Botschafter des Heils in Christo 1873

Die Abwesenheit und Wiederkunft Christi und die Gegenwart des Heiligen Geistes

Es gibt drei Dinge, welche, wie es mir scheint, den Charakter des Pfades des Christen auf Erden bezeichnen und ihn auf diesem Pfad bilden: 1. der Herr Jesus ist gen Himmel gefahren, 2. der Heilige Geist ist auf die Erde gesandt, und 3. der Herr Jesus wird wiederkommen.

Wenn die Gegenwart oder die Abwesenheit einer Person mich in irgendeiner Weise berühren soll, so muss ich dieselbe vorher kennen gelernt haben; und wenn ich jemanden kennen gelernt habe, der mein Herz zu sich gezogen hat und mir alles geworden ist, so ist die Gegenwart oder die Abwesenheit desselben für mich eine höchst wichtige Tatsache und verleiht meinem Leben seine wirkliche Farbe. Fragen wir uns daher, Geliebte, ob wir den Herrn Jesus insoweit kennen gelernt haben, dass wir Ihn vermissen und nach Ihm verlangen. Das ist eine ernste, feierliche Frage; und ich fühle, dass ein jeder von uns sich tief vor Ihm demütigen muss. Mag der eine und der andere unter uns vielleicht zu gewissen Zeiten auch die Abwesenheit dessen, den wir lieben, in seinem Herzen gefühlt und sich nach Ihm gesehnt haben, aber ach, wie schnell vergessen wir Ihn wieder und fühlen nach allem kaum seine Abwesenheit. Ist das, Geliebte, wie es sein sollte? Warum ist es so bei einem Einzigen, der Ihn kennt?

Doch ich fürchte, dass wenige von uns die Person des Herrn Jesus selbst genügend vor ihrem Herzen haben. Ich erhebe jetzt nicht die Frage, ob wir sein Werk oder vielmehr die für uns daraus entspringenden Resultate kennen. Ihr wisst, dass eure Sünden vergeben sind. Ihr wisst, dass euer Friede gemacht ist. Aber seid ihr auch bekannt mit der Person dessen, welcher alles für euch erfüllt hat? Hat seine Liebe, die sich in dem, was Er für euch getan, enthüllt hat, euch zu einer solchen Erkenntnis seiner selbst als dessen geleitet, der aus Liebe alles für euch geworden ist? „Euch nun, die ihr glaubt, ist die Kostbarkeit“ (1. Pet 2,7).

Es ist in der Tat höchst demütigend für uns, wenn wir bei Betrachtung der Evangelien finden, wie so viele Herzen durch das, was sie in Christus fanden, angezogen wurden, während sie doch, im Vergleich mit unserer Erkenntnis, so wenig von Ihm und seinem Werk zu erkennen vermochten.

Verweilen wir einen Augenblick bei den beiden Jüngern in Johannes 1. – Johannes der Täufer richtete sein Auge auf Jesus, der da wandelte, und von dessen Anblick erfüllt, ruft er wie unwillkürlich: „Siehe, das Lamm Gottes!“ Der Heilige Geist lässt diese kostbaren Worte in die Herzen der beiden Jünger eindringen. Was Christus war, das steht lebendig vor ihrer Seele; und angezogen durch Ihn, trennen sie sich augenblicklich von allem, selbst – was meistens das festeste Band ist – von ihrem Religionslehrer. „Und sie folgten Jesu.“ Sie entdeckten in Jesu das, was ihre Bedürfnisse stillen konnte. Aber der Sohn des Menschen hatte in der Welt, die ganz sein war, nicht „wohin Er sein Haupt legte.“ Sie hatte Ihn verworfen; wird das die beiden Jünger zurückhalten? „Sie blieben jenen Tag bei Ihm;“ sie verknüpften ihr Schicksal mit dem Schicksal dessen, welcher ihnen jetzt alles geworden war. Welch eine köstliche Übereinstimmung mit dem Herzen Gottes, welches seine ganze Wonne in Ihm fand, der sich so tief erniedrigt hatte. Der Heilige Geist hält es der Mühe wert, die Stunde jenes Tages anzugeben, an welchem, inmitten der herzlosen Verwerfung von Seiten der Welt, zwei Herzen dasjenige in Jesu finden, was ihre Gedanken von jedem anderen Gegenstände ablenkte.

Richten wir ferner unsere Blicke auf die am Grab Jesu weinende Maria Magdalena (Joh 20). „Es gingen nun die Jünger wieder heim;“ aber für das Herz Marias gab es da, wo Jesus nicht war, keine Heimat. „Maria aber stand bei der Gruft und weinte draußen.“ Sie weinte, weil sie nicht den Leichnam ihres Herrn finden konnte. Unsere Erkenntnis ist vielleicht geneigt, das arme Weib wegen ihrer Tränen zurecht zu weisen; allein für Christus gibt es etwas Köstlicheres, als Erkenntnis, und das ist ein Herz, welches Ihn liebt. Diese Tränen erzählen Ihm von einer Person, die Ihn auf Erden liebte, und die Ihn vermisste, da Er gestorben war, oder da sie nicht wusste, wo sie Ihn finden konnte. Alle ihre Neigungen knüpften sich an die Stätte, wo sie Ihn hingelegt hatten. Ihren verweinten Augen zeigen sich zwei Engel in weihen Kleidern; aber was sind sie für ein Herz, welches Jesus gekannt hat – sie können nur sagen: „Weib, was weinst du?“

Geliebte! Welchen Platz hat unser auferstandener Herr in unseren Herzen – Er, der uns aus der Herrlichkeit, die ihre Lichtstrahlen auf alles, was Er getan, zurückwirft, offenbart ist? Er hat die Erde verlassen, auf der wir uns jetzt noch befinden. Vermissen wir Ihn? Ich möchte um keinen Preis die Erkenntnis unterschätzen. Nur die Erkenntnis in Betreff des auferstandenen Christus hätte die Tränen Marias trocknen können. Aber halten unsere Herzen und Gewissen gleichen Schritt mit unserer Erkenntnis? Nichtsdestoweniger bedarf es eines Zustandes, und zwar in Verbindung mit der Erkenntnis dessen, was Er für uns getan hat, um fähig zu sein, Christus zu lieben und mithin Ihn hienieden zu vermissen. Wir müssen befreit sein, um uns in der rechten Weise mit Gott beschäftigen zu können. Dieses würde eine Unmöglichkeit sein, wenn es sich nur um unsere mit Gott geordneten Interessen bezüglich der Ewigkeit handelte. Aber gerade, wenn Christus als der erkannt ist, welcher unsere Sünden getragen und sie hinweggenommen, hat, dann ist es ein unabweisbares Bedürfnis, dass das Herz für Christus völlig in Freiheit gesetzt sei, nämlich, dass wir wissen, wie Gott mit der Natur der Sünde in uns gehandelt hat.

Christus hat uns nicht nur „geliebt und uns von unseren Sünden gewaschen in seinem Blut.“ sondern auch „Gott hat Ihn, der Sünde nicht kannte, für uns zur Sünde gemacht“, so dass Er eben sowohl über alles, was ich bin, wie auch über alles, was ich getan habe, Gericht ausgeübt hat. Er hat mich verurteilt, gerichtet und gekreuzigt. In Betreff der „Sünde im Fleisch“ ist für den Gläubigen in dem Kreuz Christi vor Gott ein völliger Abschluss gemacht worden. Er kann sagen: „Ich bin mit Christus gekreuzigt“ (Gal 2,20). Bevor er dieses erkennt, wird er unaufhörlich bemüht sein, das Fleisch zu veredeln und zu verbessern; allein dieses ist unmöglich; und das Resultat wird sein, dass, je ernster und aufrichtiger seine Anstrengungen sind, desto klarer sich sein Elend herausstellen wird. „Ich elender Mensch! Wer wird mich retten von diesem Leib des Todes?“ (Röm 7,24) – das wird, unter der Leitung der Barmherzigkeit des Herrn, der Notschrei seiner Seele sein. Allein bevor ich sehe, dass der alte Mensch in dem Gericht des Kreuzes vor Gott beseitigt ist, und dass ich mich, hervorgegangen aus diesem Gericht, in dem zweiten Adam, Christus, befinde und das Fleisch zwar in mir ist, ich aber nicht mehr in dem Fleisch bin – wird mein Ich und nicht Christus der Gegenstand meines Anschauens sein.

Die Art und Weise, wie Gott uns von allem, was sich sonst zwischen uns und Christus stellen würde, befreit hat, gibt unseren Neigungen volle Freimütigkeit, um Ihm nachzufolgen. All meinen Bedürfnissen ist durch Christus völlig begegnet worden, so dass ich jetzt beschäftigt sein kann, Ihn zu betrachten, der ihnen begegnet ist. Er hat uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben, und jetzt rechnet Er darauf, dass unsere Herzen Ihm gewidmet seien.

Hören wir seine Worte in Johannes 14: „Euer Herz werde nicht bestürzt, auch nicht furchtsam ... Ich gehe hin und komme zu euch“ (V 27–28). O Geliebte! hat seine Abwesenheit uns je eine Träne gekostet? Nur in dem Maß wir die Trauer seiner Abwesenheit gefühlt haben, vermögen wir in die Anordnungen einzutreten, welche Er während Er hingegangen ist, um uns das Haus des Vaters zu öffnen – zu unserem Trost getroffen hat, indem wir sowohl aus seinem Mund die Verheißung seiner baldigen Wiederkunft vernehmen, als auch uns der Gabe des Heiligen Geistes erfreuen, der uns in den wunderbaren Kreis göttlicher Vertraulichkeit gezogen hat, so dass wir unseren Herrn in einem Grad kennen lernen können, wie wir Ihn auf Erden nimmer erkannt haben würden.

Und in diesem Sinn haben wir auch sein Abendmahl (1. Kor 11,23–26) zu betrachten. Lauschen wir auf jene Stimme, welche, sich an Paulus aus der Herrlichkeit wendend, uns zu erkennen gibt, was wir selbst dort für Ihn sind. Er kann es nicht ertragen, von denen vergessen zu sein, welche Er auf Erden bis ans Ende liebt. Wir müssen in Wahrheit bekennen, dass unsere Herzen wertlos sind. Aber dennoch trägt Jesus Sorge für sie; Er ist gestorben, um sie für sich zu haben, und rechnet jetzt auf unser Andenken an Ihn, indem Er seiner Gemeinschaft mit uns in der süßesten Weise Ausdruck gibt. Wenn das Abendmahl des Herrn irgendeine Bedeutung hat, so kann es, indem wir daran Teil haben, keine andere sein, als dass wir dadurch ausdrücken, wie sehr wir Ihn lieben und wie sehr wir Ihn vermissen in einer Welt welche Ihn verworfen hat. Er selbst bekleidet dasselbe gerade mit diesem Charakter, indem wir lesen: „So oft ihr dieses Brot esst und den Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt“ (V 26).

Wir erblicken hier, so zu sagen, die Gewänder der trauernden Kirche auf einem Platz, welcher für sie durch den Tod Christi verödet worden ist, und auf welchem sie, indem sie an einer Stätte weilt, die in dem Kreuz und dem Grab des Herrn ihren Charakter verrät, für ihr Herz keine Ruhe findet. Wir erblicken Ihn durch Glauben in der Herrlichkeit und haben dort in Gemeinschaft mit Ihm unsere Ruhe gefunden; aber dieses lasst seine Verwerfung von Seiten der Erde, sowie das Kreuz, durch welches die Welt, die wir durchschreiten, uns gekreuzigt ist und wir der Welt gekreuzigt sind, nur umso schärfer fühlen. „Hinweg mit diesem! Kreuzige, kreuzige ihn!“ schallt es in unsere Ohren. Es ist das Gericht der Welt; und jedes Band, welches uns mit derselben verknüpfte, ist durchbrochen. Hinfort charakterisiert das Kreuz – der Tod Christi – Den, welcher Ihn liebt. Wir wenden unsere Herzen ab von dem verdorbenen Platz, wir entfernen uns im Geist soweit als möglich davon, indem wir nach einem vollkommenen Einssein mit Ihm in seiner Verwerfung suchen, als dem besten und herrlichsten Teil, welches Er uns in einer solchen Welt geben konnte. Es ist dieses nicht das Vorrecht eines geförderten Christen, sondern das, was Christus von jedem Herzen erwartet, welches Ihn kennt.

Wohlan – Er hat den Platz der Sünde und des Verderbens verlassen, und die geöffneten Himmel zeigen uns Ihn, dem die Erde einen Platz verweigert, als Mensch bis zur höchsten Höhe himmlischer Herrlichkeit erhoben. Und da Er Gott bezüglich jeder Frage der Sünde auf Erden verherrlicht hat, so hat Er sich dadurch in den Stand gesetzt, uns in seiner unmittelbaren Nähe einen Platz zu geben; und wie wohl wir noch eine kleine Zeit die Stätte seiner Verwerfung durchschreiten, so sind wir doch nicht trostlos in der Wüste zurückgelassen.

Dieses leitet uns zu der zweiten Sache, die den Pfad des Christen bildet. Gott, der Heilige Geist, ist hienieden. Und wenn wir an unsere Herzen die Frage gerichtet haben, welche Wirkung die Abwesenheit Christi auf sie ausgeübt habe, so erheben wir jetzt die feierliche Frage: „Was für ein Gefühl haben wir von der Gegenwart des Heiligen Geistes, dieses anderen Sachwalters?“ Ich spreche hier nicht von dem Werk des Heiligen Geistes in erneuerten Seelen, sondern von der Gegenwart einer göttlichen Person hienieden, von welcher Jesus sagt: „Den die Welt nicht kann empfangen, weil sie Ihn nicht sieht, noch Ihn kennt. Ihr aber kennt Ihn; denn Er bleibt bei euch und wird in euch sein“ (Joh 14,17). Dieses konnte nur nach der Verherrlichung des Sohnes des Menschen zur Rechten Gottes stattfinden; denn vor seiner Himmelfahrt konnte nur gesagt werden: „Der Geist war noch nicht, weil Jesus noch nicht verherrlicht worden war;“ (Joh 7,39) und die Anwesenheit des Heiligen Geistes– in der Welt ist seitdem das Zeugnis jener Verherrlichung gewesen.

Von welch großer Tragweite ist diese Wahrheit in Bezug auf unseren Pfad, Geliebte! Der Herr hat sogar gesagt: „Es ist euch nützlich, dass ich hingehe; denn wenn ich nicht hingehe, wird der Sachwalter nicht zu euch kommen; wenn ich aber hingehe, so will ich Ihn zu euch senden“ (Joh 16,7). Aber ach! wie traurig ist es zu finden, dass der größte Teil der Christen, in Betreff der praktischen Anerkennung der Anwesenheit des Heiligen Geistes hienieden, kaum weiß, dass irgendein Heiliger Geist existiert. Tausende von ernsten Leuten stehen um sein Kommen, als ob der Herr achtzehn hundert Jahre hindurch seine Verheißung vergessen, oder Ihn, wenn auch gesandt, wieder von ihnen genommen habe, im Widerspruch mit seinem Wort: „Er wird bei euch bleiben in Ewigkeit.“

Geliebte! Welche Gefühle haben wir in unseren Seelen in Bezug auf die Gegenwart Gottes des Heiligen Geistes – als dessen, welcher uns verbindet mit Christus, wo Er ist, und welcher – in Übereinstimmung mit den Worten: „An jenem Tag werdet ihr erkennen, dass ich in meinem Vater bin, und ihr in mir und ich in euch“ – die Stätte der Herrlichkeit zu unserem trauten Daheim macht, nachdem das Kreuz die Erde für uns zu einer Einöde gemacht hat? Was fühlen wir in Betreff seiner, der unser ganzes Interesse – unsere Freude und unsere Trauer – zu dem Seinen macht, indem Er einerseits die süßen Gefühle des Herzens weckt und die Kraft der Stimme des Lobes ist, und andererseits sich unserer Schwachheit annimmt und für uns in unaussprechlichen Seufzern bittet? Was denken wir von Ihm, der, nachdem Er uns mit Christus in der Herrlichkeit vereinigt hat, das Siegel Gottes uns aufdrückt und unsere Leiber auf Erden zu seinem Tempel macht? – von Ihm, dessen Erstlinge wir haben und darum, indem wir die Wüste durchschreiten, „in uns selbst seufzen, erwartend die Sohnschaft, die Erlösung unseres Leibes?“ – von Ihm, der Macht des Lebens aus Gott, welches, zu seiner Quelle und Höhe in Ihm emporsteigend, ebenfalls in uns zu einer Quelle Wassers wird, das in das ewige Leben quillt?

O Geliebte! Lasst uns nicht vergessen, es ist eine Wirklichkeit, dass der Heilige Geist auf die Erde herniedergekommen ist und in uns wohnt! Er brachte uns die herrlichsten Nachrichten von unserem gen Himmel gefahrenen Herrn, der unsere Herzen für sich gewonnen hat. Jetzt empfängt Er die Dinge Christi und verkündet sie uns, um uns mit jedem Augenblick noch fester an Ihn zu fesseln. Er ist nicht gekommen, um Christus aus unseren Herzen zu verdrängen oder einen anderen Gegenstand darin zur Schau zu stellen, sondern um sie mit dem einen, den wir besitzen, auf das innigste zu vereinigen. Wünschen unsere Herzen zu verweilen auf einem Schauplatz, von welchem uns der Heilige Geist abruft, um bei Jesu zu weilen? Rebekka war augenblicklich bereit, das Vaterhaus zu verlassen, um zu Isaak geführt zu werden; und wenn wir ihr gleichen, so werden wir keinen Moment in etwas einwilligen können, dessen Macht uns mit einem Platz verbinden könnte, auf dem unser Bräutigam nicht zu finden ist. Wir werden zu Ihm eilen, welchen wir lieben, wiewohl wir Ihn nicht sehen, und wiewohl die Wüste noch Zwischen uns liegt. Auf dem Weg – mag er lang oder kurz sein – wird der Heilige Geist unser Begleiter sein und uns, wenn wir Ihn nicht hindern, ohne Unterbrechung mit Christus beschäftigen.

Ach, wie oft verlieren wir dieses aus dem Auge! Aller Trost während der Abwesenheit Jesu fließt für uns aus der Gegenwart des Heiligen Geistes. Wie oft aber betrüben wir Ihn und berauben uns dadurch des Genusses der reichen Anordnungen der Liebe unseres Herrn. Nur zu oft ist das an uns gerichtete Zeugnis Christi durch die Zulassungen unseres Fleisches verhindert; und der Heilige Geist ist dann gezwungen, den erwachten Neigungen entgegen zu treten, wodurch Tage und Wochen verloren gehen, ohne je wieder zu kehren. O Geliebte! Möchte doch unser Auge auf Christus geheftet und unser Ohr nur für seine Stimme geöffnet sein! Möchten doch unsere äußeren Wege Ihn offenbaren und die inneren Bewegungen des Herzens durch sein Wort gebildet sein, damit wir nicht so leichtfertig den in uns wohnenden Geist betrüben und die ganze Kraft unseres gegenwärtigen Segens verhindern!

Und dann – abgesehen von der persönlichen Segnung, welche aus der Gegenwart und Wirkung des Heiligen Geistes hervorgeht – erblicken wir das „Haus Gottes“, „in welchem auch ihr mit aufgebaut werdet zu einer Behausung Gottes in dem Geist“ (Eph 2,22). Insoweit der Mensch zum Bau beauftragt war (1. Kor 3), hat er in der schrecklichsten Weise gefehlt und alle Arten von Verderbnis zugelassen; aber Gott harrt in Langmut durch seinen Geist auf Erden darin, wenn gleich ein Mensch sich von allem reinigen muss, was seiner Gegenwart nicht geziemt und seine Freude trübt. Aber, Gott sei gepriesen! inmitten des äußeren Bekenntnisses und außer dem Bereich der verderbenden Hand des Menschen gibt es noch etwas überaus Kostbares, und das ist der durch den Heiligen Geist gebildete Leib Christi. „Denn auch in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft ... und sind alle zu einem Geist getränkt“ (1. Kor 12,13). das ist das Band, welches alle Heiligen auf Erden mit ihrem Haupt im Himmel und unter einander verbindet, und zwar trotz allem, wodurch Satan sie für eine kleine Zeit scheinbar getrennt hat. Aber, Geliebte, ist dieses Band nur vorhanden, um es als unser Vorrecht und als unsere Freude zu kennen? Sicher, eine solche Wahrheit hat ihre praktische Verantwortlichkeit; und in Epheser 4,1–3 werden wir an dieselbe ernstlich erinnert, wenn wir lesen: „Euch befleißigend, die Einheit des Geistes zu bewahren in dem Band des Friedens.“ In wie weit haben wir diese Verantwortlichkeit anerkannt und uns mit allem, was wir sind und haben, durch die Gnade gedemütigt?

Wenige – selbst abgesehen von denen, die in den verschiedenen Vereinen und Parteien diese Wahrheit verleugnen – mögen Herz und Mut haben, einen solchen Pfad zu wandeln; aber alle, welche dieser Wahrheit folgen, erfahren die Kraft der Worte des Herrn: „Wenn zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, bin ich in ihrer Mitte.“ Und was bedürfen wir mehr zu unserer Freude bis zu dem Augenblick, wo wir Ihn von Angesicht zu Angesicht sehen werden? Dazu hat Er uns auch während seiner Abwesenheit nicht ohne die nötigen Gaben zu unserer Auferbauung gelassen. Mögen auch die Gaben der Sprachen und Wunder – diese Offenbarungen der Gegenwart des Heiligen Geistes gegenüber den Ungläubigen – nicht mehr vorhanden sein, so ist doch das Kostbarste und Notwendige für die Heiligen geblieben; denn der Geist ist noch immer hier, „Jeglichem insbesondere austeilend, wie Er will“ (1. Kor 12,11). Und wiederum frage ich: Erkennen wir dieses alles an, oder begnügen wir uns noch mit dem, was der Mensch an den Platz des Heiligen Geistes gestellt hat?

Aber ich verlasse einen Gegenstand, der für unseren Wandel als Christen von so außerordentlicher Tragweite ist, um noch einige Augenblicke bei einer Wahrheit zu verweilen, auf welche wir stets unsere Herzen in Hoffnung und Erwartung richten sollten – es ist die Wiederkunft unseres Herrn Jesus. Diese Hoffnung steht, wie bereits bemerkt, in Verbindung mit der Wirkung, die sowohl durch die Abwesenheit des Herrn, als auch durch die Gegenwart des Geistes Gottes auf uns ausgeübt worden ist. In dem Maß wir Ihn vermissen, werden wir uns nach seiner Ankunft sehnen; und der Heilige GM ist, indem Er uns Ihn offenbart, stets bemüht, uns auf dem Platz seiner Verwerfung fühlen zu lassen, wie sehr wir seiner bedürfen, und überdies in uns das Bewusstsein unserer Verwandtschaft mit Ihm, als sein Leib, seine Braut, zu beleben und die passenden Zuneigungen zu Ihm in uns hervorzurufen. Hat nicht Christus seine Braut geliebt und sich selbst für sie hingegeben? Ist sie nicht der Gegenstand der Wonne seines Herzens, wiewohl Er abwesend sein muss? Hat Er nicht das Königreich und den Besitz aller Dinge im Himmel und auf Erden zurückgewiesen, um ihr Herz zu besitzen? Hat Er sie nicht berufen, jetzt die Pfade seiner Verwerfung zu betreten, nachher aber seinen Thron, seine Krone, sein Königreich mit Ihm zu teilen? Wohnt nicht der Heilige Geist in unseren Herzen, um uns in Kraft fühlen zu lassen, dass wir Ihm wert und teuer, ja teurer sind, als Worte es auszudrücken vermögen? Und macht seine Abwesenheit keinen Eindruck auf uns? Lässt sein langes Zögern uns gleichgültig? O Geliebte! „der Geist und die Braut sagen: Komm!“ Während Er wartet, betet Er, dass unsere Herzen zu seinem Ausharren geleitet werden. Aber das Buch Gottes schließt mit der Verheißung: „Ja, ich komme bald.“ Wie lieblich klingen diese letzten Worte in unseren Ohren, mit welcher Süßigkeit dringen sie in unsere Herzen, und mit welcher Kraft unterstützen sie uns während wir auf Ihn warten! O möchte doch unser Verlangen lebendiger, möchten doch die gesegneten Worte: „Amen, komm, Herr Jesu!“ – Worte, die Er selbst auf unsere Lippen legt – die Antwort unserer Herzen sein!

Vermissen wir Ihn auf der Erde? Er rechnet darauf. Er hat gesagt: „Ich komme wieder und will euch zu mir nehmen, auf dass, wo ich bin, auch ihr seid.“ Er vermisst uns im Himmel. Aber es wird nicht immer so sein; denn wir haben sein Wort – das Wort von jemandem vernommen, dem niemand zu widersprechen wagen wird, und dieses Wort heißt: „Vater, ich will, dass die du mir gegeben hast, auch bei mir seien, wo ich bin.“ Ach! es war nicht nur die Barmherzigkeit, die Ihn trieb, uns zu erretten, sondern es war auch die Liebe, die Ihn drängte, uns jetzt für sich und für immer bei sich zu haben. Er trägt Sorge, um uns in seiner unmittelbaren Nähe zu haben. Wer vermag dergleichen zu fassen nach all der Treulosigkeit und Betrügerei unserer Herzen, nach dem beständigen Abfallen und Verleugnen seiner Person! O wenn wir nur an seine Liebe glaubten und den Platz erkannten, den Er uns in seinem Herzen angewiesen hat, so würde sicher eine Antwort in uns sein; und dieses ist die Quelle und die Kraft der Hoffnung auf seine baldige Ankunft. Und wie gesegnet ist diese Hoffnung! Sie zieht unser Herz hinweg von der Erde, von ihren Gegenständen, Sorgen und Erwartungen, und erhebt unsere Blicke zu Ihm, dessen Wiederkunft wir erwarten. Möchte daher Er, als die einzige Hoffnung, die wir haben, stets vor unseren Augen sein! Dann würden wir diese Wahrheit nicht nur als eine Lehre kennen, sondern auch „den Menschen gleichen, die auf ihren Herrn warten.“

Auch würden wir dann unsere Hände nicht in den Schoß legen, sondern, wirklich Ihn erwartend, tätig sein in seinem Werk; ja wir würden während seiner Abwesenheit unsere Erquickung darin finden, dass wir durch irgendeine Tätigkeit unserer Liebe zu Ihm Ausdruck geben könnten. Wie köstlich für den Herrn, jemanden auf Erden in dieser Weise tätig zu finden! Er blickt aus der Herrlichkeit auf solche, die Ihn lieben, und Er kommt und offenbart sich ihnen. Hören wir Ihn nicht sagen: „Dieses tut zu meinem Gedächtnis?“ Und lässt Er uns nicht zurufen: „Ihr verkündet den Tod des Herrn, bis Er kommt?“ Es ist, mein teurer Leser, als ob Er jetzt an uns die Frage richtete: „Vermisst ihr mich? Verlangt ihr nach meiner Wiederkunft?“ – Welche Antworten können wir geben auf solche Fragen seiner Liebe?

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