Botschafter des Heils in Christo 1878

"Richtet euer Herz auf eure Wege"

„Richtet euer Herz auf eure Wege.“ Diese Worte, die der Herr einst dem Volk Israel zurief, sind eine ernste Mahnung für alle Jahrhunderte. Wie groß ist in unseren Tagen die Masse der bekennenden Christen, die in großer Gleichgültigkeit auf dem breiten Wege des Verderbens dahingehen, ohne auch nur ein einziges Mal ihr Herz auf ihren Weg zu richten, ohne einmal stille zu stehen und an das Ende ihres Weges zu denken! Sie wünschen selbst nicht, daran erinnert zu werden, weil es sie beunruhigt und sie weit davon entfernt sind, ihren bösen Weg zu verlassen. Sie weisen jeden Gedanken daran, jede Mahnung ihres eigenen Gewissens und jede Warnung von anderen beharrlich zurück; sie wollen lieber in Ungewissheit und Selbsttäuschung über sich und ihre Wege dahinleben, als mit offenem Auge die nackte Wirklichkeit sehen. Sie gleichen einem leichtfertigen Kaufmann, der wohl merkt, dass der Zustand seines Geschäfts ein bedenklicher ist, der es aber fortwährend aufschiebt, Bilanz, zu machen, aus Furcht, dann die ganze Größe des über ihn hereinbrechenden Unglücks zu entdecken. So Zögert er von Tag zu Tag, bis plötzlich der gefürchtete Schlag mit vernichtender Gewalt über ihn kommt.

Es verdross den Landpfleger Felix (Apg 24), Paulus „über Gerechtigkeit und Enthaltsamkeit und das kommende Gericht“ reden zu hören; und er schickte ihn fort mit den Worten: „Für jetzt gehe hin, wenn ich aber gelegene Zeit habe, werde ich dich rufen lassen.“ Gewiss fehlte es ihm nicht an gelegener Zeit, allein die Worte des Apostels beunruhigten ihn. Er hatte die Sünde zu lieb, um davon abzulassen, und an ihre Folgen und an das kommende Gericht wollte er nicht erinnert werden.

Wie steht es nun mit dir, mein lieber Leser? Verdrießt es dich auch, wie jenen Landpfleger, wenn von solch ernsten Dingen die Rede ist? Sagst du wie er: „Für jetzt gehe hin?“ Weisest du jede Ermahnung und jede Erinnerung an deinen Zustand und deinen Weg mit einem spöttischen Lächeln oder einem gleichgültigen Achselzucken zurück? Gott weiß, wie oft du schon gewarnt worden, wie oft du die Mahnung deines Gewissens unterdrückt hast. Oder bist du durch den Gedanken an die Ewigkeit, an das kommende Gericht nie beunruhigt worden? Haben nie ernste Vorfälle des Lebens, Krankheit und Tod, Kummer und Elend dich auf die Vergänglichkeit und Eitelkeit der Welt aufmerksam gemacht? Und ach! Dies alles ist vielleicht wie bei so vielen nutzlos an dir vorübergezogen, ohne dass du auch nur einmal dein Herz mit Ernst auf deinen Weg und sein Ende gerichtet hättest; du bist derselbe gleichgültige Sünder oder derselbe selbstgerechte Mensch geblieben. Doch wisse, dass einmal dein Weg und dein ganzer Zustand ins wahre Licht gestellt wird. Du magst jetzt, gleich jenem leichtfertigen Kaufmann, dein Auge darüber verschließen, aber plötzlich wird der gefürchtete Tag mit all seinen Schrecken hereinbrechen und wird eine ewige Verdammnis, ein ewiges Verderben, eine ewige Qual, einen Wurm, der nicht stirbt, und ein Feuer, das nicht verlischt, über dich bringen. Ja, das ist das schreckliche, aber wirkliche und unausbleibliche Ende aller, welche die Ermahnung des Wortes Gottes nicht zu Herzen genommen haben.

Deshalb bitte ich dich dringend: Richte dein Herz auf deinen Weg – auf deinen eigenen und nicht auf den deines Nächsten. Zu welchem Zweck? fragst du vielleicht. Ist es, damit ich jetzt schon den Vorschmack jener ewigen Qual empfinde? Gewiss nicht, sondern damit du sie nie empfinden möchtest, damit eine ewige Herrlichkeit dein Teil werde. Gott, der die Liebe und voll von Erbarmen und Gnade ist, will dich vom Verderben erretten; denn „also hat Gott die Welt geliebt, dass Er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass ein jeder, der an Ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe“; und wiederum: „Gott will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“ Der Sohn Gottes kam in diese Welt, „um zu suchen und zu erretten, was verloren ist“, Er gab sein eigenes Leben zur Errettung des Sünders und vergoss sein eigenes Blut zur Versöhnung des Sünders. Das ist Gnade, vollkommene Gnade.

So richte denn dein Herz auf deinen Weg, und du wirst finden, dass er nicht zur Herrlichkeit, sondern zum Verderben führt; du wirst erkennen, dass dein Herz dem Leben Gottes entfremdet ist, unrein in Gedanken. Worten und Werken, voll Eigenwillen und Selbstsucht, gleichgültig, undankbar und feindselig gegen Gott. Dies alles wirst du klarsehen, sobald du mit geöffnetem Auge auf deinen Weg blickst und der wahre Zustand deines Herzens dir offenbar wird. Das Urteil Gottes über den Menschen ist: „Da ist keiner, der Gutes tut, auch nicht einer. Da ist kein Unterschied, sie sind allzumal Sünder und erreichen die Herrlichkeit Gottes nicht.“ „Sie lieben die Finsternis mehr als das Licht.“ Sie sind „unverständig, ungehorsam, irrend, dienen mancherlei Lüsten und Vergnügungen, führen ihr Leben in Bosheit und Neid, verhasst und einander hassend.“ Sie sind „tot in Sünde und Vergehungen.“ Das sind die klaren und bestimmten Zeugnisse des Gottes, der nicht lügen kann und mit dem wir alle es zu tun haben. Dennoch geht Er uns jetzt voll Liebe und Gnade nach um uns zur Umkehr zu bewegen. Er selbst ruft uns zu: „Richtet euer Herz auf eure Wege“, und dies tut Er, damit wir die absolute Notwendigkeit unserer Errettung erkennen sollen. Denn nur dann werden wir unsere Zuflucht zu Jesu, dem alleinigen Heiland, nehmen, der gesagt hat: „Wer zu mir kommt, den will ich nicht hinauswerfen“; und: „Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich eingeht, der wird errettet werden.“ „Kommt her zu mir, alle Mühselige und Beladene, und ich werde euch Ruhe geben.“ Welch eine Liebe zu dem verlorenen Sünder! O weise doch diese unvergleichliche Liebe nicht kalt und gleichgültig zurück, geliebter Leser! Richte dein Herz auf deinen Weg und eile zu Jesu, in die offenen Arme seiner erbarmenden Liebe, ehe es zu spät ist!

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