Botschafter des Heils in Christo 1887

Der lebendige Gott und ein lebendiger Glaube (2)

So war es mit Josaphat in den Umständen, von welchen uns in 2. Chronika 20 erzählt wird. Er war gänzlich auf Gott hingewiesen. „In uns ist keine Kraft“  aber: „auf dich sind unsere Augen gerichtet“ (20,12). Das war genug. Es war gut für Josaphat, dass er keine Spur von Kraft besaß, dass er durchaus keinen Rat mehr wusste. Er befand sich gerade in der besten Lage, um zu erfahren, was Gott war. Es wäre ein unberechenbarer Verlust für ihn gewesen, wenn er nur das geringste Maß von natürlicher Kraft und Weisheit besessen hätte, da es ihn verhindert haben würde, sich ausschließlich auf den Arm und den Rat des allmächtigen Gottes zu stützen. Wenn das Auge des Glaubens auf dem lebendigen Gott ruht, wenn Er den ganzen Gesichtskreis der Seele ausfüllt, wozu bedürfen wir dann eigene Kraft oder eigene Kenntnis? Wer würde daran denken, in dem Menschlichen zu ruhen, wenn er das Göttliche haben kann? Wer möchte sich auf den Arm des Fleisches stützen, wenn der Arm des lebendigen Gottes zu seiner Verfügung steht?

Mein Leser, befindest du dich in diesem Augenblick unter irgendeinem Druck, in irgendeiner Versuchung, Not oder Schwierigkeit? Wenn es der Fall ist, so lass dich bitten, einfältig und allein auf den lebendigen Gott zu blicken. Wende deine Augen vollständig von allem Irdischen ab. „Lasst ab vom Menschen, in dessen Nase nur ein Odem ist!“ (Jes 2,22). Lege deine ganze Angelegenheit in die allmächtige Hand Gottes. Wirf deine Bürde, welcher Art sie auch sein möge, rückhaltlos auf Ihn. Er ist so willig wie fähig und so fähig wie willig, alles zu tragen. Nur vertraue Ihm völlig. Er liebt es, wenn man Ihm vertraut, wenn man Ihn gebraucht. Es ist seine Freude – gepriesen sei sein Name dafür! – der Forderung des Glaubens bereitwillig und völlig zu entsprechen. Es ist der Mühe wert, eine Bürde zu haben, um erfahren zu können, wie gesegnet es ist, sie auf Ihn abzuwälzen. Diese Erfahrung machte der König von Juda an dem Tag seiner Versuchung und dieselbe Erfahrung kann der Leser heute noch machen. Gott lässt nie ein Herz, das auf Ihn vertraut, im Stich. „Die auf mich harren, werden nicht beschämt werden.“ Kostbare Worte!

Kaum hatte Josaphat sich völlig auf den Herrn geworfen, als auch schon die göttliche Antwort deutlich und kräftig sein Ohr traf:

„Hört zu, ganz Juda, und ihr Bewohner von Jerusalem, und du, König Josaphat! So spricht der HERR zu euch: Fürchtet euch nicht und erschreckt nicht vor dieser großen Menge, denn nicht euer ist der Kampf, sondern Gottes! ... Ihr werdet hierbei nicht zu kämpfen haben; tretet hin, steht und seht die Rettung des HERRN an euch. Juda und Jerusalem! Fürchtet euch nicht und erschreckt nicht; morgen zieht ihnen entgegen, und der HERR wird mit euch sein!“ (20, 15.17).

Welch eine Antwort! „Nicht euer ist der Kampf, sondern Gottes.“ Man denke nur, Gott hat einen Kampf mit Menschen! Wahrlich, der Ausgang eines solchen Kampfes konnte nicht zweifelhaft sein. Josaphat hatte die ganze Sache in Gottes Hand gelegt und Gott nahm sie auf und machte sie gänzlich zu seiner Sache. So ist es immer. Der Glaube legt die Schwierigkeit, die Versuchung und die Bürde in Gottes Hand und überlässt es Ihm, zu handeln. Das ist genug. Gott weigert sich nie, der Forderung des Glaubens zu entsprechen; nein, es ist seine Wonne, auf dieselbe zu antworten. Josaphat hatte es zu einer Frage zwischen Gott und dem Feind gemacht. Er hatte gesagt: „Sie kommen, um uns aus deinem Besitztum zu vertreiben, das du uns zum Besitz gegeben hast“ (20,11). Nichts konnte einfacher sein. Gott hatte Israel das Land gegeben und Er konnte sie darin erhalten trotz zehntausend Feinden. So urteilt der Glaube. Dieselbe Hand, die sie in das Land geführt hatte, war auch mächtig genug, sie in demselben zu erhalten. Es war einfach eine Frage der göttlichen Macht. „Unser Gott, willst du sie nicht richten? Denn in uns ist keine Kraft vor dieser großen Menge, die gegen uns kommt; und wir wissen nicht, was wir tun sollen, sondern auf dich sind unsere Augen gerichtet“ (20,12).

Es ist ein wunderbarer Augenblick in der Geschichte einer Seele, wenn sie dahin gebracht wird, zu sagen: „In mir ist keine Kraft.“ Es ist der sichere Vorbote göttlicher Befreiung. In dem Augenblick, da der Mensch zur Entdeckung seiner gänzlichen Kraftlosigkeit gekommen ist, lautet das göttliche Wort: „Steht und seht die Rettung Gottes“. Man hat keine Kraft nötig, um „stille zu stehen“ und es bedarf keiner Anstrengung, um „die Rettung Gottes zu sehen“. Und das gilt nicht nur für das erste Kommen eines Sünders zu Christus, sondern auch für die ganze Laufbahn des Christen von Anfang bis zu Ende. Die große Schwierigkeit für uns besteht darin, wirklich an das Ende unserer eigenen Kraft zu kommen. Sind wir einmal da angelangt, so ist alles in Ordnung. Es mag unendlich viel Kampf und Seelenübungen kosten, bis wir dahin gebracht sind, zu sagen: „In uns ist keine Kraft;“ aber sobald wir wirklich diesen gesegneten Boden betreten, heißt es: „Steht und seht die Rettung des HERRN.“ Menschliche Anstrengung, in welche Form sie sich auch kleiden mag, kann nur eine Schranke zwischen unseren Seelen und Gottes Rettung errichten. Wenn Gott es übernommen hat, unsere Sache zu Ende zu führen, wenn Er für uns tätig ist, so können wir wohl stille sein. Und hat Er es nicht getan? Ja, gepriesen sei Sein heiliger Name! Er hat alle unsere Angelegenheiten, alles, was uns irgendwie angehen mag, für Zeit und Ewigkeit auf sich genommen. Deshalb haben wir nichts anderes zu tun, als Ihn in allen Dingen für uns handeln zu lassen. Es ist unser glückseliges Vorrecht, Ihn vor uns hergehen zu lassen, während wir Ihm nachfolgen in Bewunderung, Lob und Anbetung.

So war es in jener interessanten und lehrreichen Szene, bei der wir verweilen.

„Da neigte sich Josaphat mit dem Gesicht zur Erde; und ganz Juda und die Bewohner von Jerusalem fielen nieder vor dem HERRN, um den HERRN anzubeten. Und die Leviten, von den Söhnen der Kehatiter und von den Söhnen der Korhiter, standen auf, um den HERRN, den Gott Israels, mit überaus lauter Stimme zu loben“ (20,18.19).

Hier haben wir das richtige Verhalten und die passende Beschäftigung für den Glaubenden. Josaphat wandte seine Augen ab von „jener großen Menge, die gegen ihn kam“ und richtete sie auf den lebendigen Gott. Der HERR war aufgestanden und hatte sich zwischen Sein Volk und den Feind gestellt, gerade so, wie Er es bei dem Auszug aus Ägypten am Roten Meer getan hatte. Jetzt konnten sie, anstatt auf die Schwierigkeiten, auf Ihn blicken.

Das, geliebter Leser, ist das Geheimnis des Sieges zu allen Zeiten und unter allen Umständen. Das ist es, was das Herz mit Lob und Dank erfüllt und uns dahin bringt, das Haupt in bewundernder Anbetung zu beugen. Das ganze Verhalten Josaphats und des ihn umringenden Volkes ist bei dieser Gelegenheit außerordentlich schön. Sie waren augenscheinlich mit dem tiefen Bewusstsein erfüllt, dass sie nichts zu tun hatten, als Gott zu preisen. Und sie hatten Recht. Hatte Er nicht zu ihnen gesagt: „Ihr werdet hierbei nicht zu kämpfen haben“? Was blieb da für sie zu tun übrig? Nichts, als zu loben und zu preisen. Der HERR stand im Begriff, vor ihnen her in den Kampf zu ziehen und sie hatten nur in Anbetung Ihm zu folgen.

 „Und sie machten sich frühmorgens auf und zogen aus nach der Wüste Tekoa. Und bei ihrem Auszug trat Josaphat hin und sprach: Hört mich, Juda und Bewohner von Jerusalem! Glaubt an den HERRN, euren Gott, und ihr werdet befestigt werden; glaubt seinen Propheten, und es wird euch gelingen!“ (20,20).

Es ist von der größten Wichtigkeit, dass das Wort Gottes stets den ihm gebührenden, hervorragenden Platz in dem Herzen des Christen habe. Gott hat gesprochen. Er hat uns sein Wort gegeben; und es geziemt sich für uns, unerschütterlich auf dasselbe zu vertrauen. Wir brauchen nichts anderes.  Das göttliche Wort ist durchaus genügend, der Seele Vertrauen, Frieden und Festigkeit zu geben. Wir benötigen keine Zeugnisse und Beweise vonseiten des Menschen, um die Wahrheit des Wortes Gottes festzustellen. Dieses Wort trägt seine eigenen kraftvollen Beweise in sich selbst. Verlangt man ein menschliches Zeugnis zum Beweis für die Wahrheit des Wortes Gottes, so sagt man damit nichts anderes, als dass Menschenwort stärker, vertrauenswürdiger und gewichtiger sei als das Wort Gottes. Wenn wir eine menschliche Stimme brauchen, um die Offenbarung Gottes zu bestätigen oder gültig zu machen, dann sind wir tatsächlich jeder göttlichen Offenbarung beraubt.

Auf diesen Punkt möchten wir die besondere Aufmerksamkeit des Lesers richten. Es handelt sich um die wichtige Frage: Ist Gottes Wort genügend oder nicht? Bedürfen wir wirklich der Autorität des Menschen, um uns darüber zu vergewissern, dass Gott gesprochen hat? Fern sei uns ein solcher Gedanke! Dadurch würden wir Menschenwort über Gottes Wort stellen, und uns so der einzigen soliden Grundlage berauben, auf welche unsere Seelen sich stützen können. Das ist es gerade, wonach der Teufel von Anfang an gestrebt hat und was er heute noch zu erreichen sucht. Er wünscht, den festen Felsen der göttlichen Offenbarung unter unseren Füßen wegzurücken und uns stattdessen den sandigen Boden menschlicher Autorität zu geben. Und daher möchten wir dem Leser die Notwendigkeit ernstlich ans Herz legen, sich in einfältigem, nicht zweifelndem Glauben fest an das Wort Gottes anzuklammern. Das ist das wahre Geheimnis der Festigkeit und des Friedens. Wenn Gottes Wort ohne die Dazwischenkunft des Menschen für uns nicht ausreichte, so wären wir ohne jede zuverlässige Grundlage für das Vertrauen unserer Seelen. Ja, wir wären dann ein Spielball der wilden Wellen der Zweifelsucht, wir wären in dunkle Ungewissheit gehüllt, wir wären, mit einem Wort, so elend und unglücklich wie möglich.

Doch Gott sei Dank und Preis, es ist nicht so! „Glaubt an den HERRN, euren Gott, und ihr werdet befestigt werden; glaubt seinen Propheten, und es wird euch gelingen.“ Hier ist der Ruheplatz des Glaubens für alle Zeiten: Gottes ewiges Wort, welches für immer festgestellt ist in den Himmeln, das Er „groß gemacht hat über all seinen Namen“ und das sich in seiner göttlichen Würde, Fülle und Genügsamkeit vor das Auge des Glaubens hinstellt. Wir weisen auf das Entschiedenste den Gedanken zurück, als ob irgendwie menschliche Autorität, menschliche Zeugnisse und menschliche Gefühle nötig wären, um das Zeugnis Gottes in der Waagschale der Seele vollgültig zu machen. Hat Gott wirklich gesprochen, so ist zur Grundlage für einen echten Glauben nichts weiter nötig. Mit einem Wort, wenn wir wünschen, befestigt zu werden und Gelingen zu haben, so gilt es, einfach zu „glauben an den Herrn, unseren Gott“. Dies befähigte Josaphat, sein Haupt in heiliger Anbetung zu beugen und Gott für den Sieg zu preisen, ehe noch ein einziger Hieb geführt war. Dies führte ihn in „das Tal Beraka“ und umgab ihn mit einer solchen Menge von Beute, dass er nicht imstande war, sie wegzuführen.

„Und er beriet sich mit dem Volk und bestellte Sänger für den HERRN, die lobsangen in heiligem Schmuck, wobei sie vor den Gerüsteten her auszogen und sprachen: Preist den HERRN, denn seine Güte währt ewig!“ (20,21).

Welch eine merkwürdige Führungstruppe für ein Heer! Eine Schar von Sängern! Aber das ist die Art und Weise, wie der Glaube sich in Schlachtordnung stellt.

„Und zur Zeit, als sie mit Jubel und Lobgesang begannen, stellte der HERR einen Hinterhalt gegen die Kinder Ammon, Moab und die vom Gebirge Seir, die gegen Juda gekommen waren; und sie wurden geschlagen“ (20,22).

Wie wunderbar! Gott legt einen Hinterhalt. Er beschäftigt sich mit Heerführung und Kriegskunst! Ja, Gott ist bereit, alles zu tun, was Sein Volk bedarf, wenn dieses nur auf Ihn vertraut und sich und seine Angelegenheiten vollständig seiner Hand übergibt.

„Und die Kinder Ammon und Moab standen auf gegen die Bewohner des Gebirges Seir, um sie zu vertilgen und zu vernichten; und als sie mit den Bewohnern von Seir fertig waren, half einer den anderen verderben. Und Juda kam auf die Bergwarte gegen die Wüste hin; und sie sahen sich um nach der Menge, und siehe, da waren es Leichname, die auf der Erde lagen, und niemand war entkommen“ (20,23.24).

Das war das Ende „jener großen Menge“, jenes schreckenerregenden Feindes. Alle schwanden vor der Gegenwart des Gottes Israels dahin wie Rauch. Ja, und wären sie noch Millionen Mal zahlreicher und stärker gewesen, so würde der Ausgang genau derselbe gewesen sein, denn Umstände sind nichts für den lebendigen Gott und nichts für einen lebendigen Glauben. Wenn Gott vor der Seele steht, so verschwinden die Schwierigkeiten und Lobgesänge ertönen von fröhlichen Lippen.

„Da kamen Josaphat und sein Volk, um ihre Beute zu rauben;“ (das war alles, was sie zu tun hatten) „… und sie fanden unter ihnen sowohl Habe als Leichname und kostbare Geräte in Menge, und sie plünderten für sich, bis es nicht mehr zu tragen war. Und drei Tage lang raubten sie die Beute, denn sie war groß. Und am vierten Tag versammelten sie sich im Tal Beraka (d. i. Preis- oder Segenstal), denn dort priesen sie den HERRN“ (20,25.26)

Das, geliebter Leser, ist stets das Resultat eines lebendigen Glaubens an den lebendigen Gott. Mehr als 2500 Jahre sind seit jener Begebenheit dahingeeilt, aber der Bericht ist so aktuell wie selten zuvor. Er redet mit derselben Lebendigkeit zu uns, als wenn die Sache erst gestern geschehen wäre. Keine Veränderung ist über den lebendigen Gott gekommen, noch über jenen lebendigen Glauben, welcher sich die göttliche Kraft zu eigen macht und auf die Treue Gottes rechnet. Das Wort ist heute noch ebenso wahr, wie in den Tagen Josaphats: „Glaube an den Herrn, deinen Gott, und du wirst befestigt werden; glaube seinem Wort, und es wird dir gelingen“. Alle, welche dieser Aufforderung in Einfalt und Aufrichtigkeit folgen, werden mit Kraft ausgerüstet, mit Sieg gekrönt, mit Beute umgeben und mit Lobgesängen erfüllt werden. Möchten wir deshalb durch die gnädige Wirksamkeit des Heiligen Geistes stets fähig sein, einen lebendigen Glauben an den lebendigen Gott zu offenbaren!

Es gibt heute unter dem Volk Gottes nicht wenige, die aus Mangel an einfältigem Vertrauen uns glauben haben möchten, dass der Boden unter unseren Füßen verschwunden sei. Allen solchen rufen wir zu: Gott sei Dank, es ist nicht so! Euer Fuß mag den Boden verloren haben, aber der Boden selbst bleibt so fest, wie der Thron Gottes, und zwar nicht nur der Boden der persönlichen Errettung, sondern auch der Boden, auf welchem wir uns versammeln. Der erstere wird in den Worten gefunden: „Wer an den Sohn glaubt, hat ewiges Leben“ (Joh 3,36) und der andere in der gesegneten Verheißung: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte“ (Mt 18,20). Das eine ist so wahr, so echt und so sicher wie das andere. Der Herr sei gepriesen, dass es so ist!

Nächstes Kapitel »« Vorheriges Kapitel