Wenn die Mauer des Schweigens bricht ...
Hilfe für misshandelte Kinderseelen

Opfer

Wenn die Mauer des Schweigens bricht ...

Opfer sind in der Regel wehrlose Kinder, die sich den abnormen sexuellen Begierden eines Erwachsenen – es handelt sich ja in erster Linie um Männer – nicht entziehen können. Sie werden gezwungen, sich diesen Begierden unterzuordnen und sie über sich ergehen zu lassen. Das führt immer zu seelischen Schäden an den Kindern, da diese normalerweise nicht in der Lage sind, das an ihnen Geschehene zu verarbeiten. Da es sich bei den Tätern häufig um nahe Verwandte handelt, die mit Belohnungen locken und mit Strafen drohen, trauen sich die Kinder nicht, gegen diese schreckliche Behandlung aufzubegehren, sondern schlucken die Ängste und Nöte in sich hinein.

Manchmal gibt es sogar eine gewisse Gewöhnung aufseiten der dann Jugendlichen an diesen Missbrauch. Und sie wehren sich nicht, um nicht anderen aufzufallen, gewissermaßen zum eigenen Schutz, so absurd das auch klingen mag. Genauso absurd erscheint uns, dass einem solchen Kind das Schlimmste sein kann, dass nach einer gewissen Zeit eine Schwester oder ein Bruder seine Rolle beim Vater einnimmt, der oder die dann bevorzugt wird. Statt froh zu sein, dass es selbst nicht mehr (so oft) dran ist, wird es neidisch. Das zeigt, was für perverse Folgen der Missbrauch bei Kindern hinterlässt.

Oft ahnen Kinder und Geschwister, die selbst nicht betroffen sind, dass irgendetwas in der Familie nicht stimmt. Aber offenbar haben sie einen siebten Sinn als Schutzfunktion, der sie nicht weiter fragen und Hilfe rufen lässt. Dann könnten sie selbst ja betroffen sein.

Diese Kinder merken, dass eine Schwester (oder ein Bruder) bevorzugt wird. Dadurch entsteht eine gewisse Rivalität. Dadurch hat jedes Kind seine eigenen Ziele, was dem Täter, dem Vater, wieder in die Hände spielt, so dass sich die Kinder nicht miteinander gegen ihn verbünden. Manchmal kommt es dazu, dass sie – obwohl sie etwas über den Missbrauch entdecken (z. B. gehört haben), schweigen. Denn sie sehen in dem Opfer einen Mittäter – dieses Kind wird ihnen ja „bevorzugt“. Also muss es ein Interesse an der Tat haben. Da sie selbst nicht missbraucht werden, können sie nicht ahnen, wie schlimm dieser Missbrauch ist.

Bleibende Schäden

Bleibende Schäden, oft ein Leben lang, sind daher fast immer die Folge – schreckliche, lebenslange Träume, Selbstvorwürfe, Selbstzweifel und auch Minderwertigkeitsgefühle. Häufig kommt es zu scheinbar grundlosem Weinen.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass viele von sich glauben, sie seien schlechter als andere Gläubige. Sie halten sich selbst für schuldig, für verantwortlich und für Mittäter. Dabei wollen wir festhalten, dass die missbrauchten Kinder nicht an solchem Missbrauch Schuld tragen. Sie sind und bleiben schuldlos.

Es ist etwas Schönes zu wissen, dass der Herr Jesus eine solche Schwachheit, sich fälschlicherweise schuldig zu fühlen, wegnehmen kann. Während Er auf dieser Erde lebte, hat Er das getan: „Er heilte alle Leidenden, damit erfüllt würde, was durch den Propheten Jesaja geredet ist, der spricht: „Er selbst nahm unsere Schwachheiten und trug unsere Krankheiten“ (Matthäus 8,17). Das heißt, dass Jesus Christus die Not eines Missbrauchten, mit der Schuldfrage nicht fertigt zu werden, sieht und Er verwendet sich bei Gott für uns in unserer Schwachheit (Hebräer 7,25), damit wir von diesen Schuldgefühlen nicht total zerfressen werden.

Die Täter haben einen totalen Zugriff auf die Seele und den Körper der Kinder. Diese können sich aufgrund ihrer untergeordneten Position und ihres oft fehlenden Selbstwertgefühls nicht wehren. Es ist daher kein Wunder, dass sich Opfer oft nach Jahrzehnten noch nicht trauen, sich zu öffnen. Das hat nicht nur mit der Scham zu tun über dieses Vergehen, das sie entehrt hat und weiter entehrend für sie ist. Es hat auch mit der Angst zu tun, dass man ja selbst verantwortlich sei. Und auch die Autoritätsfrage spielt eine Rolle. Denn man fühlt sich auch Jahrzehnte danach noch unter dieser (falschen) Autorität.

Arten von Folgen

Man kann die Folgen sexuellen Missbrauchs unter folgenden Gesichtspunkten gliedern:

  • Es gibt emotionale Folgen wie Angststörungen, Depressionen und niedriges Selbstwertgefühl.
  • Es gibt psychosomatische und somatische Folgen. Diese hängen mit Verletzungen im genitalen, oralen oder analen Bereich zusammen. Manchmal gibt es auch Schwangerschaften …
  • Es kommt oft zu einem vollkommen unangemessenen Sexualverhalten. Das kann bedeuten,
    • dass sich ein Opfer vor dem Geschlechtsverkehr vollkommen ekelt und nichts mehr damit zu tun haben will, oder
    • dass es diesen exzessiv auslebt, oder
    • dass es ein intimes Zusammensein mit dem Ehepartner aus Liebe will, es aber dennoch durch Verkrampfungen und andere Behinderungen nicht zu einem sexuell erfüllten Leben kommt.
  • Schließlich kommt es zu Auffälligkeiten im Sozialverhalten. Man sieht dies an dauerhafter Leistungsverweigerung oder an extremer Leistungsmotivation oder auch an extremen Schwankungen. Man will extrem Macht ausüben oder ordnet sich immer unter.

Das sind wieder nur einige Beispiele, durch die wir uns sensibilisieren lassen können für dieses furchtbare Thema. Wir kommen später unter einem etwas anderen Gesichtspunkt noch einmal darauf zurück (vgl. S. 80, „Beispiele von Folgen“ im Kapitel „Signale von Kindern erkennen“).

Anvertrauen!

Den Opfern kann man nur raten, sich einer vertrauenswürdigen Person in der örtlichen Versammlung (Gemeinde) anzuvertrauen, zu der oder dem sie Vertrauen haben, mitzuteilen. Manche sind an ihren eigenen Orten enttäuscht worden. Dann bietet es sich an, über Angebote wie www.bibelseelsorge.de Vertrauenspersonen zu suchen, die nicht nur vertraulich arbeiten, sondern auch Erfahrung mit diesem traurigen Thema haben. Noch einmal muss ich zugeben, dass es an Seelsorgern gerade auf diesem schwierigen Gebiet mangelt. Wir alle sollten für unsere Mitmenschen und für andere Christen Seelsorger sein. Nicht jeder fühlt sich einem Gespräch gewachsen, in dem es um solch schwerwiegende Themen geht. Gebe Gott, dass wir mehr dafür beten, dass der Herr Christen innerlich zubereitet, sich diesem Dienst zu stellen.

Es ist nicht ganz einfach, an dieser Stelle pauschal zu raten, wer für ein solches Gespräch geeignet ist. Es gehört nämlich sehr viel Einfühlungsvermögen und Abhängigkeit vom Herrn dazu. Zudem bedarf es auf Seiten des Opfers eines Überwindens, denn man muss etwas von höchst persönlichen Verletzungen preisgeben. Aber allein das kann schon eine wichtige Hilfe sein. Es hat keinen Sinn, Missbrauch in sich „hineinzufressen“. Dann ist man häufig nicht in der Lage, diese Eindrücke biblisch und seelisch zu verarbeiten.

Elternschutz

Die eine Seite ist, dass Kinder einen Weg aus dem furchtbaren Dilemma finden müssen. Dazu bedürfen sie unserer Hilfe – der Hilfe von Eltern, Freunden, Seelsorgern, der örtlichen Versammlung (Gemeinde).

Eine andere Sache ist, dass wir als Eltern eine Aufgabe haben, unsere Kinder möglichst davor zu bewahren, dass sie in eine Missbrauchs-Situation geraten. Es gibt keinen 100 %-igen Opferschutz. Das wissen wir alle. Dennoch können wir manches tun, um sie zu schützen.

Einen Punkt haben wir schon in anderem Zusammenhang gesehen. Wir müssen unseren Kindern beibringen, dass sie „nein“ sagen dürfen, sogar müssen. Es versteht sich von selbst, dass dies nicht im Blick auf den Gehorsam den Eltern gegenüber gilt. Auch hier gibt es Grenzen. Doch wollen wir zunächst das Vertrauen zu den Eltern stärken. Aber auch das hat Grenzen, wenn es um das Antasten der Persönlichkeit und der Gesundheit des Kindes geht.

Wir sollten unseren Kindern auch von klein auf beibringen, dass sich nur verlobte bzw. verheiratete Erwachsene auf den Mund küssen. An diesen Grundsatz sollten sich Eltern strikt halten. Wenn ein Kind diese feste Regel verinnerlicht hat, wird es sofort hellhörig, wenn es jemand mit gutem Zureden oder sanfter Gewalt mit ihm anders tun möchte.

Gebet der Eltern

Was können wir noch als Eltern tun? Wir erinnern uns an die Eltern von Mose: „Und als sie [Jokebed] ihn nicht länger verbergen konnte, nahm sie für ihn ein Kästchen von Schilfrohr und verpichte es mit Asphalt und mit Pech und legte das Kind hinein und legte es in das Schilf am Ufer des Stromes. Und seine Schwester stellte sich von fern, um zu erfahren, was ihm geschehen würde“ (2. Mose 2,3.4).

Wir können als Eltern nicht ständig neben unseren Kindern stehen. Wenn es darum geht, dass Väter Täter gegenüber ihren Kindern werden, so fällt den Müttern eine besondere Verantwortung zu. Man kann kaum glauben, dass Mütter gar nichts mitbekommen. Sie sollten eigentlich eine Veränderung im Verhalten ihrer Kinder entdecken können. Müssten sie nicht erkennen, dass die Beziehung zum Vater nicht normal ist? Wenn sie das nicht tun, fragt man sich, was für eine Beziehung diese Mütter überhaupt zu ihren Kindern und als Frauen zu ihren Männern haben. Sehen sie vielleicht, dass sie ihre eigene Verantwortung nicht wahrnehmen und trauen sich nicht, nach dem sonderbaren Verhalten der Kinder oder des Vaters zu fragen?

Wenn es aber um Täter von außen geht, wird man auch dort Gewalt nicht verhindern können. Erwachsene Täter sind einfach stärker als Kinder. Auch auf „gläubige“ Täter trifft das natürlich zu. Was wir aber tun können, ist, dass wir unsere Kinder sozusagen in ein Kästchen von Schilfrohr legen und es verpichen. Das ist ein Bild von dem Gebet und der Erziehung unserer Kinder. Wenn wir regelmäßig um Schutz und Bewahrung beten und wenn wir unsere Kinder zum Vertrauen und Gehorsam gegenüber unserem Gott und Vater erziehen, haben wir das Beste getan, was wir tun können. Dann gibt es die Möglichkeit, dass Vertrauen entsteht, so dass sich unsere Kinder uns oder jedenfalls Gott anvertrauen werden.

Übermäßiger Schutzwall

Es hat keinen Wert, dass Eltern meinen, ständig eine Mauer des äußeren Schutzes um ihre Kinder aufbauen zu sollen. Erstens können sie das nicht. Und zweitens wäre das auch für die Entwicklung der Kinder schädlich. Sie müssen ein normales Leben führen. Sie müssen nach und nach mehr Verantwortung für ihr Leben übernehmen können. Eltern sollen sie nicht leichtfertig in kritische Situationen bringen. Aber als Eltern sollten wir ihnen auch ein normales, vernünftiges Leben ermöglichen. Wir dürfen unserem großen Gott vertrauen.

Wenn unsere Kinder älter werden und sich in das Internet begeben, sollten wir nicht zulassen, dass sie dort tun und lassen, was sie wollen. Christliche Jugendliche, wenn sie überhaupt ins Internet gehen, sollten also in Chatrooms ganz besondere Vorsicht bewahren! Dafür sind wir auch als Eltern mitverantwortlich. Und doch müssen sie auch auf diesem Gebiet erzogen und erwachsen werden.

Die Gefahr, die man eigentlich nicht eingehen will, lauert gerade im Internet in besonderer Weise. Darauf habe ich schon hingewiesen. Wir als Eltern haben hier zweifellos eine ganz besondere Fürsorgepflicht. Wissen wir, was unsere Kinder (dort) treiben? Haben wir ein gewisses Verständnis von den Dingen, die sie dort tun? Und stehen wir ständig als Ansprechpartner für unsere Kinder zu Verfügung, dass sie zu uns Vertrauen haben, mehr als zu anderen Menschen?

Mütter wiederum sollten ihre Aufgabe als Ehefrauen und Mütter ernst nehmen. Das heißt, dass sie ihren Ehemann umsorgen und ihn „lieben“, das heißt, seine wahren Bedürfnisse nach Geist, Seele und Leib zu stillen suchen. Als Mütter haben sie zudem ein offenes Ohr für die Fragen, Bedürfnisse und Nöte ihrer Kinder. Dadurch spüren sie schneller, wenn es einem ihrer Kinder nicht gut geht oder bei diesem eine plötzliche oder schleichende Veränderung eintritt.

Wenn sie ihre Aufgaben im Blick auf den Ehepartner vernachlässigen, könnte ein Vakuum entstehen, dass der Mann dann an anderer Stelle aufzulösen sucht. Er trägt für einen solchen falschen, bösen Weg selbst die Verantwortung. Aber eine Ehefrau kann dadurch, dass sie ihre ehelichen Pflichten nicht erfüllt (vgl. 1. Korinther 7,3.4), einem verkehrten Verhalten des Mannes Vorschub leisten. Wenn sich ein Mann den Ersatz seiner Frau und der Mutter des Haushalts woanders suchen müsste, wäre es tragisch, sich später sagen zu müssen, dass man selbst versagt hat. Wehrt den Anfängen!

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