Botschafter des Heils in Christo 1853

Seid um nichts besorgt

„Seid um nichts besorgt, sondern in allem lasst durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott kundwerden“ (Phil 4,6).

Es ist ein glückliches Bewusstsein, ein Kind Gottes zu sein. Wir sind es geworden durch Jesus. Der Geist Gottes ist uns geschenkt, so dass wir mit aller Zuversicht „Abba, Vater!“ rufen können (Röm 8,15). Um Jesu willen ruht nun die ganze Zärtlichkeit und Liebe des Vaters auf uns, wie auf Ihm: „Ich in ihnen und du in mir, damit sie in eins vollendet seien und damit die Welt erkenne, dass du mich gesandt und sie geliebt hast, wie du mich geliebt hast“ (Joh 17,23). Dieses Bewusstsein, dass wir durch Jesus Christus als geliebte Kinder in die Nähe des Vaters gebracht sind, soll in uns immer lebendig sein. Ebenso auch, dass wir nur in Jesu so hochgeachtet sind, damit wir nie Gefallen an uns selber haben und damit wir uns stets befleißigen, in Jesu zu leben und nicht auf uns zu vertrauen. „Hierin ist die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn gesandt hat als Sühnung für unsere Sünden“ (1. Joh 4,10).

Dieser uns so zärtlich liebende Vater lässt uns nun ermahnen: „Seid um nichts besorgt!“ Es ist der Vater, der „seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben hat: wie wird er uns mit ihm nicht auch alles schenken?“ (Röm 8,32). Das Kind Gottes ist hier ein Pilger und Fremdling. Vieles tritt ihm in den Weg, um seinen Gang zu hemmen und zu beschweren. Die Feinde sind viele und voll Arglist und Bosheit. Sie wollen dem Glaubenden das Ziel verrücken und ihn von Jesu abziehen. Einmal ist es Angst in der Welt, Spott, Hohn und Verfolgung, einmal Sorgen der Nahrung, einmal sonstige Versuchungen, was den Glauben zum Wanken bringen will. Dem aber, der sein Ziel festhält ohne Wanken, dient dies alles nur dazu, dass die Bewährung seines Glaubens viel köstlicher erfunden wird als die des vergänglichen Goldes, das durchs Feuer erprobt wird, zu Lob und Herrlichkeit und Ehre in der Offenbarung Jesu Christi (vgl. 1. Pet 1,7). In solchen Anfechtungen tritt ihm das Wort Gottes freundlich entgegen, und spricht: „Seid um nichts besorgt!“ und schneidet damit jede Sorge ab. An einer anderen Stelle heißt es: „Indem ihr all eure Sorge auf ihn werft; denn er ist besorgt für euch“ (1. Pet 5,7). Und an einer weiteren Stelle weist der Herr selbst hin auf die Vögel unter dem Himmel und auf die Lilien im Felde (Mt 6,26–31). Liebe Brüder, so spricht ein Vater zu seinen Kindern, für die er seinen eingeborenen Sohn gab, als sie noch Feinde waren. Wie groß muss jetzt seine Liebe sein, da sie nun in seinem Sohne unsträflich und gerecht vor ihm stehen.

Es ist etwas überaus Herrliches und Tröstliches für uns, dass dieser Vater uns über jede Sorge erheben will; dass wir mit dem festen Bewusstsein einhergehen können, dass alle unsere Sorgen in den besten Händen ruhen. Das unaussprechliche Geschenk, das er uns, da wir noch Feinde waren, dargereicht hat in seinem Sohn, ist uns Pfand und Siegel, dass er uns so innig liebt. Darum sorge dich um nichts, lass dich mit nichts dieser Art ein: Gott will sorgen. Bleibe du nur in Jesus beim Vater. Lass keine Bekümmernis dein Herz betören. Gehst du aber auf die Sorgen ein, so gibt's Not und der Friede wird gestört. Der Leichtsinnige sorgt auch nicht – aber er ruht nicht in Gott. Er wirft seine Sorgen nicht auf den Herrn, er sucht sich aus Selbstliebe ihrer zu entledigen. Er überwindet nicht durch den Glauben, er braucht sich nicht selbst zu verleugnen, sein Nichtsorgen ruht in seinem Fleisch.

Statt der Sorge werden wir ermahnt, uns nur mit unserem Gott und Vater in Christus Jesus zu beschäftigen. Was auch kommen mag, wir sollen es im Gebet und mit Flehen vor ihm kund werden lassen. Das geziemt den Kindern und der Vater will sich uns in jeder Beziehung als Vater offenbaren. Es ist köstlich, dass wir einen so offenen Weg zum Vaterherzen Gottes haben. Das ist ein unaussprechlicher Vorzug und eine unbegreifliche Gnade. Wer wollte eine solch hohe Bevorzugung und Gnade durch Misstrauen und Unglauben entwürdigen! Da ist es ja ganz recht, wenn die Sorgenlast uns zu Boden drückt. Wer selbst sorgt, um aus den Sorgen zu kommen, kommt immer tiefer hinein.

Das menschliche Herz ist geneigt, sich nur auf das Sichtbare zu verlassen. Wo es nichts sieht, da fragt es: Was sollen wir essen, was sollen wir trinken? Womit sollen wir uns kleiden? Es spricht aber auch von einem Vertrauen zu Gott, doch dieses Vertrauen geht nicht weit. Es fordert ein Zeichen, es möchte die Hilfe viel eher sehen, als zu der Zeit, wo sie nottut. Warum? Damit noch Zeit übrig bleibt, sich an Menschen zu wenden. Darin liegt tiefes Misstrauen. Man wartet in kleinen Dingen oft viel lieber auf den Herrn als in großen. Wieder aus dem einfachen Grund, weil es leichter ist, falls die Hilfe ausbleiben sollte, sich auf einem anderen Wege zu helfen. Es wird auch wohl auf den Herrn vertraut, wenn man im Voraus schon allerlei Auswege weiß. Eben so leicht wird geglaubt, dass man diesem oder jenem Bruder seine Verlegenheiten mitteilen soll, oder dass es des Herrn Wille sei, einen bestimmten Bruder um Hilfe anzusprechen. Manchem scheint es auch, er sei nicht in der Lage oder stecke schon zu tief darin, um vom Herrn allein Hilfe zu erwarten. Oder er hat einen bestimmten Weg, auf welchem der Herr ihm helfen soll, etwa besonderen Segen in seinem äußeren Beruf, vergrößerte Kundschaft, anhaltende Arbeit usw. – und wo er hier keinen Fortgang sieht, lässt er sein Vertrauen sinken.

So ist das menschliche Herz mit seinem Unglauben. Auch hier wird es offenbar, dass der Mensch Fleisch ist – und das weiß auch Satan. Das Kind Gottes hat es auch erfahren. Darum ist es durch den Glauben aus sich ausgegangen und ist in Christo Jesu versetzt. Sich in diesem Ruheort zu behaupten, kostet Kampf und Verleugnung, Wachsamkeit und Gebet. Vergisst sich das Kind Gottes und sieht zurück, so überfällt es Unruhe und Angst, Unwille und Misstrauen. Wir würdigen aber auf diese Weise das große Vorrecht als Kind Gottes tief herab. Da wir aber von Versuchungen und Anfechtungen aller Art umgeben sind und das Dasein des menschlichen Herzens, oder das Fleisch mit seiner Lust und Begierde nicht zu leugnen ist, so bedürfen wir auch wohl der Ermahnung: „Seid um nichts besorgt, sondern in allen Dingen“ usw. Mag auch kommen, was da will. Mag irgendeine Sorge, welche es auch sei, Dich beunruhigen wollen, lass dich nicht mit ihr ein, sondern eile sogleich damit zum Vater.

Lass nichts zu groß und zu klein sein. Himmel und Erde sind sein. Sogar die Haare auf deinem Kopf sind gezählt (Mt 10,30). Silber und Gold ist auch sein und kann nicht durch Menschenhand verschlossen werden. Bleibe dir immer bewusst, dass du mit der Liebe und Zärtlichkeit geliebt wirft, wie Jesus Christus selbst. Vor allen Dingen verharre in deinem Vertrauen, wie geschrieben steht: „Werft nun eure Zuversicht nicht weg, die eine große Belohnung hat“ (Heb 10,35). Und: „Befiehl dem HERRN deinen Weg und vertraue auf ihn, und er wird handeln“ (Ps 37,5). So wenige erfahren in dieser Beziehung die wunderbare Durchhilfe des Herrn, weil sie zu früh ihr Vertrauen wegwerfen und versuchen sich selber zu helfen. So viele sind aber selbst unter denen, welche die Freundlichkeit des Herrn geschmeckt haben und liegen unter viel Druck und Sorgen, weil sie ihr großes Vorrecht nicht erkennen. Wer aber in feinem Vertrauen verharrt, der versiegelt es, dass Gott wahrhaftig ist und alle Verheißungen in Ihm Ja und durch Ihn Amen sind (2. Kor 1,20).

Wer nun also, wie es einem Kind Gottes geziemt, im Vertrauen einhergeht, wer nur im Gebet und Flehen seinem Vater im Himmel alle Dinge offenbart und sich nicht selbst mit den Dingen einlässt, der erkennt auch bei jeder neuen Durchhilfe so sichtbar die Hand des Herrn. Das erfüllt sein Herz mit Lob und Preis und es ist ihm etwas Köstliches, auch immer wieder seine Danksagung vor Gott kund werden zu lassen. Dieses Wörtchen „Danksagung“ klagt aber manchen an, besonders den, der vor allen eigenen Sorgen die Hand des Herrn nicht sieht und wenn er zurück blickt auch nicht recht weiß, wofür er eigentlich danken soll. Er versteht es nicht, wenn der Psalmist sagt: „Es ist gut, den HERRN zu preisen und Psalmen zu singen deinem Namen, o Höchster“ (Ps 92,2).

Geliebte Brüder! Lasst uns diese Worte recht erwägen. Lasst uns nicht vergessen, dass wir in Jesus Christus den Vater anrufen, der uns so herzlich liebt. Es sind wohl wenige, welche diese Zeilen lesen, die nicht das Eine oder das Andere haben, was ihnen Sorge und Bekümmernis machen will. O lasst euch keinen Augenblick damit ein, denkt gar nicht darüber nach. Blickt auch nicht auf den morgigen Tag, denn es ist genug, dass ein jeglicher Tag seine eigene Plage habe (Mt 6,34). Geht doch gleich als erlöste und versöhnte Kinder in Christus im Glauben damit zum Vater, der es ja schon weiß, was ihr nötig habt (Mt 6,8). Kommt immer wieder damit, bis er zu seiner Zeit, denn das ist allein die rechte, geholfen hat. Unser Wandel ist ja im Himmel. Auch in dieser Beziehung soll es sich offenbaren, dass er wirklich schon im Geiste durch den Glauben im Himmel ist.

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