Auslegung zum 1. Buch Mose

1. Mose 40,1–42,24

„Und es geschah nach diesen Dingen, da versündigten sich der Mundschenk des Königs von Ägypten und der Bäcker gegen ihren Herrn, den König von Ägypten. Und der Pharao wurde sehr zornig über seine beiden Hofbeamten, über den Obersten der Mundschenken und über den Obersten der Bäcker; und er setzte sie in Gewahrsam in das Haus des Obersten der Leibwache, ins Gefängnis, an den Ort, wo Joseph gefangen lag. Und der Oberste der Leibwache stellte ihnen Joseph zur Seite, und er diente ihnen; und sie waren eine Zeit lang in Gewahrsam. Und sie hatten beide einen Traum, jeder seinen Traum in einer Nacht, jeder nach der Deutung seines Traumes, der Mundschenk und der Bäcker des Königs von Ägypten, die im Gefängnis gefangen lagen. Und Joseph kam am Morgen zu ihnen und sah sie, und siehe, sie waren missmutig. Und er fragte die Hofbeamten des Pharaos, die mit ihm im Haus seines Herrn in Gewahrsam waren, und sprach: Warum sind eure Angesichter heute so trübe? Und sie sprachen zu ihm: Wir haben einen Traum gehabt, und da ist niemand, der ihn deutet. Und Joseph sprach zu ihnen: Sind die Deutungen nicht Gottes? Erzählt mir doch. Da erzählte der Oberste der Mundschenken Joseph seinen Traum und sprach zu ihm: In meinem Traum, siehe, da war ein Weinstock vor mir, und an dem Weinstock drei Reben; und sowie er Knospen trieb, schoss seine Blüte auf, seine Traubenkämme reiften zu Trauben. Und der Becher des Pharaos war in meiner Hand, und ich nahm die Trauben und presste sie aus in den Becher des Pharaos und gab den Becher in die Hand des Pharaos. Und Joseph sprach zu ihm: Dies ist seine Deutung: Die drei Reben sind drei Tage. In noch drei Tagen wird der Pharao dein Haupt erheben und dich wieder in deine Stelle einsetzen, und du wirst den Becher des Pharaos in seine Hand geben, nach der früheren Weise, als du sein Mundschenk warst. Aber erinnere dich an mich, wenn es dir gut geht, und erweise doch Güte an mir und erwähne mich beim Pharao und bring mich aus diesem Haus heraus; denn gestohlen bin ich aus dem Land der Hebräer, und auch hier habe ich gar nichts getan, dass sie mich in den Kerker gesetzt haben. Und der Oberste der Bäcker sah, dass er gut gedeutet hatte, und er sprach zu Joseph: auch ich sah in meinem Traum, und siehe, drei Körbe mit Weißbrot waren auf meinem Kopf, und im obersten Korb allerlei Esswaren für den Pharao, Backwerk; und die Vögel fraßen sie aus dem Korb auf meinem Kopf weg. Und Joseph antwortete und sprach: Dies ist seine Deutung: Die drei Körbe sind drei Tage. In noch drei Tagen wird der Pharao dein Haupt erheben und dich an ein Holz hängen, und die Vögel werden dein Fleisch von dir wegfressen. Und es geschah am dritten Tag, dem Geburtstag des Pharaos, da machte er allen seinen Knechten ein Festmahl; und er erhob das Haupt des Obersten der Mundschenken und das Haupt des Obersten der Bäcker unter seinen Knechten. Und er setzte den Obersten der Mundschenken wieder in sein Schenkamt, dass er den Becher in die Hand des Pharaos gab; und den Obersten der Bäcker ließ er hängen, so wie Joseph ihnen gedeutet hatte. Aber der Oberste der Mundschenken dachte nicht mehr an Joseph und vergaß ihn. Und es geschah nach Verlauf von zwei vollen Jahren, dass der Pharao träumte: Und siehe, er stand am Strom. Und siehe, aus dem Strom stiegen sieben Kühe herauf, schön von Aussehen und fett an Fleisch, und sie weideten im Riedgras. Und siehe, sieben andere Kühe stiegen nach ihnen aus dem Strom herauf, hässlich von Aussehen und mager an Fleisch, und sie standen neben den Kühen am Ufer des Stromes. Und die Kühe, die hässlich von Aussehen und mager an Fleisch waren, fraßen die sieben Kühe, die schön von Aussehen und fett waren. Und der Pharao erwachte. Und er schlief ein und träumte zum zweiten Mal: Und siehe, sieben Ähren wuchsen auf an einem Halm, fett und schön. Und siehe, sieben Ähren, mager und vom Ostwind versengt, sprossten nach ihnen auf. Und die mageren Ähren verschlangen die sieben fetten und vollen Ähren. Und der Pharao erwachte, und siehe, es war ein Traum. Und es geschah am Morgen, da war sein Geist voll Unruhe, und er sandte hin und ließ alle Wahrsagepriester Ägyptens und alle seine Weisen rufen; und der Pharao erzählte ihnen seine Träume, aber da war keiner, der sie dem Pharao deutete. Da redete der Oberste der Mundschenken zum Pharao und sprach: Ich erinnere mich heute an meine Sünden. Der Pharao war sehr zornig über seine Knechte und setzte mich in Gewahrsam in das Haus des Obersten der Leibwache, mich und den Obersten der Bäcker. Und wir hatten einen Traum in einer Nacht, ich und er; wir träumten jeder nach der Deutung seines Traumes. Und dort war bei uns ein hebräischer Jüngling, ein Knecht des Obersten der Leibwache, und wir erzählten es ihm; und er deutete uns unsere Träume, jedem deutete er nach seinem Traum. Und es geschah, wie er uns deutete, so ist es geschehen: Mich hat der Pharao wieder in meine Stelle eingesetzt, und ihn hat er gehängt. Da sandte der Pharao hin und ließ Joseph rufen; und sie holten ihn schnell aus dem Kerker. Und er schor sich und wechselte seine Kleidung und kam zum Pharao. Und der Pharao sprach zu Joseph: Ich habe einen Traum gehabt, und da ist keiner, der ihn deutet; ich habe aber von dir sagen hören, du verstehest einen Traum, ihn zu deuten. Und Joseph antwortete dem Pharao und sprach: Das steht nicht bei mir; Gott wird antworten, was dem Pharao zum Wohl dient. Da sprach der Pharao zu Joseph: In meinem Traum, siehe, da stand ich am Ufer des Stromes. Und siehe, aus dem Strom stiegen sieben Kühe herauf, fett an Fleisch und schön von Gestalt, und sie weideten im Riedgras. Und siehe, sieben andere Kühe stiegen nach ihnen herauf, dürr und sehr hässlich von Gestalt und mager an Fleisch; ich habe wie diese an Hässlichkeit keine gesehen im ganzen Land Ägypten. Und die mageren und hässlichen Kühe fraßen die sieben ersten fetten Kühe; und sie kamen in ihren Bauch, und man merkte nicht, dass sie in ihren Bauch gekommen waren, und ihr Aussehen war hässlich, wie im Anfang. Und ich erwachte. Und ich sah in meinem Traum, und siehe, sieben Ähren wuchsen auf an einem Halm, voll und schön. Und siehe, sieben Ähren, dürftig, mager, vom Ostwind versengt, sprossten nach ihnen auf; und die mageren Ähren verschlangen die sieben schönen Ähren. Und ich habe es den Wahrsagepriestern gesagt; aber da war keiner, der es mir kundtat. Und Joseph sprach zum Pharao: Der Traum des Pharaos ist einer; was Gott tun will, hat er dem Pharao kundgetan. Die sieben schönen Kühe sind sieben Jahre, und die sieben schönen Ähren sind sieben Jahre: Ein Traum ist es. Und die sieben mageren und hässlichen Kühe, die nach ihnen heraufstiegen, sind sieben Jahre, so auch die sieben leeren, vom Ostwind versengten Ähren: Es werden sieben Jahre der Hungersnot sein. Das ist das Wort, das ich zum Pharao geredet habe: Was Gott tun will, hat er den Pharao sehen lassen. Siehe, sieben Jahre kommen, mit großem Überfluss im ganzen Land Ägypten. Und nach ihnen werden sieben Jahre der Hungersnot entstehen, und aller Überfluss wird im Land Ägypten vergessen sein, und die Hungersnot wird das Land verzehren. Und man wird nichts mehr vom Überfluss im Land wissen wegen dieser Hungersnot danach, denn sie wird sehr schwer sein. Und die zweimalige Wiederholung des Traumes an den Pharao bedeutet, dass die Sache vonseiten Gottes fest beschlossen ist und dass Gott eilt, sie zu tun. Und nun ersehe sich der Pharao einen verständigen und weisen Mann und setze ihn über das Land Ägypten. Dies tue der Pharao, dass er Aufseher über das Land bestelle und den Fünften vom Land Ägypten nehme in den sieben Jahren des Überflusses. Und man sammle alle Speise dieser kommenden guten Jahre und schütte Getreide auf unter der Hand des Pharaos zur Speise in den Städten, und bewahre es auf. Und die Speise sei zum Vorrat für das Land für die sieben Jahre der Hungersnot, die im Land Ägypten sein werden, damit das Land nicht vertilgt werde durch die Hungersnot. Und das Wort war gut in den Augen des Pharaos und in den Augen aller seiner Knechte. Und der Pharao sprach zu seinen Knechten: Werden wir einen finden wie diesen, einen Mann, in dem der Geist Gottes ist? Und der Pharao sprach zu Joseph: Nachdem Gott dir dies alles kundgetan hat, ist keiner so verständig und weise wie du. Du sollst über mein Haus sein, und deinem Befehl soll mein ganzes Volk sich fügen; nur um den Thron will ich größer sein als du. Und der Pharao sprach zu Joseph: Siehe, ich habe dich über das ganze Land Ägypten gesetzt. Und der Pharao nahm seinen Siegelring von seiner Hand und tat ihn an die Hand Josephs, und er kleidete ihn in Kleider aus Byssus und legte die goldene Kette um seinen Hals. Und er ließ ihn auf dem zweiten Wagen fahren, den er hatte, und man rief vor ihm her: Werft euch nieder! – Und er setzte ihn über das ganze Land Ägypten. Und der Pharao sprach zu Joseph: Ich bin der Pharao, und ohne dich soll kein Mensch seine Hand oder seinen Fuß aufheben im ganzen Land Ägypten. Und der Pharao gab Joseph den Namen Zaphnat-Pahneach und gab ihm Asnat, die Tochter Potipheras, des Priesters von On, zur Frau. Und Joseph zog aus in das Land Ägypten. Und Joseph war dreißig Jahre alt, als er vor dem Pharao, dem König von Ägypten, stand. Und Joseph ging weg vom Pharao und zog durch das ganze Land Ägypten. Und das Land trug in den sieben Jahren des Überflusses händevoll. Und er sammelte alle Speise der sieben Jahre, die im Land Ägypten waren, und brachte die Speise in die Städte; die Speise der Felder, die im Umkreis der Stadt waren, brachte er dort hinein. Und Joseph schüttete Getreide auf wie Sand des Meeres, über die Maßen viel, bis man aufhörte zu zählen, denn es war ohne Zahl. Und Joseph wurden zwei Söhne geboren, ehe das Jahr der Hungersnot kam, die Asnat ihm gebar, die Tochter Potipheras, des Priesters von On. Und Joseph gab dem Erstgeborenen den Namen Manasse: Denn Gott hat mich vergessen lassen all meine Mühsal und das ganze Haus meines Vaters. Und dem Zweiten gab er den Namen Ephraim: Denn Gott hat mich fruchtbar gemacht im Land meines Elends. Und die sieben Jahre des Überflusses, der im Land Ägypten gewesen war, gingen zu Ende. Und die sieben Jahre der Hungersnot begannen zu kommen, so wie Joseph gesagt hatte. Und es war Hungersnot in allen Ländern, aber im ganzen Land Ägypten war Brot. Und das ganze Land Ägypten hungerte; und das Volk schrie zum Pharao um Brot. Da sprach der Pharao zu allen Ägyptern: Geht zu Joseph; tut, was er euch sagt! Und die Hungersnot war auf der ganzen Erde; und Joseph öffnete alles, worin Getreide war, und verkaufte es den Ägyptern; und die Hungersnot war stark im Land Ägypten. Und alle Welt kam nach Ägypten zu Joseph, um Getreide zu kaufen; denn die Hungersnot war stark auf der ganzen Erde. Und Jakob sah, dass Getreide in Ägypten war, und Jakob sprach zu seinen Söhnen: Warum seht ihr einander an? Und er sprach: Siehe, ich habe gehört, dass Getreide in Ägypten ist; zieht dorthin hinab und kauft uns von dort Getreide, dass wir leben und nicht sterben. Und die zehn Brüder Josephs zogen hinab, um Getreide aus Ägypten zu kaufen. Aber Benjamin, Josephs Bruder, sandte Jakob nicht mit seinen Brüdern; denn er sprach: Dass ihm nicht etwa ein Unfall begegne. Und so kamen die Söhne Israels unter den Ankommenden, um Getreide zu kaufen; denn die Hungersnot war im Land Kanaan. Und Joseph, er war der Gebieter über das Land, er verkaufte das Getreide allem Volk des Landes. Und die Brüder Josephs kamen und beugten sich vor ihm nieder, mit dem Gesicht zur Erde. Und Joseph sah seine Brüder und erkannte sie; aber er stellte sich fremd gegen sie und redete hart mit ihnen und sprach zu ihnen: Woher kommt ihr? Und sie sprachen: Aus dem Land Kanaan, um Speise zu kaufen. Und Joseph erkannte seine Brüder; sie aber erkannten ihn nicht. Und Joseph dachte an die Träume, die er von ihnen gehabt hatte, und er sprach zu ihnen: Ihr seid Kundschafter; um zu sehen, wo das Land offen ist, seid ihr gekommen. Da sprachen sie zu ihm: Nein, mein Herr; sondern deine Knechte sind gekommen, um Speise zu kaufen. Wir alle sind die Söhne eines Mannes; wir sind redlich, deine Knechte sind keine Kundschafter. Und er sprach zu ihnen: Nein, sondern ihr seid gekommen, um zu sehen, wo das Land offen ist. Und sie sprachen: Zwölf Brüder sind wir, deine Knechte, Söhne eines Mannes im Land Kanaan; und siehe, der jüngste ist heute bei unserem Vater, und der eine ist nicht mehr. Da sprach Joseph zu ihnen: Das ist es, was ich zu euch gesagt habe: Kundschafter seid ihr! Daran sollt ihr geprüft werden: Beim Leben des Pharaos! – Wenn ihr von hier weggeht, es sei denn, dass euer jüngster Bruder hierher komme! Sendet einen von euch hin, dass er euren Bruder hole; ihr aber bleibt gefangen, und eure Worte sollen geprüft werden, ob Wahrheit bei euch ist; und wenn nicht – beim Leben des Pharaos! –, so seid ihr Kundschafter. Und er nahm sie drei Tage zusammen in Gewahrsam. Und am dritten Tag sprach Joseph zu ihnen: Tut dies, und ihr sollt leben; ich fürchte Gott: Wenn ihr redlich seid, so bleibe einer eurer Brüder gefangen im Haus eures Gewahrsams; ihr aber, zieht hin, bringt Getreide für den Bedarf eurer Häuser; und euren jüngsten Bruder sollt ihr zu mir bringen, damit eure Worte sich als wahr erweisen und ihr nicht sterbt. Und sie taten so. Da sprachen sie einer zum anderen: Wahrhaftig, wir sind schuldig wegen unseres Bruders, dessen Seelenangst wir sahen, als er zu uns flehte, und wir hörten nicht; darum ist diese Drangsal über uns gekommen. Und Ruben antwortete ihnen und sprach: Habe ich nicht zu euch gesprochen und gesagt: Versündigt euch nicht an dem Knaben? Aber ihr hörtet nicht; und siehe, sein Blut wird auch gefordert! Sie aber wussten nicht, dass Joseph es verstand, denn ein Dolmetscher war zwischen ihnen. Und er wandte sich von ihnen ab und weinte. Und er kehrte zu ihnen zurück und redete zu ihnen; und er nahm Simeon aus ihrer Mitte und band ihn vor ihren Augen.“ (1. Mose 40,1 - 42,24)

Die Geschichte von Josef wurde durch die Aufzeichnung der ihm gegebenen zwei prophetischen Träume eingeleitet. Kapitel 40 hält zwei weitere Träume von prophetischer Natur und ihre Erfüllung fest. Obwohl sie ihm nicht gegeben wurden, hatten sie doch in der Vorsehung Gottes einen sehr deutlichen Einfluss auf seine Zukunft.

Sowohl der oberste Mundschenk als auch der oberste Bäcker des Pharaos hatten ihren Herrn beleidigt. Es wird nichts über die Art ihrer Vergehen gesagt, aber wenn man bedenkt, dass der Pharao einer fremden Rasse angehörte und daher wahrscheinlich einen Mordversuch durch Vergiftung befürchtete, ist es nicht überraschend, dass die beiden obersten Hüter seines Getränks und seiner Speisen unter Verdacht geraten waren. Während einer Entscheidung in dieser Angelegenheit wurden sie in dasselbe Gefängnis wie Joseph gesperrt und ihm anvertraut. Das erste Glied in der vom HERRN angeordneten Kette von Ereignissen war, dass Joseph an den Ort gebracht werden sollte, wo die Gefangenen des Königs gefesselt waren. Das zweite war, dass diese beiden Männer zu gegebener Zeit ebenfalls dorthin gebracht werden sollten.

Das dritte war, dass beide Männer in einer Nacht merkwürdige, dennoch gewisse Ähnlichkeiten aufweisende, Träume hatten und der Effekt auf ihren Verstand solcher Natur war, dass sie traurig aussahen und die Aufmerksamkeit von Joseph erregten. Sie spürten, dass es eine verborgene Bedeutung in ihren Träumen geben musste und sie wünschten sich einen Deuter. Joseph's Antwort war im Grunde genommen ein Angebot zu deuten, während er zugab, dass alle Macht dies zu tun von Gott kam.

Der Mundschenk erzählte seinen Traum. Die herausstechenden Punkte waren:

  1. dass die Rebe drei Äste hatte, welche die reifen Trauben hervorbrachten;
  2. dass der Becher des Pharaos in seiner Hand war, sodass er die reifen Trauben darin auspressen konnte; und
  3. dass der Becher mit Traubensaft in die Hand des Pharaos überging. Die Interpretation war einfach. Innerhalb von drei Tagen würde der Pharao den Mundschenk wieder in seine Position bringen. Nachdem dies verkündet wurde, bat Joseph den Mann ganz natürlich darum, sich an ihn zu erinnern, wenn er so begünstigt wurde, damit er aus dem Gefängnis geholt werden könnte.

Ermutigt durch diese günstige Deutung erzählte der Bäcker seinen Traum. Die hervorstechenden Punkte waren:

  1. dass die Körbe mit Backwaren drei waren;
  2. dass die Körbe auf seinem Kopf waren; und
  3. dass die Backwaren von Vögeln gefressen wurden und nie beim Pharao ankamen. Wieder war die Deutung einfach. Innerhalb von drei Tagen würde der Pharao seinen Kopf erheben, ihn an einen Baum hängen, so dass die Vögel sein Fleisch fressen sollten. Sein Traum hatte eine genau entgegengesetzte Bedeutung zu dem des Mundschenks.

Das Ereignis bewies, dass Josephs Interpretationen von Gott gegeben wurden. Pharaos Geburtstag war am dritten Tag, und er handelte, wie die Träume es vorgegeben hatten. Doch der Obermundschenk vergaß in seinem erneuerten Wohlstand über Joseph und wurde so zu einem stehenden Denkmal menschlicher Undankbarkeit. Trotzdem, so glauben wir, war die Hand des HERRN sogar über diesem Ereignis. Hätte der Mundschank sich erinnert, wäre Josephs Befreiung aus dem Gefängnis das Ergebnis eines dankbaren und vielleicht ehrerbietigen menschlichen Arrangements gewesen. Der HERR beabsichtigte jedoch, ihn herauszuholen, und die Erinnerung des Mundschanks auf eine weit eindrucksvollere Weise wieder zu beleben. Und nicht nur ihn herauszuholen, sondern auch ihn über die höchsten der Mundschänke und Bäcker zu erheben. Wie der HERR dies herbeiführte, offenbart 1. Mose 41.

Wieder tauchen Träume in der Geschichte auf; diesmal in Verbindung mit dem Pharao selbst. In unserem letzten Artikel sprachen wir von fünf Träumen, aber korrekter hätten wir von sechs sprechen sollen, denn, wie es bei Joseph am Anfang war, so waren auch Pharaos Träume doppelt. Die allgemeine Richtung beider Träume war die gleiche und dass beide in einer Nacht vorkamen, war sehr eindrucksvoll. Schafe waren in Ägypten nicht beliebt und Rinder lieferten das Fleisch und Getreide ihr Brot. Der Fluss Nil war die Grundlage für den Wohlstand beider.

Der Pharao war beunruhigt, denn er musste eine vage Ahnung gehabt haben, dass Böses in beiden Richtungen angedeutet war. Die Magier und Weisen Ägyptens waren hilflos. Ihr übles Handwerk war davon abhängig, gute Dinge für die Könige voraussagen zu können, denen sie dienten (siehe 1. Kön 22), und offenbar kündeten beide Träume von irgendeiner Art von Übel. In dieser Notlage frischte sich die Erinnerung des obersten Mundschenks wieder auf und, sich an Josef erinnernd, erzählte er dem Pharao von der wunderbar genauen Art, wie dieser die Träume sowohl von ihm selbst als auch vom obersten Bäcker schon vor mehr als zwei Jahren gedeutet hatte. Was für eine Prüfung diese zwei Jahre wohl gewesen sein müssen! Kein Wunder, dass es von ihm in Psalm 105,19 heißt: „Das Wort des HERRN prüfte ihn.“ Das Wort des HERRN hatte durch seine Träume seine zukünftige Herrlichkeit angezeigt, aber wie lange musste er darauf warten. In der Tat eine prüfende Erfahrung!

Könnten wir hier nicht eine Voraussage davon sehen, dass, obwohl das Leiden des Christus von seiner öffentlich zur Schau gestellten Herrlichkeit gefolgt werden soll, es eine Zwischenzeit gibt, in der er vor den Augen der Menschen verborgen ist: eine Periode, die charakterisiert ist als, „die Geduld des Christus“ (2. Thes 3,5). So war es in gewisser Weise mit Josef. Er blieb verborgen und vergessen im Gefängnis, und die Angelegenheiten Ägyptens gingen ohne ihn weiter.

Nun jedoch war seine Stunde gekommen. In großer Sorge, die Bedeutung seiner besonderen Träume zu erfahren, befahl der Pharao Josef, vor ihm zu erscheinen, und nachdem er sich vorbereitet hatte, tat Josef dies. Seine Antwort auf die Anfrage des Pharaos offenbart sein einfaches Vertrauen in Gott. Er bestritt jegliche Macht oder Weisheit in sich selbst, verkündete aber, dass der HERR eine Antwort des Friedens geben würde. Es ist ein Zeichen eines wahren Diener Gottes zu sagen: „Es ist nicht in mir.“ Den gleichen Geist sehen wir bei Paulus: „Nicht dass wir aus uns selbst tüchtig sind, etwas zu denken als aus uns selbst; sondern dass unsere Tüchtigkeit von Gott ist“ (2. Kor 3,5).

Pharao, als er seine Träume Joseph erzählte, fügte ein Detail hinzu, das in der früheren Erzählung weggelassen wurde. Nachdem sie die sieben fetten Rinder gefressen hatten, waren die sieben mageren genauso schlecht wie zuvor. Es ist leicht zu verstehen, wie dieses Merkmal zur Deutung passte, die Joseph dann gab. Die zwei Träume hatten nur eine Bedeutung, genau wie Josephs zwei Träume eine Bedeutung hatten.

Die Träume waren wieder prophetisch. Gott offenbarte, was Er im Begriff war, über das Land Ägypten zu bringen. Zunächst sieben Jahre großer Überfluss, aber diesen sollten sieben Jahre schweren Mangels und Hungers folgen, beides abhängig von den Wassern des Nils. Am Ende der sieben Jahre des Hungers würde all die Fülle der guten Jahre verschwunden sein. In der bildhaften Sprache des Traums würden die sieben mageren Rinder genauso sein, wie sie am Anfang waren. Darüber hinaus wurde der Traum dem Pharao doppelt gezeigt, damit er erkennen könnte, dass die Sache beschlossen war, ohne jede Hoffnung auf Widerruf, und der HERR würde sie bald geschehen lassen.

Joseph interpretierte nicht nur die Träume, sondern zeigte dem Pharao auch, was aufgrund dieser bevorstehenden Ereignisse getan werden sollte. Er betonte, dass man einen weisen Mann benötigte, dem die Ausführung dieser Aufgaben anvertraut werden konnte. Tatsächlich sprach Joseph im Namen des HERRN und machte deutlich, dass auf der menschlichen Seite in Anbetracht dieser Handlungen Gottes nur EIN MANN nötig war.

Als Herrscher über Menschen hatte der Pharao zweifellos ein Maß an Urteilsvermögen erworben und er erkannte sofort, dass in Josef der Mann für diese Notlage gefunden war. Tatsächlich war es der Geist Gottes, der durch Josef sprach und handelte, obwohl der Pharao, ein Götzendiener, nur an „den Geist der Götter“ dachte. Dennoch erkannte er sofort, dass hier übermenschliche Weisheit und Handlungsfähigkeit vorlag. In der Folge ernannte er Josef umgehend zum Verwalter von ganz Ägypten mit einer Autorität, die nur seiner eigenen nachstand.

Noch einmal, in Vers 42, erscheint Josephs Hand. Ihre Kraft und Geschicklichkeit waren im Haus Potiphars in den alltäglichen Angelegenheiten des Lebens und später, inmitten von Szenen der Erniedrigung im Gefängnis, offenbart worden. Nun wurde, inmitten des Glanzes des Palastes, der Ring von der Hand des Pharaos (zweifellos mit dem großen Siegel des Königreichs) auf die Hand von Joseph gelegt. Die Macht von praktisch autokratischer Natur war seine. Schritt für Schritt war er in das Tal der Erniedrigung hinabgestiegen. Jetzt hatte er mit einem gewaltigen Sprung Macht und Herrlichkeit erlangt. Die typische Natur all dessen ist sehr offensichtlich. In Philipper 2 haben wir die Abstiegsschritte unseres gesegneten Herrn, sogar bis zum Tod am Kreuz, detailliert beschrieben bekommen. Aber dies wird von einer gewaltigen Erhebung zur Herrlichkeit gefolgt, wo vor Ihm jedes Knie sich beugen muss.

So sehen wir in Vers 43 unseres Kapitels, dass Josef in feines Leinen gekleidet ist, mit einer goldenen Kette um seinen Hals, in der zweiten Streitwagen des Königreichs, und „Beugt das Knie!“ ist der Schrei, während er durch die Straßen fährt. Zudem wird ihm ein neuer Name gegeben. Es wird gesagt, dass Zaphnath-Paaneah Bedeutung hätte, ob es nun auf Hebräisch oder Ägyptisch gelesen würde. Im Ersteren würde es „Enthüller von Geheimnissen“ bedeuten, im Letzteren „Retter der Welt“. Wir können beides glücklich annehmen und in dieser doppelten Bedeutung einen weiteren Typus des Einen sehen, den wir anbeten. In Ihm haben sowohl Offenbarung als auch Erlösung ihren Höhepunkt und ihre vollständige Verwirklichung erreicht, zu unserem ewigen Segen.

Dann wieder war es, während Josef so von seinen Brüdern getrennt und unter den Heiden erhoben war, dass ihm eine Braut gegeben wurde, und sie war von heidnischem Stamm. Zwei Söhne wurden ihm geboren, bevor die Jahre der Hungersnot kamen, und während er damit beschäftigt war, die Erträge der sieben Jahre des Überflusses zu sammeln und zu speichern. Die Namen der Söhne sind bedeutungsvoll. Manasse bedeutet „Vergessen“, und Ephraim bedeutet „Fruchtbar“. Der Name des Älteren war negativ in seiner Bedeutung, denn er erinnerte an die Tatsache, dass er von all seinen alten Familienbindungen, sowie von der Arbeit und dem Leid seiner frühen Jahre getrennt worden war. Der Name des Jüngeren hatte eine eher positive Bedeutung, er erinnerte an die Fruchtbarkeit, die aus seinen früheren Leiden erwachsen war.

Und so war es bei unserem Herrn Jesus, nur auf viel größere und eindrucksvollere Weise. Seine Leiden endeten nicht vor dem Tod selbst, und aus Seinem Tod entspringt ewige Fruchtbarkeit, wie die Worte des HERRN in Johannes 12,24 verkünden. Darüber hinaus wird diese Fruchtbarkeit derzeit hauptsächlich unter den Heiden hervorgebracht, während seine Bindungen zu Israel als Nation gebrochen sind. In unserem Kapitel sehen wir eine vorbildliche Vorhersage dieser zweifachen großen Entwicklung. In Jesaja 49 wird sie prophetisch angekündigt. Es wurde erklärt, dass, selbst wenn Israel nicht versammelt würde, der Knecht des HERRN in den Augen des HERRN herrlich sein würde, da das Aufrichten der Stämme Jakobs eine leichte Sache war, und Er sollte ein Licht für die Heiden sein und Gottes Erlösung bis an die Enden der Erde. Die historische Erfüllung von Vorbild und Prophezeiung finden wir in den Apostelgeschichte.

Die abschließenden Verse von 1. Mose 41 dokumentieren die vollständige Erfüllung des Traums des Pharaos. Die daraus resultierende Hungersnot war von außergewöhnlicher Schwere und erstreckte sich über die bewohnbare Erde. Als die Menschen den Pharao um Hilfe anriefen, war seine Antwort einfach: „Geht zu Josef; was er euch sagt, tut.“ Wir werden sofort an die Worte erinnert, die von der Mutter unseres Herrn anlässlich seines ersten Wunders gesprochen wurden: „Was immer Er euch sagt, tut es“ (Joh 2,5). Ruft ein von Gewissen geplagter Sünder heute nach Rettung? Die Antwort in drei Worten lautet: „Geht zu Jesus.“ Alle Gnade und Güte des HERRN fließt durch Ihn.

Die Szene ändert sich, als wir beginnen, 1. Mose 42 zu lesen, und wir werden zurück nach Kanaan geführt, zu Jakob und zu Josephs Brüdern. Er war nun hoch erhöht unter den Heiden und wirkte als Retter der Welt, aber seine Brüder benötigten seine Großzügigkeit genauso sehr wie die anderen. Sie hatten jedoch durch ihr eigenes böses Handeln alle Verbindungen, die sie einst an ihn gebunden hatten, zerstört, und diese Verbindungen konnten nur durch strenge Maßnahmen, die sehr schmerzhaft waren, doch darauf abzielten, in ihnen eine echte Reue hervorzurufen, richtig wiederhergestellt werden. Die schreckliche Hungersnot, was auch immer sie sonst noch tun könnte, war dazu bestimmt, einen Beitrag zu leisten, um dieses wünschenswerte Ende herbeizuführen.

Alle seine Brüder außer Benjamin wurden von Jakob ausgesandt, um in Ägypten Korn zu kaufen, und so beginnen wir die Erfüllung von Josephs Träumen zu sehen. Joseph hieß der Landpfleger, und die Brüder neigten sich vor ihm nieder, mit ihren Gesichtern zur Erde. Sie erkannten ihn nicht, obwohl er sie erkannte, und begann sofort, mit ihnen so zu verfahren, dass er sie prüfte und ihr Gewissen weckte. Er beschuldigte sie, Spione zu sein, und entlockte ihnen die Familieninformationen, die er wollte, einschließlich der Erwähnung von Benjamin und von sich selbst; denn er war derjenige, der „nicht ist“. Wie haben sie sich da geirrt! Sie werden bald entdecken, dass Joseph „IST“ und dass ihr Leben in seiner Hand liegt. Die sorglose Welt von heute handelt so, als ob Christus nicht ist. Sie müssen noch lernen, dass er der Herr ihres Lebens ist, denn er ist das große „ICH BIN“.

Die Männer sprachen jedoch die Wahrheit, soweit sie es wussten, und ihr Geständnis bot eine gute Gelegenheit, sie auf die Probe zu stellen. Benjamin war ein Sohn von Rahel, wie auch Joseph selbst, und daher besonders geliebt von Jakob. Er würde verlangen, dass Benjamin von der Seite seines Vaters genommen wird und bis er vorgebracht wird, sollte einer von ihnen als Geisel gehalten werden. Wie würden die Brüder darauf reagieren?

Der Punkt dieser Situation traf die Brüder ins Herz. Sie hatten ihrem Vater Josef geraubt, und nun sollte er auch noch des jüngeren Sohnes beraubt werden, auf den sich seine Zuneigung ganz besonders richtete. Es stach ihr Gewissen an und bewegte es zur Aktion, wie wir in den Versen 21 und 22 sehen, und das war ihr erster Schritt in die richtige Richtung. Darüber hinaus war es die erste Anzeige für Josef von einer Veränderung, die in ihnen vor sich ging. Er hatte grob zu ihnen gesprochen, wie sie es tatsächlich verdienten, und er verstand ihre Sprache, obwohl sie den ägyptischen Dialekt, in dem er sprach, nicht kannten.

Die Wirkung dieses ersten Zeichens der Buße auf Josef war sehr beeindruckend und schön. Er drehte sich von ihnen weg und weinte. Es waren offensichtlich Tränen der Dankbarkeit. Wie wir sehen werden, bevor wir die Geschichte von Josef beenden, wird nicht weniger als sieben Mal festgehalten, dass er weinte. Nicht einmal wird erwähnt, dass er für seine eigenen Sorgen in den Tagen seiner Bedrängnis weinte. Jedes Auftreten war in den Tagen seiner Herrlichkeit und war ein Ausdruck seiner Liebe und seines Interesses für andere.

Seine Tränen waren nicht nur sentimental, wie Vers 24 zeigt. Er ließ nicht zu, dass seine tiefen Gefühle seine weitere Handlung hinderten, immer noch von strenger Natur, denn er ließ Simeon vor ihren Augen als Gefangenen binden. Die Arbeit des Gewissens, die zur Buße führt, hatte gerade erst begonnen und diese Arbeit musste stark vertieft werden. So geht der HERR mit uns um. Er lässt seine Hand der Züchtigung schwer auf uns liegen, bis die Arbeit zu Ende gebracht ist. Danach wird der Segen erreicht.

Wir glauben daher, dass wir von Joseph als dem Mann der mächtigen Hand und des zärtlichen Herzens sprechen können. Die Macht seiner Hand wird im früheren Teil seiner Geschichte betont: die Zärtlichkeit seines Herzens im späteren Teil. Aber in beidem ist er ein passendes Vorbild für den Herrn Jesus, bei dem Kraft und Gnade perfekt vereint sind, wenn auch nicht in genau derselben Reihenfolge ausgedrückt. Seine Gnade kam vollständig bei Seinem ersten Kommen zur Geltung und von dieser Gnade haben wir überreichlich empfangen. Auf Sein zweites Kommen müssen wir warten, um die volle Ausstellung Seiner Kraft zu erleben.

« Vorheriges Kapitel