Botschafter des Heils in Christo 1870

Das Passahlamm und das Rote Meer

Bei den Befreiungen des Volkes Gottes finden wir stets, dass Gott die Welt durch Gerichte heimsucht. Er legt Zeugnis gegen sie ab, und sein strafender Arm kennt dann keine Schonung. Das Gesetz macht einen Unterschied zwischen den Menschen je nach ihren verschiedenen Handlungen; aber der Heilige Geist überführt die Welt von der Sünde, weil sie nicht an den glaubt, den Gott gesandt hat. Das Evangelium fängt an, sich mit der Welt als einer solchen zu beschäftigen, die bereits verurteilt und verdammt ist. Gott hat das menschliche Herz auf jegliche Weise geprüft; und das Evangelium setzt voraus, dass die Probezeit vorüber und die ganze Welt verloren ist. Freilich wünscht die Seele oft, sich selbst zu überzeugen, wie groß ihre eigene Kraft sei; aber auf diesem Weg macht sie nur die Erfahrung, dass sie keine Kraft besitzt. Selbst der Gläubige sucht noch oft sich seiner eigenen Kraft vor Gott zu rühmen; doch dadurch verunehrt er Jesus und leugnet den wahren Zustand seiner Natur, den Gott gerichtet hat.

In Ägypten genügte es Gott, sein Gericht durch die Vertilgung aller Erstgeburt zu offenbaren. Pharao wollte nicht erlauben, dass das Volk Israel in die Wüste wandere und Gott diene. Deshalb wirkte Gott Wunder und ließ allerlei Plagen über Ägypten kommen, um das Herz Pharaos zu brechen, und bei ihm eine Anerkennung seiner Rechte zu erzwingen; und dennoch blieb alles ohne Erfolg. Pharao beugte sich nicht, sondern verhärtete sein Herz immer mehr, bis Gott ihn vollends verhärtete und ihn schließlich zur Warnung aller Menschen als ein Denkmal des Gerichts dahinstellte.

Wie in den Tagen Noahs und in den Tagen Lots wird auch jetzt die Welt vor dem herannahenden Gericht gewarnt. Nahe ist die Offenbarung des Herrn Jesus vom Himmel, wo Er erscheinen wird „mit den Engeln seiner Macht in einer Feuerflamme, um denen Vergeltung zu geben, die Gott nicht kennen, und denen, die nicht gehorchen dem Evangelium unseres Herrn Jesus Christus“ (2. Thes 1,8). Inzwischen verlangt Gott eine völlige Unterwerfung unter seinen offenbarten Willen. Er will, dass die Welt Jesus anerkenne; und alle, die nicht wollen, werden, wenn das Gericht kommt, dazu gezwungen – und zwar dann zu ihrer eigenen Schande und ewigem Leid. Gott stellte seinen Sohn in Niedrigkeit dar, um die Welt zu erretten; aber alles ist umsonst, wenn sie sich nicht vor Jesus beugt; denn dieses allein ist es, was Gott fordert und hochschätzt. An den Sohn glauben ist ewiges Leben, ist Heil; Ihn verwerfen ist das Gericht. Gott verlangt eine völlige Übergabe des Herzens an den Heiland der Sünder – eine Übergabe an seine eigene Gnade in Ihm. Hierdurch wird das Herz und alles umgewandelt, aber jede Frage in Betreff der guten Werke bei Seite gesetzt. Es dreht sich alles um den einen Punkt: ob wir Jesus aufnehmen, oder Ihn verwerfen. Gott sieht über alles andere hinweg. Zachäus konnte von dem reden, was er zu tun gewohnt war; aber darum handelte es sich nicht. Der Herr Jesus sagt: „Heute ist diesem Haus Heil widerfahren.“ Sobald Jesus aufgenommen ist, kehrt Leben ein. Wer Ihn verschmäht, den trifft dereinst die Rache, weil er sich nicht vor Ihm gebeugt hat.

Welch ein Glück für den armen, überzeugten Sünder, dass er nicht gezwungen ist, etwas in sich selbst zu suchen, um damit vor Gott erscheinen zu müssen! Wenn das Herz geöffnet ist, so ist Christus die Gnade, die Herrlichkeit und die Vollkommenheit, welche Gott fordert; und die moralische Wirkung wird sicher bald folgen. Jetzt noch redet das Wort von der sicheren Erscheinung des Gerichts. Satan hat im praktischen Sinne Besitz von der Welt genommen; aber Gott hält seine Rechte aufrecht. Die Ungläubigen werden vom Feindbetrogen und befinden sich gänzlich in seiner Macht. Satan tut, was in seinen Kräften steht, um der Welt vorzuspiegeln, sie könne frei und glücklich einhergehen, weil sie gut und rechtschaffen genug sei; aber Gott hält seine Rechte aufrecht. Die Welt will dem Evangelium unseres Herrn nicht gehorchen, und hofft dennoch, dem Gericht entfliehen zu können. Auch benutzt Satan alles, dessen sich Gott zum Segnen bedienen will, für seine Zwecke. Die Unbekehrten in der Christenheit liefern uns dafür die Beweise. Ihr natürliches Gewissen schämt sich dessen, was die Heiden tun. Gerade dieses benutzt Satan, um ihnen vorzuspiegeln, dass sie vor Gott treten können und Ihn anbeten dürfen, weil bei ihnen nicht solche, in die Augen fallende böse Dinge geschehen, wie bei den Heiden. Aber Gott behauptet seine Rechte. Nichts ist gültig, wenn nicht Jesus im Glauben aufgenommen wird.

In Jesu wird dem Gewissen alles dargestellt, was in Gott und was in dem Menschen ist. In Ihm erblicken wir die Heiligkeit Gottes, nicht um zu verdammen, sondern in vollkommener Gnade. Gott verlangt nur eine gänzliche Hingabe an seinen Sohn. Jesus weist niemanden zurück. Er ist Gott und will in aller Güte das Herz an sich ziehen; Er ist Mensch geworben, um sich dem Menschen in aller Niedrigkeit darzustellen und jeglichen aufzunehmen, der zu Ihm kommt; denn das ist der Wille dessen, der Ihn gesandt hat. Wenn Jesus verworfen wird, so ist das der endgültige Beweis, dass das Herz Gott nicht will, in welcher Weise Er sich auch offenbaren möge; es ist ein unwiderlegbares Zeugnis des Hochmuts und der Verhärtung des menschlichen Herzens, welches, ach! nicht vor dem Gott bestehen kann, der sich in Liebe offenbart hat. Der Stolz schämt sich dessen, der am Kreuz hing; die Eitelkeit kann nicht einem Jesus nachfolgen, der verschmäht und verworfen wurde. Gott sucht auch uns auf diese Weise zu prüfen, obwohl wir es nicht lieben. Der Mensch soll sich als Sünder bekennen, sein Gewissen unterwerfen und seinen Willen aufgeben; aber er will nicht. Es ist die Freude Gottes, dem Verlorenen zu begegnen; aber der menschlichen Natur ist es gänzlich zuwider, sich in ihrem Elend finden zu lassen; nur die Gnade kann sie dazu fähig machen. Aber aus diesem Grund hasst sie die Gnade mehr als das Gesetz; sie kann es nicht ertragen, ganz bloßgelegt zu werden. Aber nur dann kann Gott in Wahrheit segnen und die Seele erretten, wenn das Herz erforscht ist. Gott handelt seinem Wesen gemäß, und nicht nach unseren Gedanken. Wenn der Mensch nicht an Jesus glaubt, muss Gott sich ihm im Gericht offenbaren.

Ägypten musste geschlagen werden. Jene aber, die sich Gott unterwarfen und dem Blut des Lammes vertrauten, waren in völliger Sicherheit. Israel war von dem kommenden Gericht überzeugt; und also sollte es stets bei den Gläubigen sein, dass sie die Wege Gottes betrachten, wenn Er die Welt nach Gerechtigkeit richten wird. Wenn aber Gott das Gericht offenbart, so gibt Er auch Mittel und Wege, um demselben zu entfliehen. Die Seele, in welcher die Furcht Gottes eine Stätte gefunden hat, hält sich an seinem Wort. – Zwischen Gott und Israel erhob sich eine wichtige Frage. Konnte Israel bestehen, wenn Er zum Gericht kam? Die Ägypter waren Sünder und ohne allen Zweifel dem Gericht verfallen; aber was konnte das Los der Kinder Israel sein? Wo waren ihre Sünden? Gott wusste allein einen Ausweg. Er befahl Mose, dass sie alle von dem Blut des Lammes nehmen und es an die beiden Türpfosten und an die obere Schwelle streichen sollten. „Und das Blut soll ein Zeichen sein an den Häusern, darinnen ihr seid, dass, wenn ich das Blut sehe, ich an euch vorübergehe, und euch nicht die Plage widerfahre, die euch verderbe, wenn ich Ägyptenland schlage.“ – Natürlich muss das dem menschlichen Verstand als Torheit erscheinen; aber der einfache Glaube ehrt das Wort Gottes und handelt demgemäß. Der Würgengel Jehovas durchzog das Land; und würde er dem rechtschaffensten Israeliten begegnet sein, der nicht nach dem Gebot Gottes die Türpfosten mit Blut bestrichen hatte, so hätte er in dessen Haus eintreten und töten müssen. Denn Gott richtete die Sünde durch dieses Zeichen; und die Sünde macht alles gleich. Wo das Blut nicht war, dastand die Sünde in ihrer ganzen Hässlichkeit noch ungesühnt und ungerichtet vor Gott.

So finden wir also jetzt entweder Christus und das Heil, oder keinen Christus und kein Heil. „Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben; wer aber dem Sohn nicht glaubt, wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt auf Ihm.“ Für jene, welche sich innerhalb der mit Blut besprengten Türen befanden, war die größte Sicherheit, während der Herr das Gericht an den Ägyptern durch seinen Engel vollziehen ließ. Gott lässt sich nicht betrügen; und kein Mensch vermag Ihm zu entrinnen. Er sagt: „Wenn ich das Blut sehe, will– ich vorübergehen.“ Seinem Wort kann man völlig vertrauen, wie auch das Gericht ausfallen mag. Und bemerken wir es wohl! Es heißt nicht: „Wenn ihr das Blut seht“, sondern: „wenn ich das Blut sehe.“ – viele Seelen ruhen oft, wenn auch nicht auf ihrer eigenen Gerechtigkeit, so doch auf den Gefühlen, womit sie das Blut betrachten. So köstlich es indessen auch ist, den Wert dieses Blutes zu kennen und die tiefe Bedeutung desselben im Herzen zu tragen, so ist dieses doch nicht der Grund des Friedens. Der Frieden ist ganz und gar davon abhängig, wie Gott das Blut betrachtet; Er allein vermag es in seinem vollkommenen Werte zu schätzen; und nach seinen Gedanken sind alle Sünden durch dasselbe getilgt. Er ist es, dem die Sünde ein Gräuel und dessen Zorn ihretwegen erregt ist; und Er sieht jetzt die Kraft dieses Blutes, das da reinigt von aller Sünde. Es könnte nun die Frage aufgeworfen werden: „Muss ich denn nicht an den Wert dieses Blutes glauben?“ Jedenfalls. Aber du glaubst daran, wenn du siehst, dass Gott es für sündentilgend hält. Aber du darfst seinen Wert nicht nach dem Maß deiner Gefühle beurteilen. Der Glaube richtet sich einfach nach der Meinung Gottes.

Gott sieht das Blut; und das ist hinreichend. Darauf ruhend ist unser Gewissen befriedigt; und wir entgehen dem zukünftigen Zorn, weil Gott den Wert dieses Blutes kennt, nicht aber, weil wir die ganze Hässlichkeit der Sünde und die Kostbarkeit des Blutes des Lammes erkennen. Gott schätzt das Blut seines Sohnes ebenso hoch, wie Er die Sünde in uns hasst und verabscheut. Dieses fühlen und erkennen wir am tiefsten, wenn wir durch den Glauben in diese Wahrheit eintreten und darauf ruhen. Der Glaube erfasst das über die Sünde angekündete Gericht und fühlt, wie durchaus notwendig es ist, dass Gott das Blut des Lammes so hochschätzt und auf diesem Weg die Erlösung bewirkt. Dieses ist die erste große und wichtige Frage – eine Frage, die zwischen einem heiligen Gott und einem sündigen Geschlechte entschieden sein muss. Gott tritt als Richter auf den Schauplatz; aber das von Sünden reinigende Blut der Erlösung versperrt Ihm den Weg, hält den zum Richten gehobenen Arm zurück und schützt den Sünder unfehlbar. Das in seinem Wert von Gott hochgeschätzte Blut sichert vor den Schrecken des Gerichts.

Während der Würgengel die Ägypten schonungslos heimsuchte, verzehrten die Kinder Israel das geschlachtete Lamm in Ruhe und Sicherheit; denn nach dem Befehl des Herrn sollten sie in derselben Nacht das am Feuer gebratene Fleisch und ungesäuertes Brot mit bitterer Kräuterbrühe essen. Aber warum mit bitterer Kräuterbrühe? Es war dies ein Vorbild dessen, was der Sünder im Augenblick seiner Errettung in seinem Herzen fühlt. Und sicher fühlen mir die Bitterkeit und Hässlichkeit der Sünde umso tiefer, je mehr wir Christus kennen und von seiner Reinheit genießen. Aber nichtsdestoweniger war Gott mit ihnen; und der leiseste Zweifel an dem Wort Gottes in Betreff ihrer Befreiung wäre Sünde gewesen. Es ist Sünde, daran zu zweifeln, dass das Blut des Sohnes Gottes von aller Sünde reinigt. Gott hat es gesagt; und der Zweifler macht Gott zum Lügner. –

Die Kinder Israel waren zwar noch in Ägypten; aber sie begannen, nachdem sie das Lamm mit den bitteren Kräutern der Reue verzehrt hatten, ihre Reise nach Kanaan anzutreten, und Gott war mit ihnen. Sie waren um ihre Lenden gegürtet, hatten Schuhe an ihren Füßen und Stäbe in ihren Händen. Und wie klar bezeichnet dieses Vorbild unsere Stellung in dieser Welt, welche für uns nichts weiter ist, als die leere Grabstätte Jesu. Israel trat seine Pilgerreise an, nachdem die Frage der Sünde vor Gott gänzlich beseitigt war; und diese Pilger hatten das volle Bewusstsein, dass sie selbst inmitten der Gerichts Gottes ganz und gar in Sicherheit waren. Wenn sich Gott einer Seele offenbart, so kann sie selbstredend nicht eher Frieden finden, bis sie seine Gnade ebenso klar erkennt, wie sein Urteil über die Sünde. Der Christ weiß, dass sein Gericht auf Christus gefallen ist; er fängt an, sich der Gerechtigkeit Gottes zu unterwerfen – einer Gerechtigkeit, welche unsere Natur, nebst deren Handlungen in ihren Wurzeln und Zweigen, gänzlich verdammt, die uns aber Zugleich auf den hinweist, der die Verdammnis an unserer statt getragen hat.

Hast du dich Jesus unterworfen? Es ist der Wille Gottes, dass du es tust. Er verlangt weder Werke noch Opfer; er zeigt dir, was du bist, und Er zeigt dir, was Jesus getan hat und was Er ist. Der vornehmste der Sünder wird von Ihm in vollkommener Gnade angenommen. Sein Wort sagt: „Siehe, jetzt ist die wohl angenehme Zeit! Siehe, jetzt ist der Tag des Heils!“ – Als Israel auszog, überschritt die Wut des Feindes alle Grenzen. Pharao spannte alle Wagen Ägyptens an und jagte mit Rossen und Reitern und seinem ganzen Heer dem auswandernden Volk nach. Noch nie waren die Kinder Israel so niedergeschlagen und traurig gewesen, wie am Abend ihrer Befreiung. Nachdem die zwischen Gott und ihnen ruhende Sünde beseitigt worden war, handelte es sich nur noch um die Frage zwischen Gott und dem Feind. Hätten sie dieses verstanden, so würden sie ruhig gewesen sein.

„Und Moses sprach zum Volk: Fürchtet euch nicht. Steht fest und seht zu, was für ein Heil der Herr heute an euch tun wird! Denn diese Ägypter, die ihr heute seht, werdet ihr nimmermehr sehen ewiglich. Der Herr wird für euch streiten, und ihr sollt stille sein. ... Und die Kinder Israel gingen hinein mitten ins Meer auf dem Trocknen; und das Wasser war ihnen für Mauern zur Rechten und zur Linken. Also half der Herr Israel an dem Tag von der Ägypter Hand. Und sie sahen die Ägypter tot am Ufer des Meeres; und Israel sah die große Hand, die der Herr an den Ägyptern erzeigt hatte. Und das Volk fürchtete den Herrn und glaubte an den Herrn und seinen Knecht Mose“ (2. Mo 14,14–31).

Es ist nötig einen Unterschied zu machen zwischen dem Gericht der Erstgeburt und dem im rochen Meere stattfindenden Gerichte. Letzteres war eine Folge des Ersteren, welches Pharao allein schon von seiner jetzigen Verfolgung hätte abschrecken sollen. Das Blut, welches das Volk vor dem Gericht Gottes schützte, hat in gewissem Sinn eine weit tiefere Bedeutung, als das rote Meer, obwohl auch hier ein Gericht vollzogen wurde und das hier stattfindende Ereignis eine glänzende Offenbarung der erhabenen Macht Gottes war, der mit dem Hauch seines Mundes den Feind vernichtete. Er befreite sein Volk durch ein verheerendes Gericht. Aber das Blut des Lammes bezeichnet das moralische Gericht Gottes, sowie die völlige Befriedigung seines ganzen Wesens. Das Blut, einmal als das Mittel zur Befreiung vom Gericht von Seiten Gottes anerkannt, verhinderte Ihn in seiner Heiligkeit, Gerechtigkeit und Wahrheit, jene anzurühren, die unter der Beschirmung dieses Blutes standen. Seine unendliche Liebe hatte ein passendes Mittel gefunden, um seine Gerechtigkeit nach allen Seiten hin völlig zu befriedigen; und beim Anblick des Blutes, welches allem entsprach, was die Vollkommenheit seines Wesens erforderte, ging Er mit seiner Gerechtigkeit und Wahrheit vorüber, ohne irgendwelche Ansprüche geltend zu machen. Nichtsdestoweniger aber sehen wir Gott, selbst im Vorübergehen, als den Richter. Und aus diesem Grund ist der Friede ungewiss und schwankend, solange die Seele auf diesem Grund stehen bleibt. Ihr Weg ist noch in Ägypten, wenn sie auch ohne allen Zweifel wahrhaft bekehrt ist, denn Gott tragt für sie noch den Charakter als Richter und der Feind ist noch in der Nähe. Die Seele muss durch das rote Meer gehen und mithin Ägypten, d. h. die Welt, verlassen. Am roten Meer handelt Gott mit Macht dem Zweck seiner Liebe gemäß. Dort wird der Feind, der dem auswandernden Volk auf dem Fuß folgt, ohne Rettung vernichtet. Dieses wird einmal eine glänzende Erfüllung in den Tagen großer Drangsal finden, wenn das Volk, welches – wenigstens für das Auge Gottes – durch das Blut geschützt ist, vor seinem Dränger, dem Antichristen, auf der Flucht begriffen ist.

Als moralisches Vorbild stellt uns ohne Zweifel das rote Meer den Tod und die Auferstehung Christi und seines Volkes mit Ihm vor Augen. Gott ist dort beschäftigt, um die Seinen aus dem Tod zu bringen, in welchen er sie mit Christus versetzt hatte; und Zugleich entzieht Er sie der Gefahr, von dem sie verfolgenden Feinde eingeholt zu werden. Schon jetzt haben wir durch den Glauben Teil an Jesu. Durch sein am Kreuz vergossenes Blut sind wir vor dem kommenden Gericht geschützt, und durch seine Macht von der Gewalt Satans, des Fürsten dieser Welt, befreit. Zuerst schirmte uns das Blut vor dem Gericht, und dann befreite uns die Macht Gottes von der ganzen Macht und den Anfechtungen des Feindes, der uns bis aufs Äußerste verfolgte.

Die Welt, die denselben Weg einzuschlagen trachtet, wird von den Wellen des Meeres verschlungen. Welch eine ernste Warnung! Alle, die sich Christen nennen, haben sich, ihrem Bekenntnis nach, auf den Grund des kommenden Gerichts gestellt und mithin die Notwendigkeit einer Rechtfertigung anerkannt, ohne irgendwie die Tragweite ihres Bekenntnisses und der Gedanken Gottes zu erkennen. Der Gläubige geht durchs rote Meer, d. h. durch die Schrecken des Gerichts, in und mit Jesu, weil er sich außer Ihm hoffnungslos und verloren sieht. Der bloß bekennende Christ geht gleich jedem Ungläubigen, diesen Weg in seiner eigenen Kraft; und das, was dein Gläubigen zur Rettung und Befreiung dient, dient ihm zum Untergang und Verderben. Israel maß das Hindernis, welches das rote Meer ihm entgegenstellte nach seiner eigenen Ohnmacht und hielt daher seine Rettung für unmöglich. So erschrickt stets das erwachte Gewissen vor dem Tod und dem Gericht. Aber Christus ist gestorben und hat für uns das Gericht auf sich genommen, so dass wir völlig von dem befreit sind, welches an und für sich mit Recht ein Gegenstand des Schreckens für uns war. Der Weltmensch hingegen fasst diese Wahrheit mit eigener Kraft auf, als ob keine Gefahr vorhanden sei; in falscher Sicherheit verfolgt er seinen Weg und eilt in das ewige Verderben.

Welch ein Glück für den Gläubigen! Tod und Gericht, früher ein Gegenstand seiner Furcht, sind jetzt für ihn ein Gegenstand der Freude. Jetzt, wo er den gesegneten Erfolg des Todes Christi in der Hand Gottes erblickt, ist seine Furcht in Freude verwandelt. „Speise ging von dem Fresser, und Süßigkeit von dem Starken“ (Ri 14,14). Ja, Honig ist aus dem Leib des toten Löwen genommen. Die Auferstehung Christi ist das sichere, ewig gültige Zeugnis, dass das Gericht für den Gläubigen vorüber ist, aber für die Welt unaufhaltsam herannahen wird. Christus ist auferstanden; und ebenso gewiss wir durch Ihn gerechtfertigt sind, wird die Welt durch Ihn gerichtet werden. O möchten doch alle sich warnen lassen, die an ihrem Herzen noch nicht die erlösende Kraft des Blutes erfahren haben!

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