Botschafter des Heils in Christo 1873

Die Stellung und der Zustand des Christen - Teil 2/3

Nach dieser kurzen Abschweifung kehren wir zu unserem vierten Vers zurück. Wir hatten die „neunundneunzig“ nur einige Augenblicke verlassen, um das eine verlorene Schaf in der Wüste aufzusuchen. Möge der gute Hirte es auf seine Schulter legen!

Um also in der Nähe Gottes zu verweilen, müssen wir seiner Person gleich sein; wir müssen „heilig und tadellos in Liebe“ sein. Wie – wird vielleicht jemand fragen – ist dieses aber zu verstehen, da doch so vieles in uns damit völlig in Widerspruch steht? Die Antwort auf diese Frage ist höchst einfach und dennoch von nicht geringer Wichtigkeit. Der Apostel spricht hier nämlich von dem, was wir in Christus sind, nicht von unserer eignen Natur, welche noch immer dieselbe geblieben ist und sich jedes Mal wieder mit neuen Sünden beflecken kann. Wir sind auserwählt und berufen in Christus – Er ist unser Leben und in Ihm stehen wir abgewaschen von allen Sünden vor Gott. Christus ist heilig und tadellos in Liebe; und da Gott uns in seinem Sohn ansieht, so kann Er mit Wohlgefallen seine Augen auf uns ruhen lassen. Welch ein unaussprechliches Vorrecht! Schon jetzt stehen wir rein und heilig in Christus vor Gott, während „wir einmal ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist.“ In dem auferstandenen und verherrlichten Christus stehen wir vor Gott; alles ist vollbracht und der Zorn Gottes versöhnt.

Aber, möchte ich fragen, inwiefern entsprechen wir dieser herrlichen Stellung in Christus? Ist unser Zustand, unser praktischer Wandel immer in völliger Übereinstimmung mit diesen köstlichen Segnungen und Vorrechten? Ach, leider müssen wir hierauf eine verneinende Antwort geben; nur zu oft entsprechen wir dem nicht, was uns als Kindern Gottes geziemt; nur zu viele Dinge erlauben wir uns, welche unserer göttlichen Natur zuwider sind. Woher kommen Stolz, Eitelkeit und Weltsinn? Gewiss nicht aus unserer göttlichen Natur. Das wäre unmöglich, sondern alle diese Dinge entstehen aus unserer alten Natur, denn in ihr wohnt nichts Gutes. Bei dieser Überzeugung, dass in unserem Fleisch nichts Gutes zu finden ist, sollen wir aber nicht stehen bleiben, sondern es vielmehr zu unterdrücken suchen und gegen alle seine Bemühungen wachen. Möge der Herr es uns in seiner Gnade geben, dass wir uns tagtäglich von Ihm unterweisen lassen, damit wir immer mehr gekräftigt werden, seinen Willen auszuführen!

Aber haben wir, geliebte Leser, wohl einmal daran gedacht, welch ein wunderbarer Tausch es sein wird, wenn wir unserer heiligen, göttlichen Natur in Wirklichkeit teilhaftig, wenn wir Christus vollkommen gleich sein werden und kein Gedanke, kein Wunsch im Widerspruch mit Gott sein wird? Dann wird kein Wort, keine Tat seiner heiligen Gegenwart unwürdig sein; ja unsere Freude wird kein Ende haben, sie wird nimmer aufhören. O, welch ein wunderbarer Gedanke, welch eine vollkommene Segnung! Lasst uns doch daran denken, welch ein herrliches Laos uns noch bevorsteht, wie vollkommen wir uns der Liebe und Gnade des Herrn erfreuen werden!

Wenn wir nun richtig verstehen wollen, „was die Hoffnung seiner Berufung ist“, so müssen wir von unserer Verwandtschaft mit Gott, wie von unserer Natur, völlige Sicherheit haben; denn wir können heilig und tadellos in Liebe sein, ohne eine höhere Stellung als Diener zu haben. Die hervorragendsten Engel nehmen keinen höheren Platz ein; aber wir, die wir durch seine Gnade von dem niedrigsten zu dem höchsten Platz gebracht sind, werden Söhne, nicht Diener genannt. „Also bist du“, sagt Paulus, „nicht mehr Knecht, sondern Sohn; wenn aber Sohn, so auch Erbe Gottes durch Christus.“ Und am Schluss der Heiligen Schrift wird diese, für unsere Herzen so unaussprechlich köstliche Wahrheit noch einmal wiederholt: „Wer überwindet, wird dieses ererben, und ich werde ihm Gott sein, und er wird mir Sohn sein.“ Dieses herrliche Vorrecht – unsere Kindschaft – ist der zweite Teil der Berufung eines Christen.

„Der uns zuvorbestimmt hat zur Sohnschaft durch Jesus Christus für sich selbst, nach dem Wohlgefallen seines Willens“ (V 5). Während die Juden im Alten Testament „das Volk Gottes“ genannt wurden, hat uns der Herr den Titel von Kindern gegeben. Zwar waren die alttestamentlichen Heiligen ohne Zweifel wiedergeboren, und in dem Sinn waren sie Kinder Gottes; aber wenn Er von ihnen spricht, so sagt Er „mein Volk“ und nicht „meine Kinder.“ Ebenso hatten sie das ewige Leben, aber dennoch wird davon nie im Alten Testament gesprochen; sondern dies wurde erst von Christus ihnen offenbart. Auch hören wir erst nach der Auferstehung Christi, dass Er seine Jünger als seine Brüder bezeichnet (Joh 20,17), und von dem Augenblick an nehmen wir unseren Platz als Söhne Gottes und Brüder Jesu Christi ein. Christus ist zwar der Sohn des Vaters von Ewigkeit her, und in dieser Beziehung gibt es niemanden, der Ihm an Herrlichkeit gleichkommen kann; aber als mit dem auferstandenen und verherrlichten Sohn Gottes sind wir mit Ihm eins gemacht, ja eins mit Ihm durch sein Werk am Kreuz und nach dem wohlgefälligen Willen des Vaters.

Zu aller Zeit segnete Gott sein Volk nach der Offenbarung, welche Er von sich selbst, als dem Gegenstand ihres Glaubens, gab. So lesen wir, dass Gott sich als Allmächtiger dem Abraham offenbarte und ihn als den Bewahrer der Verheißung mit Segnungen überschüttete. Von Gott gerufen, verließ er sein eigenes Voll und Land, um in ein ihm völlig unbekanntes und fremdes Land zu gehen. Obwohl er nicht wusste, wohin der Herr ihn führen würde, so gehorchte er Ihm dennoch, in dem vollen Vertrauen, dass alles, was der Herr ihm befahl, zu seinem Besten gereichen würde. Und dieses Vertrauen sollte nicht beschämt werden, denn dort in einem fremden Land, in der Gegenwart des Königs von Sodom, wurde sein Herz näher zu Gott geführt: dort bekannte und ehrte er den Herrn als „den höchsten Gott, der Himmel und Erde besitzt.“ Die Verheißung Gottes war für sein Herz völlig genug, sie war der Gegenstand seines Glaubens. Außer dieser Verheißung hatte er nichts; denn Gott gab ihm kein Erbteil in jenem fremden Land, „auch nicht einen Fuß breit, und Er verhieß, dass Er es ihm zum Besitztum geben würde und seinem Samen nach ihm, als er kein Kind hatte“ (Apg 7,5). Abraham glaubte und Gott machte seinen Glauben nicht zu Schanden. Welch ein Zeugnis! Von wem, möchten wir fragen, könnte dieses jetzt wohl gesagt werden? Von welchem Gläubigen könnte der Heilige Geist jetzt wohl sagen, dass all seine Werke durch Glauben geschehen, wie uns in Hebräer 11 von Abraham mitgeteilt wird?

Die Verwandtschaft zwischen dem Volk. Israel, den Nachkommen Abrahams, und ihrem Gott war durch einen Bund festgesetzt. Alle zeitlichen Segnungen in einem bevorzugten Land waren ihnen zugesichert; aber durch ihren Aufstand wider ihren Herrn sind sie jetzt seiner züchtigenden Hand unterworfen. Dennoch bleiben sie sein auserwähltes Volk und werden einst, wenn die Zeit ihrer Trübsal vorüber ist, in all ihre Rechte wieder eingesetzt werden und sich seiner Segnungen reichlich erfreuen. Der Christ dagegen hat weit herrlichere Segnungen, als jene irdische; er kennt Gott nicht nur als einen allmächtigen Gott, als den Jehova, sondern auch als einen Vater. „Ich werde euch zum Vater sein, und ihr werdet mir zu Söhnen und Töchtern sein, spricht der Herr, der Allmächtige“ (2. Kor 6,18). Die Israeliten konnten sich auf die Verheißungen ihres treuen Gottes stützen, aber wir ruhen in einer vollbrachten Erlösung. Nichts kann dieser Segnung, wie sie uns in Vers 5 unseres Kapitels vorgestellt wird, noch hinzugefügt werden – ein größeres Vorrecht kann man sich nicht denken. Nicht allein hat Er uns auserwählt, um Ihm gleich zu sein, sondern auch bei Ihm, in seiner Nähe einen Platz einzunehmen. Wie zärtlich, wie wunderbar drückt der Herr uns dadurch seine innige Liebe aus! Ja, für sich selbst hat Gott uns aus: erwählt, um in seiner unmittelbaren Nähe, dort wo Christus seinen Platz hat, zu verweilen. Kann etwas einfacher für das Herz sein? Kann irgendetwas anderes eine größere Wahrheit enthalten? Und dieses, geliebter Leser, ruft Gott dir und jedem Christen, wie schwach er auch sein mag, zu. Du bist berufen, Ihm gleich zu sein, und in seiner Nähe für ewig zu verweilen, und zwar, – beachten wir es wohl – „nach dem Wohlgefallen seines Willens.“

„Zum Preis der Herrlichkeit seiner Gnade, worin Er uns begnadigt hat in dem Geliebten“ (V 6). dieser Vers stellt uns die Fülle der göttlichen Liebe zu seinen Kindern deutlich vor Augen. Wir sind gesegnet mit aller geistlichen Segnung in Christus – wir sind auserwählt in Christus – wir sind Kinder durch Jesus Christus; aber begnadigt sind wir in dem Geliebten. Weshalb ist hier mit dem Ausdruck gewechselt? Weil der Heilige Geist hier andeuten will, dass wir der Gegenstand der zärtlichsten Liebe Gottes sind. Christus ist der vielgeliebte Sohn Gottes, niemandem konnte Gott größere Liebe erzeigen als Ihm, und dennoch sind wir begnadigt, geliebt und gesegnet in Ihm, dem Geliebten. Größere, herrlichere Liebe kann uns nicht erwiesen werden; wir können uns nur beugen und in der Gegenwart einer solchen unaufhörlichen, unermesslichen Liebe Anbeten. Dir wir Ruhm und Ehre bringen,

Dank, Anbetung allezeit;

Ewig werden wir besingen,

Gott, dein Lob in Herrlichkeit. „Damit ihr wisst, welches der Reichtum der Herrlichkeit seines Erbes ist“ (V 18). Diese Worte enthalten den zweiten Teil des Gebetes, welches der Apostel für seine geliebten Epheser zum Thron der Gnade emporsendet. Der erste Teil ist, dass die Gläubigen die An ihrer Berufung verstehen möchten, der Zweite, dass sie die Herrlichkeit ihres Erbes und der dritte, dass sie die Kraft verstehen möchten, welche sie in den Besitz alles dessen setzt, was die Gnade verliehen hat. Bei dem ersten Teil haben wir schon einige Augenblicke verweilt und haben gesehen, wie alle unsere Segnungen in Christus Jesus sind, wie innig unsere Verwandtschaft mit Gott ist, und welch eine köstliche Stellung wir einnehmen. Betrachten wir jetzt auch noch einige Augenblicke den reichen Inhalt des vor uns liegenden Teiles.

Die Segnung, welche uns in diesen wenigen Worten mitgeteilt wird, war bis zurzeit des Apostels verborgen und nicht offenbart gewesen; deshalb wird uns im neunten Verse gesagt, dass Gott das Geheimnis seines Willens kundgetan hat. Und welche eine Gnade, dass Er uns dieses offenbart hat! Er hat uns zu seinen Erben, zu Miterben seines viel geliebten Sohnes gemacht. Mit Christus werden wir alles, „was in den Himmeln und was auf der Erde ist“, erben. Welch eine Zukunft! Aber das Köstlichste wird sein, dass wir in Gottes unmittelbarer Nähe verweilen und den Mittelpunkt bilden werden, weil dies der Platz unseres Heilands ist. Über uns, neben uns, bei uns wird die Gegenwart des Vaters sein. Aber was ist außerhalb dieses Kreises – außerhalb des Hauses unseres Vaters? Dort ist seine Ehre und Herrlichkeit. Von dem niedrigen Grab Josephs von Arimathia, wo der Herr einst lag, bis zu dem Thron Gottes, wo Er jetzt sitzt, wird alles mit seinem Ruhm erfüllt sein. Der verachtete Nazaräer und seine einst verachteten Nachfolger stehen verherrlicht inmitten göttlicher Herrlichkeit da! Welch ein wunderbar schönes Gemälde für das Auge des Gläubigen! Möchte er es doch mehr in Erinnerung behalten und danach wandeln!

Im Alten Testament finden wir etwas, das diesem Erbteil der Heiligen sehr ähnlich ist. Dort lesen wir, dass Kanaan das Erbe Gottes in Israel war. Er gab es dem Abraham und seinen Nachkommen zu einem ewigen Besitztum. Aber unter dem Gesetz konnte es nicht verkauft werden, denn Gott nahm es für sich in Anspruch. „Und das Land soll nicht für immer verkauft werden, denn mein ist das Land“ (3. Mo 25,23). Auch wird es das „Land Immanuels“ genannt (Jes 8,8). Statt dass Jehova von dem Land durch einen direkten Akt seiner Macht Besitz ergreift, nimmt Er in seinem Volk einen Besitz, so dass es sein Erbe in seinem Volk ist. Wie lieblich ist eine solche Handlung! O, hätten seine Auserwählten doch seine Liebe und Fürsorge erkannt und zu würdigen gewusst!

Aber einmal kommt die Zeit, wo Gott nicht nur das Land Kanaan, sondern das ganze Weltall unter sein Zepter bringen wird, und zwar mittels der Heiligen – der Miterben Christi. In dem Gebet des Apostels wird hierauf aber nur hingedeutet; die Ratschlüsse Gottes über diesen wichtigen Gegenstand finden wir einige Verse vorher. „Er hat uns kundgetan das Geheimnis, das Er sich vorgesetzt in sich selbst, für die Verwaltung der Fülle der Zeiten: alles unter ein Haupt zusammen zu bringen in dem Christus, was in den Himmeln und was auf der Erde ist, in Ihm, in welchem wir auch ein Erbteil erlangt haben, als die, welche zuvorbestimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt nach dem Rat seines Willens.“ Nichts kann, glaube ich, einfacher sein, als diese Worte; aber etwas gibt es hier, welches notwendig verstanden werden muss, bevor eine Seele das Kommen des Herrn – das Verlassen von allem Irdischen und die zukünftige Herrlichkeit der Heiligen ruhig und ungestört betrachten kann; und da vielleicht einige unserer Leser diese Sicherheit nicht besitzen, so wollen wir einige Augenblicke bei diesem Gegenstand stehen bleiben.

„In welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Vergehungen, nach dem Reichtum seiner Gnade“ (V 7). In dem Zweiten Kapitel ist der Zustand des Menschen unter der Sünde vollkommen deutlich ans Licht gesetzt, während hier nur so im Vorbeigehen darauf angespielt wird. Dort wird uns das Urteil Gottes ganz klar vor Augen gestellt. Der Mensch ist tot – tot in Vergehungen und Sünden. Er ist nicht nur krank, wie einige wohl gern glauben möchten, sondern tot – moralisch und geistlich tot. Nichts kann niedriger sein. Bei dem Bösen gibt es verschiedene Gerade, aber der Tod kennt keine Gerade. In einem solchen Zustand waren die Epheser, sind auch wir, ja sind alle von Natur. Von diesem niedrigen Standpunkt waren die Epheser alle ausgegangen. Wenn wir dieses beachten, brauchen wir uns dann über die Worte „nach dem Reichtum seiner Gnade“ zu wundern? Gewiss nicht. Unserer tiefen Armut kam der Reichtum seiner Gnade entgegen. Wenn von Gläubigen die Rede ist, so gebraucht der Heilige Geist die Worte „Herrlichkeit seiner Gnade;“ wenn Er aber von verlorenen Sündern spricht, so werden diese Worte in „Reichtum seiner Gnade“ verändert. Er zeigt sich als herrlich in Gnade, und als reich in Gnade. Welch eine Liebe, welches Erbarmen können wir darin sehen 1 Gehen wir jetzt noch etwas näher auf die Einzelheiten ein.

1. „Die Erlösung des erworbenen Besitzes“, von welcher in Vers 14 geredet wird, und die Erlösung des Leibes wird uns erst zu Teil werden, wenn Christus kommt; aber die Erlösung der Seele, welche für uns bei weitem die wichtigste Sache ist, ist uns jetzt schon völlig zugesichert. Sie ist jetzt unser Teil; „wir haben“, wie es in Vers 7 heißt, „die Erlösung durch sein Blut.“ Wir werden sie nicht erst später erlangen, sondern wir haben sie jetzt schon, und zwar in Ihm. Alles ist in Christus gefunden; sein Name sei dafür gepriesen!

2. Wir bedurften der Vergebung, der völligen Vergebung all unserer Sünden, und, Gott sei gelobt! durch das Blut Christi ist uns vollkommene Vergebung zu Teil geworden; und dieses ist nicht etwa teilweise geschehen, denn dadurch würde das Blut Christi seinen Wert verlieren, noch ist uns irgendeine Bedingung auferlegt, weil wir nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade sind. Unsere Sünden sind weder teilweise, noch unter einer Bedingung vergeben; sondern eine vollkommene, unbedingte Vergebung beweist die Würdigung Gottes in Betreff des Blutes. Konnte noch etwas mehr getan werden? Bedürfen wir noch mehr? Gott hat seinen Sohn gegeben, und dieser hat für uns sein Blut vergossen, so dass wir von allen Sünden befreit sind. Nein, Größeres kann nicht geschehen, um uns von Sünden zu reinigen. Welch ein unaussprechlicher Trost – welch ein fester Grund des Friedens und der Ruhe für unsere Herzen! Ihm allem gebührt aller Ruhm und Ehre!

3. Nicht nach unseren Gedanken und Gefühlen, sondern nach den Gedanken und Ratschlüssen Gottes hatten wir Erlösung und Vergebung nötig, und durch seine Gnade haben wir sie, ja haben sie jetzt, und zwar in Verbindung mit der Person Christi. Aber vielleicht werden einige sagen: „Wie kommt es dann, dass die Sünde noch stets in meinem Herzen wirkt, wenn alles so vollkommen vergeben – wenn ich so reichlich gesegnet bin?“ Ohne Zweifel wohnt die Sünde noch in meinem Herzen; aber hat Gott uns je gesagt, dass Er die Sünde von dem Herzen des Gläubigen wegnehmen würde? Gewiss nicht. Von unserem Herzen ist sie nicht weggenommen; sie ist aber auf dem Kreuz hinweggetan, und gerade deshalb ist allen Gläubigen völlige Vergebung geworden. Gottes Auge ruht mit Wohlgefallen auf dem vollbrachten Werk des Kreuzes, und auch wir sollten alle dort unsere Befriedigung finden. Für eine verlorene Seele gibt es keinen anderen Grund des Friedens, als nur der Glaube an das Kreuz; alle anderen Grundlagen, welche nicht darauf gegründet sind, kann Gott nicht gutheißen, und werden sicher zu nichts werden. Lasst uns darum damit zufrieden sein, dass Gott mit unseren Sünden in der Person unseres Stellvertreters auf dem Kreuz abgerechnet und sie hinweggenommen hat durch sein kostbares Blut.

Eine unruhige Seele wird vielleicht wieder sagen: „Ich bin gewiss, dass ich täglich sündige, und wenn ich morgen noch lebe, so werde ich wieder sündigen, wie sehr ich auch dagegen wachen werde; was soll ich davon denken?“ Nichts anders, als dass deine Vergehungen von Gott in der Person seines Sohnes auf dem Kreuz gerichtet sind. „Er selbst hat unsere Sünden an seinem Leib auf das Holz getragen“ (1. Pet 2,24). Wenn du dieses einsiehst, so wird ein größeres Maß seiner Liebe dein Herz erfüllen, ja du wirst all deine Fehler in seiner heiligen Gegenwart offen bekennen und sorgfältig richten. Das Selbstgericht müssen wir solange ausüben, als wir in dieser Welt sind, denn die Sünde wird, solange wir hier sind, in uns wohnen; aber das göttliche Gericht ist schon ausgeführt, auf dem Kreuz ist es vollendet. Wenn du nun wirklich glücklich in der Gegenwart Gottes sein willst, so musst du diese zwei Dinge – das Selbstgericht, und das göttliche Gericht der Sünde und der Sünden auf dem Kreuz – wohl verstehen. Sei versichert, dass dieses nötig ist, bevor du mit Erfolg die Schrift untersuchen kannst in Betreff der Ankunft des Herrn oder seiner tausendjährigen Herrlichkeit. Wie wäre dies auch möglich? Wie kann eine Seele, welche ihrer Errettung nicht völlig gewiss ist, in die Ratschlüsse Gottes betreffs der Zukunft eindringen? Deshalb machte Paulus den Ephesern auch diese Dinge völlig klar, bevor er ihnen die Geheimnisse des göttlichen Willens über die zukünftige Herrlichkeit mitteilte. Der Herr gebe uns eine klare Erkenntnis in Betreff der wichtigen Wahrheit, dass unsere Sünden auf dem Kreuz, nicht aber aus unseren Herzen hinweggetan sind! Möchte dann aber auch ein Selbstgericht all unserer Sünden und Fehler stattfinden, nicht nur wegen der Abscheulichkeit der Sünde an und für sich, sondern auch weil Gott sie ein für alle Mal auf dem Kreuz seines geliebten Sohnes gerichtet hat!

Nachdem nun der Apostel die Wahrheit der Erlösung durch das Blut Christi und der Vergebung unserer Sünden den Ephesern noch einmal vorgestellt hat, kann er jetzt die Ratschlüsse Gottes in Betreff seines Sohnes vor ihren Augen entfalten, denn sie befinden sich jetzt auf dem richtigen Platze, um das Geheimnis zu hören und in dasselbe einzudringen. Der Hauptgegenstand dieser Ratschlüsse ist die Herrlichkeit und Ehre seines geliebten Sohnes. Sogar auf dem Schauplatz seiner früheren Erniedrigung wird Ihm Ehre und Ruhm dargebracht werden. Aber haben wir wohl einmal ernstlich darüber nachgedacht, dass die Kirche, weil sie eins mit Christus, auch zusammen mit Ihm wird verherrlicht werden? In demselben Brief sagt Paulus zu den Ephesern: „Dies Geheimnis ist groß; ich aber sage es auf Christus und auf die Versammlung.“ Dieses Geheimnis ist nicht Christus allein, sondern Christus und die Versammlung. Sie wird Teil haben an der Ehre und Herrlichkeit Christi, nicht weil sie etwas getan hat, sondern weil sie sein Eigentum ist. Ja, sie ist sein Eigentum; welche köstlichen Worte! Welch eine unaussprechliche Liebe hat unser gesegneter Herr uns bewiesen! Wer möchte wohl nicht danach streben, ein Glied seiner Kirche – seiner Braut – auszumachen? Und dennoch, wie viele lassen diese himmlischen Segnungen unbeachtet, um den vorübergehenden Vergnügungen dieser Welt nachzujagen! Möchte der Herr in seiner Gnade noch viele der Hand des Teufels entreißen, damit sie seine Stimme hören und Ihm folgen! Die Tür steht, gelobt sei sein Name! noch immer offen – jene Tür, welche nach seiner Heimat, zu seinem Herzen und zu der Herrlichkeit führt.

Dieses Wort „Geheimnis“ soll aber keine Entschuldigung für die Unwissenheit betreffs dieses Gegenstandes wachrufen; denn in der Heiligen Schrift bedeutet es nicht etwas, welches wir gar nicht oder nur schwierig verstehen können, sondern etwas, das bis dahin, bis zu dem Augenblick, wo der Apostel spricht, noch nicht offenbart war. So wird im Alten Testament zum Beispiel viel über das tausendjährige Reich und über die Segnungen Israels in einem von Milch und Honig fliehenden Land gesprochen; aber von der Stellung der Kirche, als eins mit Christus in den himmlischen Örtern, oder von ihrer zukünftigen Herrlichkeit und Regierung mit Christus wird uns nichts gesagt. Dies war eine unaufgedeckte Sache – ein Geheimnis, bis zu den Tagen des Apostels Paulus. Da deckte Gott das ganze Geheimnis auf und Zeigte seinen Kindern die herrlichsten und gesegnetsten Offenbarungen. Nach dem Wohlgefallen seines Willens tat Er uns das Geheimnis kund, „das Er sich vorgesetzt in sich selbst, für die Verwaltung der Fülle der Zeiten: alles unter ein Haupt zusammen zu bringen in dem Christus, was in den Himmeln und was auf der Erde ist, in Ihm, in welchem wir auch ein Erbteil erlangt haben.“ Hier sehen wir also deutlich, dass es Gottes Absicht ist, einmal alles unter die Herrschaft Christi zu bringen, und zwar alles, was im Himmel und auf Erden ist. Dann wird zwischen dem Himmel und der Erde, welche sich jetzt so weit entfernt liegen, eine stete Verbindung sein, wie sie einst durch die Leiter Jakobs vereinigt waren, und wie der Herr selbst zum Nathanael sprach: „Ihr werdet den Himmel geöffnet sehen und die Engel Gottes auf– und niedersteigen auf den Sohn des Menschen.“

Und in dieser gesegneten Zeit des tausendjährigen Reiches werden wir mit unserem geliebten Herrn vereinigt sein und werden mit Ihm die Herrlichkeit und die Regierung teilen, welche Ihm als „Sohn des Menschen“ von dem Vater gegeben worden ist. Wunderbarer Gedanke! Als „Sohn des Menschen“ wird Er während der tausendjährigen Herrlichkeit, vereinigt mit seinen Auserwählten, herrschen. Die ausgedehnte, grenzenlose Herrschaft im Himmel und auf Erden wird unter dem Zepter eines Menschen – des zweiten Adam – stehen. Und wir – die Gläubigen, die Braut des Herrn – werden gesehen und anerkannt werden als die zweite Eva, das Weib des himmlischen Adams. Die Himmel und die Erde gehören zwar dem Vater, aber Er besitzt sie in seinen himmlischen Heiligen. Welch ein Reichtum von Gnade und Liebe! Ja, wahrlich, unser Erbteil ist groß! Aber in einem solchen Charakter wird Christus nur während des tausendjährigen Reiches mit uns regieren. Am Schluss dieses Friedensreiches, wenn Er jedes Fürstentum und alle Gewalt und Macht wird weggetan haben, wird Er das Reich dem Gott und Vater übergeben, auf dass Gott alles in allem sei (1. Kor 15,24–28). Aber dennoch werden wir in einem anderen Sinne ewig mit Ihm herrschen – „im Leben herrschen durch den einen, Jesus Christus“ (Röm 5,17).

Bevor wir nun zu dem dritten Teil des Gebetes des Apostels übergehen, wollen wir noch einige Augenblicke die Worte „für die Verwaltung der Fülle der Zeiten“ betrachten. Das Wort „Verwaltung“ bezieht sich auf jene Zeit, wo alles unter der Herrschaft Christi sein wird; es deutet, mit einem Wort, auf das tausendjährige Reich hin. Wie anders wird dann alles in der Welt sein! Der Teufel, dem es jetzt erlaubt ist, als der Gott und der Fürst dieser Welt zu herrschen, wird dann in den Abgrund geworfen sein (Off 20,1–3); und Christus regiert dann an seiner Statt als der Fürst des Friedens. In der Tat, dann wird die Erde das wahre Freudenfest feiern können. Aber vor dieser Zeit kann sie nicht frohlocken und freudig sein. Satan muss zuerst von dem Schauplatz dieser Welt entfernt sein, und Christus die Zügel der Regierung in Händen haben, bevor die Bewohner der Erde sich des Friedens und der Ruhe erfreuen können. Alles wird Ruhe und Sicherheit sein; es ist dies keine leere Behauptung, nein! es ist die Wahrheit. Die Bibel selbst sagt uns: „Siehe, ein König wird regieren in Gerechtigkeit, und die Fürsten werden nach Recht herrschen. Und das Werk der Gerechtigkeit wird Friede sein, und das Ergebnis der Gerechtigkeit Ruhe und Sicherheit ewiglich. Und mein Volk wird wohnen in einer Wohnstätte des Friedens, und in ganz sicheren Wohnungen und in stillen Ruhestätten“ (Jes 33,1.17–18). Und welche Stellung werden die Heiligen während dieser Zeit einnehmen? „Sie werden leben und herrschen mit dem Christus tausend Jahre“ (Off 20,4). Diese Regierung Christi liegt zwischen der Aufnahme der Heiligen und der ewigen Herrlichkeit. Erst nachdem die Kirche aufgenommen und der Schauplatz dieser Erde von ihren Verderbern gereinigt sein wird, kann diese segensreiche Änderung aller irdischen Verhältnisse eintreten. Aber welch ein Trost ist es für unsere Herzen, zu wissen, dass Er jeden Augenblick kommen kann, um uns von dieser Erde hinwegzunehmen und in seine Nähe zu bringen. Kein Ereignis, kein Zeitverlauf liegt zwischen unseren Herzen und seiner Ankunft. Seine letzten Worte zu uns waren: „Der dieses bezeugt, spricht: Ja, ich komme bald!“ Wenn wir diese Worte richtig verstehen, werden wir mit wahrer Liebe im Herzen ausrufen: „Amen; komm, Herr Jesu!“

Was nun den Ausdruck „die Fülle der Zeiten“ betrifft, so haben einige Christen die Meinung, dass er sich auf die jetzige Zeit beziehe und dasselbe, wie „die Fülle der Zeit“ in Galater 4,4 bedeute. Aber dies ist offenbar ein Irrtum. Die „Fülle der Zeit“ und die „Fülle der Zeiten“ sind ganz verschieden in ihrer Bedeutung. Das eine bezieht sich auf die Vergangenheit, das andere auf die Zukunft. In dem Brief an die Galater spricht der Apostel von der Zeit, wo die Ratschlüsse Gottes in Erfüllung gegangen sind, indem „Er seinen Sohn sandte;“ aber den Ephesern schreibt er von einer noch zukünftigen Zeit, wenn alle Zeiten oder Perioden in der Herrschaft ihr Ende finden werden. Vieles, das jetzt noch seinen Lauf fortsetzt, wird dann ein Ende haben und zwar für immer. So wird z. B. die Schöpfung dann dem Tod nicht mehr unterworfen sein. „Denn das sehnsüchtige Harren der Kreatur wartet auf die Offenbarung der Söhne Gottes“ (Röm 8,19). Achten wir darauf, dass hier von der Offenbarung der Söhne, und nicht des Sohnes Gottes die Rede ist. Der Letztere ist schon offenbart, wir noch nicht. Erst wenn wir in der Herrlichkeit offenbart sind, wird „die ganze Kreatur, welche zusammen seufzt und zusammen in Geburtswehen liegt bis jetzt“, freigemacht werden. Dann wird die Stunde ihrer Befreiung anbrechen. Sie wird von der „Knechtschaft des Verderbnisses“ befreit, und der Tod, welcher seit Adam in dieser Welt geherrscht hat, beseitigt sein; die wilden Tiere werden ihre Wildheit abgelegt haben; die Erde wird einen reichlichen Ertrag hervorbringen, denn die Wüsten werden fruchtbaren Gegenden gleich sein. Und die Bewohner der Erde? „Sie werden ihre Schwerter schmieden zu Hacken, und ihre Speere zu Winzermessern. Nicht wird Volk wider Volk das Schwert erheben, und nicht mehr werden sie den Krieg lernen“ (Jes 2,4). Gebe der Herr, dass diese Zeit bald anbrechen möge! Die Zeit der Verblendung Israels und der Herrschaft der Heiden wird dann vorbei sein. Dann wird alle Ordnung hergestellt sein; Satans Macht wird zerbrochen und die Schwachheit und das Leiden der Kirche wird verschwunden sein. – Doch wenden wir uns jetzt zu dem dritten Teil unseres Gebetes.

„Damit ihr wisst, welches die überschwängliche Größe seiner Macht an uns, den Glaubenden, nach der Wirkung der Kraft seiner Stärke, in welcher Er gewirkt hat in dem Christus, da Er Ihn aus den Toten auferweckte und Ihn setzte zu seiner Rechten in den himmlischen Örtern“ (V 19–20). Von dem Kreuz Christi sprechen wir als von einem Ausdruck der vollkommensten Liebe; aber die Auferstehung entfaltet unseren Augen die glänzendste Macht. Im Kreuz wird nur Liebe gesehen; dort unterwarf Christus sich dem Leiden und dem Tod um unsertwillen und zur Verherrlichung seines Vaters. Den Weisen und Verständigen dieser Welt mag das Kreuz Christi eine Torheit sein, den Selbstgerechten mag es ein Stein des Anstoßes sein; aber dem anbetenden Glauben ist es der höchste Ausdruck der völligsten Liebe. Aus Liebe litt Er am Kreuz, aus Liebe ertrug Er alles. „Die Liebe hofft alles, sie erduldet alles.“ Eine solche vollkommene Liebe, eine Liebe, die nie gefehlt hat, kann nur göttlich sein. Die innigste, die trauteste Liebe hier in dieser Welt kann fehlen, aber seine Liebe bleibt und ändert sich nie. Nach dem Kreuz müssen unsere Blicke immer gerichtet sein, denn dort wurde die Tiefe und Kraft seiner Liebe offenbart, und einmal wird es als der Mittelpunkt im Himmel und die Grundlage aller Herrlichkeit und Segnungen anerkannt werden. Welch eine Stunde des Schreckens bot Jesu das Kreuz! Wie groß war sein Schmerz, sein Kummer! Von allen verlassen, verlassen von seinem eigenen Vater, erduldete Er dennoch alle Schmerzen. „Er erduldete für die vor Ihm liegende Freude das Kreuz, und achtete der Schande nicht, und sitzt zur Rechten auf dem Thron Gottes“ (Heb 13,2).

Aber wie lieblich, sowohl für Gott als für den Menschen, das Kreuz auch ist, so erblicken wir darin doch nicht die Macht, wie wir sie in der Auferstehung finden. Dort sah man keine Schwachheit mehr; dort zeigte sich Gottes Macht, welche Christus aus den Toten auferweckte und Ihn zur Rechten Gottes in den himmlischen Örtern setzte. Aber lasst uns daran denken, dass nur der Glaube in diese wunderbaren Szenen eindringen kann, welche die Tiefe des Grabes und die Höhe des Thrones umfassen. Mancher nimmt diese Wahrheit nicht an, weil er sie, wie er sagt, nicht verwirklichen kann; aber wie kann ein solcher, der so zu sagen vor der Tür stehen bleibt, die Mahnung besehen? Nein, es ist nicht eine Frage der Verwirklichung, sondern des Glaubens. Wir müssen die Wahrheit glauben, bevor wir sie fühlen konnten; wir müssen einen Ort besuchen, bevor er uns bekannt sein soll. Im Alten Testament wird uns dieses schon in einem Bild dargestellt: „Jeglichen Ort, worauf eure Fußsohle treten wird, habe ich euch gegeben, wie ich zu Mose geredet habe“ (Jos 1,3). Bist du bereit diese Wahrheit, welche vor uns liegt, zu glauben, magst du sie verstehen oder nicht? Dies ist die Frage. Wir verehren das Wort Gottes nur sehr wenig, wenn wir es nicht annehmen, weil wir es nicht verstehen.

Beachten wir nun wohl, dass dieselbe Macht Gottes, welche in Christus wirkte, als Er Ihn aus den Toten auferweckte und Ihn zu seiner Rechten im Himmel setzte, über jeglichen Namen, der genannt wird, auch in uns schon gewirkt hat, um Teil zu haben an derselben Stellung und Herrlichkeit. Es wird uns nicht gesagt, dass nur in Christus die überschwängliche Größe seiner Macht offenbart ist, sondern auch an „uns, den Glaubenden.“ Aber wie ist das möglich, mag vielleicht einer dagegen einwenden, da wir doch sehen, dass wir so schwach sind und so leicht von Schwierigkeiten überwältigt werden? Ohne Zweifel ist es wahr, dass wir schwach und kraftlos sind; aber woher kommt diese Schwachheit? Weil wir die Macht, mit welcher wir verbunden sind, nicht genug anerkennen und ehren. Wäre unser Glaube an das Wort Gottes kräftiger, so würden wir die schwierigen Umstände nicht so sehr achten. Das Herz des Apostels Paulus war nicht nur auf Christus selbst im Himmel gerichtet, sondern auch auf seinen Wandel auf dieser Erde. Er wünschte in all seine Fußstapfen zu treten, sei es hier unten oder dort oben. Aber lasst uns zum besseren Verständnis dieser Frage unsere Blicke auf das zweite Kapitel des vor uns liegenden Briefes lenken. Dort finden wir, dass dieselbe Kraft, welche in Christus wirkte, uns aus einem elenden Zustand, als wir tot waren in Vergehungen und Sünden, befreit, uns aus den Händen Satans gerissen und uns als Erlöste in die Gegenwart Gottes versetzt hat. Ja, wir sind mitauferweckt und befinden uns in den himmlischen Örtern in Christus Jesus. Nichts kann für den Glauben einfacher sein, als diese Wahrheit; aber es gibt auch nichts, was schwerer für die Vernunft zu verstehen ist. Wenn wir mit unserer Vernunft zu Werke gehen, so wird uns alles unglaublich erscheinen, sind unsere Augen, Herzen und Gedanken aber auf den Herrn gerichtet und findet sich all unsere Freude in seiner Person, so werden uns die Worte Gottes ganz leicht verständlich sein. Dann bedürfen wir niemand, der uns unterrichtet, denn der Heilige Geist ist unser Lehrer (Schluss folgt).

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