Der Brief an die Römer

Kapitel 3,21-31

Der Brief an die Römer

Der Apostel hat also bis jetzt bewiesen, dass alle Menschen, – sowohl Juden als Nationen – schuldige Sünder vor Gott sind, ohne jede Gerechtigkeit, und jetzt beschreibt er den Weg, auf dem alle zu Gott kommen können. Das Evangelium enthüllt die Reichtümer der Gnade und offenbart die Gerechtigkeit Gottes – eine Gerechtigkeit, die von allem Gesetz getrennt ist und die offenbart wird, um den verlorenen Menschen zu segnen. „Jetzt aber ist, ohne Gesetz, Gottes Gerechtigkeit offenbart worden, bezeugt durch das Gesetz und die Propheten“ (Vers 21). Diese Gerechtigkeit ist eine neue und unabhängige Sache, ganz und gar außerhalb des Gesetzes, obwohl das Gesetz und die Propheten davon Zeugnis geben. Sie ist der einzige Grund unserer Hoffnung vor Gott; sie ist Gottes Gerechtigkeit durch Glauben an Jesus Christus (Vers 22). Der Mensch hat diese Gerechtigkeit weder erfüllt noch hat er sie dargestellt; sie ist von Gott und ist die Gerechtigkeit Gottes selbst. Wäre die Gerechtigkeit, durch die der Mensch gerechtfertigt ist, vom Menschen, so würde sie durch das Gesetz sein, weil das Gesetz die Regel einer menschlichen Gerechtigkeit vor Gott darstellt; aber dann würde sie auch nur für Juden sein, weil diese das Gesetz empfangen haben. Da nun aber diese Gerechtigkeit von Gott ist, so steht sie in gleicher Beziehung zu allen, seien es Juden oder Heiden. Sie ist allgemein, sowohl in ihrem Charakter, als auch in ihrer Anwendung; sie ist die Gerechtigkeit Gottes für den Menschen, weil der Mensch keine Gerechtigkeit vor Gott hat. „Alle haben gesündigt und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes“ (Vers 23), das heißt, sie entbehren alles, was Gott gehört. Diese göttliche Gerechtigkeit nun wird jedem Glaubenden geschenkt; der Gläubige allein besitzt sie. Sie kommt zu allen hin, sie wird allen angeboten, aber sie kommt auf alle, die an Jesus Christus glauben (Verse 22 und 23). Und diese haben nichts zu tun, sondern „...werden umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade, durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist; den Gott dargestellt hat als ein Sühnmittel durch den Glauben an sein Blut“ (Verse 24 und 25).

Gott ist es also, der den Menschen rechtfertigt; und der Beweggrund dieser Rechtfertigung ist allein seine freie Gabe. Er rechtfertigt kraft seiner eigenen Gnade, aufgrund der Erlösung, die in Christus Jesus ist. In der Person Christi hat Gott das einzige Sühnmittel aufgerichtet. Im alten Bund brachte der Hohepriester auf Anordnung Gottes einmal im Jahr das Blut ins Heiligtum und sprengte es auf den Deckel der Bundeslade (den „Gnadenstuhl“), um die Sünden des Volkes zu sühnen. Im Neuen Testament ist Christus, in dem alle früheren Opfer Verwirklichung finden, die Sühnung für unsere Sünden. Er ist sowohl das Opfer, als auch der Opfernde; sowohl der Hohepriester, der sein eigenes Blut ins Heiligtum gebracht hat, als auch das von Gott gegebene Sühnmittel. Durch sein Blut ist Gott absolut befriedigt. Gott kann jetzt, weil Er unsere Schuld auf Ihn gelegt und Ihn an unserer statt dem Tod überliefert hat, nach vollkommener Gnade mit uns handeln; Er kann alle rechtfertigen, die an das Blut Christi glauben.

Wenn Gott an den vorher geschehenen Sünden, an den Sünden der alttestamentlichen Gläubigen, mit Nachsicht vorübergegangen ist, so ist seine Gerechtigkeit in dieser Nachsicht, in diesem Hingehenlassen der vorher geschehenen Sünden, durch die Bereitstellung dieses Sühnmittels völlig gerechtfertigt (Vers 25). Ebenso ist aber durch dieses Sühnmittel auch seine gegenwärtige Gerechtigkeit in der Rechtfertigung verlorener Sünder erwiesen. Er bezeugt, dass Gott gerecht ist, indem er der Sünde wegen eine vollkommene Grundlage gegeben hat, auf der Gott den rechtfertigen kann, der des Glaubens an Jesus ist (Vers 26). Diese Rechtfertigung ist jetzt gerade ein Beweis der Gerechtigkeit Gottes.

Die Rechtfertigung des Sünders nun, die auf das Sühnmittel und allein auf das Blut Jesu Christi gegründet ist, lässt dem Menschen keinerlei Ruhm mehr übrig. Sie liegt ganz außerhalb von ihm, allein in Christus und wird dem Glaubenden aus freier Gnade zuerkannt. Alle nationalen Vorrechte der Juden haben hinsichtlich der Rechtfertigung vor Gott ihren Wert verloren. Es verschwindet hier alle eigene Gerechtigkeit, die sich so gern rühmt. Doch ist es nicht durch ein Gesetz der Werke, dass dieser Ruhm ausgeschlossen ist – denn der Mensch, der sich durch seine Werke rechtfertigen könnte, würde Grund zum Rühmen haben – sondern es ist durch das Gesetz oder den Grundsatz des Glaubens. Unter diesen göttlichen Grundsatz sind wir gestellt; denn das Werk eines anderen lässt uns, ohne Gesetzeswerke, durch die Gnade die Gerechtigkeit Gottes besitzen (Verse 27 und 28). – Alle Menschen sind Sünder, und Gott handelt in Gnade. In diesem Charakter ist Er aber genauso ein Gott der Heiden wie auch der Juden (Vers 29). Es ist ein und derselbe Gott, der die Beschneidung auf dem Grundsatz des Glaubens – im Gegensatz zu den Gesetzeswerken – und die Vorhaut durch den Glauben – als das einzige Mittel – rechtfertigt (Vers 30). Die Rechtfertigung des Menschen steht also nur mit dem Glauben in Verbindung; der Mensch, der glaubt, ist gerechtfertigt.

Die Autorität des Gesetzes wird aber durch diese Lehre vom Glauben keineswegs aufgehoben oder geschwächt, sondern vielmehr bestätigt (Vers 31). Sie erkennt die völlige Verdammungswürdigkeit des Menschen durch das Gesetz an und setzt darum seinen verlorenen Zustand voraus. – Das Gesetz fordert die Gerechtigkeit, aber es bringt, wie wir eben gesehen haben, nur die Erkenntnis der Sünde. Wenn nun die vom Gesetz geforderte Gerechtigkeit vor Gott nicht nötig gewesen wäre, so würde auch, als diese fehlte, nicht das Bedürfnis nach einer anderen vorhanden gewesen sein. Der Glaube aber erkennt die Notwendigkeit einer Gerechtigkeit vor Gott an, und deshalb wird auch dem Glaubenden eine andere Gerechtigkeit, die Gerechtigkeit Gottes, geschenkt. Was das Gesetz forderte, gab es nicht, und gerade weil es forderte, versagte der Mensch in dessen Erfüllung. Gott aber schwächt den Grundsatz der Verpflichtung gegen das Gesetz, wodurch der Mensch ganz und gar verurteilt ist, nicht, sondern weil Er das Recht dieser Verurteilung anerkennt, verherrlicht Er jetzt seine Gnade, indem Er dem Menschen eine Gerechtigkeit schenkt; aber das tat Er erst dann, als es völlig erwiesen war, dass der Mensch keine hatte. Der Glaube vernichtet also das Gesetz nicht, sondern bestätigt es.

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