst allerdings erstaunt sein, dass sich in der bekennenden Kirche nirgends ein Ausdruck dieser Einheit gewähren lässt. Du siehst die Christen zerstreut und getrennt; du siehst unzählige Sekten und Parteien; ja, du siehst vielleicht sogar unter denen, welche die Wahrheit der Einheit des Leibes zu glauben bekennen, nichts weniger als das treue Bild dieser Einheit. Sicher ist dieses alles sehr verwirrend für jemanden, welcher von menschlichem Gesichtspunkt aus sein Auge darauf richtet. Nichtsdestoweniger aber steht der Grund Gottes unbeweglich fest. Seine Wahrheit ist durchaus unzerstörbar. Und wenn wir mit Bewunderung auf ein vergangenes Zeitalter blicken, welches die Einheit Israels glaubte und bekannte, und zwar zu einer Zeit, wo das menschliche Auge keine Spur dieser Einheit entdeckte, warum sollten wir nicht die höhere Einheit des einen Leibes von Herzen glauben und verwirklichen? „Es ist ein Leib und ein Geist;“ – hierin liegt das Fundament unserer Verantwortlichkeit gegen einander und gegen Gott. Wollen wir diese Wahrheit aufgeben, weil die Christen zerstreut und getrennt sind? Gott verhüte es. Sie ist so wahr und kostbar wie je, und sollte so verwirklicht, wie einflussreich sein. Wir haben nach der Wahrheit Gottes zu handeln, ohne auf das Sichtbare Rücksicht zu nehmen. Wir sollen nicht gleich vielen sagen: „Es ist unmöglich, die Wahrheit Gottes unter den um uns her liegenden Schutthaufen auszuführen; mag diese Einheit eine Sache der Vergangenheit gewesen sein, mag sie in der Zukunft ausgeführt werden können; aber unmöglich kann sie eine Sache der Gegenwart sein und angesichts der vielen Sekten und Parteien gehandelt werden. Jetzt bleibt für jeden nichts übrig, als für sich selbst auf den Herrn zu blicken und seinen persönlichen Wirkungskreis nach den Eingebungen seines eigenen Gewissens und Urteils einzurichten.“

Das ist im Wesentlichen die Sprache von Hunderten unter dem Volk Gottes, und wie ihre Sprache, so ihr Verhalten. Aber diese Sprache verrät den Unglauben an jene große Hauptwahrheit der Einheit des Leibes Christi. Wir haben sicher eben so viel Recht, die kostbare Lehre der Gottheit Christi, seiner vollkommenen Menschheit, oder seines stellvertretenden Opfers zu verwerfen, als dass wir die Wahrheit der vollkommenen Einheit seines Leibes in Frage stellen; denn beide Wahrheiten ruhen auf dem Grund der ewigen, in der heiligen Schrift dargestellten Wahrheit Gottes. Dürfen mir irgendeine Wahrheit göttlicher Offenbarung bei Seite setzen? Dürfen wir irgendeiner derselben ihre Anwendung versagen? Sind wir nicht vielmehr verbunden, jede Wahrheit anzunehmen und unsere Seelen ihrer Macht zu unterwerfen? Es ist äußerst gefährlich, auch nur für einen Augenblick der Meinung Raum zu geben, irgendeine Wahrheit Gottes bei Seite setzen zu dürfen, und zwar unter dem Vorwand, dass sie nicht verwirklicht werden könne. Die heilige Schrift hat sie offenbart; das ist genug, und wir haben zu glauben und zu gehorchen. Wir sind verbunden, jede Wahrheit um jeden Preis festzuhalten, aus Gehorsam, den wir Christus, dem Haupt, schulden, praktisch gegen alles zu zeugen, was gegen die Wahrheit der unauflöslichen Einheit der Kirche Gottes streitet, und ernstlich und beständig eine treue Verwirklichung jener Einheit zu suchen. Geschieht dieses mit einem demütigen Herzen, so wird der Herr uns, wie groß auch die Schwierigkeiten sein mögen, auf diesem Pfad aufrechterhalten. Sicher gibt es auf diesem Weg ernste Schwierigkeiten, mit denen wir in unserer eigenen Kraft nicht zu kämpfen vermögen. Schon die Mahnung: „Befleißigt euch, die Einheit des Geistes in dem Band des Friedens festzuhalten“, erinnert uns an diese Schwierigkeiten; aber die Gnade unseres Herrn Jesus Christus ist völlig hinreichend für alle Anforderungen, die an uns gestellt werden können, wenn wir anders nach dieser köstlichen Wahrheit zu handeln suchen.

Wenn wir den gegenwärtigen Zustand der bekennenden Kirche betrachten, so können wir zwei sehr verschiedene Klassen unterscheiden. In der einen Klasse befinden sich jene, welche die Einheit auf falschen Grundlagen suchen; in der anderen diejenigen, welche sie auf dem im Neuen Testamente niedergelegten Grund suchen. Letztere Einheit ist geistlich, lebendig, göttlich und steht in entschiedenem Gegensatz zu allen Formen der Einheit, die der Mensch, sei es auf nationalem, kirchlichem, zeremoniellem oder dogmatischem Weg, versucht hat. Die Kirche Gottes ist kein nationales, kirchliches oder politisches System. Sie ist ein für ihr Haupt in: Himmel durch die Gegenwart des Heiligen Geistes gereinigter Leib. So war sie, und so ist sie. „Es ist ein Leib und ein Geist.“ Dieses bleibt unveränderlich wahr. Diese Wahrheit zu schwächen oder zu vermengen, ist ein Weil des Feindes; und wir sind verbunden, dagegen Zeugnis abzulegen. Der Versuch, die Christen auf einem anderen Grund als dem der Einheit des Leibes zu vereinigen, ist ein tatsächliches Handeln gegen den uns offenbarten Willen Gottes. Es mag sehr anziehend, sehr wünschenswert und sehr vernünftig und sehr zweckmäßig erscheinen; aber es ist Gott zuwider, und das sollte uns genug sein. Gottes Wort spricht nur von der Einheit des Leibes und von der Einheit des Geistes. Es erkennt keine andere Einheit an, darum sollen auch wir es nicht tun.

Die Kirche Gottes, obwohl aus vielen Gliedern bestehend, ist eins; sie bildet eine Körperschaft. Alle Glieder haben eine doppelte Verantwortlichkeit; sie sind dem Haupt verantwortlich, und sie sind einander verantwortlich. Diese Verantwortlichkeit bei Seite zu schieben, ist unmöglich. Die Menschen mögen sie leugnen, sie mögen ihre persönlichen Rechte behaupten und nach ihrer eigenen Vernunft, nach ihrem eigenen Urteil und Willen handeln; aber sie können sich nicht der Verantwortlichkeit entledigen, welche auf die Tatsache des einen zusammenholenden Leibes gegründet ist. Sie haben es mit dem Haupt im Himmel und mit den Gliedern auf der Erde zu tun. Sie befinden sich in dieser doppelten Verwandtschaft und sind– derselben durch den Heiligen Geist einverleibt worden. Hier gibt es keine Unabhängigkeit: Christen können sich nicht als bloße Personen, als vereinzelt stehende Wesen betrachten. „Wir sind unter einander Glieder.“ Dieses ist ebenso wahr, als dass wir „aus Glauben gerechtfertigt“ sind. Allerdings stehen wir in einem Sinn als Persönlichkeiten da; wir sind Einzelwesen hinsichtlich unserer Buße, unseres Glaubens, unserer Rechtfertigung, unseres Wandels mit Gott, unseres Dienstes und unserer Belohnung für den treuen Dienst; denn jeder Einzelne wird einen weihen Stein und darauf einen neuen Namen erhalten, der nur ihm allein bekannt ist. Alles dieses ist wahr; aber es berührt in keiner Weise die andere große praktische Wahrheit unserer Vereinigung mit dem Haupt droben und mit den Gliedern hienieden.

Beachten wir hier indessen zwei ganz verschiedene Punkte der Wahrheit, hervorgehend aus zwei verschiedenen Titeln unseres hochgelobten Herrn. Er ist das Haupt und Er ist der Herr. Er ist das Haupt, seines Leibes, der Kirche, und Er ist der Herr aller, der Herr jedes Einzelnen. Wenn wir nun an Christus, als den Herrn, denken, so werden wir erinnert an unsere persönliche Verantwortlichkeit gegen Ihn, und zwar in dem ganzen Umfange des Dienstes, zu welchem Er uns in seiner Oberherrschaft gnädig berufen hat. Unsere Ehrfurcht gebührt Ihm in allen Dingen. Alle unsere Handlungen, alle unsere Tätigkeiten, alle unsere Ermahnungen müssen unter den gebietenden Einfluss des gewichtigen, leider oft leichtfertig ausgesprochenen Spruches: „So der Herr will“, gestellt werden. Zudem hat niemand das Recht, sich zwischen das Gewissen eines Dieners und das Gebot seines Herrn zu werfen. Alles dieses ist göttlich wahr und von größter Wichtigkeit. Die Herrschaft Christi ist eine Wahrheit, deren Wert unmöglich überschätzt werden kann. – Aber wir dürfen nicht vergessen, dass Christus eben sowohl das Haupt, als der Herr ist. Er ist sowohl das Haupt eines Leibes, als der Herr der einzelnen Personen. Diese Dinge dürfen nicht vermengt werden. Wir haben die Wahrheit hinsichtlich der Herrschaft Christi nicht auf eine solche Weise festzuhalten, dass sie mit der Wahrheit seines Titels als Haupt vermengt wird. Wenn wir bloß an Christus, als den Herrn, und an uns, als persönlich Ihm verantwortlich, denken, dann werden unsere Gedanken nicht auf seine Stellung, als Haupt, gerichtet sein, und wir verlieren unsere Verantwortlichkeit gegen jedes Glied, dessen Haupt Er ist, aus dem Auge. Wir müssen sehr wachsam dagegen sein. Nil dürfen nicht auf uns, als auf vereinzelte, unabhängige Wesen blicken; wenn wir an Christus als Haupt denken, dann müssen unsere Gedanken alle seine Glieder umfassen, und dieses öffnet uns einen weiten Kreis von praktischer Wahrheit. Wir haben heilige Wichten gegen unsere Mitglieder zu erfüllen, wie auch gegen unseren Herrn und Meister. Sicher wird keiner, der in Gemeinschaft mit Christus wandelt, die Verwandtschaft mit jedem seines Leibes je aus dem Auge verlieren, sondern stets daran denken, dass sein Wandel und seine Wege einen Einfluss auf die Christen ausüben werden. Es ist ein wunderbares, aber göttlich wahres Geheimnis: „Wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit“ (1. Kor 12,26). Man kann den Leib Christi nicht zu einer Lokalsache herabwürdigen. Der Leib ist einer; und wir sind berufen, dieses praktisch auf jede mögliche Weise festzuhalten, und ein entschiedenes Zeugnis gegen alles abzulegen, welches die Verantwortlichkeit der vollkommenen Einheit des Leibes beeinträchtigen könnte. Der Feind sucht die Christen auf einem falschen Grund zu vereinigen und sie um einen falschen Mittelpunkt zu versammeln. Der einzige Schutz gegen diese Gefahr ist der göttlich gewirkte Glaube an die große Grundwahrheit der Einheit des Leibes Christi.

Es ist also „ein Leib“, wirklich existierend auf der Erde, gebildet durch den „einen Geist“ und vereinigt mit dem lebendigen Haupt im Himmel. Diese Wahrheit kann nicht geleugnet werden. Viele Christen mögen der Meinung sein, dass diese Einheit, angesichts des gegenwärtigen Zustandes der Dinge, nicht verwirklicht werden könne; aber nichtsdestoweniger bleibt es eine göttlich festgesetzte Wahrheit, dass „ein Leib“ da ist; und für uns gilt nur die Frage: „Wie werden wir persönlich von dieser Wahrheit berührt?“ Es ist ebenso unmöglich, die hierin enthaltene Verantwortlichkeit abzuschütteln, als die Wahrheit selbst bei Seite zu setzen. Als Glieder dieses einen Leibes sind wir sowohl mit dem Haupt im Himmel, als auch mit den Gliedern auf Erden in ein Verwandtschaftliches Verhältnis getreten; und dieses Verhältnis hat gleich jedem anderen, seine Vorrechte und seine Verantwortlichkeit.

Es handelt sich hier indessen nicht um eine Vereinigung mit einer besonderen Gesellschaft von Christen, sondern von dem ganzen Leib Christi auf der Erde. Jedenfalls sollte jede Gesellschaft von Christen, wo sie sich auch versammeln mögen, nur eine lokale Verwirklichung des ganzen Leibes sein. Man sollte sich auf Grund des Wortes Gottes, und durch die Macht des Heiligen Geistes stets in einer Weise versammeln, dass alle Glieder Christi, welche in der Wahrheit und Heiligkeit wandeln, mit einem glücklichen Herzen dort Platz nehmen können. Ist eine Versammlung in dieser Weise nicht gesammelt und geordnet, so befindet sie sich überhaupt nicht auf dem Grund der Einheit des Leibes. Wir sollten stets so zusammenkommen, dass alle Glieder des Leibes einfach als solche sich mit uns niedersetzen und jede Gabe, welche das Haupt der Kirche ihnen verliehen hat, ausüben könnten. Der Leib ist einer. Seine Glieder sind auf der ganzen Erde zerstreut. Entfernung ist nichts, Örtlichkeit ist nichts. Man mag in Neu–Seeland, in London, in Paris oder in Berlin wohnen, das ändert die Sache nicht. Ein Glied des Leibes an einem Platz ist ein Glied des Leibes überall; denn es ist nur „ein Leib und ein Geist.“ Es ist der Geist, welcher den Leib bildet und die Glieder mit dem Haupt und mit einander verbindet.

Das ist die in 1. Korinther 12,14, in Epheser 2,4 und in Römer 12, bezeichnete göttliche Ordnung. Wir können in der Tat das Neue Testament nicht untersuchen, ohne diese gesegnete Wahrheit zu finden. Wir erblicken in verschiedenen Orten und Städten Heilige, die durch den Heiligen Geist im Namen unseres Herrn Jesus Christus versammelt sind, z. B. in Rom, Korinth, Ephesus, Philippi, Kolossä und Thessalonich. Das waren nicht unabhängige, vereinzelte, selbstständige Versammlungen, sondern Teile des einen Leibes, so dass ein Glied der Kirche an einem Platz Zugleich ein Glied der Kirche überall war. Freilich handelte jede einzelne Versammlung, wie sie sich „unter dem einen Herrn“ befand und durch den einen Geist geleitet wurde, in allen Lokalsachen selbstständig, wie z. B. bei der Aufnahme in die Gemeinschaft, oder beim Ausschluss des „Bösen aus ihrer Mitte“, oder bei der Fürsorge betreffs der Bedürfnisse für die Armen, oder dergleichen; aber wir können versichert sein, dass der Beschluss irgendeiner Versammlung von allen übrigen Versammlungen anerkannt wurde, mochte es sich um eine Aufnahme oder um einen Ausschluss handeln. Im anderen Fall würde es eine offenbare Verleugnung der Einheit des Leibes gewesen sein. Wir haben keinen Grund vorauszusetzen, dass die Versammlung zu Korinth mit irgendeiner anderen Versammlung vorher über den Ausschluss des „Bösen“ (Kap 5) verhandelt und beraten habe, aber wir haben die Überzeugung, dass jener Ausschluss von jeder Versammlung unter der Sonne anerkannt und genehmigt wurde. Wenn nicht, so wäre die Einheit des Leibes Christi praktisch geleugnet worden.

Wir glauben, dass dieses eine bestimmte, in den neutestamentlichen Schriften dargestellte Lehre ist, die jeder einfältige, wahrhaftige Forscher der heiligen Schrift entdecken muss. Dass die Kirche in der Verwirklichung dieser köstlichen Wahrheit gefehlt hat, und wir alle Schuld an diesem Fehltritt tragen, ist leider nur zu wahr. Der Gedanke daran sollte uns tief vor Gott demütigen. Niemand kann einen Stein auf den anderen werfen; denn wir sind alle in dieser Sache schuldig. Wir glauben, dass dieses eine sehr dringliche Mahnung an das ganze Volk Gottes ist, sich in tiefem Staub zu demütigen wegen unserer traurigen Abweichung betreffs einer im Wort Gottes so klar dargestellten Wahrheit.

So war es bei dem frommen, ergebenen Könige Josia, dessen Leben und Zeiten diese ganze Reihe von Gedanken hervorgerufen haben. Er fand das Gesetzbuch und entdeckte in dessen heiligen Blättern den traurigen Zustand der Dinge um ihn her. Wie handelte er? Begnügte er sich mit dem Ausruf: „Der Fall ist hoffnungslos; das Volk hat sich zu weit entfernt; der Verfall ist da; es ist vergeblich, daran zu denken, sich nach der göttlichen Regel zu richten; drum müssen wir die Dinge gehen lassen und tun, was sich tun lässt“? – Nein, das war nicht die Sprache und Handlungsweise Josias, sondern er demütigte sich selbst vor Gott und forderte andere auf, dasselbe zu tun. Dann aber suchte er auch die Wahrheit Gottes zu verwirklichen; und die Folge davon war, dass „in Israel kein Passah gehalten war, wie dieses, von der Zeit Samuels, des Propheten an; und alle Könige Israels hatten nicht ein solches Passah gehalten wie das, welches Josia hielt“ (2. Chr 35,18).

Das war das Ergebnis der gläubigen Unterwerfung aus Ehrfurcht unter das Wort Gottes; und so wird es stets sein; denn „Gott ist ein Vergelter denen, die Ihn fleißig suchen.“ Siehe die Handlungsweise des Überrestes, der von Babylon in den Tagen Esras und Nehemias zurückkehrte. Sie richteten den Altar Gottes auf; sie bauten den Tempel, und sie besserten die Mauern Jerusalems aus. Mit einem Wort, sie beschäftigten sich mit der wahren Anbetung des Gottes Israels, und mit dem großen Mittel– und Versammlungspunkt seines Volkes. Es war, was der Glaube, ohne sich um die Umstände zu kümmern, immer tut. Hätte jener Überrest auf die Umstände gesehen, so hätten sie nicht handeln können. Sie waren ein armes, verachtetes Häuflein unter der Herrschaft der unbeschnittenen Heiden. Sie waren von allen Seiten von tätigen Feinden umgeben, welche, durch den Feind Gottes, den Feind der Stadt und des Volkes Gottes aufgestachelt, nichts unversucht ließen, um sie in ihrem gesegneten Werk zu hindern, indem sie spottend ausriefen: „Was tun diese schwachen Juden? wollen sie sich stärken, wollen sie opfern, werden sie es eines Tages vollenden, werden sie die Steine aus den Schutthaufen, welche verbrannt sind, wiederherstellen?“ – Auch hatten sie nicht nur mit Feinden außerhalb zu kämpfen, sondern es war auch innere Schwäche da; denn „Juda sagte: Die Kraft der Träger ist zu schwach, und des Staubes ist zu viel, wir können an der Mauer nicht bauen“. – alles dieses war sehr niederbeugend. Wie verschieden war es von den glänzenden und herrlichen Tagen Salomos! Seine Lastträger waren zahlreich und stark, und kein Schult bedeckte die großen und köstlichen Steine, aus welchen er das Haus Gottes baute, noch gab es einen Feind, der sein Werk bespöttelte. Aber gerade dieses lässt uns bei Esra und Nehemia Züge entdecken, die in den Tagen Salomos nicht gefunden wurden. Gerade ihre Schwachheit, die Staubwolken, die stolzen und schmähenden Feinde – all dieses wirkte zusammen, um ihrem Werk einen eigentümlichen Glanz von Herrlichkeit aufzudrücken. Sie bauten und es gelang ihnen; Gott wurde verherrlicht, und Er erklärte ihren Ohren die lieblichen Worte: „Die Herrlichkeit dieses letzten Hauses wird größer sein, als die des vorigen, sagt der Herr der Heerscharen; und an diesem Ort will ich Frieden geben, sagt der Herr der Heerscharen“ (Hag 2,9).

Die Bücher von Esra, Nehemia, Haggai und Sacharja sind in Bezug auf den erwähnten Gegenstand voll der gesegnetsten Belehrung, des Trostes und der Ermutigung in einer Zeit, wie die gegenwärtige. Es gibt vielleicht heutzutage manche, die geneigt sind, über einen Gegenstand, wie die Einheit des Leibes, zu lächeln. Es ist das Spötteln des Unglaubens. Sicher hasst Satan von Herzen die Lehre dieser Einheit, wie er jede andere Lehre der göttlichen Offenbarung hasst; und gewiss wird er jedes Bestreben zur Verwirklichung zu verhindern suchen, wie er die Wiedererbauung Jerusalems in den Tagen Nehemias zu hindern suchte. Aber lasst uns nicht entmutigt werden. Genug, dass mir im Wort Gottes die köstliche Wahrheit des einen Leibes finden. Bringen wir dieses Licht, damit es den gegenwärtigen Zustand der bekennenden Kirche beleuchte. Was wird es unseren Augen offenbaren? Es wird uns vor unserem Gott in den Staub beugen wegen unserer Wege; aber Zugleich wird es unsere Herzen erheben zur Betrachtung des göttlichen Standpunktes. Es ist unmöglich, dass jemand die Wahrheit der Einheit des Leibes in seiner Seele aufnehmen, und mit etwas, das der praktischen Anerkennung derselben nicht entspricht, zufrieden sein kann. Allerdings muss er sich gegen den Widerstand des Volkes rüsten. Er wird hier einen Sanballat und dort einen Rehum finden; aber der Glaube wird überwinden.

In dem Wort Gottes finden unsere Seelen eine hinreichende Ermutigung. Wenn wir gerade vor der Gefangenschaft auf Josia sehen, was erblicken wir? Einen Mann, der einfach das Wort zu seinem Führer nimmt, sich selbst und alles, in dem Licht desselben betrachtet, alles das, was demselben entgegen ist, verwirft, und mit ernstem Vorsatz des Herzens auszuführen sucht, was er darin geschrieben findet. Und was war das Resultat? Antwort: Das gesegnetste Passah, wie es seit den Tagen Salomos nicht gefeiert worden war.

Ferner, wenn wir während der Gefangenschaft auf Daniel blicken, was sehen wir? Einen Mann, einfach handelnd nach der Wahrheit Gottes und sein Antlitz im Gebet richtend gegen Jerusalem, wiewohl ihm der Tod als Folge dieses Gebets ins Auge schaut. Und was war das Resultat? Antwort: Ein herrliches Zeugnis für den Gott Israels, und die Zerstörung der Feinde Daniels.

Wenn wir schließlich nach der Gefangenschaft auf den Überrest schauen, was sehen wir? Männer, welche, angesichts niederdrückender Schwierigkeiten, jene Stadt wieder erbauen, die der Mittelpunkt Gottes auf der Erde war und sein wird. Und was war das Resultat? Antwort: Die fröhliche Feier des Laubhüttenfestes, wie es nicht seit den Tagen Josuas, des Sohnes Nun, gefeiert worden war.

Was bewirkte in den genannten Fällen der Blick jener Männer auf die sie umgebenden Umstände? Denken wir z. B. an Daniel. Warum öffnete er sein Fenster gegen Jerusalem? Warum schaute er nach einer zertrümmerten Stadt? Warum widmete er seine Aufmerksamkeit einem Ort, welcher nur an die Sünde und Schande Israels erinnerte? Wäre es nicht besser gewesen, den Namen Jerusalem in Vergessenheit sinken zu lassen? Die Antwort Daniels ist leicht zu erraten. Die Menschen mochten über ihn lächeln und ihn für einen träumenden Schwärmer halten. Er wusste, was er tat. Sein Herz war mit dem Mittelpunkt Gottes, mit der Stadt Davids, dem großen Versammlungspunkt der zwölf Stämme Israels beschäftigt. Sollte er Gottes Wahrheit um äußerer Umstände willen aufgeben. Keineswegs. Unmöglich konnte er einen Standpunkt einnehmen, der um ein Haar breit niedriger war. Er konnte meinen, beten, fasten und seine Seele vor Gott in den Staub werfen; aber nimmer konnte er einen niedrigeren Standpunkt einnehmen. Sollte er die Gedanken Gottes fahren lassen, weil Israel sich untreu erwiesen hatte? Nimmermehr. Er kannte besseres als dieses. Sein Auge ruhte auf der ewigen Wahrheit Gottes, und deshalb, wiewohl er wegen seiner und seines Volkes Sünde im Staub lag, flatterte das göttliche Banner über seinem Haupt in unermesslicher Herrlichkeit.

Ebenso, mein teurer, christlicher Leser, sind wir berufen, den Blick des Glaubens auf die unvergängliche Wahrheit des einen Leibes zu richten und dieselbe in unserem schwachen Maße zu verwirklichen zu suchen. Wir haben nicht zu fragen: „Wie kann dieses geschehen?“ Der Glaube hat nie eine solche Frage in der Gegenwart göttlicher Offenbarung. Er glaubt und handelt. Wir dürfen die Wahrheit Gottes nicht unter dem Vorwand aufgeben, dass wir sie nicht verwirklichen können. Die Wahrheit ist offenbart, und wir sind berufen, uns unter dieselbe zu beugen. Wir sind nicht berufen, die Einheit des Leibes zu bilden. Dieses tun zu wollen, ist ein Missverständnis. Die Einheit – existiert. Sie ist das Ergebnis der Gegenwart des Heiligen Geistes in dem Leib, und wir haben sie anzuerkennen und in deren Licht zu wandeln. Dieses wird unserem Wandel eine große Sicherheit geben. Es ist stets wichtig, einen speziellen Gegenstand vor dem Herzen zu haben und mit unmittelbarer Beziehung zu demselben zu wirken. Man blicke auf Paulus, den ergebensten Arbeiter. Was war sein Ziel? Wofür arbeitete er? Er selbst gibt die Antwort durch die Worte: „Jetzt freue ich mich in den Leiden für euch und ergänze in meinem Fleisch, was noch rückständig ist an den Trübsalen des Christus für seinen Leib, das ist die Versammlung, deren Diener ich geworden bin, nach der Verwaltung Gottes, die mir an euch gegeben ist, um das Wort Gottes zu vollenden, nämlich das Geheimnis, das verborgen war von den Zeitaltern und von den Geschlechtern her, jetzt aber offenbart worden ist seinen Heiligen, denen Gott hat wollen kundmachen, welcher der Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses ist unter den Nationen, welches ist Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit, den wir verkündigen, indem wir jeden Menschen ermahnen und jeden Menschen lehren in aller Weisheit, auf dass wir jeden Menschen vollkommen darstellen in Christus, wozu ich mich auch bemühe und kämpfend ringe nach seiner Wirkung, die in mir wirkt mit Kraft“ (Kol 1,24–29).

Das war viel mehr, als bloße Bekehrung der Seelen, wie köstlich dieses auch ist. Paulus predigte das Evangelium mit einem direkten Blick auf den Leib Christi, und das ist das Muster für alle Evangelisten. Auch wir sollten stets bei der Predigt des Evangeliums die Einverleibung der Seelen durch den einen Geist in den einen Leib vor unseren Augen haben. Wir sollten nicht verschiedene Kirchen, sondern nur den einen Leib kennen, weil wir nichts anders in dem Neuen Testament finden. Jemand mag bei der Bekehrung von Hunderten – gewiss ein sehr köstliches Werk – gebraucht werden, wenn er aber nicht die Einheit des Leibes kennt, so muss er wegen ihres ferneren Loses in Ungewissheit sein. Dies ist sehr wichtig für beide Teile – für ihn selbst, wie für sie, und auch für das Zeugnis für Christus.

Es ist indessen höchst bewundernswürdig, dass gerade am Schluss der Geschichte Israels ein solch glänzender Augenblick, wie Israel ihn kaum je gekannt hatte, in die Erscheinung trat. Was lehrt uns dieses? Es lehrt uns, dass es offenbar das Vorrecht gläubiger Seelen ist, in den dunkelsten Zeiten nach dem Grundsatz Gottes zu handeln und göttliche Segnungen zu genießen. Das ist eine wichtige Tatsache für alle Zeitalter, besonders wichtig aber im gegenwärtigen Augenblicke. Wenn Josia durch den Geist und die Grundsätze unserer Tage beeinflusst worden wäre, so würde er sicher nicht versucht haben, das Passah zu feiern. Er würde die Hände in den Schoß gelegt und gesagt haben: „Es ist nutzlos, daran zu denken, unsere großen, nationalen Einrichtungen noch länger festzuhalten; es kann nur als eine Art Anmaßung betrachtet werden, die Feier jenes Festes zu versuchen, welches bestimmt war, die Erlösung Israels vom Gericht durch das Blut des Lammes darzustellen, weil Israels Einheit gebrochen und seine nationale Herrlichkeit verblichen und verschwunden ist.“ – Doch Josia urteilte nicht also. Er handelte einfach nach der Wahrheit Gottes. Er forschte in der Schrift, verwarf, was falsch war, und tat, was recht war. „Und Josia hielt dem Herrn Passah zu Jerusalem und schlachtete das Passah am vierzehnten Tage des ersten Monats“ (2. Chr 35,1). das war ein höherer Platz, als der, welchen Hiskia eingenommen hatte, der sein Passah am vierzehnten Tage des zweiten Monats hielt (2. Chr 30,15). Wir wissen, dass Hiskia damit von der Vorsorge Gebrauch machte, welche die Gnade für Fälle der Verunreinigung getroffen hatte (4. Mo 9,9–11). Jedoch hatte die göttliche Anordnung den „ersten Monat“, als den geeigneten Zeitpunkt bestimmt; und nach dieser Ordnung wurde Josia fähig gemacht, sich zu richten. Kurz, er nahm die höchste Stufe ein, der Wahrheit Gottes gemäß, während er tief unter dem niederbeugenden Gefühl persönlicher und nationaler Übertretung lag. Das ist immer der Weg des Glaubens.

„Und er stellte die Priester in ihre Hut, und stärkte sie zu ihrem Dienst im Haus des Herrn, und sprach zu den Leviten, die ganz Israel lehrten und dem Herrn geheiligt waren: Tut die heilige Lade ins Haus, das Salomo, der Sohn Davids, der König Israels, gebaut hat. Sie soll euch keine Last auf euren Schultern sein. So dient nun dem Herrn, eurem Gott und seinem Volk Israel, und schickt das Haus eurer Väter in eurer Ordnung, wie sie beschrieben ist von David, dem König Israels, und seinem Sohn Salomo, und steht im Heiligtum nach der Ordnung der Väter Häuser, unter euren Brüdern, vom Volk geboren, nach der Ordnung der Väter Häuser unter den Leviten, und schlachtet das Passah und heiligt euch und schickt eure Brüder, dass sie tun nach dem Wort des Herrn durch Mose“ (2. Chr 35,2–6).

Hier sehen wir, wie Josia nach der höchsten Autorität handelt. Alles hat Bezug auf ganz Israel; und wie kraftvoll ist der Ausdruck: „dass sie tun nach dem Wort des Herrn durch Mose.“ – Mögen diese Worte unser Herz erreichen! Josia fühlte, dass es sein hohes und heiliges Recht war, sich nach dem göttlichen Gebot zu richten, ungeachtet aller Verirrungen und Übel, welche von Zeitalter zu Zeitalter hereingekommen waren. Die Wahrheit Gottes muss stets stehen bleiben. Der Glaube erkennt es an und handelt nach dieser Tatsache. Welch eine liebliche Szene! Josias pünktliche Anhänglichkeit an das Wort des Herrn ist nicht mehr zu bewundern, als seine weitherzige Hingebung und Freigebigkeit. „Er gab zur Hebe für das Volk Lämmer und junge Ziegen, alles (zu dem Passah für alle, die vorhanden waren), in der Zahl dreißigtausend und dreitausend Rinder, und alles von dem Gut des Königs. Seine Fürsten aber gaben freiwillig für das Volk und für die Priester und Leviten eine Hebe. ... Also ward der Gottesdienst beschickt; und die Priester standen an ihrer Stätte, und die Leviten in ihrer Ordnung nach dem Gebot des Königs. ... Und die Sänger, die Kinder Asafs standen an ihrer Statte ... und die Türhüter an allen Toren,– und sie wichen nicht von ihrem Ort, denn die Leviten, ihre Brüder, bereiteten zu für sie. Also ward beschickt aller Gottesdienst des Herrn an dem Tag, dass man das Passah hielt und Brandopfer tat auf dem Altar des Herrn, nach dem Gebot des Königs Josia. Also hielten die Kinder Israel, die gegenwärtig waren, das Passah zu der Zeit, und das Fest der ungesäuerten Brote sieben Tage. Es war aber kein Passah gehalten in Israel, wie das, von der Zeit Samuels, des Propheten, an; und kein König in Israel hatte solch Passah gehalten, wie Josia Passah hielt, und die Priester, Leviten, ganz Juda und Israel, das gegenwärtig war, und die Einwohner von Jerusalem. Im achtzehnten Jahre des Königreichs Josia ward dieses Passah gehalten.“

Welch ein Gemälde! Der König, die Fürsten, Priester, Leviten, Sänger, Türhüter, ganz Israel, Juda und die Einwohner von Jerusalem – alle waren vereinigt – alle an ihrem rechten Platze und an ihrem angewiesenen Werk, und zwar im „achtzehnten Jahre der Regierung Josias“, als der jüdische Staat am Vorabend seiner Auflösung war. Wir sehen also, dass kein Zeitalter, keine Umstände, keine Einflüsse jemals die Wahrheit Gottes ändern oder das Auge des Glaubens verdunkeln können. „Des Herrn Wart währt für und für;“ und der Glaube erfasst dieses Wort und hält es fest. Es ist das Vorrecht des Gläubigen, mit Gott und seiner ewigen Wahrheit zu tun zu haben und darum hat er die Pflicht, den höchsten Standpunkt ins Auge zu fassen. Der Unglaube hingegen macht die Umstände zum Vorwand, um den Schritt zu erschlaffen und den Ton herab zu stimmen. – Lasst uns unsere Häupter mit Beschämung und Schmerz wegen unserer Sünde und Missgriffe niederbeugen; aber nehmen wir auch durch den Glauben unseren hohen Standpunkt ein. Die Missgriffe sind auf unserer, der Standpunkt auf Gottes Seite. Josia weinte und zerriss seine Kleider; aber er gab die Wahrheit Gottes nicht auf. Er fühlte, dass er, seine Väter und Brüder gesündigt hatten; aber warum sollte er nicht das Passah nach göttlicher Anordnung feiern?

Wir schließen hiermit unsere Betrachtung. Sicher, die Zeiten Josias liefern uns ein treffendes Bild von unserer gegenwärtigen Zeit. Möchten wir daraus lernen, unter allen Umständen und selbst in den dunkelsten Zeiten an der in der heiligen Schrift niedergelegten Wahrheit fest zu halten! Nur wenn dieser göttliche Grund unter unseren Füßen ist, werden mir, wie sehr auch alles gegen uns sein mag, mit festem Tritt unseren Pfad verfolgen und gesegnet sein. Vor allem aber ist es unser Wunsch und Gebet, dass der Herr diese Blätter an den Herzen vieler Christen segne und allen die Wahrheit köstlich mache: „Es ist ein Leib und ein Geist.“

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