Botschafter des Heils in Christo 1878

Ein lebendiger Gott und ein lebendiges Volk

Ein lebendiger Gott, dem aller Ruhm und alle Ehre gebührt, und ein lebendiges Volk, das Ihn preist – so könnten die Überschriften dieser beiden Psalmen lauten. Psalm 115 spricht von dem lebendigen Gott und Psalm 116 von dem lebendigen Volk. Der Schreiber derselben ist nicht genannt. Dass es Ausdrücke von Seiten einer Person sind, die unter der unmittelbaren Leitung des prophetischen Geistes steht, ist klar; denn sie beziehen sich auf zukünftige Tage und sprechen von einer Zeit der Leiden und Trübsale, die noch nicht über die Erde hereingebrochen ist.

Psalm 115 spricht also von dem lebendigen Gott. „Nicht uns, Jehova, nicht uns, sondern deinem Namen gib Ehre, um deiner Güte, um deiner Wahrheit willen“ (V 1). Welch eine Zusammenstellung haben wir hier! Güte und Wahrheit sind einander begegnet. Wir können jetzt schon davon singen. Israel wird es eines Tages auch tun; denn von diesem Volk, und nicht von der Kirche, spricht der Psalm (wie Vers 9 zeigt). Vor Gott zum Bewusstsein seiner Schuld gebracht, nachdem es nicht vermocht hat, auf dem Grund seiner eigenen Gerechtigkeit vor Ihm zu bestehen, wird es hiervon singen und dazu übergehen, Ihm allen Ruhm und alle Herrlichkeit zu geben. Obwohl Jerusalem auf der Erde zu einem Ruhm gemacht und das solange verachtete und übel behandelte Volk der Juden die Nation sein wird, mit der sich andere zu verbinden suchen (Jes 62,7; Sach 8,33), so wird doch alles dieses, so gesegnet es sein mag, sie nicht dazu bringen, sich selbst zu rühmen, sondern es wird für sie eine Gelegenheit sein, alle Ehre und allen Ruhm Jehova zuzuschreiben.

Bis dahin ist jedoch ein Pfad des Glaubens ihr Teil. Die Errettung Israels ist noch nicht aus Zion gekommen. Bevor das Land von seinem Elend befreit ist, werden sie, da weder die Nationen gedemütigt, noch der Götzendienst aus Kanaan entfernt ist, die Verachtung der Heiden erfahren, welche fragen: „Wo ist nun ihr Gott?“ Wo ist Er? Keiner von ihnen hatte Ihn gesehen. Wal mag sein Volk eine Erinnerung an seine mächtigen Taten besitzen, aber diese Taten waren um ihrer Vorväter willen geschehen. Wo ist sein Ratschluss? Wo können die Heiden Ihn sehen? Der natürliche Mensch kann nicht den Glauben in göttlichen Dingen verstehen. Die Welt kann den Heiligen Geist nicht empfangen, weil sie Ihn nicht sieht, noch Ihn kennt. Der unbekehrte Heide wird nicht eher an den Gott Israels glauben, als bis Er seinen Arm fühlbar macht und seine Widersacher vernichtet. Auf die spöttische Frage der Heiden hat der Glaube jedoch eine Antwort: „Aber unser Gott ist in den Himmeln.“ Solchen, die nach dem Schauen wandeln, mag dies eine armselige Erwiderung scheinen. Wenn Er Gott ist, warum erscheint Er denn nicht, um seine Diener zu befreien? Wenn Er der lebendige Gott ist, wie kann Er erlauben, dass die seinigen bis in den Tod verfolgt werden? Wenn Er der einige Gott ist, warum beweist Er es nicht dadurch, dass Er sich mit allen denen, die Götter genannt werden, in Kampf einlässt? „Er ist in den Himmeln“ ist die Antwort des Glaubens. In einer Beziehung scheint dieses nur wenig zu sagen, in einer anderen sehr viel, denn es nimmt für Jehova den Platz in Anspruch, der Ihm eigen ist – den Himmel. Der Glaube kann, indem er dieses ausspricht, auf Ihn warten. Er wird kommen, wie Psalm 50,3 versichert, und deshalb bitten sie nicht, dass Er kommen möge. Sie warten seine Zeit ab, denn sie kennen Ihn und, obgleich Er nicht sichtbar ist, wissen sie doch, dass Er von allem, was vorgeht, Kenntnis hat. Alles, was sie von anderen erduldet haben, nehmen sie, als von Ihm kommend, an. „Alles, was Ihm wohl gefällt, tut Er“ (V 3). Ein Gott im Himmel, der in unumschränktem Willen und unumschränkter Macht handelt, das ist ihr Gott. Wie schön ist ihr einfaches Bekenntnis in Betreff Jehovas. „Alles, was Ihm wohl gefällt, tut Er.“ Ihr Los ist in der Tat ein bitteres, allein es ist der Wille Gottes. Kein Murren entschlüpft ihren Lippen. Durch Abfall würden sie sich vielleicht eine augenblickliche Ruhe verschaffen können, aber dann würden sie die einzige Hilfe und den einzigen Schild, den lebendigen und wahren Gott, verlassen. „Alles, was Ihm wohl gefällt, tut Er“, ist ihre Zuversicht inmitten ihrer Prüfungen. Er hält die Zügel der Regierung in seiner Hand. Da die Segnung seines Volkes noch nicht gekommen ist, (Vers 12 spricht von ihr als zukünftig) so warten sie darauf. Was anderes als göttliche Macht konnte diese Seelen in der Zeit der überströmenden Ungerechtigkeit bewahren? Aber indem durch Gott ihr Auge einfältig erhalten wird, haben sie Licht, zu sehen und zu unterscheiden, was sie umgibt. Die Heiden können dieses nicht.

Wer sind diese Heiden, welche sie verspotten? Was sind ihre Götter? Gott Jehova ist unsichtbar, doch Er sieht alles, was vorgeht. Diese Götter können gesehen werden, aber sie selbst vermögen nichts zu sehen. Gott ist der lebendige Gott, der im Himmel wohnt. Diese haben die Gestalt von lebenden Kreaturen, aber sie sind leblos und befinden sich auf der Erde. Er tut, was Ihm wohl gefällt. Diese sind nicht im Stande, irgendetwas zu tun. Sie haben ihren Ursprung in der Einbildung dessen, der sie macht, und verdanken ihre Gestalt dem Meißel des Künstlers. „Ihre Götzenbilder sind Silber und Gold, das Werk der Menschenhände“ – wertlose Gegenstände, die keinen anderen Wert haben, als den des Metalls, aus welchem sie gemacht sind. Was kann das Werk der Menschenhände für den Menschen tun? Wie kann ein sterbliches Geschöpf einen lebendigen Gott machen, der ihn zu erretten vermöchte? Welch ein Wahn, welch eine Torheit ist dies alles! Der Mensch kann das Metall zu einer menschlichen Gestalt formen, er kann diese dem schönsten Geschöpf Gottes auf der Erde nachbilden, aber wo ist das Leben, wo der Wille, wo die Kraft? „Einen Mund haben sie und reden nicht, Augen haben sie und sehen nicht. Ohren haben sie und hören nicht; eine Nase haben sie und riechen nicht; ihre Hände, und sie tasten nicht; ihre Füße, und sie gehen nicht; keinen Laut geben sie durch ihre Kehle“ (V 5–7). Mund, Augen, Ohren, Nase. Hände, Füße. Kehle, alles ist vorhanden. Äußerlich fehlt gar nichts. Sie entbehren jedoch eine Sache – den Odem des Lebens. Dieser kommt von Gott, und der Mensch, mit all seinem Willen, kann ihn nicht mitteilen. Wie bei einem Leichnam sind alle Glieder vorhanden, aber es fehlt das Leben. In einer Hinsicht unterscheiden sie sich von einem Leichnam. Der Leichnam hat gelebt; Gott hatte ihm Leben verliehen. Diese Götzen haben niemals gelebt, denn der Mensch ist ihr Schöpfer, nicht Gott. So sind diese Götzen. Wenn das Auge einfältig ist, so genügt es, sie anzublicken, um zu unterscheiden, was sie sind. Doch was hören wir von den Heiden, die sie machen? „Ihnen gleich sind die, die sie machen“ (V 8). Äußerlich mögen sie auch den Anschein von lebenden Seelen haben, in Wirklichkeit aber sind sie tot. Doch nicht allein sie, sondern auch „ein jeglicher, der auf sie traut“ (V 3). Das ist das Urteil des Glaubens über Gott und über die Götzen und ihre Anbeter. Diejenigen, welche zu Gott aufblicken, mögen arm, schwach und verfolgt sein, während die Götzenanbeter reich, mächtig und angesehen sind. Vor Gott aber sind diese letzteren wirklich tot, so untertänig und anscheinend gut sie sein mögen. Ein Mensch, der Götzen macht und auf Götzen vertraut, entbehrt völlig des geistlichen Lebens.

Auf wen sollte Israel vertrauen, wenn nicht auf Jehova? Es mag auffallend erscheinen, dass solch eine Ermahnung noch nötig sein wird. Werden sie nicht alle die Götzen sehen und ihre Nichtigkeit erkennen können? Haben ihre Vorväter nicht wegen des Götzendienstes viele Leiden durchmachen müssen? Haben sie selbst ihn nicht Jahrhunderte hindurch abgeschworen? Allerdings. Doch wir lesen, dass die Mehrzahl der Nationen zu dieser Sünde zurückkehren und wieder Götzenanbeter sein werden (Jes 2,20; 17,7–8; 30,22; 31,7; Hos 14,4). Die Ermahnung, auf Jehova zu vertrauen, wird umso mehr nötig sein, als es in jenen Tagen denen, die abfallen, äußerlich gut gehen wird; sie werden haben, was ihr Herz begehrt, „und Wasser in Fülle wird von ihnen geschlürft werden“ (Ps 73,3–12). „Israel, traue auf Jehova! Ihre Hilfe und ihr Schild ist Er. Haus Aaron, traut auf Jehova! Ihre Hilfe und ihr Schild ist Er“ (V 9–10), ist ein Wort zur rechten Zeit. Doch wenn Jehova, der wahre Gott, die Hilfe und der Schild derer sein wird, die auf Ihn trauen, sind solche Gunstbezeugungen nicht auf Israel beschränkt. Die Ermahnung nimmt daher einen allgemeineren Charakter an. „Ihr, die ihr Jehova fürchtet, traut auf Jehova! Ihre Hilfe und ihr Schild ist Er“ (V 11). Es ist der Tag des Glaubens für alle, die Gott fürchten, seien es Juden oder Heiden; und nicht die herrliche, glückliche Zeit der Befreiung. Es ist die Zeit des Trauens auf Ihn, der Zugleich Hilfe und Schild ist.

Sicher ist die Sprache unseres Psalms den Heiligen angemessen. Aber welch ein Recht haben sie, dieselbe zu führen? Sind sie selbst nicht Sünder? Leiden sie nicht für die Sünden ihrer Väter, die den Messias Gottes verworfen haben? Wie können sie denn einander und die Nationen ermahnen, auf Jehova zu trauen? Ihr Vertrauen ist auf das gegründet, was Er getan hat. „Jehova hat unser gedacht“ (V 12). Er wird seines Bundes gedenken, den Er mit Abraham, Isaak und Jakob gemacht hat. Er wird sich auch des Landes erinnern. Ihre Väter hatten Jehova vergessen. Er wird ihrer Kinder gedenken. „Er wird segnen.“ Das ist ihre Hoffnung und sichere Erwartung. „Er wird segnen das Haus Israel, segnen das Haus Aaron“ (V 12). Doch die Segnung geht noch weiter. „Er wird segnen, die Jehova fürchten, die Kleinen mit den Großen“ (V 13). Israel, als das irdische Volk Gottes, hat einen besonderen Platz vor Ihm. Aarons Haus, als das irdische Priestertum, hat besondere Vorrechte vor Ihm (Hes 40,46; 44,16). Aber die Nationen sowohl, wie die Juden werden gesegnet werden. An jenem Tag wird keiner übersehen werden. Wie oft sind verdiente Leute von den Großen der Erde vergessen worden! Jehova wird alle segnen, die Ihn fürchten. Dass Israel von Ihm auf der Erde gesegnet werden soll, ist nichts Neues. Er segnete sie reichlich unter David und Salomo. Aber auch die Nationen werden gleichfalls gesegnet werden. Simeon prophezeite die Offenbarung der Nationen als ein Resultat der Fleischwerdung des Herrn (Lk 2,33). Wir wissen, wie sie durch die Einführung der Kirche gesegnet worden sind. Allein später, wenn Israel wieder als Gottes Volk anerkannt sein wird, werden sie wieder gesegnet werden. Gott wird sie zu seinem heiligen Berge bringen und sie erfreuen in seinem Bethause, indem Er ihre Brand– und Schlachtopfer annehmen wird (Jes 56,6–7). Hesekiel spricht auch hiervon und kündigt an, dass der Fremdling ein Erbteil haben wird inmitten der Stämme Israels (Hes 47,23). In der Tat, jene Segnung wird eine vollkommene sein, denn „Jehova wird“, wie der Psalmist sagt, „euch hinzufügen, euch und euren Kindern.“ Es ist ganz klar, dass wir es hier mit einem irdischen Volk zurzeit des tausendjährigen Reiches zu tun haben. Es heißt nicht: „euren Kindern nach euch“, sondern beiden, „euch und euren Kindern“ (V 14). Nie vollkommen muss jene Segnung sein, die der Schöpfer des Himmels und der Erde über sie ausschüttet!

Wenn noch irgendein Zweifel darüber bestehen sollte, ob wir es in diesem Psalm mit einem irdischen Volk oder mit der Kirche zu tun haben, so wird er völlig schwinden, sobald wir den 16. Vers lesen: „Die Himmel sind die Himmel Jehovas, die Erde aber hat Er gegeben den Menschenkindern.“ Die Erde, nicht der Himmel, ist der den Menschen angewiesene Platz und die Sphäre, in der sich diejenigen, von welchen der Psalm redet, bewegen. Diese sprechen von den Toten, als solchen, die von ihnen getrennt sind, und ihre Hoffnung ist nicht die Auferstehung, sondern die Bewahrung auf der Erde. „Die Toten werden Jehova nicht loben, noch alle, die zum Schweigen hinabfahren. Wir aber, wir werden Jehova preisen von nun an bis in Ewigkeit! Lobt Jehova!“ (V 17–18) Welch eine Antwort kann der gläubige Überrest den Heiden geben, die Gott nicht kennen! Jehova wird sein Volk segnen, und die Seinen werden leben und Ihn preisen bis in Ewigkeit. Für sie gibt es keinen Tod.

Dies also ist ihr Vertrauen, doch was wird ihre Stellung sein? Hierauf gibt uns Psalm 116 eine Antwort: „Ich liebe; denn Jehova hört meine Stimme, mein Flehen“ (V 1). Ein Vertrauen auf Ihn, das der Kenntnis entspringt, dass Er hört, erweckt die Zuneigung des Herzens. Der Gegenstand der Liebe des Heiligen wird nicht genannt. Es ist durchaus nicht nötig, Ihn zu nennen, denn aus dem Zusammenhang versteht ein jeder, wer es ist. „Ich liebe; denn Jehova hört meine Stimme, mein Flehen.“ Das Gebot, den Herrn zu lieben, erweckt, so oft es auch wiederholt werden mag, keine Liebe zu Ihm in der Seele; aber die Offenbarung der Gnade erweckt Wünsche und ruft Zuneigungen hervor, die nie vorher gekannt wurden. Daher sagt der Heilige: „Ich liebe“ nicht deshalb, weil es ihm geboten worden ist, obgleich das Gebot sicher vor seinen Augen stehen wird, sondern weil Jehova etwas für ihn getan hat. Er hört sein Flehen. Es ist hier nicht die Stimme des Lobes und des Dankes; diese findet sich erst im 17. Verse. Es ist die Stimme des Flehens, aus dem Mund einer Person, die in Drangsal ist, welche Jehova hört. Aber wie kann diese versichert sein, dass Jehova hört, bevor die völlige Antwort da ist? „Denn Er hat zu mir geneigt sein Ohr“ (V 2). Antworten, die sie früher bekommen hat, und die Bewahrung, welche sie in der Gegenwart erfährt, sagen ihr, dass Er sein Ohr zu ihr geneigt hat. Er ist ein Gott, welcher den Schrei des Elenden hört, und deshalb wird dieser Ihn anrufen, solange er lebt. „Ich will Ihn anrufen in allen meinen Tagen.“ Die Not war groß. „Es umfingen mich die Wehen des Todes, und die Bedrängnisse Scheols fanden mich; ich fand Drangsal und Traurigkeit“ (V 3). Während der Tod ihn von allen Seiten bedroht und Drangsal und Traurigkeit ihn umgeben, setzt er sein Vertrauen allein auf Jehova. Wie verschieden ist seine Stellung von der der Heiden! Er lernt den Wert Gottes kennen und hat eine feste Stütze in der Zeit der Drangsal. Der Heide hat Götter genug, aber keiner von ihnen kann hören oder antworten. Welcher von ihnen hat sein Ohr geneigt zu dem Flehen seiner Anbeter? Aber Jehova hat, obgleich ungesehen, auf die Stimme seines Dieners gehorcht. Doch das Ende ist noch nicht gekommen; deshalb fügt er hinzu: „Und ich rief an den Namen Jehovas: O, Jehova, errette doch meine Seele!“ (d. h. erhalte mich am Leben, denn das ist der Wunsch seines Herzens) (V 4) Der Charakter Jehovas ermuntert ihn, dies zu tun. „Gnädig ist Jehova und gerecht, und unser Gott ist barmherzig“ (V 5). Jehova selbst hatte sich gnädig und barmherzig genannt, als Er an Mose vorüberging (2. Mo 34,6); gerecht ist Er in allen seinen Handlungen. Daniel (Kap 9,7) und Nehemia (Kap 9,33) erkannten an, dass Jehova gerecht war, indem Er sein Volk aus ihrem Land vertrieb. Esra konnte von seiner Gerechtigkeit sprechen, da Er nach seiner Verheißung einen Überrest bewahrte (Esra 9,15). Der fromme Jude wird jedoch Ursache haben, seine Gerechtigkeit anzuerkennen, wenn Er seiner Rechtfertigung gemäß in Hesekiel 18,27 handeln wird. Er hat erklärt: „Wenn der Gesetzlose umkehrt von seiner Gesetzlosigkeit, die er getan, und Recht und Gerechtigkeit tut, so wird er seine Seele am Leben erhalten.“ Ist nicht der Gerechte hiervon ein Beispiel? Gott wird gemäß seines Charakters handeln und ihn auf der Erde am Leben erhalten.

Mehr noch, Jehova ist dadurch gekennzeichnet, dass Er den Einfältigen am Leben erhält. Welch eine Zuflucht ist es, in dem Charakter Gottes selbst Schutz und Sicherheit zu finden! Er ist treu! Er kann sich selbst nicht verleugnen. Der Glaube hält hieran fest und erhebt das Herz inmitten der Drangsale, die es anders wie eine Wasserflut überwältigen würden. „Ich war erniedrigt“, sagt der Psalmist, „und Er hat mich gerettet“ (V 6). Und gestärkt durch das Vertrauen, welches die Handlungen Gottes in der Vergangenheit einflößen, kann er, obwohl noch in Vers 4 der Schrei um Errettung zu Jehova emporsteigt, in Vers 7 sagen: „Kehre wieder, meine Seele, zu deiner Ruhe! denn Jehova hat wohlgetan an dir.“ Viel hatte Jehova schon getan, indem Er ihn errettete, wie Vers 8 erzählt, aber er ist überzeugt, dass Er alles Nötige tun wird: „Ich werde wandeln vor Jehova in dem Land der Lebendigen“ (V 9). Das ist es, was er erwartet. „Ich glaubte, darum redete ich“ (V 10). Völlig sicher über das, was Jehova tun wird, spricht er ganz offen und frei darüber. Er wird wandeln vor Jehova in dem Land der Lebendigen. Die äußeren Umstände mögen seinen Erwartungen entgegen sein, aber Gott wird nicht verfehlen, die Befreiung seiner Heiligen zu vollenden.

Sie sind in großer Angst gewesen. In ihrer Bestürzung sprechen sie: „Alle Menschen sind Lügner.“ Doch, glaubend an Jehova, geben sie ihrem sicheren Vertrauen Ausdruck und beginnen, indem sie sich schon in die Stellung von Befreiten versetzen, aufzuzählen, was sie für den Herrn zu tun gedenken.

Doch was kann der Gläubige für den tun, der keiner Hilfe von Seiten seiner Geschöpfe bedarf (vgl. Ps 50,12), für den „der Libanon nicht hinreicht zum Brennen, und sein Getier nicht hinreicht zum Brandopfer?“ (Jes 40,16) Wie kann er Ihm vergelten? Es gibt dafür nur einen Weg – den Becher der Errettung zu nehmen und den Namen Jehovas anzurufen (V 13). Er kann zu der Herrlichkeit Gottes nichts hinzufügen. Er muss etwas von Ihm empfangen und dann Ihn preisen. Zu welch einer Stellung ist er gebracht! In Vers 4 hat er seinen Namen angerufen, um seine Seele zu erretten. Nachdem er errettet ist, vergisst er Jehova nicht. „Ich will Jehova bezahlen meine Gelübde, ja, in der Gegenwart seines Volkes“ (V 14). Die Anbetung beginnt, sobald die Befreiung vollendet ist. Als Befreiter und weil er befreit ist, betet er an, und nicht um befreit zu werden. Da er öffentlich errettet ist, wird er öffentlich Jehova preisen. „Köstlich ist in den Augen Jehovas der Tod seiner Frommen“ (V 15). Er weiß dieses dadurch, dass er auf der Erde am Leben erhalten worden ist, dass Gott dem Feind nicht erlaubt hat, ihn zu töten. Denn dieser Vers redet, wie der Zusammenhang beweist, von Heiligen, welche am Leben erhalten werden, und nicht von solchen, welche sterben. Offenbarung 14,13 wird denen, die während der Trübsal sterben werden, zu einem großen Trost gereichen. In diesem Psalm aber redet einer, der am Leben erhalten ist. Wir finden etwas Ähnliches in Psalm 73,14: „Von Druck und Gewalt wird Er erlösen ihre Seelen, und teuer wird sein ihr Blut in seinen Augen.“ Gott wird nicht erlauben, dass es vergossen wird. So blickt der Gläubige auch hier auf die Errettung vom Tod; und deshalb betet er: „Bitte, Jehova! denn ich bin dein Knecht; ich bin dein Knecht, der Sohn deiner Magd, gelöst hast du meine Bande“ (V 16). Alles wird erfüllt werden, und er wird vor Jehova stehen in den Höfen seines Hauses zu Jerusalem. Die Nationen mögen den Tempel zerstören und Jerusalem belagern; aber die Höfe des Hauses des Herrn werden wieder mit der Stimme der Freude und des Lobes aus dem Mund eines erlösten Volkes erfüllt werden. Denn der König wird den Tempel des Herrn bauen, wie es Salomo in seinen Tagen tat (Sach 5,13), und Jerusalem wird überall als die Stadt anerkannt werden, wo Jehova wohnt (Hes 48,35) – eine vollkommene Antwort auf den Spott der Nationen, der dem göttlichen Überrest die Worte entlockte: „Unser Gott ist in den Himmeln.“

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