Sei stark und mutig!

Kapitel 8

Der Sieg über Ai

Einleitung (V. 1.2)

Nachdem das Volk vom Bösen gereinigt worden war, war es von Neuem in der Lage, mit Gottes Hilfe den Kampf aufzunehmen. Zunächst musste Ai eingenommen werden, bevor das Volk den Besitz des Landes durch den Bau des Altars auf dem Berg Ebal nach dem Gebot des Herrn an Mose vorwegnehmen konnte (V. 30-35).

Was für ein Segen und welche Ermunterung für das Volk, dass Gott wieder in ihrer Mitte war! Die Kämpfe Israels waren aufs Neue die Kämpfe Gottes, da Er selbst Josua die Anweisungen für die Einnahme der Stadt Ai gab.

Aus dieser Begebenheit ergibt sich eine wichtige moralische Lektion für uns. In der Geschichte Achans haben wir gesehen, wie die Sünde das geistliche Urteilsvermögen raubt und das Herz von Gott entfernt (Jes 59,2; Hos 4,11). Obwohl das Volk wieder in der Gunst Gottes stand, musste es entdecken, dass es seine Kraft verloren hat. Es musste erfahren, dass es schwach war. Es stellte sich nicht mehr die Frage, ob wirklich das ganze Volk bemüht werden sollte, um die kleine Stadt einzunehmen (vgl. Jos 7,3.4). Ganz im Gegenteil, alle kriegstüchtigen Männer wurden von Gott dazu aufgerufen, sich mit Josua zu vereinen (V. 1). Es brauchte zehnmal mehr mutige Männer als beim ersten Angriff, nämlich 30'000, die die kleine Stadt von nur 12'000 Einwohnern durch eine ausgeklügelte Strategie einnahmen (V. 25).

Vergleich zwischen der Einnahme Jerichos und Ais

Die Eroberungen der beiden Städte Jericho und Ai sind die einzigen, zu denen uns die Bibel einige Details gibt. Insgesamt repräsentieren sie den ganzen Verlauf des geistlichen Kampfs eines Christen in den himmlischen Örtern im Blick auf die praktische Inbesitznahme des göttlichen Erbes.

Die Unterschiede zwischen beiden Eroberungen könnten nicht grösser sein:

In Jericho erkannte das Volk die Macht Gottes. Die Bundeslade, ein Bild von Christus, trug den Sieg davon. Das Volk musste überhaupt nicht kämpfen. Die Macht des Feindes ist aufgrund des Sieges Christi am Kreuz gebrochen.

Bei der Einnahme von Ai stellte das Volk seine eigene Schwachheit fest. Die Bundeslade wird nicht erwähnt. Nach der Demütigung Josuas und der Ältesten Israels (Jos 7,6) und nach der Szene auf den Bergen Ebal und Gerisim (Jos 8,33) kommt die Bundeslade im Buch Josua nicht mehr vor. Sie blieb im Lager in Gilgal, wohin das Volk nach seinen Siegen jeweils zurückkehrte. Damit war sie nicht mehr das öffentliche Instrument der Siege.

Später findet man die Bundeslade in Bethel (Ri 20,26.27), dann in Silo (1. Sam 3,3), bevor sie in Kirjat-Jearim im Haus Abinadabs aufbewahrt wurde. Unter David kam sie schliesslich nach Jerusalem. Das Volk war hier direkt in den Kampf mit dem sich entgegenstellenden Feind einbezogen. In einer solchen Situation erfährt der Christ mitten im geistlichen Kampf sowohl die göttlichen Hilfsquellen der Kraft als auch die menschliche Schwäche.

Die Eroberung von Ai (V. 3-28)

Die Anweisungen Gottes für den Kampf gegen die Stadt Ai und seinen König beinhalteten folgende Punkte:

Josua und das Kriegsvolk sollten sich von Norden her, also dem Tal gegenüber, der Stadt Ai nähern (V. 11).

Josua sollte im Westen der Stadt einen Hinterhalt von 5'000 Mann aufstellen, der sich vor dem Feind versteckt hielt (V. 12).

Das Kriegsvolk sollte in der Nacht durchs Tal ziehen. Den Jordan hatten sie am Tag durchzogen. Auch Jericho hatten sie am Tag eingenommen, damit der Sieg im Licht sichtbar wurde.

Sie mussten vor dem Feind den Anschein einer Niederlage erwecken, wie dies beim ersten Mal tatsächlich der Fall war (V. 14-16).

Erst ganz am Schluss nach all diesen strategischen Maßnahmen kam die wirkliche Einnahme der Stadt und deren Gericht.

Das sind die Wege, auf denen Gott sein Volk dazu brachte, das Selbstvertrauen zu richten und sich die praktischen Konsequenzen der früheren Fehler einzugestehen.

Dennoch mangelte es nicht an der Gnade Gottes, die einen vollständigen Sieg über Ai bewirkte. Dieser Sieg beruhte auf dem ausgestreckten Spieß in der Hand Josuas inmitten des Volkes (V. 26). Josua handelte als Führer des Volkes und ist hier wieder ein Bild von Christus, der die Waffe des Gerichts, den Spiess, trägt. Einige Zeit früher hatte Josua den Engel des Herrn mit einem gezückten Schwert in den Ebenen Jerichos gesehen (Jos 5,13). Jetzt trug Josua einen Spiess, der erhoben bleiben sollte, bis das Gericht völlig ausgeführt worden war.

Die zwei Angriffswaffen des Christen gegen die geistlichen Mächte der Bosheit sind zum einen das Schwert des Geistes, Gottes Wort, und der Spiess, ein Bild des Gebets. Diese Waffen müssen wir während des ganzen Kampfs bis zum vollständigen Sieg benutzen (Eph 6,17.18). Dieselbe Belehrung finden wir beim Kampf gegen Amalek, wo Josua zum ersten Mal genannt wird (2. Mo 17,11–13). Die Fürbitte Moses, dessen erhobenen Arme durch Aaron und Hur gestützt waren, garantierten dem Volk den Sieg unter der Führung Josuas. Wir sollten uns demnach bemühen, wie Paulus (Phil 1,30) und Epaphras (Kol 4,12.13) von diesen zwei göttlichen Hilfsquellen Gebrauch zu machen, sowohl für uns als auch für unsere Glaubensgeschwister.

Nachdem der Sieg nun errungen war, wurde dem Volk erlaubt, die Stadt zu plündern (V. 2.27). Beim Sieg über Jericho wurde die göttliche Herrlichkeit für das ganze Volk Israel sichtbar, das nur Zeuge dieses Sieges war und nicht an diesem Sieg teilhaben konnte: Die wertvollen Gegenstände kamen in den Schatz des Herrn (Jos 6,19). Im Gegensatz dazu steht die Einnahme von Ai, wo das Volk aktiv in den Kampf einbezogen war und auch die Früchte des Sieges geniessen durfte. Die Stadt selbst wurde mit Feuer verbrannt und dadurch zu einem «ewigen Trümmerhaufen» (V. 28). Das war sie in Gottes Augen schon immer. Zuvor hatte sie dem Volk allerdings viel Kummer bereitet und nur wenig Ruhm eingebracht.

Hier lernen wir eine wichtige moralische Lektion: Das Selbstgericht (Kapitel 7) geht dem Gericht an den Feinden (Kapitel 8) voraus. Das Schwert des Geistes, das Wort Gottes, übt seine heiligende und durchdringende Wirkung zuerst an unseren eigenen Gewissen aus (Heb 4,12), bevor es dem Feind gegenüber gebraucht werden kann.

Das Gericht über den König von Ai (V. 29)

Der letzte Akt des Gerichts an der Stadt Ai war das Töten seines Königs, ein Gegenstand des göttlichen Fluchs (5. Mo 21,22.23). Josua unterwarf sich hier vollständig den Anordnungen des Gesetzes, indem er den König unter einem grossen Steinhaufen begraben lässt, bevor die Sonne untergegangen war. Der Apostel Paulus erinnert uns an diese Anordnung aus 5. Mose, um zu zeigen, wie der Herr uns durch seinen Tod «losgekauft hat von dem Fluch des Gesetzes, indem er ein Fluch für uns geworden ist» (Gal 3,13). Erinnern wir uns auch daran, dass der heilige Körper des Sohnes Gottes vom Kreuz herabgenommen wurde, bevor der Tag sich zu Ende neigte. Es konnte auch nicht anders sein für Den, der zu seinem Gott gesagt hatte: «Dein Gesetz ist im Innern meines Herzens» (Ps 40,9), für Ihn, der gekommen war, um das Gesetz zu erfüllen und nicht um es aufzulösen (Mt 5,17).

Gemäss den Aussprüchen auf dem Berg Ebal (vgl. 5. Mo 27,15 ff.) war der Fluch, den Christus auf dem Kreuz getragen hat, der Inbegriff des Gerichts über das Volk Israel, wenn sie das Gesetz überträten. Der Fluch würde auch uns treffen, wenn Christus uns nicht befreit hätte.

Der Altar auf dem Berg Ebal (V. 30-35)

«Damals baute Josua dem Herrn, dem Gott Israels, einen Altar auf dem Berg Ebal» (V. 30). Durch das Begraben des Königs von Ai und durch das Bauen eines Altars für den Herrn in Kanaan machte Josua deutlich, dass das Land Gott gehörte. Gott teilte es aber nun seinem Volk als Erbe aus. So handelte Josuas Glaube in Übereinstimmung mit Gottes Gedanken.

Der Altar des Herrn

Seit der Gesetzgebung auf dem Berg Sinai hatte Gott das Volk aufgefordert, Ihm einen Altar aus Erde oder aus Steinen zu bauen, um Ihm Brandopfer und Friedensopfer zu bringen (2. Mo 20,24–26). Gott hatte dem Volk seine Gedanken durch Mose und die Ältesten bestätigt für den Tag, an dem es ins Land kommen würde (5. Mo 27,2.5–7). Nun war die Zeit gekommen, diesen Altar zu bauen.

Gott wohlgefällige Altäre mussten aus ganzen Steinen gebaut werden, die nicht von Menschen behauen worden waren. Ausserdem durfte es keine Stufen zum Altar geben, weil sie die Blösse des Menschen aufgedeckt hätten.

Das gilt geistlicherweise auch für uns heute. Christen können Gott, den Vater, nicht auf dem Gebiet menschlicher Anmaßung wie bei Sardes (dargestellt durch behauene Steine, die schön aussehen) wahrhaftig anbeten. Dasselbe gilt für Laodizea, wo sich Christen ihrer Blöße nicht bewusst sind (d.h. ihres natürlichen Zustands ohne Christus) und das Kleid der Gerechtigkeit (Christus selbst) nicht angezogen haben (Jes 61,10; Gal 3,27).

Ebal und Gerisim

Der Altar sollte auf dem Berg Ebal gebaut werden. Die beiden Berge Ebal und Gerisim, die in der Nähe des Jordan liegen, werden durch ein Tal getrennt, in dem sich die Stadt Sichem befindet.

Auf dem Berg Gerisim sollten Vertreter von sechs Stämme stehen, die das Volk segneten (darunter Levi, Juda, Joseph und Benjamin - vier Vorbilder auf den Herrn Jesus).

Auf dem Berg Ebal sollten die anderen sechs Stämme vertreten sein, die das Volk verfluchten (unter ihnen ist Ruben, ein Bild der bösen Natur, und Dan, der den religiösen Verfall versinnbildlicht).

Die Segnungen auf dem Berg Gerisim werden nicht genannt, da weder das Volk noch irgendein Mensch sie jemals verdient haben. Nur der Mensch Christus Jesus hat den Anforderungen des Gesetzes vollkommen entsprochen. Der Himmel und der Thron des Vaters sind die Anerkennung Gottes für sein einzigartiges Leben und sein Erlösungswerk am Kreuz.

Dagegen wurde dem Volk vom Berg Ebal der Fluch in seiner ganzen Härte vorgestellt. Zwölf Mal heisst es in 5. Mose 27,15–26 «verflucht sei», und jeden Fluch musste das ganze Volk mit einem «Amen» bestätigen. Jakobus greift den Fluch auf und zeigt, dass man sich durch das Übertreten eines Gebotes des ganzen Gesetzes schuldig macht (Jak 2,10). So wird jeder Mund verstopft; alle sind dem Gericht Gottes verfallen (Rö 3,19).

Aber Gott selbst gibt die einzig mögliche Antwort auf diesen hoffnungslosen Zustand des Menschen: Der Altar (ein Bild des Kreuzes Christi) wird gerade auf dem Berg Ebal gebaut. Der Tod Christi befreit den Glaubenden von aller Schuld und rechtfertigt ihn durch Gottes Gnade umsonst (Rö 3,24; 8,1).

Friedensopfer auf dem Berg Ebal

Nun versammelte sich das ganze Volk in Sichem zusammen mit den Ältesten und Vorstehern, Richtern, Priestern und Leviten in der Gegenwart der Lade des Bundes des Herrn. Bis hierhin war das Volk ein Kriegsvolk und in Kämpfe verwickelt gewesen. Nun wurde es zu einem Volk von Anbetern, um in der Freude der Gegenwart des Herrn Brand- und Friedensopfer zu bringen (5. Mo 27,6.7). Das ist ein Bild von der Gemeinschaft, die man in der Einheit des am Kreuz erkauften Volkes geniessen kann. Es ist ein Volk, das die Segnungen des am Kreuz vollbrachten Werkes (wovon der Altar ein Bild ist) geschenkt bekommen hat.

Die Bundeslade stand auf dem Berg Ebal. So hat Christus am Kreuz den Fluch anstelle des Volkes erduldet. Die Steine des Altars sprechen hier von der Einheit des Volkes, die Gott anerkennt. Die zwölf Steine in Gilgal und im Jordan stellten zum ersten Mal die Einheit des erlösten Volkes am Eingang des Landes dar. Später baute Elia durch Glauben auf dem Berg Karmel den Altar Gottes mit zwölf Steinen in Anlehnung an die zwölf Stämme Israels (1. Kön 18,30–32). Zu diesem Zeitpunkt war die äussere Einheit des Volkes schon lange nicht mehr vorhanden. Nur der Glaube kann uns auch heute über unser eigenes Elend im himmlischen Volk erheben und bis zur Höhe der Gedanken Gottes bringen.

Das Gesetz wird geehrt

Schliesslich schrieb Josua eine vollständige Abschrift des Gesetzes auf die Steine des Altars gemäss der Anweisung, die Mose schon in den Ebenen Moabs erhalten hatte (5. Mo 27,8). Das Gesetz wurde jedoch nicht nur auf die Steine des Altars geschrieben, sondern auch vor der ganzen Versammlung Israels vorgelesen, sowohl den Frauen und den Kindern, als auch den Ausländern, die sich in ihrer Mitte befanden (V. 35).

Das Wort Gottes hat einen unbeschreiblichen Wert. Es ist der Massstab unseres Lebens und auch die Nahrung für unsere Seele. So wie die Versammlung für Gott eine Schar von Priestern ist, die Ihm das Lob darbringt, so ist sie gleichzeitig auch ein Zeugnis gegenüber der Welt, der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit (1. Tim 3,15). Jeder Christ ist ein Brief Christi (2. Kor 3,3).

Schlussfolgerung

In Bezug auf das irdische Volk Gottes wird diese glückliche Szene ihre vollkommene Erfüllung finden, wenn Gott dem Volk auf der Grundlage des neuen Bundes sein Gesetz in ihr Inneres legen wird. Davon lesen wir im Propheten Jeremia: «Ich werde mein Gesetz in ihr Inneres legen und werde es auf ihr Herz schreiben» (Jer 31,33).

Die beiden Städte Jericho und Ai waren erobert. Gottes Vorschriften wurden anerkannt und das Volk nahm seinen Platz im Land rund um die Bundeslade (Christus) und in der Gegenwart des Altars (das Kreuz Christi) ein, um Gott wohlangenehme Opfer darzubringen. Später musste allerdings der Beginn der Herrschaft Salomos abgewartet werden, damit die Bundeslade und der Altar wieder vereint würden, aber nicht mehr an diesem Durchgangsort Sichem. Es geschah in Jerusalem, und zwar auf dem «Berg, den Gott zu seinem Wohnsitz begehrt hat» (Ps 68,17). Dieser Berg erinnert an die Leiden Christi (Morija) und die königliche Gnade Gottes (Zion). Lies dazu auch folgende Stellen: 1. Mo 22,2; 2. Chr 3,1; 4,1.19; 5,7; 6,40–42.

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