Der Prophet Daniel und seine Botschaft
alter Titel: Notizen zum Buch Daniel

Kapitel 11 - Göttliche Geschichtsschreibung

Der Prophet Daniel und seine Botschaft

Kapitel 11 enthält auf den ersten Blick sehr viele historische Details, die uns vielleicht weniger wichtig erscheinen. Bei der näheren Beschäftigung damit werden wir allerdings erneut staunen, wie gewaltig und einzigartig das Wort Gottes ist.

Zwei große Teile

Zunächst ist es wichtig zu sehen, dass sich dieses Kapitel in zwei große Teile teilt, die miteinander in Verbindung stehen. Die Verse 1–35 bilden den ersten Teil, die Verse 36–45 den zweiten Teil. Aus Sicht Daniels waren alle Aussagen des Engels zukünftig. Nichts von dem, was er hörte, hatte sich bereits erfüllt. Aus unserer Perspektive ist das anders. Die ersten 35 Verse sind für uns Geschichte. Alles, was wir ab Vers 36 lesen, ist hingegen auch für uns noch zukünftig. Dabei ist es wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen, dass die Zeit, in der wir heute leben, mit keinem Wort erwähnt wird. Sie liegt zwischen den Versen 35 und 36, spielt allerdings in diesem Abriss der Ereignisse überhaupt keine Rolle. Es geht um die Geschichte der Juden als Spielball der Nationen und besonders unter dem Druck der sie bedrängenden Mächte im Norden und im Süden.

Die ersten 35 Verse geben einen Überblick über die Zeit von Kores bis zu Antiochus IV. Epiphanes. Insgesamt soll es in diesen Versen weit über hundert erfüllte Weissagungen geben. Insbesondere geht es um die Könige des Nordens (Syrien) und die Könige des Südens (Ägypten). Palästina lag genau in der Mitte zwischen diesen beiden Großmächten und war von ihren ständigen Konflikten häufig betroffen. Ab Vers 36 werden wir mit in die Endzeit genommen und lernen vor allem einen der Protagonisten kennen, nämlich den falschen König der Juden, den Antichrist.

Man mag sich die Frage stellen, warum Gott diesen Teil der Geschichte so ausführlich beschreibt. Darauf gibt es mindestens zwei Antworten:

  1. Weil es die Juden und ihr Land betrifft. Obwohl sie nicht mehr das anerkannte Volk Gottes sind (Gott nennt sie „das Volk Daniels“), hat Gottes Auge doch immer auf dieses Volk gesehen, denn einmal kommt der Zeitpunkt, wo Er es wieder als „sein Volk“ anerkennt, annimmt und segnet. Das Land, in dem sie leben, ist und bleibt für Gott „das Land der Zierde“.
  2. Die beiden Mächte im Norden und im Süden Palästinas werden in der kommenden Geschichte des Volkes der Juden erneut eine große Rolle spielen. H. Smith schreibt: „Im Laufe der Mitteilungen werden wir viele Ereignisse finden, die damals vorausgesagt wurden und die heute bereits erfüllt sind. Ihre Bedeutung liegt jedoch in ihrer Verbindung mit der Zukunft und in der Art und Weise, in der sie hinführen zu der Offenbarung des Antichrists und der großen Drangsal der letzten Tage.“1

Wie Gott Geschichte schreibt

Die ersten Verse gleichen einer göttlichen Geschichtsschreibung, und zwar nicht im Rückblick, sondern – aus der Perspektive Daniels – im Vorausblick. Nun ist jedem Leser hoffentlich klar, dass Gott Geschichte im Voraus schreiben kann. Für Ihn ist alles gegenwärtig, weil Er nicht an den Faktor „Zeit“ gebunden ist. Wir lernen, dass Gott nicht nur die Geschichte der Menschen lenkt, sondern sie im Voraus sagen kann. Und mehr noch: Gott hat mit der Geschichte der Menschen ein Ziel. Nichts läuft ohne Plan. Das gilt für die „rückwärtige“ Geschichte ebenso wie für das, was vor uns liegt. Was Gott beschließt, geschieht (Jes 14,26).

Wenn wir nur die „Geschichte“ betrachten, stellen sich manche Fragen. Wir könnten uns z. B. fragen, warum das Volk der Juden so viel leiden musste. Manches scheint uns sehr schnell, unübersichtlich und verwirrend abzulaufen. Doch es ist nicht so. Daniel sieht hier wie in einem Zeitraffer Ereignisse in der Zukunft. Gott lässt ihn genau das sehen, was Ihm wichtig ist und was Bezug hat zu seinem irdischen Volk. Und in allem behält Er die Übersicht. Er ist der souveräne Gott. Die Entscheidungen über das Geschick dieser Erde fallen im Himmel. Das heißt im Umkehrschluss nicht, dass die Menschen Marionetten sind. Die genannten Könige in Kapitel 11 waren – im gewissen Sinn – freie Akteure. Jedenfalls tragen sie die volle Verantwortung für ihr Tun und Lassen.

Anlass zur Kritik

Die hohe Präzision der Voraussagen und ihrer Erfüllung ist unübersehbar und hat deshalb viele Kritiker auf den Plan gerufen. Es lässt sich nicht leugnen, dass die ersten 35 Verse in vielen Details durch die säkulare Geschichtsschreibung bestätigt werden. Man mag über das eine oder andere Detail unterschiedlicher Auffassung sein, doch generell kann niemand ernsthaft daran zweifeln, dass hier ein Teil der Geschichte abgebildet wird. Was die Kritiker auf den Plan ruft, ist nicht die Tatsache, dass diese Verse „fehlerhaft“ wären, sondern vielmehr die Tatsache, dass sie aufgeschrieben worden sind, bevor sie sich erfüllt haben. Bibelkritische Leute können – und wollen – sich nicht vorstellen, dass man die Geschichte mit einer solchen Präzision voraussagen kann.

Einer der größten Angriffe auf diesen Teil des Buches Daniel erfolgte im 3. Jahrhundert n. Chr. durch den Philosophen Porphyrios2 (gest. 304 n. Chr.), der insgesamt 15 Bücher „Gegen die Christen“ schrieb und sich darin u. a. kritisch zu Daniel 11 äußert. Er behauptet, dass diese Verse nicht von dem historischen Daniel, sondern von einem Juden aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. stammen. Für ihn sind diese Verse ein Rückblick auf die Geschichte und keine Vorausschau. Die Aussagen ab Vers 36 sind seiner Meinung nach pure Phantasie. Leider stimmen einige Theologen aus der Zeit der Aufklärung und bis heute diesem bibelkritischen Atheisten zu.

Für jeden, der die Inspiration und Autorität des Wortes Gottes anerkennt, bereiten diese Verse keine Mühe. So präzise, wie Gott die Zeit der Könige des Nordens und Südens im Voraus beschreibt, so präzise beschreibt Er ab Vers 36 die Endzeit im Voraus. Die erfüllten Weissagungen der ersten 35 Verse sind für uns nur eine Bestätigung, dass sich die Verse 36–45 ebenso erfüllen werden.

Gliederung und Vorgehensweise

Die beiden großen Teile des Kapitels wurden bereits angedeutet.

Teil 1: von Kores bis Antiochus IV. Epiphanes (Verse 1–35). Diese Zeit umspannt eine Periode von insgesamt fast 373 Jahren (von Kores bis Antiochus IV. Epiphanes (536–163 v. Chr.)

  1. Vers 1: Ein Rückblick
  2. Verse 2–4: Die Könige von Persien und Griechenland
  3. Verse 5–20: Der Konflikt zwischen Ägypten und Syrien (Ptolemäern und Seleukiden)
  4. Verse 21–35: Antiochus IV. Epiphanes

Teil 2: Szenen der Endzeit (Verse 36–45). Die Weissagung über den eigenwilligen König der Juden (den Antichrist) und der Angriff aus dem Norden

  1. Verse 36–39: die Herrschaft des Antichrists, des abgefallenen Juden, in der Mitte der abgefallenen Juden
  2. Verse 40–45: Der Feind aus dem Norden, der in den letzten Tagen während der Herrschaft des Antichrists das Land überfluten wird.

Anders als vorher in dieser Auslegung wollen wir dieses Vers für Vers besehen. Das erleichtert das Verständnis. Dabei bleiben wir – speziell im ersten Teil – bei einem gewissen Überblick, um uns nicht in Einzelheiten der Geschichte zu verlieren.3

Vers 1: Ein Rückblick

Vers 1 gehört eindeutig zu Kapitel 104 und wirft einen Blick zurück auf das erste Regierungsjahr von Darius in Babel.5 Es ist offensichtlich der Engel aus Kapitel 10,21, der hier spricht. Er stand „ihm“ bei als Helfer und Schutz. Die Frage ist, wem diese Hilfe und dieser Schutz gewährt wurden. Einige Ausleger beziehen das auf Michael. Das würde bedeuten, dass es in der Engelwelt eine Art „gegenseitiger Hilfe“ gibt. Dagegen könnte man einwenden, dass Michael als „der Erzengel“ nicht auf Hilfe eines anderen, im Rang unter ihm stehenden Engels angewiesen sein kann.

Deshalb gehen andere Ausleger davon aus, dass Darius derjenige ist, dem hier geholfen wird. Wenn man dieser Erklärung (die sprachlich allerdings etwas schwierig erscheint) folgt, dann lernen wir hier etwas über das Ereignis der Löwengrube, das in Kapitel 6 nicht erwähnt wird. Als Daniel in der Löwengrube war, hatte ein Engel Gottes den Rachen der wilden Tiere verschlossen und ihn bewahrt. Hier erkennen wir – dieser Erklärung folgend –, dass Engel Darius ebenso geholfen haben. Wenn dem so ist, sehen wir erneut das Wirken unsichtbarer Mächte – hier zur Hilfe eines heidnischen Herrschers und damit zur Rettung Daniels. Auf diese Weise verstehen wir besser, warum Darius Daniel so freundlich gesonnen war. Im Hintergrund waren Mächte wirksam, von denen weder Daniel noch Darius etwas ahnten. Daniel 6 zeigt mehr die äußere Seite, während hier mehr die innere Seite vorgestellt wird.

Wenn wir an uns denken, erkennen wir nur die „äußere Seite“. Der Blick „hinter die Kulissen“ ist uns nicht möglich. Dennoch werden wir sicher einmal staunen, wie die „Diener Gottes“ in unserem Leben manches zu unserer Bewahrung beeinflusst haben, von dem wir hier auf der Erde keine Ahnung hatten.

Verse 2–4: Die Könige von Persien und Griechenland

Die persische Herrschaft (Vers 2)

Dieser Engel – es spricht einiges dafür, dass es Gabriel war – würde nichts anderes als die Wahrheit reden. Am Ende von Kapitel 10 hatten wir den Ausdruck „Buch der Wahrheit“ gefunden. Was Daniel hier mitgeteilt wird, hat nichts mit menschlicher Spekulation zu tun. Es geht vielmehr um Fakten. Für Gott ist es eine Kleinigkeit, die Zukunft so zu beschreiben, wie wir nur die Geschichte beschreiben können. Gott ist ein „Gott des Wissens“. Wenn Er etwas offenbart, ist es immer wahr. Das gilt für Aussagen über die Zukunft ebenso wie für die biblische Lehre und jedes andere Thema, über das Gott uns etwas mitteilt.

Das Babylonische Reich war bereits zu einem Ende gekommen. Aktuell regierte der Perserkönig Kores. Die erwähnten vier Könige würden ihm folgen, d. h. Kores kommt hier nicht in Betracht. Es ist nicht schwierig, diese vier Könige historisch zu identifizieren. Sie werden in der Bibel und in der säkularen Geschichte erwähnt. Die ersten drei finden wir im Buch Esra wieder, den letzten im Buch Esther. Es sind:

  1. Kambyses (530–522 v. Chr.): Er wird in Esra 4,6 Ahasveros genannt und war der Sohn von Kores.
  2. Gaumata (oder Smerdis, der Magier) (522–521 v. Chr.): Er wird in den Kapiteln 4 bis 8 des Buches Esra mehrfach erwähnt und heißt dort Artasasta. Er regierte nur wenige Monate.
  3. Darius I. Hystaspes (521–486 v. Chr.): Er wird in Esra 4,5.24 Darius genannt und ist nicht mit „Darius, dem Meder“, zu verwechseln, der in Vers 1 unseres Kapitels genannt wird und zeitgleich mit Kores regierte. Er ist in der säkularen Geschichte durch die Schlacht bei Marathon (490 v. Chr.) bekannt, bei der er gegen die Griechen eine Niederlage erlitt.
  4. Xerxes I. (486–465 v. Chr.): Er wird in Esther 1,1 Ahasveros genannt und spielte in der Geschichte der Juden eine nicht unerhebliche Rolle.

Xerxes I. erwarb tatsächlich einen sehr großen Reichtum, mehr als alle seine Vorgänger. In seiner Regierungszeit wurde das Perserreich noch stärker, mächtiger und wohlhabender. Xerxes I. war es, der seine Macht im Norden weiter ausbauen wollte. Sein Vater hatte bereits – allerdings vergeblich – versucht, Griechenland zu erobern. Nachdem Xerxes I. bereits mehrere Kriege gegen Griechenland geführt hatte, unternahm er einen weiteren Versuch und mobilisierte eine große Armee aus fast allen Ländern des damals bekannten Asiens. Allein die Mobilmachung seiner Truppen soll etwa vier Jahre gedauert haben. In der bekannten Seeschlacht von Salamis (480 v. Chr.) im Golf von Piräus wurde er jedoch besiegt.6 Die Verluste waren enorm. Viele Menschen starben und ein großer Teil seines Reichtums ging verloren.7 Eine weitere Schlacht bei Eurymedon (470 v. Chr.) ging ebenfalls verloren. Im Jahr 450 v. Chr. mussten seine Nachfolger sich sogar auf einen Friedensvertrag mit Griechenland einlassen.

Mit Xerxes I. erreichten die Perserkönige einerseits den Höhepunkt ihrer Macht, andererseits wurde mit ihm gleichzeitig der Niedergang eingeleitet. Ihm folgten noch eine Reihe von Königen, die hier nicht erwähnt werden. Das macht der nächste Vers klar.

Das griechische Weltreich (Verse 3–4): Alexander der Große und seine Nachfolger

Die biblische Berichterstattung springt jetzt 150 Jahre weiter.8 Der tapfere König, der aufstehen und mit großer Macht herrschen würde, war Alexander der Große (336–323 v. Chr.), der das Perserreich besiegte und die Weltherrschaft übernahm. Wir haben ihn in Daniel 8,6–8 im Bild des Widders mit dem ansehnlichen Horn gesehen (siehe die Anmerkungen dort).9

Die Griechen hatten – wie bereits gesagt – 150 Jahre vorher wichtige Siege über die Perser errungen. Doch gerade diese Auseinandersetzungen hatten bei ihnen tiefe Wunden hinterlassen. Deshalb hatte Alexander sich vorgenommen, sich an den Persern zu rächen. Dies gelang ihm tatsächlich, und so ging die Weltherrschaft der Perser relativ schnell zu Ende.

Es wird hier nicht viel über Alexander gesagt. Er wird erstens aufstehen, d. h. an die Macht kommen. Er wird zweitens mit großer Macht herrschen. Das war in der Tat so. Seine Herrschaft konzentrierte sich im Wesentlichen auf seine ausgedehnten Eroberungszüge. Er wird drittens nach seinem Gutdünken handeln. Diesem Regenten blieb – in seinem allerdings sehr kurzen Leben – kaum etwas verwehrt. Was er haben wollte, bekam er. Niemand konnte sich ihm widersetzen.

Die Herrschaft Alexanders – obwohl nur kurz – hatte wichtige Folgen. Zum einen wurde die griechische Sprache immer populärer. Das Alte Testament wurde um 200 v. Chr. in die griechische Sprache übersetzt (die sog. Septuaginta), und das Neue Testament wurde komplett in Griechisch geschrieben. Außerdem breitete sich die hellenistische Kultur, Philosophie, Kunst und Literatur mehr und mehr aus. Wirtschaftlich begann der Austausch zwischen Asien, Europa und Afrika.

Die Regierungszeit Alexanders war kurz. Um 323 v. Chr. starb er als junger Mann. Der Ausdruck „sobald er aufgestanden ist“ kann auch bedeuten „während er stark wurde“. Auf dem Weg nach oben wurde er plötzlich von Gott gestoppt. Danach wurde sein Reich zertrümmert und aufgeteilt. Er hatte zwar einen Sohn mit Namen Herkules. Ein weiterer Sohn war gezeugt und wurde kurz nach seinem Tod geboren. Beide wurden jedoch Opfer von Mordanschlägen. Herkules wurde – gemeinsam mit seiner Mutter – von einem der Generäle Alexanders (Kassander) ermordet, und zwar kurz bevor er mündig wurde. So konnte das Reich nicht für seine Nachkommen sein. Es war unter „Ausschluss von jenen“.

Die Generäle (einer davon wiederum Kassander) teilten das Erbe Alexanders nach erbitterten Kämpfen unter sich auf. So wurde das Reich geteilt und nach den vier Winden des Reiches hin zerteilt. Das sind die vier Diadochenreiche, die in Kapitel 7 im Bild der vier Köpfe und in Kapitel 8 im Bild der vier Hörner bereits Gegenstand der Auslegung waren (siehe die Anmerkungen dort). Diese Reiche waren mächtig, doch keiner von seinen Nachfolgern reichte an die Macht Alexanders heran.

Verse 5–20: Konflikte zwischen den Seleukiden und Ptolemäern (Syrern und Ägyptern)

Exkurs 1: Die Könige des Nordens und des Südens

Ab Vers 5 geht es nun konkret um zwei dieser vier Reiche, nämlich um die Länder Ägypten10 (König des Südens) und Syrien (König des Nordens). Um die Übersicht zu behalten, sei zunächst darauf hinwiesen, dass die ägyptischen Herrscher sich nach General Ptolemäus benannten. Das Volk nennt man demzufolge „Ptolemäer“. Die syrischen Herrscher nannten sich nach General Seleukus (oder Antiochus11). Das Volk nennt man demzufolge die „Seleukiden“.

Hier zunächst eine Übersicht über die Könige der Ptolemäer (Ägypter) und der Seleukiden (Syrer) in der Zeit nach Alexander dem Großen bis zur Zeit der Makkabäer: 12

Ägypten (Könige des Südens)

  • Ptolemäus I. Soter (323–285 v. Chr.)
  • Ptolemäus II. Philadelphus (285–246 v. Chr.)
  • Ptolemäus III. Euergetes (246–221 v. Chr.)
  • Ptolemäus IV. Philopator (221–204 v. Chr.)
  • Ptolemäus V. Epiphanes (204–181 v. Chr.)
  • Ptolemäus VI. Philometor (181–145 v. Chr.)
  • Ptolemäus VII. (145–134 v. Chr.)13
  • Ptolemäus VIII. Euergetes II. (170–116 v. Chr.)14

Syrien (Könige des Nordens)

  • Seleukus I. Nikator (312–281 v. Chr.)
  • Antiochus I. Soter (281–262 v. Chr.)15
  • Antiochus II. Theos (262–246 v. Chr.)
  • Seleukus II. Kallinikus (246–226 v. Chr.)
  • Seleukus III. Soter (226–223 v. Chr.)
  • Antiochus III. der Große (223–187 v. Chr.)
  • Seleukus IV. Philopator (187–175 v. Chr.)
  • Antiochus IV. Epiphanes (175–163 v. Chr.)

Diese beiden Mächte spielten in der Geschichte der Juden eine große Rolle und werden es in der Zukunft wieder tun. Dass sie hier als „Könige des Nordens“ und „Könige des Südens“ bezeichnet werden, liegt daran, dass Gott die Länder nach seinem Volk Israel misst: „Als der Höchste den Nationen das Erbe austeilte, als er voneinander schied die Menschenkinder, da stellte er die Grenzen der Völker fest nach der Zahl der Kinder Israel“ (5. Mo 32,8). Syrien liegt im Norden Israels und Ägypten im Süden. Palästina lag genau zwischen diesen beiden Mächten und wurde immer wieder wie ein Spielball hin- und hergeworfen. Für die Juden war das mit großem Leid verbunden. Das wird in Kapitel 10,1 mit dem Ausdruck „große Mühsal“ angedeutet, obwohl sich das besonders auf die letzte Zeit (Drangsal) bezieht – jedoch nicht ausschließlich.

Die Soldaten durchziehender Armeen sind nie zimperlich gewesen und zogen oft raubend und plündernd durch das Land. Das erlebten die Juden hautnah. Es bewahrheitete sich, was durch Hesekiel gesagt worden war: „Und so wurden sie zerstreut, weil sie ohne Hirten waren; und sie wurden allen Tieren des Feldes zum Fraß und wurden zerstreut. Meine Schafe irren umher auf allen Bergen und auf jedem hohen Hügel; und über das ganze Land hin sind meine Schafe zerstreut worden, und da ist niemand, der nach ihnen fragt, und niemand, der sie sucht“ (Hes 34,5.6).

Politisch befand sich Palästina zunächst im Herrschaftsbereich der Ptolemäer (Ägypten), und zwar von 312 bis 198 v. Chr. Danach übernahmen die Seleukiden (Syrien) die Herrschaft, und zwar unter Antiochus III. dem Großen. 164 v. Chr. gelang es den Juden im Aufstand der Makkabäer, sich für kurze Zeit von dem Joch der Syrer zu befreien. Später übernahmen wieder die Syrer und dann die Römer die Regie, und ab 64 v. Chr. war Palästina (Judäa) eine römische Provinz.

In der säkularen Geschichtsschreibung werden die Auseinandersetzungen zwischen Ptolemäern und Seleukiden in dieser Zeit als „syrische Kriege“ bezeichnet. Neben Machtstreben und Besitz ging es dabei interessanterweise besonders um die heutigen Staaten Syrien, Libanon, Jordanien und die palästinensischen Autonomiegebiete. Insgesamt zählt man in dieser Zeit sechs syrische Kriege, die wir zum Teil in Daniel 11 wiederfinden.

  • Erster Krieg (274–271 v. Chr.)
  • Zweiter Krieg (260–253 v. Chr.)
  • Dritter Krieg (246–241 v. Chr.)
  • Vierter Krieg (219–217 v. Chr.)
  • Fünfter Krieg (202–195 v. Chr.)
  • Sechster Krieg (169–168 v. Chr.)

Obwohl es am Ende so aussah, als ob die Seleukiden (Syrer) den entscheidenden Sieg errungen hätten und die Herrschaft nicht nur über Palästina, sondern sogar über Ägypten erlangt hätten, waren es die Römer, die diesen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Syrern und Ägyptern ein Ende machten. Ab dann stand Ägypten faktisch unter römischer Protektion und konnte keine eigenen Kriege mehr führen.

Ptolemäus I. Soter und Seleukus I. Nikator (Vers 5)

In Vers 5 werden die beiden ersten Protagonisten der zwei Mächte vorgestellt:

  1. Der König des Südens war Ptolemäus I. Soter (323–285 v. Chr.). Soter bedeutet „der Retter“. Er war einer von den Obersten Alexanders und als äußerst fähiger Mann bekannt. Im Jahr 323 v. Chr. wurde er Herrscher über Ägypten und begründete die ptolemäische Dynastie. Relativ zu Beginn seiner Regierungszeit (um 320 v. Chr.) kam Palästina in seinen Machtbereich.
  2. Der zweite König, der stärker war als Ptolemäus I. Soter, war ebenfalls ein General Alexanders. Es handelt sich um Oberst Seleukus I. Nikator (312–281 v. Chr.). Nikator bedeutet „der Sieger“. 321 v. Chr. kam er in Babel an die Macht und begründete die Dynastie der Seleukiden. Sein Reich wird als das größte der Diadochenreiche angesehen.

316 v. Chr. wurde Seleukus I. Nikator von einem anderen ehemaligen General Alexanders angegriffen. Er suchte und fand Hilfe bei Ptolemäus I. Soter. Nach dem Sieg über die Angreifer kehrte er gestärkt nach Babel zurück und herrschte in Folge über Babylonien, Medien und Syrien. Später erstreckte sich sein Reich bis an die Grenzen Indiens. Ab ca. 305 v. Chr. nannte er sich „König“. Sein Herrschaftsgebiet war deutlich größer als das von Ptolemäus I. Soter. Genau das wird im zweiten Teil von Vers 5 ausgesagt. Die Tatsache, dass der König des Nordens zunächst stärker war und ein größeres Reich hatte, legte den Grundstand für die lange Rivalität beider Reiche.

Ptolemäus II. und Antiochus II. Theos: Ein erstes Bündnis (Vers 6a)

In Vers 6a ist nicht mehr die Rede von den beiden Königen aus Vers 5, sondern von deren Nachkommen. Wir machen hier einen erneuten Sprung von einigen Jahrzehnten. Deshalb sagt der Text: „... nach Verlauf von Jahren“.

  • Im Jahr 285 v. Chr. starb Ptolemäus I. Soter. Sein Sohn war Ptolemäus II. Philadelphus. Er regierte bis 246 v. Chr. Er ließ in Alexandria eine der größten Bibliotheken des Altertums errichten. Sie umfasste später ca. 700.000 Buchrollen und ist im Jahr 46 v. Chr. abgebrannt. In seiner Regierungszeit begannen Juden aus Israel auf der vor Alexandria gelegenen Insel Pharos mit der griechischen Übersetzung des Alten Testaments (der sog. Septuaginta).
  • In Syrien starb 281 v. Chr. Seleukus I. Nikator. Er wurde ermordet. Sein Sohn Antiochus I. Soter übernahm den Thron (er wird in der Bibel nicht erwähnt). Im Jahr 262 v. Chr. wurde sein Enkel Antiochus II. Theos („der Göttliche“) König und regierte bis 246 v. Chr.

Diese beiden Könige waren zunächst erbitterte Feinde, die einander bekämpften. Um 252 v. Chr. verbündeten sie sich allerdings. Ihr Bündnis wurde durch die Heirat von Berenike – Tochter von Ptolemäus II. mit Antiochus II. – besiegelt. So kam die Tochter des Königs des Südens zum König des Nordens. Antiochus II. war allerdings bereits mit einer Frau namens Laodike16 verheiratet, und sie hatten einen gemeinsamen Sohn und designierten Thronfolger, nämlich Seleukus II. Kallinikus. Bevor Antiochus II. Berenike heiratete, ließ er sich von Laodike scheiden. Die Trennung war scheinbar ein Teil des Abkommens. Sie zog daraufhin von Syrien nach Kleinasien.

Der dritte syrische Krieg (Vers 6b)

Das Abkommen endete jedoch in einem Desaster und erfüllte seinen Zweck nicht. Im Gegenteil, diese Heirat legte den Grundstein zu noch tieferem Hass zwischen beiden Parteien. Antiochus II. kehrte zu Laodike zurück. Diese nahm jedoch tödliche Rache an ihrem Mann und ließ ihn vergiften. Er und sein Arm (d. h. seine politische Kraft) hatten keinen Bestand. Doch Berenike konnte die Kraft ihres Armes ebenfalls nicht behalten.17 Sie musste fliehen und versuchte, Hilfe bei ihrem Bruder in Ägypten zu bekommen. Das war der ägyptische König Ptolemäus III., der inzwischen dort regierte. Es folgte ein Krieg, der als dritter syrischer Krieg (Laodike-Krieg) in die Geschichtsbücher einging. Er dauerte von 246 bis 241 v. Chr. Laodike ließ im Zuge der Zwistigkeiten ebenfalls ihre Rivalin Berenike und deren Sohn töten. Thronfolger wurde im Jahr 246 v. Chr. ihr Sohn Seleukus II. Kallinikus, der erst 19 Jahr alt war.

In diesem Krieg standen sich also der Ägypter Ptolemäus III. und Seleukus II. gegenüber, der aber – wegen seines jungen Alters – von seiner Mutter Laodike unterstützt wurde, die die eigentliche Königin war. Sieger in diesem Konflikt waren die Ägypter. 241 v. Chr. wurden die Kampfhandlungen eingestellt. Es gab ein – für die Ägypter sehr vorteilhaftes – Friedensabkommen. Bis auf Weiteres waren sie nun mächtiger als die Syrer. Das Reich der Ptolemäer umfasste nun fast den gesamten östlichen Mittelmeerraum.18

Ptolemäus III. Euergetes und Seleukus II. (Verse 7–9)

Vers 7 spricht von Ptolemäus III. Euergetes („der, der Gutes tut“19). Er regierte von 246 bis 221 v. Chr. und übernahm die Herrschaft von seinem Vater Ptolemäus II. Er war nicht der Sohn, sondern ein Bruder von Berenike. Deshalb heißt es: „... einer von den Schösslingen [einer aus ihrer Familie] ihrer Wurzel [aus ihrer Dynastie]“.

Ptolemäus III. Euergetes wollte sich an dem König des Nordens wegen seiner Schwester Berenike rächen. Er mobilisierte deshalb ein großes Heer und besiegte Seleukus II. Kallinikus. Er eroberte die Festung Seleukia (siehe der Hinweis auf die Festungen in Vers 7) und ließ Laodike, die Königsmutter des Syrerkönigs, umbringen (siehe der Hinweis auf das Gutdünken in Vers 7).

Als Ptolemäus III. Euergetes nach Ägypten zurückkehrte, nahm er eine riesige Beute mit. An erster Stelle werden die gegossenen Götzenbilder genannt, ein Hinweis auf die totale Unterlegenheit des Königs des Nordens. Götter wegzunehmen war eine besondere Schande und zeigte Unterwerfung unter den Sieger an. Insgesamt sollen es etwa 2.500 Götzen und Götzengeräte gewesen sein. Daneben waren es zahlreiche Schätze wie Gold und Silber, die nach Ägypten mitgenommen wurden. Man spricht von 4.000 Talenten Gold und 40.000 Talenten Silber. Wie es üblich war, nahm der Sieger ebenfalls viele Gefangene mit, die zum Teil in Syrien in hoher Stellung waren. Ähnlich hatte es Nebukadnezar Jahrhunderte zuvor mit den Juden gemacht. Daniel war einer dieser Gefangenen. In Erinnerung an diesen Sieg wurde in Ägypten ein Denkmal aufgerichtet, das Monument „Marmor Adulitanum“. Danach gab es für eine kurze Zeit keine Zwistigkeiten zwischen beiden Parteien. Seleukus II. konnte allerdings das nördliche Syrien für sich behaupten.

Die Formulierung: „... er wird jahrelang standhalten vor dem König des Nordens“ kann einerseits Bezug auf Vers 9 nehmen, wo wir von einem Gegenangriff des Königs des Nordens lesen. Der Ausdruck kann ebenfalls bedeuten, dass der König des Südens seinerseits bis auf Weiteres davon abgesehen hat, den König des Nordens anzugreifen.

Vers 9 („und dieser“) spricht von dem König des Nordens, nämlich Seleukus II. Im Jahr 242 v. Chr. holte er zu einem Gegenschlag aus, blieb jedoch ohne Erfolg. Seine Flotte kam in einem Sturm um und der König des Nordens musste in sein Land zurückkehren. Die Ägypter behielten bis auf Weiteres ihre Vormachtstellung.

Seleukus III. Soter und Antiochus III. der Große (Vers 10)

Seleukus II. Kallinikus starb durch einen Sturz vom Pferd und seine beiden Söhne Seleukus III. Soter und Antiochus III. der Große folgten ihm nach. Seleukus III. regierte nur relativ kurz, nämlich von 226 bis 223 v. Chr. Er wurde während eines militärischen Feldzuges in Kleinasien Opfer einer Verschwörung und starb. Danach bestieg Antiochus III. der Große im Alter von 18 Jahren den Thron. Er regierte verhältnismäßig lange, nämlich bis zum Jahr 187 v. Chr. Beide ergriffen die Initiative und warben ein großes Söldnerheer an, um so gegen Ägypten erfolgreich sein zu können. Antiochus III. ist der „eine“, der kommen und überschwemmen und überfluten wird (der „andere“ war bereits gestorben).

In den Jahren 221–218 v. Chr. griff er Ägypten insgesamt dreimal an und drängte die Ägypter bis hinter die südlichen Grenzen Palästinas zurück. Deshalb heißt es, dass er „kommen“ und „wiederkommen“ wird. Zunächst war er ohne großen Erfolg, dann gelang es ihm jedoch, entscheidende Siege zu erringen. 219 v. Chr. durchbrach er die von den Ägyptern aufgebaute Verteidigungslinie und nahm Tyrus und Akko ein. „Seine Festung“ ist möglicherweise eine Festung bei Gaza im heutigen Westjordanland. Sein Gegner auf Seiten der Ägypter war Ptolemäus IV. Philopator, der von 221 bis 204 regierte.

Ptolemäus IV. Philopator und Antiochus III. der Große (Verse 11–13)

Der König des Südens in Vers 11 ist Ptolemäus IV. Philopator. Er würde sich erbittern und ausziehen und mit Antiochus III. kämpfen, um erneut die Oberhand zu gewinnen. An der Südgrenze Palästinas kam es ca. 217 v. Chr. zu einer Gegenüberstellung beider Heere. Man spricht von 70.000 Soldaten auf jeder Seite. Zunächst war Ptolemäus IV. erfolgreich und verhinderte einen weiteren Vormarsch der großen Heere der Syrer. Die Menge, d. h. die Söldnerheere von Antiochus III., wurden in die Hand von Ptolemäus IV. gegeben. Fast alle mussten ihr Leben lassen.

Die Menge in Vers 12 sind die Soldaten von Ptolemäus IV. Philopator. Er nutzte diesen Sieg jedoch nicht wirklich zum weiteren Ausbau seiner Macht und ließ Antiochus III. abziehen. Sein Herz erhob sich. Ptolemäus IV. Philopator galt als ein König, der ein lasterhaftes Leben führte. Das ist wohl der Grund, warum er nicht wirklich zu Macht kam, sondern stattdessen ein gewisses Friedensabkommen mit dem unterlegenen Syrerkönig schloss.

Ptolemäus IV. Philopator starb 204 v. Chr. unter mysteriösen Umständen. Sein Sohn Ptolemäus V. Epiphanes war noch ein Kind, als er Thronfolger wurde. Diese Situation wollte Antiochus III. zu seinem Vorteil nutzen, um einige Jahre später (manche nennen 16 Jahre, andere 14 Jahre), nach seiner Niederlage, einen weiteren Angriff gegen die Ägypter zu starten. Davon spricht Vers 13. Erneut mobilisierte er große Truppen. An seiner Seite kämpfte Philippus V., der König von Makedonien, der ebenfalls ein Feind Ägyptens war. Die Geschichtsschreiber sprechen von dem fünften syrischen Krieg, der von 202 bis 195 v. Chr. dauerte.

Vorher hatte Antiochus III. jedoch Eroberungszüge Richtung Osten unternommen, bei denen er ziemlich erfolgreich war und großen Reichtum und Macht erwarb. In den Jahren 212–204 v. Chr. erreichte er die Grenzen Indiens und bis ans Kaspische Meer.

Ptolemäus V. Epiphanes und Antiochus III. der Große (Verse 14–17)

Der König des Südens war zu diesem Zeitpunkt der noch junge Ptolemäus V. Epiphanes. Der Zeitpunkt für diesen neuen Angriff war geschickt gewählt, denn das Reich des Südens (Ägypten) war zur diesem Zeitpunkt durch innere Unruhen und Thronstreitigkeiten relativ schwach. In Israel, das zu diesem Zeitpunkt unter der Herrschaft von Ägypten stand, machte ein Teil der Juden einen Bund mit dem König des Nordens gegen die Herrschaft der Ägypter. Sie werden hier als „Gewalttätige deines Volkes“ (d. h. des Volkes Daniels) bezeichnet. Es waren offensichtlich solche Juden, die Recht und Gesetz missachteten. Andere übersetzen diesen Ausdruck mit „Abtrünnige“. Beides trifft zu. Es ist denkbar, dass sie die Hoffnung hegten, auf diese Weise ihre Unabhängigkeit zu erreichen – wenn es so war, dann war dies allerdings ein Trugschluss. Um 200 v. Chr. schlugen die Ägypter zurück, und Israel kam bis auf Weiteres wieder unter ihre Herrschaft.

Was der Ausdruck „um das Gesicht zu erfüllen“ in Vers 14 bedeutet, ist nicht ganz klar. Einige Ausleger vermuten, dass es sich möglicherweise auf die Weissagung über Antiochus VI. Epiphanes aus Daniel 8 bezieht, die letztlich historisch betrachtet eine Folge der Auseinandersetzungen zwischen Syrern und Ägyptern war.

Antiochus III. gab jedoch nicht auf. Davon spricht Vers 15. Um 198 v. Chr. gelang ihm ein erneuter Erfolg gegen die Ägypter in der Nähe der Jordanquelle. Der ägyptische General Skopas floh daraufhin nach Sidon – eine sehr befestigte Stadt. Antiochus III. verfolgte ihn dorthin, belagerte die Stadt und nahm sie ein. Der Versuch der Ägypter, ihrem Feldherrn Skopas zur Hilfe zu kommen, misslang. Es gelang Antiochus III., die ägyptische Armee in ihr Land zurückzutreiben. Das „auserlesene“ Volk wird sich auf die Ägypter beziehen, die unter ihren Führern Eropas, Menacles und Damoyenus versuchten, Skopas zu retten.

„Der, der gegen ihn gekommen ist“ (Vers 16) bezieht sich auf den König des Nordens, der gegen den König des Südens gekommen war. Antiochus III. unterwarf das Land der Zierde (das ist Israel, siehe Dan 8,9; 11,41; Hes 20,6.15) komplett. Damit endete die Herrschaft der Ägypter über Israel. Bis auf Weiteres stand das Land nun unter syrischer Herrschaft. Antiochus III. war den Juden zunächst relativ wohl gesonnen, weil sie ihm gegen den König des Südens geholfen hatten. Die erwähnte Vertilgung scheint sich auf die Ägypter zu beziehen.

Vers 17 führt uns in das Jahr um 194 v. Chr. Antiochus III. versuchte, durch eine Heirat noch mehr syrischen Einfluss über Ägypten auszuüben und über ganz Ägypten zu regieren.20 Er gab Ptolemäus V. Epiphanes seine Tochter Kleopatra zur Frau. Sie wird „Tochter der Frauen“ genannt, weil sie sehr jung war und unter der Aufsicht ihrer Mutter und Großmutter stand. Damit in Verbindung stand eine reiche Mitgift in Form einiger Länder. Doch der Plan ging nicht auf. Kleopatra ergriff nämlich gleich nach der Heirat Partei für Ägypten und für ihren Ehemann Ptolemäus V.

Antiochus III. und die Römer (Verse 18–19)

In Vers 18 ist wiederum Antiochus III. der Handelnde, der nach dem gescheiterten Friedensschluss mit Ägypten zunächst versuchte, andere Gebiete zu erobern. Bereits 197 v. Chr. hatte er Ziele in Kleinasien angegriffen. 192 v. Chr. attackierte er – zunächst mit gewissem Erfolg – Griechenland. Seine Schmähungen gegen diese Länder hatten jedoch bald ein Ende. Die wachsende römische Macht stellte sich ihm entgegen. Zum einen störten sich die Römer an den Expansionszielen der Syrer, zum anderen hatte Antiochus III. den Flüchtling Hannibal aufgenommen.

Der genannte Feldherr ist ein Römer mit Namen Lucius Scipio Asiaticus. Im Jahre 190 v. Chr. wurde Antiochus III. der Große in der Schlacht bei Magnesia (in der heutigen Türkei) besiegt. Etwa 30.000 Römer besiegten die über doppelt so großen Truppen der Syrer. Die Römer erlitten relativ geringe Verluste, während fast alle syrischen Soldaten ihr Leben ließen. Es waren erste Anzeichen für das Ende der Macht der Seleukiden und ein wichtiger Meilenstein für die aufstrebende Macht Roms. Antiochus III. musste erhebliche Reparationszahlungen leisten. Hinzu kam, dass er 20 Geiseln stellen musste, darunter einen seiner Söhne (der spätere Antiochus IV. Epiphanes). Das war das Ergebnis des sogenannten „Friedens von Apameia“ 188 v. Chr.

Um die Reparationsleistungen zahlen zu können, mussten die Könige von Syrien ihrem Volk hohe Steuern auferlegen. Gebrochen kehrte Antiochus III. in seine Heimat zurück. Sein Stolz und Hochmut hatten einen erheblichen Dämpfer bekommen.

Um seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen, raubte Antiochus III. einige befestigte Städte und Tempel seines eigenen Landes aus. 187 v. Chr. wurde er bei der Plünderung eines Tempels in Elymais erschlagen und fand so sein Ende.21 Das wütende Volk brachte ihn um. So fand dieser König, der sich „der Große“ nannte, ein unrühmliches Ende. Antiochus III. hatte in seinem Leben große Anstrengungen unternommen, das Weltreich Alexanders des Großen wieder zu vereinigen. Am Ende scheiterte er. Gottes Wort bewahrheitete sich wieder einmal: „Denn jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden“ (Lk 14,11), und: „Irrt euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten! Denn was irgend ein Mensch sät, das wird er auch ernten“ (Gal 6,7).

Seleukus IV. Philopator (Vers 20)

Der Nachfolger Antiochus III. des Großen war sein Sohn Seleukus IV. Philopator (187–175 v. Chr.). Er war bekannt dafür, dass er hohe Steuern erhob. Speziell bei den Juden war er deswegen unbeliebt. Er ließ seinen Schatzmeister und Kämmerer (der „Eintreiber der Abgaben“) mit Namen Heliodoros durch die Länder ziehen. Im Zuge dieser Maßnahmen kam er u. a. nach Jerusalem, um dort den Tempelschatz zu rauben. In 2. Makkabäer 3 wird darüber berichtet, wie dieser Plan zunächst misslang und der Raub vereitelt wurde.22

Nach gut zehn Jahren Regierungszeit wurde König Seleukus IV. Philopator von eben jenem Heliodoros – der bis zu diesem Zeitpunkt sein Vertrauter und Freund war – vergiftet. Heliodoros hoffte durch diesen Putsch selbst an die Macht zu kommen und König über Syrien zu werden. Es bewahrheitete sich, was Gott viele Jahre vorher gesagt hatte, dass der König von Syrien zerschmettert (ermordet) würde, und zwar weder durch Zorn noch durch Krieg, d. h. weder öffentlich noch im Kampf.

Verse 21–35: Antiochus IV. Epiphanes und die Zeit der Makkabäer

Antiochus IV. Epiphanes

Die ersten 20 Verse dieses Kapitels decken einen relativ langen Zeitraum von etwa 130 Jahren (305–175 v. Chr.) ab. Jetzt folgt in den Versen 21 bis 35 eine ausführlichere Beschreibung von Ereignissen, die in einem Zeitraum von nur etwa zehn Jahren stattgefunden haben. Gott legt ein besonderes Augenmerk auf diese Zeit, weil sie insbesondere das Volk der Juden betrifft. Sie ist historisch und prophetisch von großer Bedeutung. Erneut werden wir sehen, wie präzise Gott die Zukunft voraussagt. Gleichzeitig verbindet der Heilige Geist die Berichterstattung über diese Zeit unmittelbar mit der Zeit des Endes, die auch aus unserer Sicht immer noch zukünftig ist. J. N. Darby schreibt: „Der letzte Teil dieser Geschichte ist bereits ein Vorbild von dem, was sich in den letzten Tagen ereignen wird“.23 Dabei ist der Protagonist – Antiochus IV. Epiphanes – vor allem ein Hinweis auf den kommenden König des Nordens, einem der letzten großen Feinde Israels in der Endzeit.24

Der historische König des Nordens, der hier beschrieben wird, ist Antiochus IV. Epiphanes, den wir bereits in Kapitel 8,9–14 als „das kleine Horn“ gefunden haben. Er kam als jüngster Sohn von Antiochus III. dem Großen und Laodike von Pontus 215 v. Chr. auf die Welt und übernahm im 175 v. Chr. die Macht. Er starb 164 v. Chr. Allgemein gilt er als ein mächtiger, intrigenreicher und gewaltsamer Herrscher, der sich – neben kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Ägyptern und Römern – besonders durch seinen Hass gegen die gesetzestreuen Juden auszeichnete. Aus biblischer Sicht war der Höhepunkt seines frevelhaften Handelns die Entweihung des Tempels und des Altars in Jerusalem und die Verfolgung derer, die seinem Götzenkult nicht folgen wollten. Wir haben das bereits in Kapitel 8 ausführlich gesehen. Darüber hinaus soll er generell ein sehr lasterhaftes Leben geführt haben.

Der gewaltsame und gleichzeitig ränkereiche Regent sicherte sich seine Herrschaft gerne durch aufwändige Geschenke, die er einerseits gab und andererseits ebenso gerne annahm. In Kapitel 8,25 hatten wir gelesen: „Und durch seine Klugheit wird der Trug in seiner Hand gelingen.“ Unter anderem sorgte er dafür, dass in Athen ein monumentaler Tempel gebaut wurde. Zunächst wurde seine Regierung sogar in Rom anerkannt. 173 v. Chr. wurde ein Freundschaftsvertrag abgeschlossen. Antiochus IV. Epiphanes beglich noch ausstehende Reparationszahlungen und unterstützte die Politik Roms gegen Makedonien.

Die Herrschaft von Antiochus IV. Epiphanes markierte somit einerseits einen gewissen Höhepunkt der Macht der Seleukiden, andererseits setzte sich dennoch fort, was sich in der Niederlage seines Vaters Antiochus III. gegen die Römer bereits abgezeichnet hatte, dass nämlich die aufstrebende römische Macht – das vierte Weltreich Daniels – zunehmenden Einfluss im gesamten Mittelmeerraum gewann.

Die Verse 21–35 kann man wie folgt einteilen:

  • Vers 21: Antiochus IV. kommt an die Macht
  • Verse 22–24: Antiochus IV. und die Hohenpriester in Jerusalem
  • Verse 25–27: Antiochus IV. im Kampf gegen Ägypten
  • Vers 28: Antiochus plündert Jerusalem zum ersten Mal
  • Verse 29–30a: Antiochus und die Zwistigkeiten mit den Römern
  • Verse 30b-32: Antiochus plündert Jerusalem zum zweiten Mal
  • Verse 33–35: Der Aufstand der Makkabäer

Antiochus IV. kommt an die Macht (Vers 21)

Es war eine Bedingung des „Friedens von Apameia“, dass Antiochus III. der Große seinen Sohn als Geisel nach Rom schicken musste. Dort lebte Antiochus IV. etwa zehn Jahre lang, bis er 178 v. Chr. gegen einen seiner Neffen ausgetauscht werden konnte. Danach lebte er drei Jahre in Athen, bevor er in seine Heimat zurückkehrte. Noch bevor er ankam, wurde sein Bruder Seleukus IV. Philopator ermordet. Das machte den Weg für Antiochus IV. frei. Er erklärte sich zum Vormund seines Neffen Antiochus (Sohn seines Bruders), heiratete dessen Mutter (seine Schwägerin) und ließ den Mörder seines Bruder – Heliodoros –, der ebenfalls an die Macht kommen wollte, hinrichten. Das soll ihm den Namen „Epiphanes“ (der Erscheinende) beigebracht haben, weil er sich durch die Beseitigung dessen, der die Macht an sich reißen wollte, als rechtmäßiger König erwiesen haben soll. Antiochus IV. ließ sich selbst als „Theos Epiphanes“ titulieren, was „erscheinender Gott“ bedeutet.25 Ursprünglich gab er vor, nur stellvertretend für seinen Neffen zu regieren, bis dieser erwachsen sei. Allerdings verdrängte er auf diese Weise seinen Neffen, der 170 v. Chr. einen gewaltsamen Tod starb. Es wird vermutet, dass Antiochus IV. diesen Mord initiiert hat, um seine eigene Herrschaft zu sichern.

Unser Vers nennt ihn einen „Verachteten“, weil er eine römische Geisel war. Es war nicht damit zu rechnen, dass er König wurde.26 Deshalb würde man die Würde des Königtums nicht auf ihn legen, d. h. ihm war die königliche Würde nicht zugedacht. Er erlangte die Position des Königs nicht, weil er sie verdient hatte, sondern weil er sie sich ränkevoll erschlich. Plötzlich war er da, und die Intrige wird mit den Worten beschrieben, dass er sich „des Königtums durch Schmeichelei“ (d. h. Ränke) bemächtigt hat. Genauso wie der Engel es Daniel sagte, ist es geschehen. Die Heirat mit der Frau seines Bruders soll in der Tat mit Schmeichelei, mit List und Tücke und vorgetäuschter Freundlichkeit von ihm arrangiert worden sein.

Antiochus IV. und die Hohenpriester in Jerusalem (Verse 22–24)

Vers 22 spricht sehr allgemein über die militärischen Erfolge des Königs, die dieser König tatsächlich hatte. Mit den „überschwemmenden Streitkräften“ sind vermutlich seine Feinde gemeint, in erster Linie die Truppen der Ägypter und vielleicht auch der Juden. Antiochus IV. war jedoch darüber hinaus gegen andere Nationen ebenfalls erfolgreich. Diese Erfolge brachten ihm Ankerkennung bei seinem eigenen Volk. Alles, was sich diesem Thronräuber widersetzte, wurde vernichtet. Er hatte großen Erfolg und ein ausgeprägtes Durchsetzungsvermögen. Er hat die Feinde „überschwemmt“, was auf seine Invasionen hinweist, und „zertrümmert“, d. h. besiegt.

Wer ist nun der „Fürst des Bundes“ (Vers 22)? Obwohl einige Ausleger dabei an seinen ägyptischen Neffen Antiochus IV. denken27, scheint es wahrscheinlicher zu sein, dass es sich um einen Hinweis auf den Hohenpriester Onias III. in Jerusalem handelt. Der Gebrauch des Wortes „Bund“ in diesem Kapitel (vgl. Verse 28.30.32) legt dies nahe. Onias III. wurde durch den Syrerkönig abgesetzt und zunächst ins Exil geschickt. Vier Jahre später (ca. 172 v. Chr.) wurde er auf Anweisung des Königs ermordet und so ebenfalls „zertrümmert“.

In Vers 23 geht es um ein Bündnis mit dem Nachfolger von Onias III., den Antiochus IV. Epiphanes selbst installiert hatte. In Jerusalem gab es zu dieser Zeit eine abgefallene hellenistisch gesinnte Partei, die den Syrern gegenüber aufgeschlossen war und half, griechische (heidnische) Einflüsse in Juda einzuführen. Diese Juden erhofften sich dadurch eine friedliche Koexistenz mit den syrischen Besatzern. Doch am Ende täuschte Antiochus IV. Epiphanes diese Juden. Die Gruppe wurde von Jason, dem Bruder Onias III., angeführt, der einen großen Einfluss unter den Juden hatte. Antiochus IV. verschaffte ihm das Amt des Hohenpriesters, das in dieser Zeit zugleich von großer politischer Bedeutung war. Dafür versprach Jason dem König, deutlich erhöhte Abgaben zu zahlen.28 Er und seine Partei trieben die Hellenisierung der Juden stark voran. Doch die Freundschaft der beiden währte nicht sehr lange. 171 v. Chr. wurde Jason abgesetzt und Menelaos an seiner Stelle zum Hohenpriester ernannt. Darüber berichtet 2. Makkabäer 4,23–29. Erneut ging es um Bestechung und Zahlung von viel Geld.

Das Wort „unversehens“ in Vers 24 bedeutet „mitten in einer Zeit von Sicherheit oder Frieden“, d. h. in einer Zeit, wo man es nicht erwartet. Plötzlich und unerwartet kam ein Teil der Truppen Antiochus IV. Epiphanes nach Palästina und nahm die „fettesten Gegenden der Landschaft“ für sich. Er beutete das Land der Juden auf eine bisher nicht gekannte Art und Weise aus. Die Kollaborateure der hellenistischen Partei wurden durch Geldzuwendungen und hohe politische Ämter belohnt. Besonders die Stadt Jerusalem machte eine furchtbare Zeit durch und litt unter der Grausamkeit des syrischen Gewaltherrschers. Während sein Vater seinen Reichtum gerne für sich selbst nutzte, war er für Antiochus IV. Epiphanes eher ein Mittel, um andere für sich zu gewinnen und sie zu bestechen. Insofern handelte er anders als seine Vorfahren. Dass er Raub und Beute „zerstreuen“ würde, bedeutet, dass er sie „verteilte“ oder mit anderen „teilte“.29

Antiochus IV. Epiphanes im Kampf gegen Ägypten (Verse 25–27)

Die Verse 22b-24 sprechen von dem, was Antiochus IV. Epiphanes in seinen ersten Regierungsjahren ab 175 v. Chr. in Jerusalem getan hat. In den nun folgenden Versen geht es wiederum um eine militärische Auseinandersetzung mit Ägypten. Man nennt sie in der Geschichtsschreibung den „sechsten syrischen Krieg“ (169–168 v. Chr.). Ägypten war immer noch ein Erzfeind, und so wundert es nicht, dass es zu weiteren Auseinandersetzungen kam.

Zur Vorgeschichte ist Folgendes anzumerken: In Ägypten regierte seit 181 v. Chr. der noch minderjährige König Ptolemäus VI. Philometor (geboren 186 v. Chr.), und zwar zunächst unter der Regentschaft seiner Mutter Kleopatra I. und dann unter der Regentschaft zweier Mitglieder des Hofes. Er wurde mit seiner Schwester Kleopatra II. verheiratet. Im Jahr 170 v. Chr. wurde Ptolemäus VI. Philometor zwar für mündig erklärt, als Mitregenten standen ihm jedoch seine Frau Kleopatra II. und sein jüngerer Bruder Ptolemäus VIII. Euergetes II. zur Seite.30 Gemeinsam wurden zügige Maßnahmen zur Rückeroberung des Terrains unternommen, das Ägypten im fünften syrischen Krieg verloren hatte. 170/169 v. Chr. setzten sich ägyptische Truppen Richtung Norden in Marsch. Unser Vers beschreibt das mit den Worten: „Und der König des Südens wird sich zum Krieg rüsten mit einem großen und überaus starken Heer.“ In der Tat hatten die Ägypter eine besonders große Armee mobilisiert. Antiochus IV. war allerdings gewarnt und entsprechend vorbereitet. Sein Verteidigungskampf war geplant. Er konnte die ägyptischen Truppen früh abfangen. Die Ägypter wurden bereits nahe der Grenze besiegt. Unser Vers sagt: „Er wird nicht bestehen, denn man wird Pläne gegen ihn ersinnen.“

Die Syrer marschierten in Ägypten ein und besetzten große Teile Unterägyptens. Ptolemäus VI. musste die Niederlage eingestehen. Antiochus IV. ließ sich in Memphis als Herrscher Ägyptens ausrufen.

Die Dreierherrschaft in Ägypten (Ptolemäus VI., Ptolemäus VIII. und Kleopatra II.) hielt nicht. Ptolemäus VIII. hatte sich nach Alexandria zurückgezogen. Die dortigen Einwohner machten Ptolemäus VIII. zu ihrem König. Die Stadt wurde tatsächlich belagert, jedoch nicht eingenommen.

Vers 26 spricht von den Folgen für Ptolemäus VI. Philometor. Diejenigen, die „seine Tafelkost essen“ oder „seine eigenen Tischgenossen“, sind diejenigen, die ihm nahestanden. Es ist denkbar, dass damit vor allem Ptolemäus VIII. gemeint ist. Dass er zerschmettert wurde, bedeutet nicht, dass er getötet wurde und starb, sondern dass man sich „gegen ihn wenden“ würde. Sein Heer würde überflutet werden, d. h. es würde auseinanderbrechen und sich zerstreuen. Die vielen Erschlagenen sprechen von den Opfern dieses Angriffs. Wie es vorausgesagt war, so traf es ein. Die Bewohner von Alexandria wandten sich gegen ihn und sein Heer wurde vernichtend geschlagen.

Die beiden Könige in Vers 27 sind Antiochus IV. und Ptolemäus VI. Sie schlossen nach dem Sieg der Syrer einen Unterwerfungsvertrag, der jedoch von vornherein auf Lug und Trug aufgebaut war, weil wohl keiner von beiden daran dachte, die Vereinbarung einzuhalten. Ihre Herzen waren auf Bosheit bedacht, das heißt, sie hatten beide im Sinn, einander zu schaden. Der Tisch ist ein Verhandlungstisch, doch wie an manchen solcher Tische wurden dort Lügen geredet. Nach Abzug der syrischen Truppen gab es eine erneute Einigung der beiden Könige der Ägypter, Ptolemäus VI. und Ptolemäus VIII.31 Gemeinsam stellten sie sich gegen Antiochus IV., jedoch ohne dabei erfolgreich zu sein.

Die Schlussaussage von Vers 27: „... denn das Ende verzögert sich noch bis zur bestimmten Zeit“ kann so verstanden werden, dass es noch eine gewisse Zeit dauerte, bis die Auseinandersetzungen zwischen Syrern und Ägyptern zu einem Ende kamen. Man kann aber hier auch bereits an die Zeit des Endes kurz vor dem Kommen des Messias denken, wo es erneut eine Auseinandersetzung zwischen dem König des Nordens und dem König des Südens geben wird (vgl. Vers 44).

Antiochus plündert Jerusalem zum ersten Mal (Vers 28)

Er – das ist Antiochus IV. – kehrte mit einer großen Kriegsbeute aus Ägypten zurück. Gerne hätte er noch Alexandria eingenommen, doch Berichte über innerpolitische Probleme und Unruhen in Syrien ließen ihn vorzeitig zurückkehren.

Sein Rückweg führte ihn über Jerusalem. Dort ließ er seinen Hass an den Juden aus, die sich der Hellenisierung widersetzten. Wahrscheinlich war er enttäuscht, dass er Ägypten vorzeitig verlassen musste, und diese Enttäuschung stachelte ihn zusätzlich an. Der „heilige Bund“ steht hier als Synonym für diese Juden, die dem Gesetz ihres Gottes treu bleiben wollten (vgl. Vers 28 und 30). Angeblich hatten sie das Gerücht verbreitet, Antiochus IV. habe den Tod gefunden. Das böse Herz dieses Mannes richtete sich gegen die (gläubigen) Juden, bevor er nach Syrien zurückkehrte. Außerdem wusste er um den großen Reichtum des Tempels, den er ebenfalls für sich haben wollte. Die beiden – geschichtlich interessanten, aber nicht von Gott inspirierten – apokryphen Bücher der Makkabäer berichten darüber ausführlich.

Inzwischen hatte der abgesetzte Hohepriester Jason Jerusalem zurückerobert und die Macht wieder übernommen. Antiochus IV. setzte jedoch den von ihm unterstützten Menelaos wieder ein. Er richtete unter den Juden ein großes Blutbad an und nahm den Räucheraltar, den Leuchter, die Schaubrottische und einige goldene Geräte mit nach Syrien (vgl. 2. Makkabäer 5,11–23).

Verse 29–30a: Antiochus und die Zwistigkeiten mit den Römern

Der sechste syrische Krieg hatte eine Fortsetzung: Kurze Zeit nach seiner Rückkehr (168 v. Chr.) zog Antiochus IV. wieder Richtung Ägypten. Davon spricht Vers 29. Doch dieses Mal war es anders als vorher. Der Angriff endete mit einem großen Misserfolg.

Die bestimmte Zeit ist die von Gott bestimmte Zeit. Er führte es so (vgl. Verse 27, 29 und 35). Der Ausdruck kommt im Alten Testament häufig vor, im Neuen Testament hingegen nur dreimal (Mk 12,2; Lk 20,10; Röm 5,6). Gott bestimmt die Zeit. Er hält die Zeit immer in seiner Hand – selbst dann, wenn es um militärische Auseinandersetzungen von Völkern geht.

Antiochus IV. war zunächst erfolgreich. Ägypten bat um Frieden, wollte jedoch der Forderung, den Status quo festzuschreiben, nicht nachkommen. Daraufhin besetzte Antiochus IV. das Nildelta, zog erneut in Memphis ein und belagerte zum zweiten Mal Alexandria. Die Zeichen standen auf Sieg, doch dann geschah etwas, womit er vermutlich nicht gerechnet hatte. Die Römer griffen in die Auseinandersetzung ein. Die Ägypter hatten die Römer bereits vorher um militärische Hilfe gebeten, allerdings waren diese durch Auseinandersetzungen mit Makedonien dazu nicht bereit. Nun war der Krieg mit den Makedoniern zu Ende gekommen, und die Römer schickten Truppen in Richtung Ägypten, um ein weiteres Vordringen der Syrer zu verhindern.

Die Schiffe von Kittim32 in Vers 30 beschreiben hier das Eingreifen der Römer Anfang Juli 168 v. Chr. Nachdem die Römer bereits seinen Vater gestoppt hatten, als er Griechenland angriff, stoppten sie nun seinen Sohn Antiochus IV. in Ägypten. Es war der Tag, den die Geschichtsbücher den berühmten „Tag von Eleusis“ nennen. Gaius Popillius Laenas, der römische Gesandte, überreichte Antiochus IV. ohne Gruß ein Ultimatum, in dem der Senat in Rom den Abbruch des Krieges und die Rückkehr der Syrer forderte. Antiochus IV. sann erneut auf eine List und erbat sich Bedenkzeit, um sich mit Freunden zu beraten. Daraufhin zog der Römer mit seinem Stab einen Kreis in den Sand um Antiochus IV. herum und forderte ihn auf, sich hier in diesem Kreis zu entscheiden und seine Antwort auf das Ultimatum zu geben. Antiochus IV. war klug genug, sich nicht mit den Römern anzulegen und kehrte innerhalb von wenigen Tagen Richtung Norden zurück. Diese Niederlage war für den stolzen Syrerkönig eine große Demütigung. Ägypten befand sich seit diesem „Tag von Eleusis“ politisch unter der Macht Roms, das nun immer stärker wurde und sich als viertes Weltreich etablierte.

Antiochus plündert Jerusalem zum zweiten Mal (Verse 30b-32)

Zum zweiten Mal ließ Antiochus IV. seine Wut an den Juden in Jerusalem aus und ergrimmte gegen den heiligen Bund. Die abtrünnige hellenistische Partei war ihm dabei wieder eine Hilfe. Das sind offensichtlich diejenigen, die den heiligen Bund und damit das Gesetz ihrer Väter verlassen hatten. Es war Gottes „heiliger Bund“, d. h. der Bund gehörte Ihm.33 Was Gott wichtig ist, ist den Feinden Gottes immer ein Dorn im Auge und Gegenstand ihrer Angriffe. Das wird im nächsten Vers bestätigt, wo es um das „beständige Opfer“ geht, das heißt um etwas, das für Gott sein sollte und Ihn an das Werk seines Sohnes erinnert.34

Antiochus IV. sandte seinen Schatzmeister und General Apollonius mit einer Armee von ca. 22.000 Soldaten nach Jerusalem. Er überfiel die Stadt an einem Sabbat auf eine listige Art und Weise, plünderte Jerusalem, steckte die Stadt in Brand und ermordete zahlreiche Juden. Mehrere tausend Juden verloren ihr Leben. Frauen und Kinder wurden gefangen weggeführt. Es war eine Zeit der Terrorherrschaft in der Stadt. Nach Abzug der Truppen blieb eine Besatzung zurück.

Das Einhalten der Gebote Gottes wurde bei Todesstrafe verboten. Es durften nicht einmal Abschriften vom Gesetz gemacht werden, und diejenigen, die vorhanden waren, mussten verbrannt werden. Der Sabbat und andere Feste duften nicht gefeiert werden. Außerdem durfte dem Gott Israels nicht mehr geopfert werden. Der Brandopferaltar wurde zu einem Zeusaltar umfunktioniert, und es wurden Schweine (unreine Tiere für die Juden) darauf geopfert. Die Kinder durften nicht beschnitten werden. Wer sich diesen Anordnungen widersetzte, wurde getötet. Zahllose Juden ließen in dieser Zeit ihr Leben.

Die „Krönung“ aller Gräueltaten war die Tatsache, dass im Tempel ein Götzenbild zu Ehren von Zeus aufgestellt wurde, das gleichzeitig die Gesichtszüge von Antiochus IV. Epiphanes trug. Das ist der „verwüstende Gräuel“. Damit ist nicht gemeint, dass dieses Götzenbild zur Verwüstung führen würde, sondern dass es von einem Verwüster aufgestellt wurde. Die Ursache für die Verwüstung war dieser syrische Gewaltherrscher. Dieses Götzenbild ist deshalb nicht mit dem zu verwechseln, was wir in Daniel 9,27 gefunden haben. Das Götzenbild in Daniel 9,27 entspricht dem Götzenbild, von dem der Herr Jesus in Matthäus 24,15 spricht: „Wenn ihr nun den Gräuel der Verwüstung, von dem durch Daniel, den Propheten, geredet ist, stehen seht an heiligem Ort ...“ Dieses Götzenbild wird nicht von dem König des Nordens (von dem Antiochus IV. ein Bild ist) aufgestellt werden, sondern von dem Antichrist. Das Götzenbild in Daniel 11 ist hingegen das, was Antiochus IV. in Jerusalem aufstellen ließ. Leider verwechseln das manche Ausleger und verweisen in Verbindung mit Daniel 11 auf Matthäus 24. Diese Verbindung ist nicht vorhanden. In Matthäus 24 spricht der Herr von dem Götzenbild aus Daniel 9. Wir finden es später in Kapitel 12,11 wieder: „Und von der Zeit an, da das beständige Opfer abgeschafft wird, und zwar um den verwüstenden Gräuel aufzustellen, sind 1.290 Tage.“ Der „verwüstende Gräuel“ meint in diesem Fall den Gräuel, der zur Verwüstung führt.35

Diese Tempelentweihung geschah Jahr 167 v. Chr. und dauerte etwa 3 ½ Jahre. Das sind die 2.300 Abende und Morgen (gleich 1.150 Tage), die wir in Daniel 8,14 gefunden haben.

Beide Bücher der Makkabäer sprechen über diese Zeit. Hier zwei Auszüge:

  • „Im hundertundfünfundvierzigsten Jahr, am fünfzehnten Tage des Monats Chislev, ließ der König Antiochus den Gräuel der Verwüstung auf Gottes Altar setzen und ließ in allen Städten Judas Altäre aufrichten, dass man öffentlich in den Gassen und ein jeder vor seinem Haus räucherte und opferte; und ließ die Bücher des Gesetzes Gottes zerreißen und verbrennen und alle, bei denen man die Bücher des Bundes Gottes fand, und alle, so Gottes Gesetz hielten, tot schlagen“ (1. Makk 1,57–60).
  • „Nicht lange danach sandte der König einen alten Mann von Athen, dass er die Juden zwingen sollte, dass sie von ihrer Väter Gesetz abfielen und Gottes Gesetz nicht mehr hielten, und dass er den Tempel zu Jerusalem sollte verunreinigen, und ihn heißen des Jupiter Olympius Tempel, und den zu Garizim des Jupiter Xenius Tempel, dieweil fremde Leute daselbst wohnten. Aber solch wüstes Wesen tat jedermann sehr weh. Denn die Heiden schwelgten und prassten im Tempel und trieben allerlei Unzucht mit den Weibern an der heiligen Stätte und trugen viel hinein, das sich nicht gebührte. Man opferte auf dem Altar Opfer, die im Gesetz verboten waren, und hielt weder Sabbate noch andere gewöhnliche Feiertage“ (2. Makk 6,1.6).

Vers 32 zeigt, dass Antiochus IV. – wie so oft – zwei Taktiken anwandte, nämlich einerseits Gewalt und andererseits List, d. h. falsche Versprechungen und Intrigen (Schmeichelei). So versuchte er, die Juden zum Abfall von ihrem Gott zu bewegen. Bei einigen kam er damit zum Ziel, bei anderen nicht. Die einen handelten gottlos gegen den Bund und ließen sich zum Abfall verleiten. Sie gaben damit die Religion ihrer Väter auf. 1. Makkabäer 1,18 sagt, dass viele vom Volk Israel ihnen zufielen. Dennoch gab es einen Überrest.

Das Volk, das seinen Gott kennt

Dieser Überrest sind die Treuen, „das Volk, das seinen Gott kennt“. Es geht hier nicht darum, dass sie von Gott gekannt waren – was ohne Frage so war. Hier wird betont, dass sie ihren Gott kannten. Obwohl es damals nur einige wenige waren, nennt Gott sie „das Volk“. Sie standen für Gott repräsentativ für „das Volk“. Sie erwiesen sich als stark und handelten. In Tagen von Verfall und Abfall gibt es immer solche, die mit dem Strom schwimmen (in der Regel die Mehrheit), und solche, die gegen den Strom schwimmen (in der Regel die Minderheit). Das ist heute nicht anders und es wird auch in der großen Drangsal nicht anders sein. Gegen den Strom zu schwimmen, erfordert Mut und Kraft. Der Text ermuntert jeden, zu diesem Volk zu gehören, „das seinen Gott kennt“ und treu zu Ihm steht. Wer in Notzeiten treu zu Gott steht, muss Ihn vorher schon gekannt haben. Er kennt Gott nicht einfach als den „großen Gott“ oder den „Gott im Himmel“, sondern hat eine persönliche Beziehung zu Ihm. Es ist „sein Gott“.36 Wer diesen Gott kennt, kann selbst in dunklen Tagen kraftvoll handeln.

Der Aufstand der Makkabäer (Verse 33–35)

Diese gottesfürchtigen Juden werden hier „Verständige des Volkes“ genannt. Sie stehen im Gegensatz zu der Masse des Volkes, den „Vielen“ (9,27; 11,33; 12,3). Das Wort „Verständige“ heißt im Hebräischen „Maskil“, ein Wort, das sich in der Überschrift von insgesamt 13 Psalmen wiederfindet. Die Verständigen sind die von Gott Belehrten.

Wir lernen hier für uns zwei Dinge:

  1. Nur wer seinen Gott kennt und mit Ihm lebt, erlangt wirkliches Verständnis. Ohne persönliches Glaubensleben ist es unmöglich, wirkliches Verständnis zu erlangen. Daniel selbst ist dafür ein gutes Beispiel. Er war ein solcher Verständiger. Im letzten Kapitel lesen wir: „Viele werden sich reinigen und weiß machen und läutern, aber die Gottlosen werden gottlos handeln; und alle Gottlosen werden es nicht verstehen, die Verständigen aber werden es verstehen“ (Dan 12,10).
  2. Nur jemand, der selbst Verständnis erworben hat, ist in der Lage, andere zu belehren. Von Esra heißt es: „Denn Esra hatte sein Herz darauf gerichtet, das Gesetz des Herrn zu erforschen und zu tun und in Israel Satzung und Recht zu lehren“ (Esra 7,10). Gewiss gibt es Zeiten, in denen der Einsichtige schweigt (Amos 5,13), dennoch gibt es ebenso Zeiten, in denen er redet.

Hier riskierten die Verständigen ihr Leben, denn indem sie andere unterwiesen, gaben sie zu erkennen, dass sie nicht von dem „Bund“ abfallen wollten. Viele mussten deshalb in dieser schwierigen Zeit voller Kriege und Gewalttaten ihr Leben lassen. 2. Makkabäer 7 beschreibt diese Gräueltaten ausführlich.37 Sie werden „fallen“ (oder stolpern), d. h. sterben oder durch furchtbare Drangsale gehen. Ihnen gilt jedoch die Zusage aus Kapitel 12,3: „Und die Verständigen werden leuchten wie der Glanz der Himmelsfeste, und die, welche die Vielen zur Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne, immer und ewig.“

Die Zeit, von der hier die Rede ist, ist die Zeit der Makkabäer. Der Name leitet sich ab von dem Wort Makkabäus (der Hammer) ab. Das war der Beiname, den man einem der Führer der gesetzestreuen Juden, nämlich Judas, gegeben hatte. Judas war einer der Söhne des Priesters Mattathias, aus der Familie der Hasmonäer, der Nachkommenschaft Aarons. Gemeinsam mit seinen fünf Söhnen und anderen floh er in die Wildnis, um von dort aus eine Art Guerillakrieg gegen die syrischen Besatzer und die abtrünnigen Juden zu führen. So weit wie möglich, zerstörten sie die Götzenaltäre. Im Jahr 166 v. Chr. starb Mattathias. Seine Söhne Simon und besonders Judas führten den Kampf fort. Dieser Aufstand der Makkabäer hatte großen Erfolg. Es gelang den gesetzestreuen Juden, die syrischen Heere mehrfach zu besiegen (bei Emmaus und Beth-Sur) und Jerusalem wieder unter eigene Kontrolle zu bekommen.

Es scheint so zu sein, dass sich die genannte „kleine Hilfe“ auf die Makkabäer bezieht. Es war eine „kleine Hilfe“, doch wer will den „Tag kleiner Dinge“ verachten (Sach 4,10)? Die wirkliche Hilfe, die „große Hilfe“ kommt erst in der Zeit des Endes, wenn der Messias erscheint und der Not und Drangsal des Überrestes ein Ende macht. Gewiss sind die Makkabäer in gewisser Hinsicht ein Bild dieses kommenden Überrestes in der großen Drangsal Jakobs. Doch es gibt ebenfalls deutliche Unterschiede. Im Gegensatz zu den Makkabäern wird der Überrest nicht zum Schwert greifen. Er wird vielmehr aufgefordert zu fliehen (Mt 24,16–31). Insofern ist die Situation in der Zukunft etwas anders als hier. W. Kelly schreibt: „Wir finden in der Offenbarung und an anderen Stellen der Schrift, die über den Überrest sprechen, kaum, dass dieser Heldentaten vollbringt. Sie werden leiden; aber ich denke nicht, dass sie dadurch gekennzeichnet sein werden, dass sie sich „stark erweisen“ und „handeln“. In den Tagen von Antiochus stand nicht so sehr das Leiden im Vordergrund, sondern vielmehr die Kraft und die Aktivität – genau das, was wir bei den Makkabäern finden. Sie waren ohne Frage nicht in erster Linie Märtyrer, sondern vielmehr eine Gruppe von Männern, die der grausamen Geißel damaliger Tage widerstand.“38

Stark erweisen und handeln

Die Erfolge der Makkabäer führten dazu, dass einige der Juden sich ihnen zwar anschlossen, es aber nicht ehrlich taten. Ihre Herzen waren nicht für den wahren Gott erwärmt worden. Sie glichen „Mitläufern“ und „Opportunisten“, hatten jedoch keine Liebe für den Gott ihrer Väter. Sie hofften auf politische Freiheit von den Syrern.39 Sie gleichen denen, die heute – in der Zeit des Christentums – zwar eine äußere „Form der Gottseligkeit“ haben, deren Kraft aber verleugnen. Von solchen sollen wir uns wegwenden (2. Tim 3,5).

Die Verfolgungen der Zeit damals erfüllten das Ziel der syrischen Machthaber insofern nicht, weil diese Verständigen treu blieben. Ihre große Treue führte nicht dazu, dass sie ihren Glauben aufgaben, sondern dass sie bereit waren, als Märtyrer zu sterben. Sie sind damit ein Vorbild für viele treue Männer und Frauen, die ihr Leben aus Treue zu ihrem Herrn auf den Altar gelegt haben und ihrem Glauben nicht abgeschworen haben. Diese Treue ist bis heute ein Ansporn, selbst in schwerer Zeit treu zu Gott zu stehen. Sie wird für die Juden kommender Tage ganz sicher eine Motivation sein, um auszuharren.

Die Aussage in Vers 35, dass einige von den Verständigen „fallen“ werden, wird unterschiedlich verstanden. Einige Ausleger denken, dass sie schließlich doch ihren Glauben an den Gott ihrer Väter aufgegeben haben und von dem Bund abgefallen sind. F. B. Hole schreibt: „Ihre Erprobung wurde noch erschwert durch das Versagen und den Abfall solcher, die zu den Verständigen zählen. Doch dies hatte eine reinigende Wirkung auf die, die wirklich standhaft für Gott waren.“40 Andere Ausleger denken, dass es bedeutet, dass sie den Tod fanden. Das scheint vielleicht die plausiblere Erklärung zu sein. Ihr Tod war für die übrigen ein Anlass, sich zu prüfen. Auf diese Weise wurden sie „geläutert und gereinigt und weiß gemacht“.41

Der vorläufige Schlusssatz lautet: „... bis zur Zeit des Endes, denn es verzögert sich noch bis zur bestimmten Zeit.“ Das macht völlig klar, dass die Zeit der Makkabäer nicht die „Zeit des Endes“ war, so grausam und schrecklich diese Zeit gewesen ist. Die hier angekündigte „Zeit des Endes“ ist noch zukünftig. Es ist die „große Drangsal“, die der Herrschaft des Messias in seinem Reich unmittelbar vorausgeht. Diese Zeit wird noch schlimmer sein als die hier beschriebene. Der Herr Jesus sagt von dieser Zeit: „Und wenn jene Tage nicht verkürzt würden, so würde kein Fleisch errettet werden; aber um der Auserwählten willen werden jene Tage verkürzt werden“ (Mt 24,22).

Ein Schlusspunkt

Im Übergang zu Vers 36 gibt es jetzt einen großen Sprung in die Endzeit. Der „König“ von Vers 36 kann nicht Antiochus IV. Epiphanes sein. Es ist – daran gibt es keinen Zweifel – der Antichrist, der noch zukünftige König der Juden. Obwohl man versucht hat, die Geschehnisse ab Vers 36 ebenfalls historisch zu deuten, ist völlig klar, dass dies unmöglich ist. Fakt ist, dass die Ereignisse ab Vers 36 bisher keine historische Erfüllung gefunden haben. Es handelt sich – auch aus unserer Sicht heute – um Ereignisse, die noch in der Zukunft liegen. Die Zeitspanne zwischen diesen beiden Versen ist jedenfalls größer als 2.000 Jahre.

Damit schließt der bemerkenswerte prophetische – und für uns historische – Bericht auf dem Höhepunkt der Leiden des Überrestes zur Zeit der Makkabäer. Es ist, wie wir gesehen haben, eine Voraussage Gottes, die sich in allen Einzelheiten erfüllt hat. Ebenso wird sich jede Aussage Gottes, die noch nicht erfüllt ist (die nächsten Verse eingeschlossen), Wort für Wort bewahrheiten.

Es mag uns seltsam erscheinen, dass der Engel gerade an dieser Stelle mit dem ersten Teil dieser Vision endet. Der Punkt ist der, dass es von dem einen „Höhepunkt“ (im negativen Sinn) direkt übergeht zu einem noch viel größeren „Höhepunkt“ (wieder im negativen Sinn) – nämlich der Zeit der großen Drangsal für Jakob.

Mit diesem Vers schließt gleichzeitig die Berichterstattung Gottes im Alten Testament. Es ist wahr, dass Maleachi der letzte Prophet war, der eine von Gott inspirierte Ansprache an sein Volk hatte. Das war um 397 v. Chr. Der Prophet Maleachi ist – der Zeit nach gesehen – das letzte Buch im Alten Testament.

Obwohl in dieser Abhandlung aus dem Buch der Makkabäer zitiert worden ist, sei noch einmal klar gesagt, dass diese beiden Bücher (1. und 2. Makkabäer) Menschenwerk sind und nicht Gottes Wort. Es sind historische Dokumente, die uns helfen, die hier in Daniel 11 beschriebene Zeit besser zu verstehen – nicht mehr und nicht weniger.

Gott hat zwar – was seine Propheten betrifft – zwischen Maleachi und Johannes dem Täufer etwa 400 Jahre lang geschwiegen. Dennoch finden wir in Daniel 11 göttliche Informationen über diese Zeit. Gott endet damit, dass Er über diesen Überrest der „Verständigen“ spricht, die etwa im Jahr 163 v. Chr. gelebt haben. Und es ist bemerkenswert genug, dass die früheste Information, die wir im Neuen Testament der Zeit nach finden, wiederum mit einem solchen Überrest der „Verständigen“ beginnt. In Lukas 2,36 und 37 werden die alte Witwe Anna und ihr Vater Phanuel genannt. Sie war 84 Jahre alt und wich nicht „vom Tempel, indem sie Nacht und Tag mit Fasten und Flehen diente“. Es ist gut möglich, dass ihr Vater Phanuel nur wenig später geboren wurde als die Zeit, die in Daniel 11 behandelt wird. Wir erkennen, welchen Wert dieser „Überrest der Verständigen“ in Gottes Augen hat – damals wie heute.

Wenn man also von einer „intertestamentalen Schweigezeit“ (der Zeit zwischen dem Alten und dem Neuen Testament) spricht, muss man das insofern richtig verstehen, dass Gott zwischen Maleachi und Johannes keinen Propheten zu seinem Volk gesandt hat.

Diese Zeit hat zugleich eine indirekte Ansprache an uns: Damals standen die treuen Juden zwischen allen Fronten. Sie wurden verfolgt, ausgebeutet und geplündert. Man versuchte, ihnen fremdländische Gebräuche überzustülpen. Der Tempel wurde entweiht, das Gesetz aufgelöst und die heiligen Schriften vernichtet. Wenn wir an die Zeit denken, in der wir heute leben, so gibt es ebenfalls viele Länder, in denen diejenigen, die dem wahren Gott dienen, verfolgt werden und unter großem Druck stehen. Man nimmt ihnen die Bibel weg und zwingt sie, zu einer anderen Religion zu konvertieren. Wenn sie sich weigern, droht der Tod. In anderen Ländern ist der Druck anderer Art. Man versucht, uns die Sitten und Gebräuche der uns umgebenden Welt aufzudrücken. Die Bibelkritik versucht, dem Wort Gottes jede Kraft zu nehmen. Darüber hinaus wird die Wahrheit des Wortes Gottes nicht nur lächerlich gemacht und mit Füßen getreten, sondern die Gesetzgebung wird zunehmend sogar verbieten, nach den Anweisungen Gottes zu leben.

In einer solchen Zeit gilt es, „verständig“ und „treu“ zu sein. Es gilt, unseren Gott zu kennen und zu Ihm zu stehen. In einer solchen Zeit gilt das Wort an die bedrängten Hebräer auch uns: „Werft nun eure Zuversicht nicht weg, die eine große Belohnung hat. Denn ihr habt Ausharren nötig, damit ihr, nachdem ihr den Willen Gottes getan habt, die Verheißung davontragt. Denn noch eine ganz kleine Zeit, und der Kommende wird kommen und nicht ausbleiben“ (Heb 10,35–37).

Exkurs 2: Das Ende Antiochus IV. Epiphanes und der Makkabäerzeit

Der historische Bericht endet mitten in der Zeit der Makkabäer und bevor Antiochus IV. starb. Der interessierte Leser mag sich fragen, wie es mit ihnen weiterging.

Am 4. Dezember 164 v. Chr. wurde der Tempel neu eingeweiht.42 Antiochus IV. Epiphanes lebte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr. Um seine Kriegskasse aufzufüllen, wollte er in den östlichen Provinzen seines Reiches einen Tempel plündern. Er scheiterte an dem Widerstand der Einheimischen und starb im November 164 v. Chr. auf dem Rückzug. Man sagt, er sei im Wahnsinn zu seinem Ende gekommen. In Daniel 8,25 heißt es von dem kommenden König des Nordens, den Antiochus IV. vorschattet, dass er ohne Menschenhand zerschmettert werden wird. Ähnlich erging es offensichtlich diesem historischen Judenhasser.

Die Nachfolger Antiochus IV. – beginnend mit Antiochus V. und Demetrios I. – wollten in Jerusalem für Ordnung und klare Verhältnisse sorgen. Bereits ein Jahr später (163 v. Chr.) kam es zu einer kriegerischen Auseinandersetzung. Die jüdische Streitmacht unter Judas Makkabäus erlitt eine Niederlage. Judas musste fliehen, und ein neuer Partisanenkrieg mit Terror und Gegenterror begann. 161 v. Chr. wurde eine größere Streitmacht der Syrer nach Jerusalem geschickt. Unter dem Feldherrn Nikanor erlitten sie jedoch eine Niederlage. Der Tag dieses Sieges ging als Gedenktag in den jüdischen Kalender ein. Zu diesem Zeitpunkt war Rom bereits dominierende Kraft im Nahen Osten. Judas handelte einen Vertrag über eine gegenseitige Waffenhilfe mit Rom aus. Dieser Vertrag war zwar kurzfristig klug, bedeutete jedoch in der Folge, dass der römische Einfluss über Palästina deutlich größer wurde. 160 v. Chr. sandten die Syrer erneut ein Heer nach Jerusalem. Unter ihrem Feldherrn Bakchides gelang im März 160 v. Chr. ein Sieg in der Schlacht bei Elasa. Judas Makkabäus kam dabei ums Leben. Rom griff – entgegen den Vereinbarungen – nicht ein, sondern verurteilte den Angriff nur verbal.

Judas Nachfolger wurde sein Bruder Jonathan. Es half ihm und den Juden, dass Demetrios I. nicht mehr unumstrittener König der Seleukiden war, sondern von dem Thronräuber Alexander I. Balas bedroht wurde. Beide wandten sich an Jonathan mit dem Ziel, ihm mit Kompromissen für sich zu gewinnen. Alexander I. Balas setzte sich zwar durch, erlitt allerdings fünf Jahre später eine Niederlage gegen den Sohn seines Vorgängers, Demitrios II. Der Kampf um den Thron stärkte die Position der Juden. Dies änderte sich auch dann nicht, als Jonathan ermordet wurde und mit Simon der letzte Sohn der Mattathias-Söhne Anführer der Juden wurde. Simon gelang es sogar, das letzte Symbol der Herrschaft der Seleukiden aus Jerusalem zu beseitigen. Unter seinem Sohn Johannes Hyrkanos I. kam es noch einmal zu einer Auseinandersetzung mit dem Seleukidenkönig Antiochos VII. Dieser Kampf endete 134 v. Chr. mit einem Friedensschluss. Danach waren die Seleukiden nicht mehr stark genug, um außerhalb ihrer Grenzen noch militärisch aktiv zu sein. Der letzte Herrscher der Seleukiden, den die säkulare Geschichtsschreibung nennt, ist Philipp II. Er regierte von 69 bis 63 v. Chr., und zwar unter der Zulassung des römischen Weltreiches.

Verse 36–39: Die Herrschaft des Antichrists in der Zeit des Endes

Eine wichtige Unterbrechung

Mit Vers 36 beginnt der zweite Teil des Kapitels, der uns bis zum Ende mit zukünftigen Dingen beschäftigt. Daniel lernt zwei wichtige Dinge:

  1. Der Engel zeigt ihm zunächst einen weiteren Protagonisten der Endzeit, der hier „der König“ genannt wird und der besonders durch seine Eigenwilligkeit gekennzeichnet wird. Wir werden sehen, dass es sich um eine Person handelt, die im Neuen Testament am besten unter dem Namen „Antichrist“ bekannt ist. Er wird in der Zeit des Endes über die Juden regieren (Verse 36–39).
  2. Danach erfährt Daniel etwas über einen weiteren Konflikt zwischen dem König des Nordens und dem König des Südens, an dem dieser König in Palästina ungewollt beteiligt ist und der die Juden in der Endzeit in eine höchst prekäre Lage bringen wird, weil der König des Nordens Palästina überschwemmen wird. Diese Verse zeigen uns zugleich, welches Ende dieser Feind aus dem Norden nehmen wird (Verse 40–45).

Das macht klar, dass zwischen den Versen 35 und 36 eine große Zeitspanne liegen muss, die deutlich über 2.000 Jahre beträgt. Vers 35 endet in der Zeit der Makkabäer etwa 163 v. Chr. In Vers 36 ist von der „Zeit des Endes“ die Rede. Diese Zeit beginnt frühestens nach der Entrückung der Gläubigen, die bis heute noch nicht stattgefunden hat. Daraus ergibt sich eine Zeitspanne von mehr als 2.000 Jahren.

Diese zeitliche „Unterbrechung“ darf uns nicht überraschen. Wir erinnern uns an das, was Daniel in Kapitel 10,14 gesagt wurde, als der Engel kam, um ihn verstehen zu lassen, „was deinem Volk am Ende der Tage widerfahren wird; denn das Gesicht geht noch auf ferne Tage“. Bis einschließlich Vers 35 hatte Daniel zwar aus seiner Sicht zukünftige Ereignisse gesehen, jedoch hatten diese nicht unmittelbar etwas mit „dem Ende der Tage“ und den „fernen Tagen“ zu tun. Die „Unterbrechung“ deutet sich bereits in Vers 27 an. Dort heißt es, dass „das Ende“ sich verzögert „bis zur bestimmten Zeit“. Diese „bestimmte Zeit“ ist mit Vers 36 gekommen. Vers 35 liefert einen weiteren Hinweis auf diese Unterbrechung. Dort lesen wir noch einmal von der „Zeit des Endes“ und von einer ausdrücklichen „Verzögerung“, nämlich „bis zur bestimmten Zeit“. Vers 36 spricht dann von dem „Festbeschlossenen“. Den Ausdruck hatten wir bereits in Kapitel 9,26.27 in Verbindung mit der Beschreibung der letzten Jahrwoche gefunden. Er weist darauf hin, dass Gott in der Zeit des Endes Assyrien als Zuchtrute für sein abtrünniges Volk benutzen wird, um es zu strafen (vgl. Jes 10,5.20–25; 28,16–22). Gerade dieser Ausdruck „Festbeschlossenes“ in Vers 36 macht ganz klar, dass es jetzt nicht mehr um die Zeit der Makkabäer und die Bedrohung durch Antiochus IV. Epiphanes geht, sondern um die Zeit des Endes, d. h. um die Zeit vor der Erscheinung des Messias, wenn Er kommt, um sein Reich sichtbar und herrlich zu gründen.

In Vers 40 wird dann direkt von der „Zeit des Endes“ gesprochen. Wir sahen schon früher, dass sich diese Formulierung im Buch Daniel häufig auf die prophetische „Endzeit“ bezieht (vgl. Dan 2,28; 7,26; 8,17.19; 9,24; 10,14; 12.4.7.9.13).

Es gibt mindestens einen weiteren Grund, warum Vers 36 zeitlich nicht direkt an Vers 35 anschließen kann. In Vers 36 wird von einem „König“ gesprochen. Wir haben das in Kapitel 11 häufig gefunden, jedoch entweder mit einem klaren Zusatz („König des Nordens“ oder König des Südens“) oder jedenfalls so, dass klar erkennbar ist, welcher historische König gemeint ist. In Vers 36 wird nur gesagt: „der König“ – ohne jeden weiteren Zusatz. Das kann sich nicht auf einen der heidnischen und feindlichen Könige beziehen, sondern nur auf einen König, der über Israel (Juda) regiert. Einen solchen König hat es jedoch seit der Zeit der Könige über die zwei und die zehn Stämme nicht mehr gegeben. Es wird ihn erst in der Zeit des Endes wieder geben. In Vers 37 ist darüber hinaus von dem „Gott seiner Väter“ und von der „Sehnsucht der Frauen“ die Rede. Wir werden noch sehen, dass das typisch jüdisch ist. Dieser König muss also ein Jude sein.

Hinzu kommt, dass der Überrest in der Zeit von Antiochus IV. Epiphanes (in der Zeit der Makkabäer) durch Opposition und aktiven Widerstand gekennzeichnet war. Sie handelten gegen die Feinde, die ihr Land besetzt hielten. Der Überrest kommender Tage hingegen wird völlig anders sein. Er wird keine mächtigen Taten vollbringen, sondern schwach und unterdrückt sein. Das Handeln dieses kommenden Überrestes besteht nicht in Opposition und Kampf, sondern in Leiden und Flucht.

Es gibt in der Geschichte kein Ereignis, mit dem man die Verse 36–39 (und weiter bis Vers 45) erklären könnte. Man hat zwar versucht, diese Verse historisch zu erklären, diese Erklärungsversuche sind jedoch kläglich gescheitert. Wer den Text objektiv liest, kann unmöglich zu dieser Schlussfolgerung kommen. Ein solcher „Bruch“ in der Beschreibung von Ereignissen ist übrigens nicht ganz ungewöhnlich. In Daniel 9 hatten wir ein ähnliches Phänomen in der Schilderung der 70 Jahrwochen, die nach 69 Wochen ebenfalls für eine lange Zeit unterbrochen wurden.

E. Dennett schreibt: „Deshalb zweifeln wir nicht daran, dass zwischen den Versen 35 und 36 ein großes zeitliches Intervall liegt. Die Schlussfolgerung wird durch weitere Details, die wir im letzten Abschnitt des Kapitels finden, verstärkt.“43

Der König – wer er nicht ist

Bleiben wir einen Augenblick bei der Formulierung „der König“ in Vers 36 stehen. Wir haben hier einen Schlüssel zum richtigen Verständnis dieses Abschnitts. Ausleger des Buches Daniel haben dazu unterschiedliche Ansichten geäußert:

  1. Trotz der bereits gegebenen Hinweise, dass es sich nur um die „Zeit des Endes“ handeln kann, denken einige an Antiochus IV. Epiphanes. Sie versuchen, diese Ansicht mit der Aussage des Herrn Jesus in Matthäus 24,15 zu „belegen“. Dort spricht der Herr von dem „Gräuel der Verwüstung“ und verweist auf das Buch Daniel. Das Problem entsteht allerdings nur dann, wenn man diesen Ausdruck mit Kapitel 11,31 verbindet, wo in der Tat in Verbindung mit Antiochus IV. Epiphanes von einem „verwüstenden Gräuel“ die Rede ist. Der Herr spricht jedoch in Matthäus 24,15 nicht über Daniel 11,31, sondern vielmehr über Daniel 9,27 und und,. In Kapitel 11,31 ist die Rede von einem Gräuel dessen, „der verwüstet wird“ oder einem „Gräuel des Verwüsters“. Es ist ein anderer Ausdruck als in Kapitel 12,11. Dort wird exakt der gleiche Ausdruck wie in Matthäus 24,15 gebraucht.44 Das Aufstellen des Gräuelgötzen durch Antiochus IV. Epiphanes war von ganz anderen Umständen begleitet, die sich in dieser Form nicht wiederholen werden.
  2. Es ist behauptet worden, dass sich diese Verse historisch in der „Zeit der Kirche“ erfüllt hätten. Als Namen werden z. B. Napoleon oder einige der Päpste Roms genannt. Dieser Gedanke ist ziemlich absurd, weil es hier überhaupt nicht um diese Zeitperiode geht. Wir haben schon in Kapitel 9 deutlich gesehen, dass die „Zeit der Kirche“ (oder die „Haushaltung der Gnade“) hier völlig übersprungen wird. Sie ist nicht Gegenstand der Prophetie (und schon gar nicht im Alten Testament). Vers 36 spricht davon, dass der „Zorn vollendet“ sein wird. So etwas suchen wir in der Haushaltung der Gnade vergebens. Das Neue Testament spricht von der Langmut Gottes, die jetzt andauert. Der Zorn Gottes ist etwas Zukünftiges. Er wird sich nach der Entrückung der Gläubigen über diese Erde ergießen.
  3. Andere Ausleger sind der Auffassung, dass es sich zwar nicht um den historischen „König des Nordens“ (Antiochus IV.) handelt, sondern um den, den er vorschattet, den „König des Nordens“ in der Endzeit, das „kleine Horn“ aus Daniel 8. Dies kann jedoch aus mindestens drei Gründen nicht der Fall sein. Erstens wird dieser König ein Jude sein – was auf den „König des Nordens“ nicht zutrifft. Zweitens lesen wir in Vers 40 ausdrücklich, dass der „König des Nordens“ – ebenso wie der König des Südens – „gegen ihn anstürmen“ wird. Gemeint ist der König, der in den Versen 36–49 beschrieben wird. Es wäre ein Widerspruch in sich, wenn der König des Nordens gegen sich selbst kämpfen würde. Drittens weicht die Beschreibung des „kleinen Horns“ in Kapitel 8 deutlich von der Beschreibung in Kapitel 11 ab.
  4. Wieder andere Ausleger sehen in dem hier beschriebenen König einen Hinweis auf den kommenden römischen Weltherrscher, den wir als das „kleine Horn“ in Daniel 7 gefunden haben. In der Tat stimmen einige der Merkmale in Daniel 11 mit dem überein, was wir in Offenbarung 13,1–8 über diesen Menschen lesen. Dennoch gibt es gute Gründe, die gegen diese Annahme sprechen. Der Grund ist wieder, dass der römische (europäische) Diktator kein Jude, sondern ein Mann aus den Nationen sein wird. Offenbarung 13,1 nennt ihn ausdrücklich das „Tier aus dem Meer“ (ein Hinweis auf das Völkermeer, aus dem er aufsteigt). Zweitens spricht Kapitel 11 an keiner Stelle von dem vierten – dem Römischen – Weltreich, sondern konzentriert sich auf die Geschichte Israels in Verbindung mit den Königen aus dem Norden (Syrien) und dem Süden (Ägypten). Darum geht es dann auch weiter ab Vers 40. Es wäre wenig sinnvoll, hier plötzlich über den römischen Weltherrscher zu schreiben. Drittens finden wir keinen Hinweis an einer anderen Stelle, dass der König des Nordens gemeinsam mit dem König des Südens gegen die Führung Europas kämpft und die Länder Europas „überschwemmt und überflutet“.

Der König – wer er ist

Es ist bemerkenswert, dass es zu Beginn der christlichen Zeit keinen Zweifel daran gab, wen dieser König darstellt. Obwohl nicht gesagt wird, woher er kommt, hat man diesen „König“ mit dem kommenden „König der Juden“ identifiziert, den wir aus dem Neuen Testament – aus den Schriften von Johannes – am besten unter seiner Bezeichnung „Antichrist“45 kennen. Das Alte Testament bezeichnet ihn auch an anderen Stellen als einen „König“ (vgl. Jes 30,33; 57,9).

Bisher war von dieser Person im Buch Daniel nicht direkt die Rede. Er ist – zusammen mit dem „Tier aus dem Meer“ (dem römischen Weltherrscher) und dem „König des Nordens“ (dem Assyrer) – einer der Protagonisten kommender Ereignisse in der Zeit des Endes. Wie bereits bei anderer Gelegenheit erwähnt, muss man diese Personen sorgfältig unterscheiden. Ein Vergleich der Beschreibungen in Daniel 7 (Tier aus dem Meer), Daniel 8 (König des Nordens) und Daniel 11 (Antichrist) zeigt deutlich, dass sich diese drei in ihrem Ursprung, ihrem Charakter und ihrem Handeln stark unterscheiden. Gemeinsam ist ihnen, dass sie sich mit aller Kraft gegen Gott, seinen Christus und sein Volk wenden.

„König“ ist eine der vielfältigen Bezeichnungen dieses Mannes in der Bibel46 und zeigt uns seinen politischen Charakter. Er ist ein Führer in Israel, der Macht ausübt und unter dessen Willen sein Volk sich beugen muss. Er handelt jedoch nicht autonom. Er bekommt seine Macht direkt von Satan und wird sie in enger Kooperation mit dem römischen (europäischen) Weltherrscher ausüben.

Der Herr Jesus selbst sagt von diesem Mann: „Ich bin in dem Namen meines Vaters gekommen, und ihr nehmt mich nicht auf; wenn ein anderer in seinem eigenen Namen kommt, den werdet ihr aufnehmen“ (Joh 5,43).

Die Merkmale, die in diesen Versen von ihm genannt werden, stimmen mit dem überein, was das Neue Testament über ihn sagt (besonders 2. Thes 2,3–12 und Off 13,11–18). Der große Unterschied liegt darin, dass Daniel diesen „König“ in seiner Verbindung mit dem jüdischen Abfall zeigt, während wir ihn im Neuen Testament darüber hinaus in seiner Beziehung zum Christentum sehen. Johannes fasst beides zusammen. Er schreibt: „Wer ist der Lügner, wenn nicht der, der leugnet, dass Jesus der Christus ist? Dieser ist der Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet“ (1. Joh 2,22). Als abgefallener Jude leugnet er den Gesalbten Gottes (Christus oder Messias). Als abgefallener Christ leugnet er den Vater.

Das liefert ein weiteres Argument dafür, dass wir uns hier in der Endzeit befinden. 2. Thessalonicher 2,5–7 macht klar, dass dieser „König“, der „Mensch der Sünde“ und „Sohn des Verderbens“ erst auftreten kann, wenn die Gläubigen entrückt sind und der Heilige Geist nicht mehr auf der Erde ist. Erst danach wird er offenbar werden und seine Schreckensherrschaft über Israel ausüben und nach seinem eigenen Gutdünken herrschen.

Dieser König wird dem Volk der Juden angehören. In Offenbarung 13 wird er „das Tier aus der Erde“ genannt (die Erde steht symbolisch für Israel). Ob er wie der wahre König Israels aus dem Haus David ist, wissen wir nicht. Es ist sogar denkbar, dass er nicht einmal direkt aus dem Stamm Juda kommt. Es gibt Ausleger, die ihn unter Bezugnahme auf den Segen Jakobs mit dem Stamm Dan in Verbindung bringen. Jakob spricht davon, dass Dan sein Volk richten wird und dass er wie eine Schlange am Weg und wie eine Hornotter am Pfad sein wird, die in die Fersen des Rosses beißt (1. Mo 49,17). Dan war außerdem der Stamm, der den Götzendienst in Israel einführte (Ri 18,30). Außerdem fehlt in der Auflistung der Stämme Israels in Offenbarung 7,4–8 der Stamm Dan. Das alles könnte ein Hinweis auf die Herkunft des Antichrists sein. Sicher ist jedoch nur, dass er aus dem Geschlecht Abrahams stammt, d. h. ein Israeli ist.

Der König – seine Merkmale und Taten

Der König wird nun in seinen Merkmalen und Handlungen beschrieben. A. C. Gaebelein schreibt, dass Gott uns hier eine „Photographie“ dieses Mannes gibt.47 Was von ihm gesagt wird, steht in einem krassen Gegensatz zu dem, was von dem wahren „König“ – unserem Herrn Jesus – gesagt wird. So wie dieser Mann hier beschrieben wird, kann er nur direkt von Satan inspiriert sein. J. N. Darby sagt über ihn: „In der Tat, dieser böse Mensch wird in seiner Person jedes Merkmal der Gottlosigkeit vereinigen.“48 H. Rossier merkt an: „Das Verderben hat ihn sozusagen geboren: Er ist ein unmittelbares Produkt der Hölle und wird in das Verderben zurückkehren, aus dem er gekommen ist.“49

Insgesamt werden sieben Punkte genannt:

  1. Er wird nach seinem Gutdünken handeln: Dieser Punkt steht nicht ohne Grund an erster Stelle. Der kommende König wird nicht nach Gottes Willen oder dem Willen irgendjemand anderes fragen, sondern das tun, was ihm gut und richtig erscheint. Er handelt in völliger Unabhängigkeit und kennt als Maßstab seines Handelns nur seinen eigenen Willen. Der Eigenwille ist schon immer das Grundprinzip der Sünde gewesen. So fing es im Garten Eden an und hier findet es seinen Höhepunkt. Weil der König kein Gesetz über sich anerkennt, wird er „der Gesetzlose“ genannt (2. Thes 2,8). Wenn ein Mensch so handelt, kann das Endergebnis nur Tod und Verderben sein.
    Der Kontrast zu dem wahren Messias ist markant. Der Herr Jesus suchte als Mensch auf dieser Erde immer den Willen seines Vaters. Er wollte nicht seinen eigenen Willen tun, sondern den Willen dessen, der Ihn gesandt hatte. Das war seine Speise und sein Wohlgefallen (Joh 4,34; 5,30; 6,38). Er war gehorsam bis zum Tod (Phil 2,8).
  2. Er wird sich erheben und groß machen: Wenn der eigene Wille ungebremst ausgelebt wird, übertritt der Mensch irgendwann alle Grenzen. Deshalb wundert es uns nicht, dass der König sich erhebt und groß macht, und zwar über „jeden Gott“ und „über alles“. Er wird jede Autorität nicht nur ablehnen, sondern sich gegen sie erheben.
    Unabhängigkeit und Selbsterhebung sind eng miteinander verbunden. Beides kennzeichnete den Fall der ersten Menschen im Paradies. Sie handelten unabhängig von Gott und wollten  sein wie Er. Hier geht es deutlich weiter: Dieser Mensch der Sünde will nicht nur sein „wie Gott“, sondern er erhebt sich „über jeden Gott“. Er ist die Inkarnation und Manifestation alles Bösen im Menschen, und das ohne Grenzen. Die Parallele zu 2. Thessalonicher 2,4 ist deutlich: „... der widersteht und sich erhöht über alles, was Gott heißt oder verehrungswürdig ist, so dass er sich in den Tempel50 Gottes setzt und sich selbst darstellt, dass er Gott sei“. Damit soll jede Erinnerung an den wahren Gott ausgelöscht werden.
    Die Selbsterhöhung richtet sich gegen „jeden Gott“51 und gegen den „Gott der Götter“. „Gott der Götter“ ist im Alten Testament eine Bezeichnung für den Herrn, den allein wahren Gott (5. Mo 10,17; Jos 22,22; Ps 136,2).52
    Der Kontrast zu dem wahren Messias ist erneut augenscheinlich. Philipper 2 zeigt eindrucksvoll, dass der Herr Jesus in Gestalt Gottes war und es deshalb nicht für einen Raub achtete, Gott gleich zu sein. Trotzdem machte Er sich selbst zu nichts und nahm Knechtsgestalt an. Mehr noch: Er erniedrigte sich selbst, indem Er gehorsam wurde bis zum Tod (Phil 2,6–8).
  3. Er wird Erstaunliches reden: Der König wird den Mund gegen den wahren Gott öffnen und gegen Ihn reden. Gemeint ist, dass er Gott lästern und böse Dinge gegen Ihn sagen wird. Menge übersetzt hier: „Er wird ... unerhörte Reden führen.“ Gotteslästerung ist ein weiteres Merkmal dieses Mannes. Er wird Dinge gegen Gott äußern, die bisher kein Mensch zu sagen gewagt hat. Es ist ein Merkmal, das auch das erste Tier aus dem Meer – den europäischen Herrscher – kennzeichnen wird (vgl. Off 13,1). Gleichzeitig wird er – obwohl es hier nicht ausdrücklich gesagt wird – diejenigen verfolgen, die treu zu ihrem Gott stehen.
    Erneut denken wir an unseren Herrn. Er hat als Mensch auf dieser Erde immer wieder seinen Mund geöffnet. Was immer Er gesagt hat, war nie gegen Gott gerichtet, sondern gerade das Gegenteil: Er sagte das, was Gott Ihm zu sagen gab und was seinen Gott verherrlichte.
  4. Er wird Gelingen haben: Offensichtlich wird dieser „König“ für eine gewisse Zeit erfolgreich sein.53 Er wird die politische Macht u. a. dadurch festigen, dass er einen Pakt mit dem römischen Weltherrscher schließt (vgl. Dan 9,27). Außerdem scheint dieser Mann über große rhetorische Fähigkeiten zu verfügen, so dass es ihm gelingt, viele Menschen zu verführen und für sich zu begeistern. Doch der Erfolg ist nicht von Dauer. Die Dauer seines Gelingens ist von Gott begrenzt. Gott lässt ihn gewähren, jedoch nicht ohne seinem Treiben ein Ende zu setzen. Das gilt für jeden Regenten dieser Erde. Die Dauer ihrer Herrschaft – die der Gewalt- und Schreckensregenten eingeschlossen – ist immer von Gott begrenzt. Gott lässt Böses zu, gleichzeitig setzt Er ihm seine Grenzen.
    Das Ende dieses „Königs“ wird hier nur angedeutet (vgl. dazu Jes 30,33; 2. Thes 2,8; Off 19,20;). Hier heißt es: „bis der Zorn vollendet“ und „das Festbeschlossene“ vollzogen ist. Die Ausdrücke „Zorn“ und „Festbeschlossenes“ haben wir bereits in Kapitel 8,19 und 9,26.27 erklärt. Der Zorn ist der berechtigte Zorn Gottes gegen Israel. Seit der Ablehnung und Kreuzigung ihres Messias liegt Gottes Zorn auf diesem Volk, seine Vollendung wird er jedoch erst in der Zukunft finden, wenn die große Drangsal kommt. Bis dahin wird Gott nicht zugunsten seines Volkes eingreifen – auch nicht zugunsten des Überrestes. Das geschieht erst, wenn der Zorn vollendet und das Festbeschlossene vollzogen ist. Das Festbeschlossene ist das endgültige und unausweichliche Gericht Gottes über Israel. Der berechtigte Zorn wird sich dann von Israel abwenden und stattdessen Assur treffen. Davon spricht Jesaja: „Darum, so spricht der Herr, der Herr der Heerscharen: Fürchte dich nicht, mein Volk, das in Zion wohnt, vor Assur, wenn er dich mit dem Stock schlagen und seinen Stab gegen dich erheben wird nach der Weise Ägyptens! Denn noch eine ganz kurze Zeit, so wird der Grimm zu Ende sein und mein Zorn sich wenden zu ihrer Vernichtung“ (Jes 10,24.25).
    Wenn wir an unseren Herrn denken, war es gerade umgekehrt. Er sagte: „Umsonst habe ich mich abgemüht, vergeblich und für nichts meine Kraft verzehrt“ (Jes 49,4). Als Er starb, schien alles vorbei zu sein. Doch es war nicht so. Die Antwort Gottes lautet: „Wenn seine Seele das Schuldopfer gestellt haben wird, so wird er Samen sehen, er wird seine Tage verlängern; und das Wohlgefallen des Herrn wird in seiner Hand gedeihen“ (Jes 53,10). Das wird sich im Tausendjährigen Reich bewahrheiten.
  5. Er wird weder auf den Gott seiner Väter achten noch auf die Sehnsucht der Frauen: Noch einmal wird auf die Respektlosigkeit dieses „Königs“ hingewiesen. Es ist aus seiner Sicht nur konsequent, so zu handeln. „Gott seiner Väter“54 ist ein typisch jüdischer Ausdruck (vgl. 2. Kön 21,22; 2. Chr 21,10; 28,25; 30,19; 33,12). Dieser Regent wird ein Jude sein, der niemals anerkennt, dass der Herr König sein wird „immer und ewig“ (2. Mo 15,18). Die „Sehnsucht der Frauen“ ist ein Hinweis darauf, dass er nicht nur den „Herrn“, sondern zugleich seinen „Messias“ ablehnt. „Sehnsucht der Frauen“ bezieht sich auf den Gegenstand der Sehnsucht. Diese Formulierung erklärt sich in dem tiefen Wunsch der Frauen in Israel, von Gott auserwählt zu werden, um den versprochenen Messias zu gebären.55 Es ist völlig klar, dass der wahre Messias von ihm abgelehnt wird, weil er sich ja selbst als Messias ausgeben wird.
    Wie anders hat unser Herr gehandelt. Er hat stets seinen Vater geehrt und Ihn geachtet. Als die Juden Ihm vorwarfen, einen Dämon zu haben, antwortete er: „Ich habe keinen Dämon, sondern ich ehre meinen Vater“ (Joh 8,49).
  6. Er wird den Gott der Festungen ehren: Die Aussage ist zunächst überraschend, wenn wir bedenken, dass es vorher heißt, dass er sich über jeden Gott erhebt. Wir erkennen, dass in letzter Konsequenz kein Mensch ohne Religion auskommt. Wer sich von dem wahren Gott abwendet, braucht einen „Ersatzgott“. Das gilt selbst für diesen Menschen, der sich selbst zum Gott macht.
    Der „Ersatzgott“ dieses Königs ist der „Gott der Festungen“56 oder der „Gott der Burgen“. Es gibt unterschiedliche Auslegungen dazu. Eine gute Erklärung lautet, dass es sich um eine Art Kriegsgott handelt. Es mag sein, dass damit das Vergöttern der militärischen Macht gemeint ist.57 Es ist klar, dass dieser „König“ seine ganze Hilfe bei der militärischen Macht – dem römischen Reich – sucht. Insofern wäre „Gott der Festungen“ eine andere Bezeichnung für den Herrscher des kommenden römischen Reiches. Diese Erklärung passt insofern gut, weil der Antichrist diesem Herrscher ein Bild machen lässt (vgl. Off 13,14–17). Damit wird er ihn ehren. Es wird jedenfalls ein furchtbarer Götzenkult herrschen. Dieser König wird sich nicht nur selbst in den Tempel Gottes setzen und verehren lassen, sondern er wird gleichzeitig diesen römischen Gewaltherrscher vergöttern lassen.
    Der Herr Jesus hat völlig anders gehandelt. Er nahm keine Ehre von Menschen an, sondern gab alle Ehre seinem Gott. Als Er einmal als „guter Lehrer“ angesprochen wurde, antwortete Er: „Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als nur einer, Gott“ (Lk 18,19).
  7. Er handelt opportunistisch: Das Handeln des „Königs“ ist eng mit dem „Gott der Festungen“ verbunden. Gemeinsam handeln sie gegen die „starken Festungen“. Es ist nicht ganz klar, was damit genau gemeint ist. Menge übersetzt: „In die festen Plätze wird er Kriegsvolk (oder: die Anhänger) des fremden Gottes legen;“ Denkbar ist, dass mit den starken Festungen deren Bewohner gemeint sind. Dann könnte man diese Aussage so interpretieren, dass der „König“ in Israel sehr brutal herrscht. Wer sich ihm entgegenstellt, hat keine Überlebenschance. Wer ihm jedoch folgt und sich ihm unterwirft, wird geehrt. Jedenfalls ist klar, dass es denen gut geht, die ihm Anerkennung und Ehre zollen. Diese wird er belohnen. Darin imitiert er übrigens den Messias. Er nimmt das vorweg, was Christus im Reich tun wird (Jes 40,10; 60,21; 62,11).
    Das „Land“ (ohne weiteren Zusatz) spricht von „dem Land der Verheißung“ (vgl. z. B. 2. Mo 20,12; 5. Mo 4,1), dem Einflussbereich dieses Königs. Es geht um das Land Israel, das Gott gehört. Das macht erneut klar, dass dieser König der „König Israels“ sein wird. Die „Vielen“ sind – wie schon vorher in Kapitel 9,27 und 11,33 – die Masse des Volkes.
    Dieser König handelt nach den Wortes des Herrn Jesus in Johannes 5,44: „Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander nehmt und die Ehre, die von Gott allein ist, nicht sucht?“ Wie anders hat Er gehandelt und wie anders wird Er handeln! Er wird einmal im Reich das Land besitzen und „mit Gewaltigen die Beute teilen“ (Jes 53,12). Das wird nach Recht und Gerechtigkeit erfolgen und nicht auf der Basis von Gewaltandrohung und Korruption.

Eine praktische Anwendung

Es ist klar, dass der Geist Gottes uns hier in eine noch zukünftige Zeit schauen lässt. Was wir hier lesen, betrifft das Volk der Juden in der Zeit des Endes. Dennoch dürfen wir dabei zwei Dinge nicht vergessen, die uns das Neue Testament ausdrücklich sagt: Erstens gibt es heute schon einen „Geist des Antichrist“, der wirksam ist. Johannes schreibt: „Kinder, es ist die letzte Stunde, und wie ihr gehört habt, dass der Antichrist kommt, so sind auch jetzt viele Antichristen geworden; daher wissen wir, dass es die letzte Stunde ist.“ Zweitens spricht 2. Thessalonicher 2,7 nicht nur von „dem Gesetzlosen“ (das ist der Antichrist in Person), sondern von dem „Geheimnis der Gesetzlosigkeit“. Dieses Geheimnis ist heute schon wirksam. Die beschriebenen Merkmale, die in der Zeit des Endes voll entwickelt sein werden, erkennen wir in ihren Ansätzen heute schon deutlich. Die im Verfall begriffene Christenheit zeigt jetzt schon moralisch diese Merkmale deutlich auf, während wir – die wahren Christen – die Merkmale unseres Herrn aufzeigen sollen.58

  1. Nach seinem Gutdünken handeln: Die Menschen um uns her leben mehr oder weniger so, wie es ihnen gefällt. Die Gedanken Gottes werden Stück für Stück an die Seite gelegt. Im Gegensatz dazu sollte uns der „Gehorsam Jesu Christi“ kennzeichnen, zu dem wir gebracht worden sind (1. Pet 1,2). Wenn wir stattdessen als Kinder Gottes unseren eigenen Willen tun, zeigen wir – selbst ungewollt – etwas von dem „Geist des Antichrists“ auf. Das ist genau das, was Samuel bei König Saul – einem treffenden Bild des kommenden Antichrist – kritisiert hatte: „Denn wie Sünde der Wahrsagerei ist Widerspenstigkeit, und der Eigenwille wie Abgötterei und Götzendienst“ (1. Sam 15,23).
  2. Sich selbst erheben: Selbsterhebung war immer ein Kennzeichen der Menschen, doch die Arroganz scheint zuzunehmen. Sie ist verbunden mit extremer Respektlosigkeit und sogar Ablehnung Gottes. Für uns gilt stattdessen, die Gesinnung sichtbar werden zu lassen, die unseren Herrn gekennzeichnet hat, der sich selbst „zu nichts“ gemacht hat. Vergessen wir nicht, was unser Herr einmal sagte: „Jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden“ (Lk 14,11).
  3. Erstaunliches reden: Menschen scheuen sich immer weniger, in blasphemischer Weise über Gott zu reden. Äußerungen, die vor wenigen Jahrzehnten noch als Tabu galten, kommen heute leicht über die Lippen. Im Gegensatz dazu soll aus unserem Mund „kein faules Wort“ hervorgehen (Eph 4,29). Was wir reden, soll zur Ehre und Herrlichkeit unseres Gottes sein.
  4. Gelingen haben: Wenn wir aufmerksame Beobachter des Zeitgeschehens sind, stellen wir fest, dass viele gottlose Menschen tatsächlich Erfolg haben. Das war gerade das Problem Asaphs: „Denn ich beneidete die Übermütigen, als ich das Wohlergehen der Gottlosen sah“ (Ps 73,3). Sein Problem löste sich erst, als er in die Heiligtümer Gottes ging und „jener Ende gewahrte“ (Ps 73,17). Das macht uns ruhig, wenn wir an den vermeintlichen Erfolg gottloser Menschen denken. Im Gegenzug dazu hängen unser Gelingen und unser Erfolg davon ab, dem Wort Gottes gegenüber treu zu sein (Jos 1,8).
  5. Keine Ehrfurcht vor dem Gott der Väter und dem Herrn Jesus: Die meisten Leser leben in Ländern, die sich (noch) „christlich“ nennen – obwohl sie es längst nicht mehr sind. Indem man mehr und mehr christliche Werte aufgibt und nur noch eine „Form der Gottseligkeit“ hat (2. Tim 3,5), wirft man selbst Gott und seinen Sohn „über Bord“. Der Geist des Antichrists leugnet den Vater und den Sohn. Das müssen wir nüchtern feststellen. Es ist an uns, in dieser Welt treu zu unserem Gott und Herrn zu stehen und Ihn zu verherrlichen. In einer Welt zunehmender „Gottlosigkeit“ ist es eine zunehmende Herausforderung, „gottselig“ zu leben.
  6. Den Gott der Festungen ehren: Der Mensch kann nicht ohne Religion leben. Wenn man den wahren Gott verlässt, braucht man Ersatz. Die Menschen haben ihn in den modernen Götzen – wie Sex, Gewalt, Geld usw. – gefunden. Wir hingegen werden aufgefordert, dem „lebendigen und wahren Gott zu dienen“ (1. Thes 1,9) und uns vor den Götzen unserer Zeit zu hüten (1. Joh 5,21).
  7. Korruptes Handeln: Korruption und Opportunismus sind Merkmale unserer Zeit. Wer sich vom antichristlichen Zeitgeist mitreißen lässt, kommt scheinbar weiter. Wer sich dagegen stellt, wird zunehmend Probleme bekommen. Die Gnade Gottes unterweist uns immer noch, „... damit wir, die Gottlosigkeit und die weltlichen Begierden verleugnend, besonnen und gerecht und gottselig leben in dem jetzigen Zeitlauf“ (Tit 2,12).

Verse 40–45: Der Angriff des Königs des Nordens

Zur Zeit des Endes

Der Ausdruck „Zeit des Endes“ wird noch einmal gebraucht. Er ist ein wichtiger Schlüssel, um die Ereignisse zeitlich richtig einzuordnen. Es geht um einen Konflikt, der ganz am Ende in Palästina stattfinden wird, wenn der in den Versen 36–39 beschriebene König in Jerusalem regiert. Politisch, militärisch und religiös ist er eine enge Kooperation mit dem römischen Weltherrscher eingegangen. Er weiß um die Bedrohung seines Landes, die ihm besonders von Norden (Syrien) her droht.

Die Problematik der Auslegung dieser Verse liegt jedoch nicht nur in ihrer zeitlichen Einteilung. Es muss eigentlich jedem objektiven Leser klar sein, dass es sich nur um prophetische Ereignisse am Ende der Zeit handeln kann. Umstritten ist vor allem die Frage, wer hier gegen wen kämpft und vor allem, von wem ab Vers 41 die Rede ist. Wiederholt lesen wir von „ihm“ und von „er“, ohne dass direkt gesagt wird, um wen es geht. Dabei ist die Antwort nicht schwierig. Der Textzusammenhang legt nahe, dass der Handelnde in diesen Versen nur der König des Nordens sein kann. Es ist wenig sinnvoll, hier die Aktivitäten des „Antichrists“ zu sehen. Warum sollte er „in das Land der Zierde eindringen“, wenn er dort bereits regiert? Noch weniger sinnvoll ist es, den römischen Weltherrscher als den Handelnden zu identifizieren. Er ist ja ein enger Verbündeter des „Königs“ in Israel und es gibt keinen Hinweis darauf, dass er Israel angreifen würde. Es gibt dennoch einige Ausleger, die dieser falschen Interpretation folgen.

Ebenso strittig ist die Frage, wer hier konkret unter dem „König des Südens“ und vor allem unter dem „König des Nordens“ zu verstehen ist. Erneut scheint die Beantwortung nicht sehr schwierig, wenn man den Textzusammenhang beachtet. Beide feindliche Könige werden vorher im gleichen Kapitel häufig erwähnt. Es macht wenig Sinn, hier plötzlich andere Mächte zu sehen als im ersten Teil des Kapitels. Es mag sein, dass sie Alliierte haben, die sie unterstützen, doch im Kern geht es um die alten Feinde aus der Zeit der syrisch-ägyptischen Kriege. In Verbindung mit Ägypten werden Äthiopien und Libyen genannt. Daraus zu schließen, dass der komplette afrikanische Kontinent in diesen Konflikt involviert ist, scheint in der Tat spekulativ zu sein. Es handelt sich um Alliierte von Ägypten, die sie bei den militärischen Aktionen unterstützen (vgl. Hes 30,4.5).

Gleiches gilt für den „König des Nordens“, der – wie wir aus Daniel 8,24 wissen – nicht durch seine eigene Macht stark sein wird. Gerade deshalb sehen einige Ausleger hier eine größere Macht als das historische Syrien der ersten 35 Verse. Sie wollen in dem „König des Nordens“ die komplette Macht im Norden Israels sehen – den König des äußersten Nordens (Hes 38,15; 39,2 – vermutlich Russland) eingeschlossen. Die Tatsache, dass Hesekiel 38,11.14 von „Ruhe und Sicherheit“ spricht, bringen sie mit der relativen Ruhe der ersten 3 ½ Jahre der letzten Jahrwoche Daniels in Verbindung (1. Thes 5,3). Diese Ansicht ist jedoch nicht haltbar, denn Hesekiel 38,8 sagt ausdrücklich: „Nach vielen Tagen sollst du heimgesucht werden: Am Ende der Jahre sollst du in das Land kommen, das vom Schwert wiederhergestellt ist, das aus vielen Völkern gesammelt ist, auf die Berge Israels, ... und es ist herausgeführt aus den Völkern, und sie wohnen in Sicherheit allesamt.“ Das macht klar, dass der König aus dem äußersten Norden erst dann angreifen wird, wenn alle anderen Feinde gerichtet und das Land „vom Schwert wiederhergestellt ist“. Das wird zu Beginn des Tausendjährigen Reiches so sein. Was in diesen Versen in Daniel 11 beschrieben wird, findet eindeutig zeitlich vor dem statt, was in Hesekiel 38 und 39 vorausgesagt wird.

Der beschriebene Konflikt ist vordergründig und zunächst ein Konflikt zwischen dem König des Nordens und dem des Südens. Damit wird zugleich die Verbindung zu den ersten 35 Versen hergestellt, und es wird klar, warum der Geist Gottes dort ausführlich über die Kämpfe zwischen den Königen des Nordens und des Südens spricht. Sie waren Schatten und Vorbilder dessen, was nun in der Endzeit passiert. In diesem Sinn tragen sie einen prophetischen Charakter. E. Dennett schreibt: „Das Verständnis der Konflikte zwischen diesen beiden in der Vergangenheit ist die Voraussetzung dafür, das zu verstehen, was in der Zukunft geschehen wird.“59

Es wird nicht exakt gesagt, wer hier wann und gegen wen antritt. Die Motive werden ebenfalls nicht mitgeteilt. Scheinbar greift der König des Südens zuerst an. Das ist insofern bemerkenswert, weil wir in Jesaja 30,1–5 lesen, dass es ein Bündnis zwischen Israel und Ägypten geben wird und dass Israel sich – wieder einmal – „unter den Schutz des Pharao“ geflüchtet hat. Wann und wie dieser Bund zustande gekommen ist, wissen wir nicht. Jedenfalls wird er nicht halten. Der „König des Südens“ greift an und es heißt, dass er mit „ihm“ zusammenstoßen wird. Das ist der König in Israel (der Antichrist).

Zeitgleich attackiert der König des Nordens Palästina und wird einen grandiosen militärischen Sieg erringen. Hinter allem steht allerdings Gott, dem auch dann nichts aus dem Ruder läuft. „Und es wird geschehen an jenem Tag, da wird der Herr die Fliege, die am Ende der Ströme Ägyptens, und die Biene, die im Land Assyrien ist, herbeizischen“ (Jes 7,18). Beide Feinde kommen – sicherlich unbewusst – im Auftrag Gottes. Wir haben bereits in Kapitel 8 gesehen, dass Assur eine „Zuchtrute“ in der Hand Gottes ist. Der weitere Verlauf des Kapitels zeigt klar, dass die Könige des Nordens und Südens jedoch keinesfalls Alliierte sind. Sie bleiben Feinde.

Der erste Angriff des Königs des Nordens

Israel hat nicht nur ein Bündnis mit Ägypten geschlossen. Um sich zu schützen, hat der „König“ sich vor allem mit dem römischen Weltherrscher verbunden. In Daniel 9,27 haben wir diesen „festen Bund“ gesehen, den Gott allerdings einen „Bund mit dem Tod“ und einen „Vertrag mit dem Scheol“ nennt. Dieses Abkommen soll sie ausdrücklich vor der Bedrohung aus dem Norden (Syrien) schützen: „Denn ihr sprecht: Wir haben einen Bund mit dem Tod geschlossen und einen Vertrag mit dem Scheol gemacht: Wenn die überflutende Geißel hindurchfährt, wird sie an uns nicht kommen; denn wir haben die Lüge zu unserer Zuflucht gemacht und in der Falschheit uns geborgen“ (Jes 28,15). Gott hat vorausgesagt, dass dieser Bund nicht halten wird: „Und euer Bund mit dem Tod wird zunichtewerden, und euer Vertrag mit dem Scheol nicht bestehen: Wenn die überflutende Geißel hindurchfährt, so werdet ihr von ihr zertreten werden“ (Jes 28,18). Das bewahrheitet sich dann in dem Angriff des „Königs des Nordens“.

Der Feind aus dem Norden kommt mit einer gewaltigen Armee, offensichtlich über Land und über Meer. Der Weg, den die Bodentruppen nehmen, wird in Jesaja 10,28–32 ausführlich beschrieben. Der Angriff scheint plötzlich und unerwartet zu sein. Vor allem ist er erfolgreich. Darauf weisen die Ausdrücke „anstürmen“, „eindringen“ und „überfluten“ hin (vgl. ähnliche Ausdrücke in Jes 8,7.8; 10,22; 28,2.15.17.18; 59,19; Dan 9,27). Bis heute hat der 1948 gegründete Staat Israel fast alle Kriege gegen seine Nachbarn gewonnen, doch dann wird das anders sein.

Es gibt eine Reihe prophetischer Aussagen, die ausführlich von diesem Angriff sprechen. Dazu zählen unter anderem:

  • Jesaja 5,26–30
  • Jesaja 28,14–22
  • Jeremia 4,5–9
  • Joel 2,3–11
  • Sacharja 12,2–4; 14,1.2

Im Zuge dieses Angriffs gegen Israel unterwirft der König des Nordens nicht nur Palästina und Jerusalem, sondern besetzt eine Reihe anderer Länder einschließlich seines Erzfeindes Ägypten. Viele Bewohner Israels werden getötet, andere gefangen weggeführt, und nur ein kleiner Überrest verbleibt in der Stadt. Davon spricht Sacharja 13,8.9: „Und es wird geschehen im ganzen Land, spricht der Herr: Zwei Teile davon werden ausgerottet werden und verscheiden, aber der dritte Teil davon wird übrig bleiben. Und ich werde den dritten Teil ins Feuer bringen, und ich werde sie läutern, wie man das Silber läutert, und sie prüfen, wie man das Gold prüft.“ Für den gläubigen Überrest wird das eine furchtbare Zeit sein.

Obwohl das Volk der Juden sich von Gott abgewandt hat und durch die militärischen Operationen stark in Mitleidenschaft gezogen sein wird, nennt Gott es immer noch das „Land der Zierde“. Diesen Ausdruck hatten wir schon in Kapitel 8,9 gefunden. Es ist Gottes Sichtweise (vgl. Hes 20,6), die sich nicht verändert. Er hat versprochen, dass seine Augen beständig auf dieses Land gerichtet sein werden (5. Mo 11,12).

Der „König“ in Jerusalem wird nicht weiter erwähnt. Es ist denkbar, dass er flieht, um Hilfe bei seinem römischen Verbündeten zu suchen. Er ist der nichtige Hirte, von dem Sacharja spricht: „Denn siehe, ich erwecke einen Hirten im Land: Der Umkommenden wird er sich nicht annehmen, das Versprengte wird er nicht suchen und das Verwundete nicht heilen; das Gesunde wird er nicht versorgen, und das Fleisch des Fetten wird er essen und ihre Klauen zerreißen. Wehe dem nichtigen Hirten, der die Herde verlässt!“ (Sach 11,16.17). Neben der Tatsache, dass Gott ihn sogar „erweckt“, wird der Kontrast zu Christus, dem „guten Hirten“, erneut deutlich. Seine Verhaltensweise ist völlig anders. Er kümmert sich nicht um seine Schafe, sondern verlässt sie in der Not. Dass er sich am Ende nicht mehr in Jerusalem befindet, wird in der Offenbarung deutlich, wo wir ihn – gemeinsam mit seinem Verbündeten aus Europa – in der großen Schlacht von Harmagedon wiederfinden, wo er dann sein Ende findet (Off 19,19.20).

Andere Länder

Nicht nur Israel ist von der beschriebenen Invasion betroffen. Andere Länder werden ebenfalls zu Fall kommen. Dies ist insofern bemerkenswert, weil der König des Nordens vorher mit diesen Ländern kollaboriert hat. Davon spricht z. B. Psalm 83,2–9. Welche Länder das konkret sind, wird nicht gesagt. Es muss sich um Nachbarländer Israels handeln. Konkret erwähnt werden allerdings Edom, Moab und die Vornehmsten der Kinder Ammon. Dieser drei werden in Psalm 83 ebenfalls genannt. Es gibt mindestens zwei Gründe, warum das so ist:

  1. Ein Teil des gläubigen und verfolgten Überrestes wird vorher in diesen Ländern vorübergehend einen gewissen Schutz finden. „Lass meine Vertriebenen bei dir weilen, Moab! Sei ein Schutz vor dem Verwüster!“ (Jes 16,4).
  2. Bei allen drei genannten Völkern handelt es sich um Nachkommen Lots und Esaus. Sie gehören zu den erbitterten Feinden des Volkes Israels von Anfang an. Das war schon bei dem Durchzug durch die Wüste so (4. Mo 20,18; 4. Mo 22; 5. Mo 23,4). Aus Jesaja 11,14 wissen wir, dass Israel selbst diese Länder angreifen und besiegen wird.60 Gott überlässt das Gericht nicht dem König des Nordens: „Und sie werden den Philistern auf die Schultern fliegen nach Westen, werden miteinander plündern die Söhne des Ostens; an Edom und Moab werden sie ihre Hand legen, und die Kinder Ammon werden ihnen gehorsam sein“.61

Der Königs des Nordens in Ägypten

Der Angriff des Königs des Nordens auf Ägypten macht klar, dass die beiden Könige (des Nordens und Südens) durchaus keine Verbündeten, sondern erbitterte Feinde sind. Ägypten wird besiegt und besetzt werden (vgl. dazu Jesaja 19 und 20). Gott wird sie überliefern „in die Hand eines harten Herrn; und ein grausamer König wird über sie herrschen“ (Jes 19,4). Es wiederholt sich, was wir im ersten Teil des Kapitels gesehen haben. Syrer und Ägypter waren historisch gesehen Feinde, sie sind es heute und werden es in Zukunft ebenfalls sein.

Die Kriegsbeute wird beachtlich sein. Die Rede ist von „Gold und Silber und allen Kostbarkeiten Ägyptens“. In Gefolge des Invasors finden sich Libyer und Äthiopier. Diese werden in Hesekiel 38,5 ebenfalls genannt – dort allerdings als Alliierte des Königs aus dem äußersten Norden. Diese Aussage ist nicht ganz einfach zu verstehen, weil wir diese Nationen in Hesekiel 30,15 ebenfalls als Alliierte Ägyptens sehen. Es ist nicht auszuschließen, dass Söldner aus diesen Ländern auf beiden Seiten kämpfen.

Gerüchte aus dem Osten und Norden

Der Aufenthalt in Ägypten wird nur von kurzer Dauer sein. Es kommen Gerüchte auf, die den König des Nordens erschrecken und ihn veranlassen, zügig zurückzukehren. Im ersten Teil des Kapitels hatten wir bereits zweimal gefunden, dass Könige Syriens Ägypten fluchtartig verlassen mussten und ihre Wut dann an den Juden ausgelassen haben. So wird es in der Zukunft wieder sein.

Der Text sagt nicht konkret, um welche Gerüchte es sich handelt. Deshalb müssen wir vorsichtig sein und dürfen nicht der Gefahr erliegen, zu sehr zu spekulieren. Folgende Szenarien sind allerdings denkbar:

a) Gerüchte aus dem Osten: Einige der Völker, die der König des Nordens unterworfen und in denen er eine Besatzungsmacht zurückgelassen hat, werden sich gegen diese auflehnen. Das gilt besonders für die Stadt Jerusalem. Aus Micha 5,4.5 kann man zudem entnehmen, dass der treue Überrest der Juden, der zu Beginn der letzten 3 ½ Jahre nach Moab geflohen ist (vgl. Jes 16,4), kommt und Jerusalem zurückerobert. Moab liegt im Osten, so dass es denkbar ist, dass dies die Gerüchte aus dem Osten sind.

b) Gerüchte aus dem Norden: Etwa zur gleichen Zeit findet der Truppenaufzug in Harmagedon statt (Off 16,16; 19,19). Es wird ein gewaltiger Truppenaufmarsch sein, an dem nicht nur die Heere Europas, sondern sogar Könige von Sonnenaufgang (einige vermuten aus Ländern wie Iran, Pakistan, Indien, China) beteiligt sein werden.62 Sie kommen nach Harmagedon und werden dort von dem Herrn Jesus selbst besiegt und zerschlagen. Das wird im Norden Israels stattfinden und könnte einen Bezug zu den Gerüchten aus dem Norden haben.

Der zweite Angriff des Königs des Nordens

Die Hauptmacht Syriens kehrt jedenfalls voller Wut zurück. Ähnlich wie Antiochus IV. Epiphanes Jahrhunderte vorher Ägypten verlassen musste und seine Wut an den Bewohnern Jerusalems ausließ, ist es hier. Der Text sagt, dass er „in großem Grimm“ auszieht, um viele zu vernichten und zu vertilgen. Die „Vielen“ kann erneut ein Hinweis auf die Masse der Juden sein. Dazu schlägt der König sein Palastzelt zwischen dem Meer (das ist das Mittelmeer) und dem Berg der heiligen Zierde (ein Hinweis auf die Berge Zions) auf.

Für Israel wird das der Höhepunkt der Bedrohung und Drangsal sein. Der König des Nordens füllt das Land mit seinen Truppen und belagert Jerusalem zum zweiten Mal. Die Belagerung selbst wird hier nicht näher beschrieben. Den Bericht finden wir an anderen Stellen. Jesaja 29 berichtet ausführlich darüber. Zunächst wird die große Not derer beschrieben, die sich in der Stadt befinden: „Wehe Ariel, Ariel, Stadt, wo David lagerte! ... Und ich werde Ariel bedrängen, und es wird Seufzen und Stöhnen geben ... Und ich werde dich im Kreis umlagern und dich mit Wachtposten einschließen und Belagerungswerke gegen dich aufrichten“ (Jes 29,1–3). Es wird eine tiefe Bedrängnis herrschen, wenn sie mit der Wut des Feindes konfrontiert werden. Gott demütigt, prüft und läutert den Überrest: „Und erniedrigt wirst du aus der Erde reden, und deine Sprache wird dumpf aus dem Staub ertönen; und deine Stimme wird wie die eines Geistes aus der Erde hervorkommen, und deine Sprache wird aus dem Staub flüstern“ (Jes 29,4). Doch dann kommt die Rettung und das Gericht über die Feinde: „Von dem Herrn der Heerscharen wird sie heimgesucht werden mit Donner und mit Erdbeben und großem Getöse – Sturmwind und Gewitter und eine Flamme verzehrenden Feuers. Und wie ein nächtliches Traumgesicht wird die Menge all der Nationen sein, die Krieg führen gegen Ariel, und alle, die sie und ihre Festung bestürmen und sie bedrängen“ (Verse 6.7). Sacharja 14 bestätigt das. Der Herr selbst wird in der größten Not den bedrängten Juden zu Hilfe kommen – und zwar durch sein Erscheinen in Macht und Herrlichkeit. „Und der Herr wird ausziehen und gegen jene Nationen kämpfen, wie an dem Tag, da er kämpft, an dem Tag der Schlacht. Und seine Füße werden an jenem Tag auf dem Ölberg stehen, der vor Jerusalem im Osten liegt; und der Ölberg wird sich in der Mitte spalten, nach Osten und nach Westen hin, zu einem sehr großen Tal, und die Hälfte des Berges wird nach Norden und seine andere Hälfte nach Süden weichen“ (Sach 14,3.4). Die genannten Nationen sind der König des Nordens und sein Gefolge. Die europäischen Heere sind dann bereits besiegt. Der Herr tritt hier also persönlich in Erscheinung. Es ist seine Offenbarung in großer Macht. „Und dann werden sie den Sohn des Menschen kommen sehen in Wolken mit großer Macht und Herrlichkeit“ (Mk 13,26).

Das Ende des Königs des Nordens

Die erste Belagerung durch den König des Nordens ist ein Gericht Gottes an den gottlosen Juden, die dem falschen „König“ und dem nichtigen „Hirten“ gefolgt sind. Gleichzeitig wird der gläubige Überrest geläutert. Bei der zweiten Belagerung ist es gerade umgekehrt. Dort wird der gläubige Überrest am Ende gerettet und der König des Nordens gerichtet werden und umkommen. Wie er sein Ende findet, wird nicht beschrieben. Es wird lediglich gesagt, dass niemand ihm helfen wird. Dreimal wird im Buch Daniel von dem Ende dieses Gewaltherrschers gesprochen:

  1. In Kapitel 8,25 heißt es, dass er sich „gegen den Fürsten der Fürsten“ auflehnen wird und dann „ohne Menschenhand zerschmettert werden“ wird.
  2. In Kapitel 9,27 kommt der Zeitpunkt, wo „Vernichtung und Festbeschlossenes über das Verwüstete ausgegossen werden“ wird.
  3. In Kapitel 11,45 kommt er zu seinem Ende, ohne dass jemand ihm helfen wird.

Es bewahrheitet sich am Ende, was wir im ältesten Buch der Bibel lesen: „In einem Augenblick sterben sie; und in der Mitte der Nacht wird ein Volk erschüttert und vergeht, und Mächtige werden beseitigt ohne Menschenhand“ (Hiob 34,20). Vorgeschattet wird das übrigens in der Niederlage von Sanherib und seiner übermächtig erscheinenden Armee, als in einer Nacht 185.000 Soldaten starben und man am Morgen nur noch ihre Leichname fand (2. Kön 19,35).

Einen ausführlicheren Bericht über das Ende dieses Feindes finden wir in Jesaja 14,24–27: „Der Herr der Heerscharen hat geschworen und gesprochen: Ja, wie ich es zuvor bedacht habe, so geschieht es; und wie ich es beschlossen habe, so wird es zustande kommen: dass ich Assyrien in meinem Land zerschmettern und es auf meinen Bergen zertreten werde. Und so wird sein Joch von ihnen weichen, und seine Last wird weichen von ihrer Schulter. Das ist der Ratschluss, der beschlossen ist über die ganze Erde; und das ist die Hand, die ausgestreckt ist über alle Nationen. Denn der Herr der Heerscharen hat es beschlossen, und wer wird es vereiteln? Und seine ausgestreckte Hand – wer könnte sie abwenden?“ (vgl. auch Jes 10,33).63

Eine Schlussfrage

Das Ende dieses Kapitels scheint etwas abrupt. Der Faden wird allerdings in Kapitel 12,1 unmittelbar aufgenommen. Die Frage, die am Ende bleibt, ist die nach dem Schicksal des Königs der Juden (des Antichrists). Was geschieht mit ihm? Er wird hier nicht mehr erwähnt. So wie vorher nichts darüber gesagt wurde, wo er herkam, wird jetzt nichts über sein Ende gesagt. Andere Schriftstellen geben darüber Auskunft. Jedenfalls wird er keine Beute des Königs des Nordens werden, sondern der Herr selbst wird ihn richten. Wir sahen bereits, dass er offensichtlich Jerusalem rechtzeitig verlassen kann. Nur so ist es möglich, dass wir ihn in Offenbarung 19,20 gemeinsam mit dem römischen Weltherrscher wiederfinden. Dort lesen wir von seinem Ende, das er mit seinem Verbündeten teilt: „Und das Tier [der römische Weltherrscher] wurde ergriffen und der falsche Prophet [der Antichrist, der „König“ aus Dan 11,36], der mit ihm war, der die Zeichen vor ihm tat, womit er die verführte, die das Malzeichen des Tieres annahmen und die sein Bild anbeteten – lebendig wurden die zwei in den Feuersee geworfen, der mit Schwefel brennt.“ Das stimmt mit 2. Thessalonicher 2,8 überein, wo wir lesen, dass der Herr Jesus ihn „verzehren wird durch den Hauch seines Mundes und vernichten wird durch die Erscheinung seiner Ankunft“ (vgl. Jes 30,33).

So endet der große Konflikt am Ende der Zeit. Die Instrumente Satans sind gerichtet und Satan selbst wird tausend Jahre gebunden sein (Off 20,2).

Fußnoten

  • 1 Smith, H.: Das Buch Daniel
  • 2 Porphyrios war ein namhafter Gelehrter der Antike. Er war außergewöhnlich gebildet und verfasste zahlreiche Bücher zu unterschiedlichen Themen. Er machte sich dabei u. a. als Gegner des Christentums und Bibelkritiker einen Namen. Seine umfangreichen Kampfschriften „Gegen die Christen“ sorgten für Aufsehen. Durch diese Bücher gilt er als einer der Pioniere der historisch-philologischen Bibelkritik.
  • 3 Wie bereits angedeutet, gibt es zu dem einen oder anderen Detail abweichende Ansichten und Interpretationen. Das ändert aber nichts daran, dass diese Verse voller erfüllter Weissagungen sind, die uns die Augen für die vollkommene Weisheit und Einsicht unseres Gottes neu öffnen.
  • 4 Die Kapitel- und Verseinteilung der Bibelbücher ist nicht göttlich inspiriert, sondern später von Menschen hinzugefügt worden. In den meisten Fällen ist das eine sinnvolle Lese- und Studienhilfe. Allerdings zeigt sich an einigen wenigen Stellen – wie z. B. hier –, dass die Einteilung nicht immer glücklich ist.
  • 5 Der Rückgriff auf das erste Jahr von Darius könnte ein Hinweis darauf sein, dass es hier – wie am Ende von Kapitel 9 – erneut Gabriel ist, der zu Daniel spricht. Das muss allerdings nicht zwingend so sein.
  • 6 Diese Schlacht gilt als eine der bedeutendsten Seeschlachten der Antike im Mittelmeer. Einige Historiker betrachten sie als ein zentrales Ereignis, das mitgeholfen hat, die Zivilisationsgeschichte Europas gegen die des Ostens zu behaupten.
  • 7 Es ist durchaus denkbar, dass diese Niederlage in die Zeit zwischen den Ereignissen in Esther 1 und 2 fällt.
  • 8 Das ist ein Beispiel dafür, dass Gott Geschichte anders schreibt, als Historiker es tun würden. Gott setzt die Schwerpunkte anders. Natürlich wusste Er, was in diesen 150 Jahren geschehen würde. Dennoch erachtete Er es nicht für nötig, uns darüber etwas zu schreiben. Gottes Blickwinkel ist eben anders als der eines Historikers. Das müssen wir beim Lesen des prophetischen Wortes immer beachten.
  • 9 Vgl. weiter dazu die Aussagen in den Kapitel 2 und 7.
  • 10 Die Septuaginta übersetzt „König des Südens“ durchweg mit „König von Ägypten“.
  • 11 Vermutlich nach der syrischen Hauptstadt Antiochien.
  • 12 Die Jahreszahlen sind überwiegend der Septuaginta Deutsch, Stuttgart 2009 entnommen. Die Jahresangaben sind nicht immer hundertprozentig nachvollziehbar. In anderen Quellen finden sich leicht abweichende Jahreszahlen (allerdings i. d. R. nicht mehr als ein Jahr Abweichung).
  • 13 Wird im Bibeltext nicht erwähnt.
  • 14 Die letzten genannten Könige regierten zum Teil als Alleinherrscher und zum Teil gemeinsam mit anderen.
  • 15 Wird im Bibeltext nicht erwähnt.
  • 16 Antiochus II. hatte in Kleinasien eine Stadt bauen lassen und sie nach dem Namen seiner ersten Frau benannt. Es handelt sich um die Stadt Laodizea, die im Neuen Testament im Kolosserbrief und in der Offenbarung mehrfach erwähnt wird.
  • 17 Darin mag ein Hinweis liegen, dass der geborene Thronfolger nie an die Macht und Regierung kam. Ihr Sohn wurde – wie sie selbst – ermordet.
  • 18 Hier noch einmal der komplette Vers mit kurzen Erklärungen: „Und nach Verlauf von Jahren [im Jahr 252 v. Chr.] werden sie [Ptolemäus II. und Antiochus II.] sich verbünden [sie schließen ein Abkommen]; und die Tochter des Königs des Südens [Berenike, die Tochter von Ptolemäus II.] wird zum König des Nordens [zu Antiochus II.] kommen, um einen Ausgleich zu bewirken [durch die Ehe]. Aber sie [die Ehe mit Berenike] wird die Kraft des Armes nicht behalten [die Ehe hat keinen Erfolg und Berenike muss fliehen], und er [das kann sich auf Antiochus II. oder auf den Sohn von Berenike beziehen – andere übersetzen hier „auch ihr Nachkomme wird nicht bleiben“] wird nicht bestehen noch sein Arm [seine Macht]; und sie [Berenike] wird hingegeben werden [sie wird ermordet], sie [Berenike] und die sie eingeführt [ihr Gefolge, ihre Getreuen] haben und der sie gezeugt [ihr Vater Ptolemäus II.) und der sie in jenen Zeiten unterstützt hat [Antiochus II., der von Laodike vergiftet wurde].“
  • 19 Dieser Beiname hat seine Ursache vermutlich darin, dass dieser König ägyptische Götter aus dem Reich im Norden nach Ägypten zurückbrachte. Für die Ägypter – die ihren Göttern sehr ergeben waren – war das eine besonders gute Tat.
  • 20 In anderen Quellen wird als Grund der zunehmende Einfluss Roms genannt, d. h. die Römer übten einen gewissen Druck aus, die Heirat zu vollziehen.
  • 21 Andere sprechen davon, dass er bei einem Feldzug im Osten seines Reiches getötet wurde. Die genaue Todesursache bleibt offen.
  • 22 Wenn hier und im Folgenden auf die beiden Bücher der Makkabäer Bezug genommen wird, so sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich dabei nicht um einen Teil des inspirierten Wortes Gottes handelt. Diese Bücher gehören zu den alttestamentlichen Apokryphen (verborgene Schriften). Sie sind von historischem Interesse und gelten – im Gegensatz zu anderen apokryphen Büchern – als historisch relativ genau und damit glaubwürdig. Sie sind jedoch keinesfalls mit den inspirierten Büchern der Bibel auf eine Stufe zu stellen. Sie erhellen den historischen Hintergrund ein wenig, sind jedoch für das Verständnis von Daniel 11 nicht unbedingt erforderlich.
  • 23 Darby, J. N.: The Prophet Daniel (Synopsis of the books of the Bible)
  • 24 Eine Reihe von Auslegern sieht in ihm eher einen Hinweis auf den kommenden Antichrist. In der Tat weist er viele gemeinsame Charakterzüge mit ihm auf. Dennoch ist zu bedenken, dass der Antichrist ein Jude (Israeli) sein wird und kein Syrer (vgl. die Anmerkungen in Daniel 8 zu diesem Thema). Deshalb ist der „König des Nordens“ zuerst ein Hinweis auf den kommenden König des Nordens (siehe Vers 40) und weniger auf den Antichrist (obwohl letztes auch nicht ganz von der Hand zu weisen ist).
  • 25 Diese Titulierung ist tatsächlich als Prägung auf Münzen zu finden, die man gefunden hat. In diesem Punkt erinnert Antiochus IV. tatsächlich an den, der sich in den Tempel Gottes setzt und vorgibt, dass er Gott sei (2. Thes 2,4).
  • 26 Der Ausdruck mag gleichzeitig daran erinnern, dass manche ihn höhnisch „Epimanes“ (den Verrückten) nannten.
  • 27 In Ägypten gab es zu dieser Zeit einen Machtkampf zwischen Ptolemäus VI. Philometor und Ptolemäus VIII. Euergetes II. Antiochus IV. Epiphanes unterstützte den herrschenden Ptolemäus VI. Philometor, allerdings tat er es mit Hinterlist und Tücke. Dieser Interpretation folgend hätte der „Bund“ dann nichts mit den Juden zu tun, sondern wäre eine Vereinbarung, die Antiochus IV. mit seinem ägyptischen Neffen geschlossen hatte.
  • 28 Einzelheiten sind in 2. Makkabäer, 4,7–22 nachzulesen.
  • 29 Menge übersetzt an dieser Stelle: „Raub, Beute und Güter wird er verschwenderisch unter sie verteilen.“
  • 30 Der Beiname „Euergetes“ bedeutet „der Wohltäter“. In der Geschichte ist er gleichzeitig als „Ptolemaios Physkon“, bekannt, was „der Dicke“ bedeutet und auf seine große Leibesfülle schließen lässt.
  • 31 Die erneute Einigung hielt allerdings auch nicht sehr lange, sondern es kam erneut zu Streitigkeiten und Intrigen, die schließlich am Ende dazu führten, dass die Herrschaft geteilt wurde. Doch auch das brachte keinen Frieden. Bis zum Ende gab es Auseinandersetzungen zwischen diesen beiden Königen von Ägypten.
  • 32 Kittim bezeichnete zunächst eine Kolonie auf der Insel Zypern. Wenig später verstand man darunter die Inseln und die Küsten des Mittelmeerraums. Bereits in der Weissagung Bileams ist von Schiffen die Rede, die „kommen von der Küste von Kittim“ (4. Mo 24,24). Es geht um eine Macht im Westen, und das kann nur Rom sein, so wie es die Geschichte bestätigt. Die Septuaginta (griechische Übersetzung des Alten Testamentes) übersetzte „Kittim“ folgerichtig mit „Romaioi“ (die Römer).
  • 33 Das ist die Grundbedeutung des Wortes „heilig“. Was heilig ist, gehört Gott (vgl. 1. Mo 2,3; 2. Mo 13,2).
  • 34 Vgl. Dan 8,11 und die Anmerkungen dort zu dem beständigen Opfer, vgl. 2. Mose 29,38.46.
  • 35 Vgl. dazu die Ausführungen von W. Kelly in: Notes on the Book of Daniel (www.stempublishing.com).
  • 36 Im Neuen Testament ist es – abgesehen von dem Herrn Jesus selbst – Paulus, der Ihn ganz persönlich „meinen Gott“ nennt (2. Kor 12,21; Phil 4,19).
  • 37 Hier ein Auszug (Verse 3–5): „Da ergrimmte der König und gebot, man sollte Pfannen und Kessel über das Feuer setzen. Als man das sogleich getan hatte, gebot er, man sollte dem, der für sie das Wort geführt hatte, die Zunge ausschneiden und die Haut vom Kopf abziehen, wie das die Skythen tun, und Hände und Füße abhauen, und die andern Brüder und die Mutter sollten dabei zusehen. Als er nun so verstümmelt war, ließ er ihn noch lebend zum Feuer bringen und in der Pfanne braten.“ Einige Ausleger sehen diese Glaubenshelden in der Ehrengalerie in Hebräer 11 eingeschlossen (besonders Verse 34–38). Wenn man den Text liest und mit dem vergleicht, was in dieser Zeit in Jerusalem geschah, ist diese Schlussfolgerung naheliegend.
  • 38 Kelly, W.: Notes on the Book of Daniel (www.stempublishing.com)
  • 39 Einige von denen, die es ernst meinten, trennten sich wenig später von diesen Heuchlern und zogen an das Tote Meer. Aus ihnen soll die Qumran-Gemeinschaft entstanden sein, eine jüdische Strömung, deren Identität bis heute nicht genau bekannt ist.
  • 40 Hole, F. B.: Commentary on Daniel (www. biblecentre.org)
  • 41 Es macht wenig Sinn, diese Aussage auf diejenigen zu beziehen, die ihr Leben ließen. Das könnte schnell zu der falschen Lehre führen, dass man nach dem Tod noch etwas an seinem endgültigen Schicksal ändern könnte (z. B. die falsche Lehre der Rettung durch das Fegefeuer). Ähnlich ist die Satzkonstruktion schon in Vers 34. Dort gib es solche, die fallen (also sterben), und andere, denen mit einer kleinen Hilfe geholfen wird. Das sind ebenfalls nicht die Märtyrer, die sterben, sondern diejenigen, die diesen Holocaust überleben.
  • 42 Das ist der historische Hintergrund des „Festes der Tempelweihe“ (auch Lichterfest), das in Johannes 10,22 erwähnt wird. Das Fest wird bis heute jedes Jahr gefeiert. Es ist ein acht Tage dauerndes Fest und beginnt jeweils am fünfundzwanzigsten Tag des Monats Kislew (November/Dezember).
  • 43 Dennett, E.: The Prophet Daniel
  • 44 Vgl. dazu die Bemerkungen zu Kapitel 8,9–14.
  • 45 Anti bedeutet „gegen“ oder „anstelle von“. Beides trifft auf diesen Mann zu. Er ist einer der großen Gegner des Messias und gleichzeitig versucht er, seinen Platz einzunehmen, indem er Ihn imitiert (vgl. Off 11). Dieser Mann ist in jeder Beziehung völlig anders als Christus. Ein größerer Kontrast ist kaum vorstellbar.
  • 46 Andere Bezeichnungen außer „König“ und „Antichrist“ sind „Tier aus der Erde“ (Off 13,11), „Mensch der Sünde“ (2. Thes 2,3), „Sohn des Verderbens (2. Thes 2,3), „Gesetzloser“ (2. Thes 2,8), „nichtiger Hirte“ (Sach 11,17), „falscher Prophet“ (Off 19,20).
  • 47 Gaebelein, A. C.: Daniel, a Key to the Visions and Prophecies of the Book of Daniel
  • 48 Darby, J. N.: Studies on the Book of Daniel (www.stempublishing)
  • 49 Rossier, H.: Entretiens sur la deuxième Épitre aux Thessaloniciens
  • 50 Dieser Tempel hat nichts mit der Versammlung Gottes zu tun, sondern bezieht sich auf den Tempel, der in der Endzeit in Jerusalem stehen wird und auf dem eine Zeitlang Gott Opfer gebracht werden (vgl. Dan 9,27).
  • 51 Gott steht hier in der Mehrzahl und kann deshalb auch mit „Götter“ (oder Götzen) übersetzt werden.
  • 52 Dieser Titel mag uns als Christen auf den ersten Blick fremd erscheinen, doch tatsächlich nennt Gott sich so. Damit wird nicht gesagt, dass es neben Gott andere Gottheiten gibt, die irgendwie anzuerkennen wären. Der Ausdruck zeigt vielmehr die Überlegenheit Gottes über alles, was Menschen sich zum Gott machen.
  • 53 In Kapitel 8 wird dreimal gesagt, dass gottlose Menschen für eine Zeit Gelingen haben (Verse 12.24.25).
  • 54 Gott steht hier erneut in der Mehrzahl. Deshalb übersetzen einige „Götter“ und interpretieren die Aussage so, dass dieser „König“ keinerlei Rücksicht auf religiöse Traditionen nimmt, sondern alles über Bord wirft.
  • 55 Andere übersetzen hier statt „Sehnsucht der Frauen“ „den Liebling der Frauen“ (Züricher) oder „Liebesgott der Frauen“ (Schlachter, Menge). Dabei verweisen sie auf Hesekiel 8,14: „Und er brachte mich an den Eingang des Tores des Hauses des Herrn, das im Norden liegt; und siehe, dort saßen die Frauen, die den Tammus beweinten.“ Dieser Bezug scheint allerdings relativ willkürlich zu sein.
  • 56 Das Wort „Festungen“ kommt insgesamt fünfmal in Daniel 11 vor (Vers 7.10.19.31.39). Es bedeutet „ein stabiler Ort“ oder eine „Schutzwehr“ (Ps 60,9). Hier könnte es zeigen, dass die militärische Macht von dem „König“ vergöttert wird. Er wird alles darauf verwenden, mächtig zu sein, um militärisch operieren zu können. Vers 39 könnte ein Hinweis auf eine solche militärische Operation sein.
  • 57 Dabei kann man auf Habakuk 1,10.11 verweisen: „Und es verspottet Könige, und Fürsten sind ihm ein Gelächter; es lacht jeder Festung, und es schüttet Erde auf und nimmt sie ein. Dann fährt es daher wie der Wind und zieht weiter und macht sich schuldig: Diese seine Kraft ist sein Gott!“
  • 58 1. Timotheus 3,16 spricht im Gegensatz zu dem „Geheimnis der Gesetzlosigkeit“ von einem „Geheimnis der Gottseligkeit“, das wir vollkommen in unserem Herrn offenbart sehen.
  • 59 Dennett, E.: The Prophet Daniel
  • 60 Einige Ausleger mutmaßen, dass Edom ein Hinweis auf Saudi-Arabien sein könnte und Ammon das heutige Jordanien ist. In Bezug auf Edom sagt Gott: „Und ich werde meine Rache über Edom bringen durch die Hand meines Volkes Israel, und sie werden an Edom handeln nach meinem Zorn und nach meinem Grimm“ (Hes 25,14).
  • 61 Wann genau das sein wird, können wir nicht mit Gewissheit sagen. Einige Ausleger gehen davon aus, dass das wiederhergestellte Israel zu Beginn des Reiches dieses Gericht ausübt.
  • 62 Der Sonnenaufgang weist auf den Osten hin. Es ist somit durchaus denkbar, dass die Gerüchte aus dem Osten sich auf diesen Truppenaufmarsch östlicher Nationen beziehen.
  • 63 Dieses Gericht über den König des Nordens ist von dem Gericht zu unterscheiden, das den König aus dem „äußersten Norden“ trifft. Das Gericht über diesen König wird in Hesekiel 39 beschrieben. „Auf den Bergen Israels wirst du fallen, du und alle deine Scharen und die Völker, die mit dir sind; den Raubvögeln jeder Art und den Tieren des Feldes habe ich dich zum Fraß gegeben“ (Vers 4). Das Gericht ist ähnlich, findet aber eine gewisse Zeit später statt und darf deshalb nicht mit dem verwechselt werden, was wir hier vor uns haben.
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