Botschafter des Heils in Christo 1853

Über die Zucht

1. Die Zucht darf nur als ein Vorrecht der Liebe betrachtet werden.
Die Zucht ist eine ernste, feierliche Sache. Sie setzt die Pflicht voraus, die Heiligkeit in dem Haus Gottes aufrecht zu erhalten. Wir dürfen nur dann von ihrer Ausübung reden, wenn wir uns erinnern, was wir in uns selbst sind. (Als Christ darf ich mich nur in Christus ansehen und nicht mehr, was ich in mir selbst bin. Bei Ausübung der Zucht aber ist es nötig zu bedenken, was man ohne Christus ist.) Wenn ich bedenke, dass ich in mir selbst ein unwürdiger und elender Sünder bin, der einzig und allein durch Gnade gerettet ist und vor Gott nur durch die Wirksamkeit des Werkes Christi besteht, so ist es klar, dass die Ausübung der Zucht mir als eine schreckliche Sache erscheinen muss. Wer anders, als Gott, kann richten? … Dies wird mein erster Gedanke sein.

Unter Personen, welche dem Herrn teuer sind, und die ich für höher als mich selbst halten und achten muss, wird schon allein der Gedanke an eine Ausübung der Zucht meinem Herzen äußerst ernst und oft selbst bedrückend erscheinen, besonders wenn ich mir meines eigenen Elends und meiner ganzen Nichtigkeit vor Gott bewusst bin. Nur ein Gedanke wird diesem Gefühl meiner Unfähigkeit ein Gegengewicht zu geben vermögen: nämlich die Möglichkeit, die Zucht als ein Vorrecht der Liebe zu betrachten.

Die Liebe, wenn sie wirklich in Tätigkeit ist, ist nur um die Vollkommenheit des Gegenstandes besorgt, den sie im Auge hat. Seht auf den Herrn Jesus. Nichts kann die Tätigkeit der Liebe, wovon Er erfüllt ist, hemmen oder zum Stillstand bringen. Und dies allein kann dem Geist Erleichterung gegen das peinliche Gefühl einer durchaus falschen Stellung geben, wie die der Ausübung der Zucht ohne Liebe. Von dem Augenblick an, wo ich mich von der Liebe entferne, erscheint mir die Zucht als etwas Unnatürliches. Sie anders, als durch die Liebe ausüben wollen, verrät einen durchaus schlechten geistigen Zustand. Es reicht nicht hin, dass ich mich der Gerechtigkeit gemäß Verhalte; es muss auch die Liebe, ja die tatsächliche Liebe mein Herz erfüllen, um den Segen der Heiligkeit in der Kirche (der Versammlung der Gläubigen) zu bewahren, es koste, was es wolle. Es handelt sich nicht darum, die Stellung einer fleischlichen Überlegenheit einzunehmen (Mt 23,8–11). Es geziemt uns keineswegs, die Zucht dadurch in Kraft zu setzen, dass wir den Charakter des Meisters annehmen. Treibt uns auch die Liebe für die Erhaltung der Ordnung, spornt uns eine heilige und wachsame Eifersucht an über einander zu wachen, so müssen wir uns doch stets erinnern, dass nach alledem, wenn unser Bruder feststeht oder wenn er fällt, er seinem Herrn steht oder fällt (Röm 4,4). Nur die Liebe darf der Beweggrund in der Erfüllung dieser Pflicht sein, und nur als ein Dienst der Liebe, den ich dem fehlenden Bruder beweise, darf sie angesehen werden.

Als Meister übte Jesus die Zucht aus, als er eine Geißel von Stricken nahm, um die Entweiher aus dem Tempel zu treiben (Mt 22; Joh 2). Er bekleidete damals zum Voraus einen Charakter, den Er haben wird, wenn Er kommt, um das Gericht zu vollziehen.

Man verwechselt gewöhnlich unter den Christen zwei oder drei Arten von Zucht, welche eine Fülle von Trost für uns enthalten, insofern sie ein Zeichen der Vereinigung der einzelnen Personen mit dem ganzen Leib und mit Gott sind.

Oft hat man die Zucht als eine beratende und richterliche Handlung erscheinen lassen. Personen verbanden sich freiwillig und stellten Regeln auf, welche für den guten Ruf der Gesellschaft als wesentlich betrachtet wurden. Durch diese freiwillige Verbindung war die Gesellschaft selbst entstanden und weil man dann meint, dass ein jeder sich selbst bewahren müsse, so gibt eine solche Gesellschaft in dieser Absicht besondere Reglements. In der Kirche Gottes aber ist dieser Grundsatz ebenso weit von der Wahrheit entfernt, als die Welt von der Kirche oder als das Licht von der Finsternis. Wir können keinen Grundsatz von freiwilliger Verbindung gestatten, noch irgend eine Regel von menschlicher Erfindung, wovon man sich einbildet, dass sie ein Schutzmittel sei. Der Wille des Menschen ist es, der zum ewigen Verderben führt. Es ist dies ein durchaus falscher Grundsatz, welcher Abänderung man ihn auch immer unterziehen mag. In den Dingen Gottes gibt es gar keinen Raum für irgend eine freiwillige Handlung von Seiten des Menschen; man muss durch den Heiligen Geist handeln, unter der Abhängigkeit von Christus. Von dem Augenblick an, wo ein Mensch seinem eigenen Willen gehorcht, ist er im Dienst des Teufels und nicht im Dienst Christi. Seine Handlung hat dann verdrießliche Folgen in Menge und erzeugt eine Masse praktischer Schwierigkeiten, die von denen, welche draußen sind, nicht empfunden werden können. Halte ich fest an dem Gedanken von einer Art richterlichem Verfahren, welches wie eine Kriminalsache, kraft gewisser Gesetze verfolgt werden muss, so habe ich den Boden der Gnade gänzlich verlassen; ich habe Dinge, welche sich ganz entgegen stehen mit einander vermengt.

2. Einige Gedanken über Matthäus 18,15–17 in Betreff der Zucht
Diese Stelle wird oft bei Erwähnung der öffentlichen Zucht angeführt; aber, so viel mir scheint, bezieht sie sich nicht direkt darauf. Hier ist von einem Unrecht die Rede, welches von einem Bruder dem anderen zugefügt ist, und es ist hier gar nicht gesagt, dass die Kirche in diesem Fall den Schuldigen auszuschließen habe. Es heißt hier nur: „So sei er dir wie ein Heide oder Zöllner.“ Es kann hernach der Fall eintreten, dass auch die Versammlung ihn als einen Heiden und Zöllner anzusehen hat; aber hier wird die Zucht nicht von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet. Es heißt hier einfach: „So sei er dir“ usw. d. h. habe du nichts mehr mit ihm zu schaffen.

Wenn jemand mich beleidigt hat, was habe ich dann zu tun? Wenn ich in Liebe gegen den handelte, welcher mir Unrecht getan hätte, so würde ich zu ihm sagen: „Mein Bruder, du hast gegen mich gesündigt“ usw. Diese Vorstellung, welche der Gerechtigkeit gemäß ist, ist vor allem nötig. Man muss sie machen und man kann sie machen, ohne den Weg der Gnade zu verlassen. Will mein Bruder, nachdem ich diesen ersten Schritt getan habe, mich nicht hören, so nehme ich ein oder zwei Personen mit mir, „auf dass alles auf zweier oder dreier Zeugen Mund beruhe.“ Wenn auch dies Mittel scheitert, so kann ich dann die ganze Versammlung davon in Kenntnis setzen; und wenn der Bruder, welcher mich beleidigt hat, auch die Kirche nicht hören will, dann sei er dir wie ein Heide und Zöllner. Diese Stelle gibt uns also eine Regel für das persönliche Verhalten, und das Ergebnis derselben ist eine persönliche Stellung eines Bruders gegen den Bruder. Es kann geschehen, dass die Sache bis zu dem Punkt kommt, dass sie die Zucht der Kirche nötig macht, aber dies ist nicht immer und notwendig der Fall. Ich gehe zu meinem Bruder, in der Hoffnung, ihn dadurch zu gewinnen, dass ich ihn zum reuigen Bekenntnis bringe, um ihn so in seine richtige Beziehung von Gemeinschaft mit mir und Gott wieder einzusetzen; denn, wo die brüderliche Liebe angetastet ist, da muss auch notwendig die Gemeinschaft mit dem Vater darunter gelitten haben. Wird mein Bruder gewonnen, so nimmt die Sache keinen weiteren Gang. Sein Fehler muss vergessen sein; ich darf ihn niemals wieder in Erinnerung bringen. Weder die Kirche noch sonst jemand, wer es auch sei, wird davon etwas zu wissen bekommen, als wir beide allein. Wenn mein brüderlicher Schritt scheitert, so werde ich weiter verfahren, in der Absicht und mit dem Verlangen, meinen Bruder wieder aufzurichten und ihn in den Genuss der Gemeinschaft mit allen wieder einzusetzen.

3. Die Zucht des Vaters (Es ist wohl kaum nötig zu bemerken, dass hier von „Vätern in Christus“ die Rede ist (Siehe 1. Kor 4,15))
Was die Zucht des Vaters betrifft, so ist diese noch weit mehr ein persönliches Vorrecht gemäß der Gnade. Ich zweifle sehr stark daran, dass sie die Sorge einer ganzen Gemeinde in Anspruch nehmen könne; vielmehr ist sie die persönliche Übung dieser Sorge. Ich sehe nicht, dass die Kirche den Platz des Vaters einnehmen muss. In einem Sinn ist die Idee der Überlegenheit richtig, weil es eine Verschiedenheit von Gnade gibt, wie es auch eine Verschiedenheit von Gaben gibt. Wer würdig wandelt, der muss hingehen und seinen gefallenen Bruder wieder aufrichten (Gal 6,1). Dies ist aber eine persönliche Handlung in Gnade und nicht eine Zucht der Kirche. Es ist sehr wichtig, diese Dinge wohl zu begreifen und sorgfältig zu unterscheiden, damit die persönliche Wirksamkeit nicht zu sehr beschränkt werde, sondern unberührt und an ihrem Platz bleibe. Der Heilige Geist muss seine ganze Freiheit haben. Ich könnte einen Fall annehmen, wo ein Einzelner Mehrere tadeln muss, wie Timotheus, an den der Apostel schrieb: „Tadle, beurteile, ermahne mit aller Sanftmut“ usw (2. Tim 4,2). Dies hier gilt von der Zucht, womit sich die Kirche in diesem Fall nicht zu befassen hat; es ist dies eine persönliche Handlung. Die Kirche kann jedoch in anderen Fällen verpflichtet sein, die Zucht zu üben, wie dies bei den Korinthern der Fall war (1. Kor 5,4). Die Korinther waren nicht sehr geneigt die Zucht zu üben, und Paulus besteht auf der Notwendigkeit, worin sie sind, dies zu tun. Aber die persönliche Übung der Wirksamkeit des Heiligen Geistes auf die Seelen der anderen muss festgehalten werden. Dies erfordert jedoch keineswegs die Beschäftigung der Kirche. Es ist ein schwerer Irrtum, die Zucht der Kirche als die einzige zu betrachten. Es würde etwas Schreckliches sein, wenn man verpflichtet wäre, jede Art des Bösen zur Kenntnis von allen zu bringen. Dies ist gewiss nicht die Absicht noch die Wirkung der Liebe; im Gegenteil, „die Liebe wird eine Menge von Sünden zudecken.“ Hat man Liebe im Herzen, und steht den Bruder sündigen, eine Sünde nicht zum Tod, so betet man für ihn, und diese Sünde kann nie an den Tag kommen; sie kann nie zu einer Frage werden, womit die Kirche sich zu befassen hat.
Ich glaube, dass es nie einen Fall von Kirchenzucht gibt, {Wie mir scheint gibt das Wort „Böse“ den Maßstab für die Gegenstände der öffentlichen Zucht an; denn dies ist etwas, was dem Charakter Christi offenbar widerstreitet.} welcher nicht dem ganzen Leib zur Schande gereichte. So sagt auch Paulus zu den Korinthern, indem er an sie über einen ähnlichen Gegenstand schreibt: „Ihr habt nicht Leid getragen“ usw. Sie wurden mit dem Bösen, welches unter ihnen begangen Worten, ganz zusammengestellt. Ebenso zeugt ein Geschwür, welches an einem Glied eines Menschen hervortritt, von dem Zustand des ganzen Körpers, der ganzen Leibesverfassung. Keine Versammlung wird je die Zucht üben können noch verstehen, wenn sie nicht vor allen Dingen sich ganz gleich gestellt hat mit der Sünde der einzelnen Person, sei es im Dank vor Gott, wenn ihr Zustand ein geistiger und guter ist; sei es durch Anerkennung der Sünde, als ihrer (der Versammlung) eignen Sünde, wenn ihr Zustand nicht besser ist. Will die Kirche auf eine andere Art verfahren, so nimmt sie eine richterliche Gewalt an sich, welche nicht der Dienst der Gnade Christi sein würde. Christus hat noch nicht völlig seinen Charakter als Richter bekleidet. Sobald die Kirche dahin kommt, dass sie sagt: „Der, welcher früher ein Verbrechen beging, begeht es noch“, so hat sie sich gänzlich von der Stellung entfernt, die sie einhalten muss. Sie hat völlig vergessen, dass ihr priesterlicher Charakter während der jetzigen Haushaltung ein Charakter der Gnade ist, obgleich er auch ganz und gar ein Charakter der Heiligkeit ist.
Was ist der Charakter der väterlichen Zucht? Und wie übt der Vater sie? Der Grundsatz, welcher ihn bei dieser Zucht leiten wird, ist sein Charakter als Vater. Er befindet sich nicht in derselben Stellung, wie das Kind. Es gibt hier jemand, der an Gnade und Weisheit höher steht; dieser sieht einen anderen sich täuschen, sich verirren; er geht zu ihm und sagt: „Ich war einst auch in deiner Lage; handle nicht auf diese oder jene Art.“ Dies sind Aufforderungen, demütige Bitten; er gibt ein treues Bild der Klippen und Gefahren des Weges, die jedoch mit Liebe geschildert werden. In Fällen der Verhärtung kann auch der Tadel stattfinden. Der Vater kann viel Nachsicht für die Schwäche und Unerfahrenheit haben, indem er sich erinnert, dass sein Weg ihn selbst durch dies hindurchgeführt hat. Mache dich immer so viel als möglich zum Diener des anderen, und möge der Grundsatz des Vaters wohl aufrecht erhalten werden, der da sagt: „Und wenn ich auch weniger geliebt würde, dafür, dass ich dich viel mehr liebe.“ Dieser Grundsatz entspringt aus der Liebe des Vaters; er umfasst meinen Bruder, und gestattet mir aus Liebe zu ihm nicht, ihn in dein Übel zu lassen (ich rede hier nicht von einem Fall in seinem Wandel oder seiner Aufführung, wo er gegen seinen Kindercharakter fehlt). Wir fehlen in dieser Hinsicht, wenn wir die Pein und die Unannehmlichkeit fürchten, welche ein solches Verfahren uns zuziehen kann. Wenn ich einen Heiligen sich verirren sehe, so bin ich gehalten, ihn durch das eine oder andere Mittel wieder auf den rechten Weg zu bringen. Er ist ein Schaf Christi. Es muss mir am Herzen liegen, dass er im Glauben treu wandelt. Er wird mir vielleicht auf meine Ermahnung erwidern: „Dies geht dich nichts an; du hast dich um meine Sachen nicht zu bekümmern,“ oder was dergleichen Worte mehr sind. Ja ich muss, wenn es nicht anders sein kann, mich ihm zu Füßen werfen, um ihn dem Fallstrick, worin er sich befindet, zu entreißen, selbst dann, wenn ich mich hierdurch seinen Vorwürfen und seinem Tadel aussetzen sollte. Dies erfordert einen Geist der Gnade, und hinreichende Liebe, dass man die ganze Last seines Bruders auf seine eigene Seele zu nehmen suche.

4. Die Zucht Christi als Sohn über sein eigenes Haus.
Eine andere Art der Zucht ist die Christi „als Sohn über sein eigenes Haus.“ Der Fall mit Judas ist hier von großer Bedeutung. Gibt es geistiges Leben in dem Leib, so wird das Böse in demselben nie lange dauern können. Es ist unmöglich, dass die Heuchelei oder sonst eine Ungerechtigkeit, sich lange da behauptet, wo es geistiges Leben gibt. In dem Fall mit Judas ist es die persönliche Gnade Jesu, die alles übersteigt; – und so wird es vergleichsweise immer der Fall sein. Vor allem offenbarte sich gegen diese Gnade das Böse: „Der, welcher das Brot mit mir isst, hat seine Ferse wider mich erhoben.“ „ … Nachdem er (Judas) nun den Bissen genommen hatte, ging er sogleich hinaus“ (Joh 13,30)

Die Zucht Christi befasst sich nur mit dem, was bereits offenbar ist; sie geht niemals darüber hinaus. Deshalb sehen wir auch, wie die Jünger einander fragen, was die Worte Jesu wohl bedeuten möchten? Bevor die Sünde begangen war, berührte dies nicht das Gewissen der Versammlung. Die Zucht des Vaters, betrifft ein Übel. welches noch nicht offenbar ist oder vielleicht erst lange nachher augenscheinlich wird. Wenn ich ein älterer Bruder bin und sehe einen jungem Bruder in Gefahr, so darf ich mit ihm dieser väterlichen Sorge gemäß verfahren, und mit ihm über sein Übel reden; aber dies ist etwas ganz anders, als die Zucht der Kirche.

Sobald ich eine väterliche Zucht übe, so versteht es sich von selbst, dass ich den Grund des Übels zu beurteilen weiß, welches sich an dem Bruder befindet, und der sich selbst nicht zu beurteilen versteht. Es fehlt ihm die Fassungskraft, zu welcher ich durch meine geistige Erfahrung gelangt bin, eine Erfahrung, welche mich berechtigt und antreibt mit diesem Bruder in treuer siebe zu verfahren, wenn auch vielleicht kein Mensch das, was ich tue, zu beurteilen vermöchte.

Die Verwechselung und Vermischung dieser drei Dinge: der brüderlichen Warnung, – der Zucht des Vaters in einer brüderlichen Sorge, und – der Zucht Christi als Sohn über sein Haus, oder der kirchlichen Zucht, haben viele Irrtümer in dieser Hinsicht veranlasst.

5. Es darf die Ausübung der Zucht nicht den Charakter eines Gerichtshofes haben.
Die Zucht muss wesentlich zum Zweck haben der Ausstoßung oder Ausschließen einer Person vorzubeugen. In neun Fällen unter zehn wird die persönliche Zucht allein zu walten haben.

Wenn es sich über die Zucht des „Sohnes über sein eigenes Haus“ handelt, so wird die Kirche dieselbe nie unternehmen dürfen, es sei denn in einem Geist der Gleichstellung mit dem, der gesündigt hat, indem sie die Sünde als allen gemeinsam bekennt, und sich deshalb beugt, dass das Übel bis zu diesem Punkt hat gelangen können. Diese Zucht würde also gar nicht den Anblick eines Gerichtshofes darbieten, wohl aber den eines Schandflecks für den Leib. Das geistige Leben und Wirken würde die Kirche von der Heuchelei, von der Befleckung (vgl. 5. Mo 17,7.12–13 Stellen, auf welche der Apostel hindeutet in 1. Kor 5,12–13; vgl. 2. Kor 7,11. Sie selbst und die Ehre Gottes waren hier in Frage gestellt.), von allem Unschicklichen reinigen, ohne jemals die Gebärde eines Gerichtshofes anzunehmen, indem sie über das Nebel nur urteilte, um sich davon zu reinigen. Nichts sollte uns mehr verhasst sein, als der Gedanke, dass man in dem Haus Gottes dahin gelangen könnte, diese Dinge in richterlicher Weise zu behandeln. Nehmen wir an, dass in einem unserer Häuser irgendetwas Schändliches und Entehrendes geschehen sei. Würde nicht die Ehre des ganzen Hanfes dadurch gefährdet sein? Könnte auch nur eins der Mitglieder dieser Familie gleichgültig gegen diesen Schimpf sein und sagen, dass dies ihn nicht angehe? Es kann geschehen, dass ein verderbter Sohn verwiesen werden muss, um der Liebe der übrigen willen. Alle Bemühungen, um ihn zum Outen zurückzuführen, sind gescheitert; er ist unverbesserlich. Man befindet sich in der Notwendigkeit zu ihm zu sagen: „Ich kann dich hier nicht mehr behalten; ich darf nicht dulden, dass du durch deine Sitten und Laster auf die Anderen einen unheilvollen Einfluss ausübst!“ Ach! würde das nicht ein Gegenstand der Tränen, der Trauer und des Herzbrechens, des Schmerzes und der Schande für die ganze Familie sein? Die übrigen Kinder würden nicht gern von diesem Gegenstand reden. Ihre Freunde würden sich gleichfalls dessen enthalten aus Schonung für ihre Leiden. Der Name des Schuldigen würde sogar nicht mehr erwähnt werden.
Dies ist ein Bild davon, wie es im Haus des Sohnes zugehen muss. Man muss in diesem Haus ein großes Widerstreben bei dem Gedanken fühlen, ein Glied davon auszustoßen. Welche gemeinsame Schande, welche Beklemmung, welche Niedergeschlagenheit muss hier ein solcher Gedanke nicht hervorbringen! Nichts ist weniger unseres Gottes würdig, als ein richterlicher Prozess in der Kirche.

Wahr ist es, die Kirche Christi ist in den Zustand der Schwäche und Verderbnis verfallen. Dies tut aber dem eben Gesagten keinen Eintrag. Im Gegenteil, je mehr Nebel es in der Kirche gibt, desto größer ist auch die Verantwortlichkeit derjenigen, welche eine Hirtengabe haben; desto mehr müssen sie in Liebe sich den Heiligen anschließen, und mit Sorgfalt für sie Sorge tragen.

In meinen Gebeten liegt mir nichts mehr am Herzen, als Gott zu bitten, dass Er den Versammlungen seiner Kinder, Hirten geben möge. Unter einem „Hirten“ verstehe ich einen Mann, welcher auf seinem eigenen Herzen alle Schmerzen, allen Kummer, alles Elend und alle Sünden seines Bruders vor Gott zu tragen, und sie Gott vorzustellen vermag, was die Wiedererhebung und Befreiung dieser Seele befördern kann, ohne dass es nötig wäre, die Dazwischenkunft eines anderen Bruders in Anspruch zu nehmen.

Es gibt hier noch eins zu bemerken. Das Ergebnis der Übung der Zucht kann möglicherweise der Ausschluss sein. Aber, wenn man zu einer gemeinschaftlichen Handlung des Urteils kommt, so hört die Zucht von dem Augenblick an völlig auf, wo der, welcher gesündigt hat, ausgeschlossen ist. „Richtet nicht ihr die, welche drinnen sind? Die, welche draußen sind, wird Gott richten“ (1. Kor 5,12)

Andererseits darf bei mir gar keine Frage darüber entstehen, ob ich mit dieser oder jener Person, welche drinnen ist, mich niedersetzen darf. Es ist etwas ganz Absonderliches, wenn ein Bruder sich der Gemeinschaft beraubt, wegen der Gegenwart dieser oder jener Person, von der er keine gute Meinung hat, oder mit der er, wie man wohl sagt, nicht in gutem Vernehmen steht. Wenn ich auch in dieser Hinsicht ein gewisses Verhalten zu beobachten habe; doch darf ich nicht die Torheit begehen, mich auszuschließen, aus Furcht, ein Sünder möge sich in eine Versammlung von Kindern Gottes einschleichen.

6. Die Ausübung der Zucht darf nur als eine Pflicht und nicht als ein Recht erscheinen.
Jede Zucht muss bis zu ihrem Schlussverfahren zum Ziel haben, „wiederherzustellen.“ Die Handlung des Abtrennens oder Ausschlusses gehört im eigentlichen Sinn des Wortes, nicht zur Zucht, sondern sie sagt gewissermaßen, dass die Zucht wirkungslos und zu Ende ist. Diese Handlung (des Ausschlusses) selbst findet statt für das Wohl der Seele, wenn dies sein kann. Wenn man einen solchen dem Satan überliefern kann, so geschieht dies, dass der Geist gerettet sei am Tag des Herrn.

Was die Frage der Einhelligkeit in dem Fall der Zucht der Kirche betrifft, so müssen wir uns erinnern, dass es hier der Sohn ist, welcher seine Zucht über sein eigenes Haus übt.

Bei den Korinthern sehen wir diese Handlung direkt von Paulus, kraft seiner apostolischen Gewalt, am Leib vorgenommen. Die Kirche zu Korinth musste dazu getrieben werden. Der Gedanke, das Recht zu haben, an einer solchen Handlung sich zu beteiligen, muss jedem christlichen Herzen fremd sein; nur die Pflicht kann uns zwingen, es zu tun. Es ist schrecklich, das Recht zur Ausübung der Zucht in Anspruch zu nehmen?! Das hieße die Familie Gottes in einen Gerichtshof verwandeln. Nehmen wir an, ein Vater stehe auf dem Punkte, einen bösen Sohn vor die Tür zu setzen, und die Anderen Kinder sagten: „Wir haben das Recht unserem Vater zu helfen, unseren Bruder aus dem Haus zu treiben;“ – würde das nicht eine schreckliche Sache sein? Der Apostel war verpflichtet, die Korinther zur Ausübung der Zucht zu zwingen –, eine, an ihrer Stelle, ohne Zweifel immer verbindliche Ermahnung. Aber er sagt zu ihnen: „Es gibt Sünde unter euch und ihr habt nicht Leid getragen, auf dass der, welcher diese Tat begangen hat, aus eurer Mitte getan würde!“ Er nötigt sie vorher, anzuerkennen, dass die Sünde, wovon die Rede ist, ebenso wohl ihre Sünde als die des Mannes ist; sodann schließt er mit den Worten: „Schafft doch diesen Bösen aus eurer Mitte.“ Die Kirche ist nicht im Stand in rechter Art die Zucht auszuüben, solange sie nicht anerkennt, dass die Sünde des Einzelnen, die Sünde der Kirche ist.

Was für diejenigen, welche sich dazu berufen glauben können, zu tun ist, ist dies: „Tadele die, welche fehlen in Gegenwart aller, auf dass auch die Anderen Furcht haben mögen“ (1. Tim 5,20). – „Brüder, sobald jemand in einem Vergehen betroffen wird, so weist einen solchen zurecht, in einem Geist von Sanftmut“ usw. Wenn aber das Böse einen Charakter hat, dass es der Ausschluss notwendig macht, so muss die Kirche diese bewerkstelligen, nicht als bediene sie sich eines ihr zustehendes Rechtes, sondern gezwungen, so zu handeln. Die Heiligen müssen sich hierin völlig beistimmen können. Diese Handlung nötigt diejenigen, welche sich in der demütigenden Notwendigkeit befinden, sie vorzunehmen, ihren elenden Zustand anzuerkennen, ihn zu bekennen und selbst die Schande zu tragen. Sie entfernen sich von dem schuldigen und unbußfertigen Menschen, welcher in der Schande seines Vergehens allein gelassen wird (2. Kor 2,7)

Dies ist die Art und Weise wie der Apostel die Korinther nötigte, die Zucht, auszuüben. Da die ganze Kirche zu Korinth nur ein Leib war, so war sie auch schuldig insofern, als die Sünde dort begangen war. Es war daher nötig, dass sie durch die Zucht ganz gereinigt wurde; und welche Mühe hatte sie nicht, sich dazu zu entschließen? Der Apostel hatte auf der Ausscheidung bestanden (1. Kor 5,3–5), und die Kirche widerstrebte dieser Handlung, indem sie nicht ein gehöriges Gefühl von der Schwere besaß, und um den Ruhm Christi nicht eifersüchtig war. Sie schonte sich selbst, dadurch, dass sie die Sünde gestattete, und nicht Sorge trug, den Schuldigen wieder auf den rechten Weg zu bringen, weil sie nicht an ihren eigenen guten Ruf dachte.

Es war die Absicht Satans, unter die Brüder von Korinth die Bosheit einzuführen, und sie gleichgültig zu machen, und dann, wenn diese Bosheit zu ihrer eigenen Schande gediehen sein würde, wollte er sie dahin bringen, als ein Gerichtshof aufzutreten, um die Bosheit zu bekämpfen. Auf diese Weise wollte er eine Gelegenheit und einen Gegenstand der Uneinigkeit zwischen Paulus und der Versammlung der Heiligen von Korinth hervorbringen. Der Apostel macht sich mit dem ganzen Leib zu ein und demselben; indem er sie zuerst nötigt, sich zu reinigen; sodann will er, dass in seinem, wie in ihrem Namen, der, über welchen ein solches Urteil ergangen war, wieder aufgerichtet werde, so dass zwischen ihm und ihnen eine vollkommene Einigkeit waltet. Er handelt mit ihnen; er verbindet sie in diesem allen mit sich, und so, obgleich abwesend, ist er unter ihnen, sei es zur Beurteilung, sei es zur Wiederaufrichtung. Wenn das Gewissen des Leibes (der Kirche) nicht dahin gebracht wird, zu fühlen, was es tut, indem es durch die Handlung der Ausschlusses sich selbst reinigt, so weiß ich nicht, wozu dieser Ausschluss sonst dienen soll.

Das „Haus“ muss rein erhalten werden. Die Sorge, welche der Vater hierfür trägt, und die Sorge des „Sohnes über sein eigenes Haus“ sind zwei verschiedene Dinge. Der Sohn übergibt die Jünger der Obhut des heiligen Vaters (Joh 17). Dies ist nicht dasselbe, wie „das Haus in Ordnung halten.“ In Johannes 15 sagt Er: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben; mein Vater ist der Weingärtner“ usw. Dies hier sind die Sorgen des Vaters. Er reinigt die Zweige, damit sie so viel Frucht tragen können, als möglich. Aber in dem Fall, wo der „Sohn über sein Haus“ handelt, handelt es sich nicht um Einzelne, sondern hier ist es das Haus, was in Ordnung gehalten werden muss. „Wenn wir uns selbst richteten, so würden wir nicht gerichtet,“ usw.
Es gibt also drei Arten von Zucht:

  1. 1. Die rein brüderliche: Ich gehe zu jemanden, der mich beleidigt hat, und muss mit Sanftmut und Güte verfahren.
  2. 2. Die väterliche Zucht. Sie muss mit Zartheit und Barmherzigkeit ausgeübt werden. Man muss hier verfahren, wie ein guter Vater es tun würde, gegen ein Kind, welches sich verirrt.
  3. 3. Die Zucht des „Sohnes über sein eigenes Haus“ das ist die Verantwortlichkeit, die Reinheit in dem Haus zu erhalten, dergestalt, dass die im Haus Befindlichen, ihr Gewissen mit der Natur dieses Hauses in Übereinstimmung haben. In diesem Fall ist es nicht bloß der Einzelne, der da handelt, sondern es ist das Haus, der Leib, das Gewissen des Leibes.

Die Wirkung davon kann die Wiederherstellung des Kranken sein; aber obgleich dies eine kostbare Gnade ist, so ist dies dennoch nicht der wesentliche Zweck der Zucht. Wenn man bis zu einer Handlung kommt, so gilt es hier etwas mehr, als die Wiederherstellung eines Einzelnen; es gilt hier die Verantwortlichkeit, das Haus von jeder Befleckung frei zu halten. Das Gewissen aller ist hier beteiligt, und dies kann mitunter großen Schmerz hervorbringen.

7. Die Zucht muss in einem priesterlichen Geist erfüllt werden.
Was die Natur von dem allen betrifft, so meine ich, dass die Zucht von einem priesterlichen Geist erfüllt werden muss. Die Priester verzehrten im Heiligtum das Opfer für die Sünde. „Sie essen die Sünde“ (3. Mo 10). {Ich glaube nicht, dass irgend ein Einzelner, oder irgend ein Leib (Gemeinde von Christen) die Zucht ausüben kann, ohne wenigstens selbst das Gewissen rein und vor Gott die ganze Macht des Bösen und der Sünde gefühlt zu haben, wie wenn er es selbst begangen hätte. Dann erst handelte er als einer, der da das Bedürfnis fühlt, sich selbst zu reinigen. Es ist klar, dass alles dies nur in Fällen tatsächlicher Sünde stattfindet.}

Welches ist der Charakter der Stellung, welche Jesus jetzt inne hat? Es ist der des Dienstes des Oberpriesters und wir sind Ihm zugesellt. Gäbe es in der Kirche mehr von dieser priesterlichen Fürsprache, welche durch die Handlung des Essens des Sühnopfers sinnbildlich dargestellt wird, so würde man nicht die Idee einer als Gerichtshof errichteten Kirche haben.

Was für Beklemmung und Bekümmernis, was für Angst und lebhafte Schmerzen wird nicht bei allen Gliedern einer Familie erregt, wenn eins der Kinder irgend eine böse Tat verübt hat! Und nährt nicht Christus sich von dem Sündopfer? Wird Er nicht durch unsere Ungerechtigkeiten aufs Empfindlichste getroffen? Hat nicht Er sich mit unseren Schmerzen beladen? Er ist das Haupt seines Leibes, der Kirche; wird Er nicht in einem seiner Glieder auch verwundet und betrübt? O ja, Er wird es!

Wenn ich mich in der Notwendigkeit befinde, an irgend einen fehlenden Bruder eine persönliche Warnung zu richten, so muss ich eingedenk sein, das ich nur insofern fähig sein werde, diese Warnung auf eine gesegnete Weise zu bewerkstelligen, als meine Seele durch einen priesterlichen Dienst sich hierzu vorbereitet hat, gleich als ob ich selbst mich in dieser Sünde befunden hätte.

Was tut Christus? Er trägt die Sünde auf seinem Herzen und tut bei Gott Fürbitte, dass seine Gnade heilen möge. Ebenso trägt auch das Kind Gottes die Sünde seines Bruders auf seinem eigenen Herzen in der Gegenwart Gottes. Es redet mit dem Vater, wie ein Priester, damit die Wunde, welche dem Leib Christi, dessen Glied es ist, zugefügt worden, wieder geheilt werde.

Dies ist, wie ich nicht zweifle, der Geist, in welchem die Zucht geübt werden muss. Aber gerade hierin fehlen wir. Wir besitzen nicht genug Wohlwollen und Hingebung, um das Sündopfer zu essen.

Wenn die ganze Versammlung zu handeln berufen wird, so ist besonders das zu erwägen, dass sie dann sich selbst beugen muss, bis sie gereinigt ist. Dies ist meines Erachtens das Gewicht in den Worten des Apostels: „Und ihr habt nicht Leid getragen, usw.“

Es war zu Korinth nicht genug geistiges Leben, dass sie das Übel auf sich hätten laden sollen. Es ist als hätte der Apostel ihnen gesagt: „Das Übel hätte an euch nagen, und euch keine Ruhe lassen dürfen; euer Herz und Geist hätte darüber gebrochen sein müssen, dass so etwas nicht entfernt wurde; die Reinheit des Hauses Christi hätte euch am Herzen liegen sollen.“ (Es zeigt sich hier ein in der Praxis sehr wichtiger Grundsatz: Wenn der allgemeine Zustand des Leibes nicht besser ist als der Zustand dessen, welcher die Sünde begangen hat, so ist der Leib außer Stand, die Zuckt hinsichtlich dieser Sünde auszuüben. Er sollte es zwar, aber er kann es nicht, weil er nicht im Namen Christi Gewalt über das Gewissen dessen besitzt, welcher die Sünde begangen hat. Christus wird bei der Handlung nicht wirksam sein. Wenn mein Leib sich in einem schlechten Zustand befindet, so wird ein örtliches Übel nicht wieder heilen, ohne eine allgemeine Besserung meiner Gesundheit. In diesem Fall tritt der schlechte Zustand des Leibes (der Gemeinde) in dem einzelnen Glied hervor, und der Leib kann dasselbe nicht heilen. Es muss folglich der ganze Leib die Schuld sich selbst davon zuschreiben, und die Sünde als seine eigene bekennen, und zwar nicht bloß in priesterlicher Weise, sondern als wirklich schuldig seiend, und er muss durch seine eigene Beugung sich von dieser Sünde, als von seiner eigenen, losmachen, indem er jedes Mal den Sünder bei Seite setzt, bis derselbe Reue zeigt, denn man darf die Sünde nicht beibehalten.)

Das Reine vom Unreinen zu scheiden, ist eine andere Eigenschaft des priesterlichen Dienstes. Die Opferpriester durften weder Wein noch Bier trinken, um sich in einem geistigen Zustand zu erhalten, welcher mit den Dienstverrichtungen im Heiligtum Übereinstimmte, indem sie auf diese Art fähig waren, das Reine vom Unreinen zu unterscheiden. Auch für uns gilt diese Notwendigkeit. Wenn wir es mit dem Bösen zu tun haben, so muss zwischen Gott und uns eine Gemeinschaft in Gedanken und Ansichten obwalten. Sein Gegenstand muss auch der unsrige sein. Sein Haus ist der Ort, der Schauplatz, wo die Ordnung Gottes sich offenbart. Es wird z. B. den Frauen gesagt, dass sie auf ihrem Haupt ein Oberhaupt (Kopfbedeckung) tragen sollen, der Engel wegen, (1. Kor 11,10). und zwar deshalb, weil die Ordnung Gottes in der Kirche offenbart werden soll. Im Haus Gottes soll nichts geduldet werden, was diesen Wesen, (den Engeln) anstößig sein könnte, die da gewohnt sind, die Ordnung zu betrachten, welche, in solcher Nahe, der Gegenwart Gottes gebührt.

Alles im Haus ist im vollständigen Verfall. Die Herrlichkeit dieses Hauses wird nur dann vollständig offenbart werden, wann Jesus in seiner Herrlichkeit kommen wird. Wir müssen aber wenigstens wünschen, dass es in diesem Haus so viel als möglich, durch die Wirksamkeit des Heiligen Geistes eine Übereinstimmung zwischen dem jetzigen Charakter und der zukünftigen Beschaffenheit gebe.

Als Israel aus der Gefangenschaft zurückkehrte, nachdem der Herr das „Nicht mein Volk!“ über sie ausgesprochen; als die Herrlichkeit sich vom Haus Gottes entfernt hatte, und die öffentliche Offenbarung seiner Gegenwart unter ihnen verschwunden war, da suchten Nehemia und Esra nichtsdestoweniger nach den Gedanken Gottes zu handeln. Unsere jetzige Stellung ist dieselbe, als die ihrige. Und wir, wir haben etwas, was sie nicht hatten. Wir waren immer ein Überrest. Wir datieren vom Ende. – Was für uns gilt, ist dies: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20). So kann ich denn, selbst da, wo der ganze Zusammenhang zu Nichte geworden ist, mich an gewissen unveränderlichen, gesegneten Grundsätzen halten, von denen alles hergeleitet wird.

Die Vereinigung von „Zweien oder Dreien“ ist es, an welche Christus nicht nur seinen Namen, sondern auch seine Zucht, die Macht, zu lösen und zu binden, geknüpft hat. Alles geht von hier aus. Welch ein unvergleichlicher Trost? Der große Grundsatz der Einheit bleibt wahr, selbst mitten im Verfall.

Im 20. Kapitel des Johannes finden wir, dass Jesus, als Er seine Jünger aussandte, sie anblies und zu ihnen sprach: „Nehmt hin den Heiligen Geist; wem ihr die Sünden erlassen werdet, dem werden sie erlassen sein; und wem ihr sie behalten werdet, dem werden sie behalten werden.“ Es ist hier gar nicht die Rede vom Zusammenhang der Kirche als Leib, sondern von der Wirksamkeit des Heiligen Geistes, der da ein geistiges Urteil in den Jüngern hervorbringt, insofern sie von Christus gesandt sind und in seinem Namen verfahren. Die Zucht muss die Frucht der Wirksamkeit des Heiligen Geistes sein; wenn sie nicht das Ergebnis der Macht des Heiligen Geistes ist, so ist sie nichts.
Im Grundsatz ist das Nötige über diesen Gegenstand gesagt. Sind wir auch in der Tat ein kleiner Überrest, so wird hierdurch im Grund nichts geändert. Vor allem muss die. Zucht betrachtet werden, nicht als ein richterlicher Prozess, nicht als die Angelegenheit von Sündern, die da über Sünder richten, sondern als ein Dienst im Haus Gottes, welcher durch die Tätigkeit des Heiligen Geistes erfüllt wird. Die Einhelligkeit ist in dieser Hinsicht die Einhelligkeit des wieder erwachten Gewissens, in Betreff der Notwendigkeit der Erhaltung der Reinheit im Haus Gottes.
Es ist etwas Schreckliches, wenn man Sünder davon reden hört, über einen anderen Sünder zu richten; aber ein segensreicher Anblick ist es, sie in Betreff der Sünde, welche Eingang unter ihnen gefunden hat, in ihrem Gewissen tätig zu sehen.
Ferner ist noch zu bemerken, dass die Zucht in einem Geist der Gnade geübt werden muss. Handle ich nicht in Gnade, so darf ich ebenso wenig zu handeln wagen, als ich es wagen würde zu wünschen, ein Gericht über mich selbst herbei zu ziehen. „Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet; denn mit dem Maße, womit ihr messt, wird man auch euch messen“ (Mt 7,1–2). Wenn wir zu einem anderen gehen, um ein Gericht über ihn zu halten, so werden wir finden, dass dies ein Gericht für uns selbst ist.
{(Seite 155)Was die Einhelligkeit betrifft, so ist es einleuchtend, dass man sie suchen muss. Aber die Regel des Apostels ist diese: den Ungehorsamen erst dann zu strafen, wenn der Gehorsam der Übrigen bewerkstelligt ist, d. h. dass nachdem, durch die Wirksamkeit seines Wohlwollens, der Heilige Geist diejenigen abgesondert hatte, welche sich seiner Unterweisung unterwarfen, diejenigen dagegen, welche sich nicht fügen wollten, selbst ein Gegenstand seiner Zucht sein würden, die er ausübte. Es ist klar, dass, wenn jemand eine schändliche Sünde unterstützt, dies die Ausübung der Zucht nicht hindern darf, sondern es kann dahin führen, dass der, welcher so handelt, der Gegenstand der Zucht wird. Es kann geschehen, dass ernstliche Einwendungen eines gläubigen Bruders, der Zucht Einhalt tun, und zu einer tieferen Fortsetzung des Willens Gottes Anlass geben.}

8. Schlussbemerkungen über den Geist eines Hirten
Was die Schwierigkeit betrifft, worin die Heiligen sich befinden, welche sich vereinigen, ohne Hirtengaben unter sich zu haben, so geht mein Gebet dahin, dass Gott Hirten unter ihnen erwecken möge. Ich glaube jedoch, dass überall, wo Brüder sich vereinen, und zusammen nach den Grundsätzen der Brüderschaft wandeln, dieselben so glücklich sein können als andere, welche sich nicht in solchen Umständen befinden, vorausgesetzt, dass sie aufrichtig ihre Stellung bewahren, und nicht in den Geist verfallen, Kirchen stiften zu wollen.

Ohne Zweifel, wenn ich die Schafe des Herrn liebe, so wird ihr Gedeihen mir am Herzen liegen, und folglich werde ich den Herrn bitten, dass Er ihnen Hirten geben möge. Nächst der persönlichen Gemeinschaft mit dem Herrn, kenne ich nichts Süßeres, nichts Gesegneteres, als die Sorgen eines Hirten, welcher die Schafe des Herrn weidet. Die Herde, welche er weidet, ist die Herde des Herrn, und nicht seine eigene. Ich finde keine Stelle im Wort Gottes, wo die Rede von einem Hirten und seiner Herde wäre, als nur da, wo von Jesus die Rede ist. So etwas würde die Anschauungsweise der Dinge völlig verwechseln.

Wenn ein Christ fühlt, dass die Herde, über welche er zu wachen berufen ist, die Herde des Herrn ist, welche Gedanken von Verantwortlichkeit, welche Sorgfalt, welchen Eifer, welche Wachsamkeit muss dies Gefühl nicht in ihm hervorbringen.

Ich kenne nichts Lieblicheres, als die Worte: „Liebst du mich? – Weide meine Schafe, – weide meine Lämmer.“ Nein, ich kenne nichts Köstlicheres auf der Erde, als die Sorgen eines getreuen Hirten, eines Mannes, den die Liebe bereit macht, die ganze Last der Mühen und Bekümmernisse, der Prüfungen und Versuchungen einer Seele zu tragen, und der da alle diese Dinge Gott vorzutragen und sich mit Ihm darüber zu unterhalten weiß. Ich glaube, dass ein solcher Dienst die glücklichsten Beziehungen hervorbringt, die gesegnetsten, welche es nur in dieser Welt geben kann. Aber wir dürfen deshalb uns nicht einbilden, dass „der große Hirte“ nicht selber für seine Schafe sorgen könne, deshalb, weil es demselben an untergeordneten Hirten fehlt. O, wenn die Brüder, welche sich zusammen vereinen, sich nur fest an den Herrn schließen, wenn sie sich nur nicht anmaßen, etwas sein zu wollen, was sie nicht sind, so werden sie ohne Gefahr wandeln können, selbst da, wo es keine Hirten unter ihnen gibt, weil ihnen in dieser Stellung die Sorge des obersten Hirten nicht fehlen wird. Hüten wir uns, dass wir nur nicht Gott unsere Armut anrechnen, als könnte Er nicht Sorge für uns tragen. Von dem Augenblick an, wo die Macht des Geistes bei Seite gesetzt wird, wird die Macht des Fleisches eingeführt.

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