Botschafter des Heils in Christo 1873

Bosheit und Verblendung

Wie verblendet ist der gefallene Mensch! sich durch seine Werke vor Gott angenehm zu machen, ist sein beständiges Bestreben. Israel hatte das Gesetz übertreten und war schuldig – was nützten nun alle seine Anstrengungen? Das Gesetz brachte das Urteil des Todes. Nichtsdestoweniger aber eiferten die Juden für das Gesetz, als ob es möglich sei, etwas dadurch zu erlangen – sowie es Tausende in unseren Tagen tun in der Meinung, dass ein strenges Beobachten religiöser Pflichten vor Gott Wert habe. Ja, was noch mehr ist, gerade der Mensch, der in religiösen Übungen seinen Frieden sucht, ist durch seine vermeintlichen guten Werke so verblendet; dass er oft einer weit größeren Gnade bedarf, um sich als einen verlorenen Sünder kennen zu lernen; und nicht selten ist seine Feindschaft gegen jemanden, der den Weg des Heils in Wahrheit wandelt, so groß, dass er sich in seinem blinden, gesetzlichen Eifer gegen Gott auflehnt. So erblicken wir in dem Apostel Paulus, welcher nach der Gerechtigkeit, die im Gesetz ist, tadellos war, einen Verfolger Jesu.

In der oben angeführten Schriftstelle bereiten sich die Juden vor, den Sabbat zu halten. Die Gekreuzigten während des Sabbats am Kreuz hängen zu lassen, war wider das Gesetz; und in ihrem Eifer für das Gesetz wollten sie lieber die Gebeine Jesu, als das Gesetz brechen. Ihre Feindschaft hatte den ans Kreuz geheftet, der der Herr des Sabbats war, der Mensch geworden, um für Sünder zu sterben, und der, nachdem Er das ganze Gesetz erfüllt, den Fluch des Gesetzes auf sich genommen hatte. Aus Feindschaft gegen Gott waren sie bereit, seinen Tod zu beschleunigen, damit das Gesetz nicht gebrochen werde.

Hier sehen wir den gefallenen Menschen ohne Licht von oben. Voll Hass tötet er den, der das Gesetz gegeben; und um das Gesetz nicht zu brechen, will er die Beine dessen brechen, der das Gesetz gegeben und erfüllt hat. Er stößt den von sich, der ihn retten will, und sucht Rettung in einem Werk, welches nicht zu retten vermag. Er macht sich ein Gewissen daraus, den Gekreuzigten während des Sabbats am Holz hängen zu lassen, aber ohne Scham, ohne Gewissen konnte er rufen: „Kreuzige, kreuzige Ihn!“ Welch ein Bild von Bosheit und Verblendung!

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