Vorträge über die Stiftshütte

Vortrag 15: Der Räucheraltar

{2. Mose 30,22–38; 37,25–29}

Einleitung

Wir haben nun den in der Fertigungsreihenfolge letzten Gegenstand des Heiligen erreicht, den goldenen Räucheraltar. Er wurde aus Akazienholz hergestellt und mit reinem Gold überzogen. Seine Grundfläche war ein Quadrat von einer Elle Seitenlänge und seine Höhe betrug zwei Ellen. Er war somit der höchste der drei Gegenstände in der Stiftshütte, nämlich eine halbe Elle höher als Tisch und Bundeslade (wobei wir für den Leuchter ja keine Größenangabe haben). Er hatte Hörner an seinen vier Ecken. Jedenfalls schließen wir das aus der Beschreibung des Brandopferaltars (2. Mo 38,2), denn für den Räucheraltar selbst ist die Zahl der Hörner nicht angegeben. Er hatte auch einen goldenen Kranz ringsum an seiner Oberkante sowie für die Stäbe je zwei goldene Ringe darunter an gegenüberliegenden Seiten. Die Anzahl der Ringe ist allerdings ebenfalls ungewiss, und manche denken, dass es insgesamt nur zwei waren, die an diagonal gegenüberliegenden Ecken angebracht waren. In Analogie zu Bundeslade und Tisch scheint es jedoch – obwohl die Ausdrucksweise anders ist – auch möglich, dass es an zwei Seiten jeweils zwei Ringe gab, also insgesamt vier. Wir können aus dem Schweigen über die Anzahl der Hörner und Ringe noch etwas lernen, wenn wir zur Betrachtung ihrer geistlichen Bedeutung kommen.

Dieser Altar wurde vor den Vorhang gestellt, zwischen den Leuchter im Süden und den Tisch im Norden des heiligen Ortes. Er wurde der „goldene Altar“ genannt – zweifellos um ihn von dem kupfernen Opferaltar im Vorhof zu unterscheiden. Außerdem wird er „Räucheraltar“ genannt, was seinen Verwendungszweck andeutet. An seine Hörner wurde das Blut des Sündopfers für die Sünde des Priesters und auch für die der ganzen Gemeinde getan (3. Mo 4,7.18). Darüberhinaus geschah dies einmal im Jahr am großen Sühnungstag (3. Mo 16,18). Sein ständiger Gebrauch war zur Verbrennung des göttlich angeordneten Räucherwerks am Morgen und Abend in Verbindung mit dem Zurichten der Lampen (2. Mo 30,7.8). Er scheint als Zufluchtsort benutzt worden zu sein (1. Kön 1,50 – Es könnte an dieser Stelle allerdings auch der Brandopferaltar gemeint sein).

Gottheit und Menschheit des Herrn Jesus in der Anbetung

Wir kommen nun zur geistlichen Bedeutung des Altars. Wie wir schon gelernt haben, spricht Akazienholz von der vollkommenen Menschheit unseres Herrn Jesus und Gold von seiner göttlichen Herrlichkeit. Wir werden sehen, wie passend diese Materialien sind, indem sie nämlich seine Gottheit und seine Menschheit in Verbindung mit den Opfern des Lobes und der Anbetung vorstellen, von denen das Verbrennen des Räucherwerks spricht: Dass Christus sein Lob und das seines Volkes vor Gott bringt.

Zur Illustration, welchen Platz die Menschheit des Herrn in der Anbetung hat, können wir sein Dankgebet am Grab des Lazarus nehmen: „Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. Ich aber wusste, dass du mich allezeit erhörst; doch um der Volksmenge willen, die umhersteht, habe ich es gesagt, damit sie glauben, dass du mich gesandt hast“ (Joh 11,41.42). Nur kurz zuvor hatte Er angesichts des Todes von Lazarus geweint und darin sein vollkommenes und zärtlich menschliches Mitgefühl gezeigt. Und jetzt, bei seinem Werk der Auferweckung des Toten, zeigt Er seine Abhängigkeit von seinem Vater.

In einer anderen Schriftstelle wird das Gold hervorgehoben: „Zu jener Zeit hob Jesus an und sprach: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies vor Weisen und Verständigen verborgen und es Unmündigen offenbart hast. Ja, Vater, denn so war es wohlgefällig vor dir.“ Und Er fährt fort zu sagen: „Niemand erkennt den Sohn als nur der Vater“ (Mt 11,25–27). Das weist auf seine Gottheit hin – die „höheren Geheimnisse“ seiner Herrlichkeit, die das Fassungsvermögen des Geschöpfes übersteigen. Aber so wie das Gold des Altars das Akazienholz bedeckte und nicht davon getrennt war, können wir die zwei Naturen unseres heiligen Herrn zwar unterscheiden, aber nicht voneinander trennen.

In dem großen hohepriesterlichen Gebet unseres Herrn in Johannes 17 finden wir diese Verbindung von Gold und Akazienholz auf eine Weise, dass das Gold besonders hervortritt. Er spricht dort davon, dass Er das Werk vollbracht hat, das Ihm der Vater zu tun gegeben hat, und bittet sogleich, mit der Herrlichkeit verherrlicht zu werden, die Er bei dem Vater hatte, ehe die Welt war (Verse 4.5).

Es ist wohl gut zu bedenken, dass die Ansprache des Herrn an den Vater hier zwar von der Erde aus geschieht, aber durch seine Aufnahme in den Himmel keinen Wechsel erlitten hat: „Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit“ (Heb 13,8). Was immer Ihn im Zustand seiner Niedrigkeit gekennzeichnet hat, bleibt ewig wahr von Ihm. Die goldene „Krone“ um den Altar herum lässt uns daran denken, dass Er nun „mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt“ an dem Ort ist, wohin in Verbindung mit dem Räucheraltar Bitten und Anbetung aufsteigen sollen. Dieser Abschnitt zeigt uns den Herrn, der ein wenig unter die Engel wegen des Leidens des Todes erniedrigt war (davon spricht das Akazienholz), mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt. Seine Gottheit „verherrlicht“ gewissermaßen seine vollkommene Menscheit: die Krone aus reinem Gold ziert sein Haupt.

Christus für uns im Himmel

Als der Auferstandene und Verherrlichte ist Er jetzt für uns vor dem Angesicht Gottes, wo Er sein Lob in Verbindung mit und für sein bluterkauftes Volk darbringt, indem Er unsere Namen bekennt und sie im ganzen Wert und Wohlgeruch seines eigenen Namens vorbringt. Einige Bibelstellen mögen das veranschaulichen: „Wer ist es, der verdamme?“ Das ist die Antwort auf die Frage: „Wer wird gegen Gottes Auserwählte Anklage erheben?“. Die vollständige Antwort lautet: „Gott ist es, der rechtfertigt; wer ist es, der verdamme?“ (Röm 8,33.34). Die Verseinteilung macht das darauf folgende, was mit unserem aktuellen Gegenstand in Verbindung steht, etwas unklar. Der Zusammenhang ist: „Christus ist es, der gestorben, ja noch mehr, der auch auferweckt worden, der auch zur Rechten Gottes ist, der sich auch für uns verwendet. Wer wird uns scheiden von der Liebe des Christus?“ (Röm 8,34.35). Die großartige Antwort auf die erste Frage war: „Gott ist es, der rechtfertigt“ – wer kann da noch verdammen? Niemand! Denn Gott ist der Richter aller, und wenn Er in unendlicher Gnade Vorsorge getroffen hat für verlorene und schuldige Sünder, die an seinen Sohn glauben, dann kann kein Geschöpf im ganzen Universum etwas anderes tun als seine Gerechtigkeit und Güte in diesem allen bekennen.

Die zweite Frage ist: „Wer wird uns scheiden von der Liebe des Christus?“, und die Antwort ist ihr gewissermaßen vorangestellt: Christus ist gestorben – darin ist die göttliche Gerechtigkeit völlig befriedigt worden. Er ist auferweckt worden – darin hat Gott die Annahme des vollkommenen Werkes seines geliebten Sohnes bekundet. Er ist sogar zur Rechten Gottes – kein Platz im Himmel ist zu hoch für diesen Einen, der sich um unseretwillen bis zum Tod erniedrigt hat. Und Er verwendet sich für uns, indem Er sich selbst als Garant und Zeuge der ewigen Annahme seines schwachen Volkes darstellt. Wie eng hängt all das zusammen – sein Tod, seine Auferstehung und sein Platz zur Rechten Gottes, sie alle sind verbunden mit seinem allwirksamen Eintreten für uns. Welche Macht, List und Bosheit des Feindes, welche Drangsal oder Verfolgung könnte uns scheiden von der Liebe des Christus? Mit überschwänglicher Freude ruft der Apostel aus: „In diesem allen sind wir mehr als Überwinder durch den, der uns geliebt hat“ (Vers 37). Und er schließt mit einem großartigen Ausbruch, aus dem der Wohlgeruch einer Weihrauchwolke anbetend zu Gott aufsteigt: „Denn ich bin überzeugt, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentümer, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch Gewalten, weder Höhe noch Tiefe, noch irgendein anderes Geschöpf uns zu scheiden vermögen wird von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“ (Röm 8,38.39).

In diesem Zusammenhang gibt es noch eine weitere Schriftstelle: „Daher vermag er diejenigen auch völlig zu erretten, die durch ihn Gott nahen, indem er allezeit lebt, um sich für sie zu verwenden“ (Heb 7,25). Auch wenn wir Ihn hier als Priester sehen, steht es doch mit der Fürbitte in Verbindung, von welcher der goldene Altar spricht. Sein Volk wird in der Wüste gesehen und ist damit aller Art von Versuchung, Prüfung und Anfechtung Satans ausgesetzt. Aber Er „vermag“, seine Macht ist vollkommen, und deshalb rettet Er diejenigen „völlig“ (das heißt bis zum letzten Schritt der Wüstenprüfung), die durch Ihn Gott nahen. „Völlig“ meint nicht: aus den Tiefen, in denen der schlimmste Sünder sich befindet – so kostbar diese Tatsache auch ist – sondern: „bis zum Ende“, was auch immer die Zukunft für uns bereithält. So ist der Räucheraltar, indem er von der Herrlichkeit Christi spricht, zugleich die Garantie der ewigen Sicherheit seines Volkes. Wie passend, dass das Lob des Volkes mit diesem Altar in Verbindung steht.

Die Maße

Wenn wir nun zu den besonderen Merkmalen des Altars kommen, bemerken wir zunächst seine Maße. Seine Grundfläche war quadratisch. Die Seiten waren eine Elle lang und seine Höhe betrug das Doppelte. Diese Maße unterscheiden sich von denen der Lade und des Tisches. Die Lade war zweieinhalb Ellen breit und lang, der Tisch maß 2 x 1 Elle. Beide waren sie eineinhalb Ellen hoch, wohingegen die Höhe des Räucheraltars zwei Ellen betrug. Was die Oberseite des Altars betrifft, so lässt ihre perfekt quadratische Form an die Vollkommenheit unseres Herrn als Kanal zum Lob Gottes denken. Alles an Ihm war „quadratförmig“, genau wie die himmlische Stadt, in der ja seine Vollkommenheiten dargestellt sind (Off 21,16). Die eine Elle mag uns an die göttliche Einzigartigkeit erinnern, die in dem „Menschen Christus Jesus“ offenbart worden ist. Wie gut ist es, dass alles Lob und alle Gebete der Heiligen gemäß der vollkommenen Natur und dem unendlichen Wert des Sohnes Gottes vor Gott kommen. Unser Lob und unsere Gebete sind wohl schwach und unvollkommen, aber sie sind mit dem verbunden, der in den Augen Gottes von unendlichem Wert ist.

Anbetung in der Gegenwart Gottes

Wir haben bemerkt, dass die Zahl der Hörner und auch die der goldenen Ringe nicht klar angegeben ist. Man vermutet, dass es wie beim kupfernen Altar jeweils vier waren. Aber können wir nicht auch im Schweigen der Schrift hierzu etwas Bedeutsames sehen? Wir hatten bereits die Gelegenheit zu bemerken, dass Vier die Zahl der Erde, des Geschöpfes, der Erprobung, und oftmals auch der Schwachheit ist. Der Räucheralter spricht von Christus als Kanal und Kraft zu himmlischem Lob. Und dabei spielt die Erde keine Rolle. Lob findet im Heiligtum statt, in der Gegenwart Gottes, und wenn der Altar, um dem Zustand des Volkes entgegenzukommen, auch nicht im Allerheiligsten stand, so ist doch offenbar, dass Anbetung in voller Bedeutung unmittelbar in der Gegenwart Gottes geschieht. Zwei Schriftstellen, die mit dem Räucherwerk zu tun haben, werden das bekräftigen:

In 3. Mose 16,2.12 verbietet Gott Aaron, „zu aller Zeit“ in das Allerheiligste zu gehen. Er darf dies nur einmal im Jahr tun, und dann mit dem Blut des Sündopfers und einer Wolke des Räucherwerks in der Pfanne. Die so inhaltsreichen Einzelheiten davon werden wir später untersuchen, wenn wir, so es der Wille des Herrn ist, zur Betrachtung des Priesterdienstes kommen. Jetzt soll die Bemerkung genügen, dass die Räucherpfanne in das Allerheiligste gebracht wurde und dort gewissermaßen dem Räucheraltar entsprach.

Die zweite Schriftstelle (Heb 9,3–4) macht das noch deutlicher. Der Hebräerbrief betrachtet den Vorhang als durch das vollkommene Opfer Christi zerrissen. Der „Weg zum Heiligtum“ ist nun offenbart. Dahingegen hatte der Vorhang unter dem Gesetz eine Trennung gemacht. Nur einmal im Jahr durfte allein der Hohepriester mit dem Blut des Opfers und dem Räucherwerk in jene furchtbare – weil allerheiligste – Gegenwart treten. Daher wird in der Aufzählung der verschiedenen Gegenstände der „vorderen Hütte“ – dem Gegenbild des wahrhaftigen – der Räucheraltar einzigartigerweise ausgelassen, und stattdessen finden wir im Allerheiligsten das „goldene Räucherfass“. Am Sühnungstag, wenn der Priester das Allerheiligste betrat, stellte er gewissermaßen die Wahrheit vor, dass der Räucheraltar für den himmlischen Ort bestimmt war. Weil der Altar jedoch außerhalb des Vorhangs blieb, wird stattdessen von dem Räucherfass gesprochen. So ist gerade das Schweigen des Wortes Gottes an dieser Stelle sehr lehrreich.

Haben wir nicht hier den Schlüssel dafür, warum die Zahl der Hörner nicht genannt ist? Beim kupfernen Altar wurde ausdrücklich gesagt, dass es vier waren, denn es kann keine Zweifel geben, dass die Sühnung, von der dieser Altar ja spricht, einen irdischen und weltweiten Aspekt hat. Dahingegen geben die Hörner hier im Heiligtum zwar Zeugnis von dem Blut des Sündopfers, das daran war (3. Mo 4,18). Sie stehen aber nicht mit Sühnung in Verbindung (abgesehen davon, dass ihre Früchte dort zur Darstellung kommen), sondern mit dem mächtigen Eintreten und der Anbetung unseres Herrn Jesus Christus. Die Hörner waren die Gipfelpunkte der Ecken und haben damit wohl die Bedeutsamkeit des ganzen Altars hervorgehoben. Auf diese Weise sprechen sie von der Stärke unseres göttlichen Herrn, die er wirksam als Fürsprecher seines Volkes und als Darbringer ihrer Anbetung einsetzt. Darauf wird also die Aufmerksamkeit gelenkt und nicht auf die Bedürfnisse oder die irdische Stellung der Heiligen, was eine Erwähnung der Zahl Vier nahegelegt hätte. Auch bei den Ringen des Altars fehlt die Zahl Vier. Es hat doch gewiss eine Bedeutung, dass die Zahl der Erde gerade dort, wo man sie natürlicherweise erwartet hätte, nicht zu finden ist.

Anbetung durch Ihn

Die Höhe von zwei Ellen betont wohl ebenso den himmlischen Charakter des Altars. Anzubeten, also alle Ehre und Herrlichkeit allein Gott zuzuschreiben, ist die höchste Betätigung eines Geschöpfs. Daher ist Christus, der wahre Altar, in die höchste Herrlichkeit hinaufgestiegen, „über“ alle Dinge auf Erden und im Himmel, und als der Anführer des Lobpreises seines Volkes bringt Er die Herrlichkeiten Gottes auf göttliche Weise zur Darstellung.

Der Lobpreis dort ist „durch ihn“ (Heb 13,15). Er verdrängt somit allen Ritualismus und „eigenwilligen Gottesdienst“ in den heiligen Dingen Gottes. Mit der Bundeslade stehen die Wahrheiten über Annahme, Rechtfertigung und Zugang in Verbindung. Könnte die halbe Elle, um die der Räucheraltar die Bundeslade überragte, nicht andeuten, dass eine Zeit kommt, da selbst diese überragenden Wahrheiten die Grundlage und das Fundament einer noch höheren Freude in Preis und Anbetung sein werden? Wenn wir uns die Errettung mit all den sie begleitenden Segnungen völlig vergegenwärtigt haben, wird sie unser ganzes geistiges Wesen so sehr durchdringen, dass die Seele den Frieden hat, sich selbst über ihre eigenen Segnungen zu erheben – gewiss niemals, um sie zu vergessen, und zu vergessen, wie sie durch Christi Tod erworben wurden – aber um Ihn selbst zu loben und zu bewundern, der über jede Segnung und alles Lob erhaben ist. Selbst hier auf Erden kann das, in der Kraft des Heiligen Geistes, in gewissem Maß schon Wirklichkeit werden.

Das Blut auf den Hörnern des Altars ist, wie wir gesagt haben, das stets gegenwärtige Zeugnis einer bewirkten und von Gott angenommen Erlösung, die nun Grundlage der Anbetung ist. Wie der Wert des Blutes Christi für alle Ewigkeit Bestand hat, so auch das Lob seines erlösten Volkes: „Würdig ist das Lamm, das geschlachtet worden ist“. Das wird auf ewig der Ausdruck der Freude der Heiligen an Gottes Gedanken über die Person und das Werk seines eingeborenen Sohnes sein.

Ehre, Lob, Anbetung steigen
auf mit Dank zu Gottes Thron.
Alle sich vor Jesus beugen,
ehren freudig Gottes Sohn.

Das Räucherwerk

In dieser Verbindung bietet es sich an, über das Räucherwerk zu sprechen (2. Mo 30,34–38), und – in enger Verbindung damit – über das heilige Salböl, mit dem die Stiftshütte und all ihre Geräte und auch die Priester gesalbt wurden (2. Mo 30,23–33).

Das Räucherwerk bestand zu gleichen Teilen aus vier „wohlriechenden Gewürzen“ und wurde dann „gesalzen“ oder – wie manches es übersetzen – „vermengt“. Mit gewisser Wahrscheinlichkeit bedeutet das wohl einfach, dass Salz hinzugefügt wurde. In diesem Fall haben wir letztlich keine Angabe der Mengenverhältnisse. Tatsächlich finden wir für Salz in der Schrift niemals eine Mengenangabe (Esra 7,22: „Salz ohne Maß“). Es könnte jedoch auch sein, dass mit dem Wort kein wirkliches Salz gemeint ist, sondern das Zerreiben und Vermengen der verschiedenen Zutaten, die sich so gegenseitig würzten oder „salzten“.

Das Räucherwerk sollte jeden Abend und Morgen auf dem goldenen Altar dargebracht werden – auf Kohlen, die vom Brandopferaltar genommen wurden (3. Mo 16,12). Es war der Wohlgeruch, der innerhalb des Heiligtums dargebracht wurde, während außerhalb des Heiligtums das Brandopfer seinen lieblichen Duft verbreitete. Letzerer ging allein von dem Opfer aus, und ersterer allein von dem Räucherwerk, wobei die Kohlen, die vom einen zum anderen gebracht wurden, zeigen, wie eng beides miteinander verbunden war. Dieselbe Heiligkeit nahm beides an, und das Opfer war die Grundlage des Lobes.

Das Räucherwerk bestand hauptsächlich aus Harzen, die von Gewürzpflanzen ausgeschieden werden. Diese Harze sind damit gewissermaßen ein konzentrierter Auszug des Wesens der jeweiligen Pflanze. In diesem Sinn stellen sie mehr die moralische Bedeutung und Vortrefflichkeit von Taten als all ihre Einzelheiten dar. In der Natur sind sie wahrscheinlich das einzig wertvolle an der Pflanze. Im Allgemeinen können wir sagen, dass sie für alle moralischen Vortrefflichkeiten Christi stehen, die Gott so sehr wertschätzt. Aber wie im Brandopfer alles verzehrt wurde, weil alles ein lieblicher Geruch für Gott war, so war es auch beim Räucherwerk – nicht die Überbleibsel, oder das Beste, sondern alles an Ihm war ein Wohlgeruch. Hier versagt das Vorbild notwendigerweise darin, Ihn darzustellen. Aber anders betrachtet zeigen die Gewürze die Motive, den Geist und das Wesen alles dessen, was Er tat und war. Der Wesenskern dieser Dinge bleibt für immer vor Gott bestehen. Es ist schwierig, einen Gegensatz herzustellen, wo doch alles vollkommen war und Inneres wie Äußeres von völlig gleichem Wesen war. Wir können jedoch unterscheiden zwischen den äußeren Einzelheiten seines Lebens auf der einen und den darin ausgedrückten Gedanken, Wünschen und Motiven auf der anderen Seite.

Die Beschreibung des Räucherwerks erweckt einen weiteren sehr vielsagenden Gedanken. Das Wort, das allgemein mit „wohlriechende Gewürze“ übersetzt wird, stammt von dem Wort für „duften“ ab. Es könnte auch mit „Düfte“ übersetzt werden. Der Abschnitt in 2. Mose 30 enthält weitere Wörter von ähnlich allgemeiner Bedeutung: „Räucherwerk“, „Würzwerk“, „ein Werk des Salbenmischers“ (Vers 35). Diese Anhäufung von Ausdrücken deutet die Fülle des Gegenstands an – Christus kann nicht mit bloß einem Wort beschrieben werden. Das „Räucherwerk“ weist hin auf seinen Wohlgeruch im Feuer göttlicher Heiligkeit, das Ihn bis hin zum Tod prüfte; das „Werk des Salbenmischers“ erinnert uns daran, dass die verschiedenen Zutaten miteinander in der Kunstfertigkeit des gepriesenen Geistes Gottes, des wahren „Salbenmischers“, vermengt wurden.

Vereine all die großen Namen
von Weisheit, Liebe und von Macht,
die je ins menschlich‘ Denken kamen,
die Ausdruck sind von Engelspracht:

Den Wert des Heilands auszudrücken,
da reichen sie gewiss nicht hin,
und Ihn ins rechte Licht zu rücken,
sind allesamt sie zu gering.

Wir kommen nun zu den vier Bestandteilen des Räucherwerks.

Stakte

Stakte ist ein griechisches Wort, mit dem in der Septuaginta das hebräische Wort nataph wiedergegeben wird, und es bedeutet „tropfen“ oder „träufeln“. Es wird so genannt aufgrund der „Tropfen“ von Harz, die der dazu gehörende Baum ausscheidet. Man hat es auch schon mit „Balsam“ übersetzt, was ein allgemeinerer Begriff für süße Harze ist, und manche denken, dass es vom Storaxbaum kommt, einer Pflanze, die man in Syrien antrifft. Andere halten es für die besondere Bezeichnung einer Myrrhe-Sorte, die in Arabien zu finden ist. Aber dafür gibt es keinen sicheren Beleg und es ist eher unwahrscheinlich.

Abgesehen von der Tatsache, dass eine duftende Substanz gemeint ist und dass sie vom Storaxbaum kommen könnte, müssen wir uns daher darauf beschränken, was sich über die Bedeutung des Wortes aus seiner Verwendung in anderen Abschnitten der Schrift ergibt, aus denen der übliche Verwendungszweck deutlich wird, der – zusammen mit der offensichtlichen Verwendung für das Räucherwerk und einer möglichen Übereinstimmumg mit dem erwähnten Gewürz – zu einigen Gedanken anregen wird.

An manchen Stellen wird dasselbe Wort als Bezeichnung für Regen verwendet: „Auch troffen die Himmel“ (Ri 5,4), „Denn er zieht Wassertropfen herauf“ (Hiob 36,27). Und in Verbindung damit haben wir allgemein den Gedanken von Ausfluss: „Und die Berge werden träufeln von Most“ (Amos 9,13). Daher wird das Wort auch verwendet, um Gesprochenes als „hervorfließend“ oder „träufelnd“ zu bezeichnen: „Nach meinem Wort sprachen sie nicht noch einmal, und auf sie träufelte meine Rede“ (Hiob 29,22); „Honigseim träufeln deine Lippen“ (Hld 4,11). Die letztgenannte Stelle findet in der deutlichen Sprache des Neuen Testament ihre Erklärung: „Und alle gaben ihm Zeugnis und verwunderten sich über die Worte der Gnade, die aus seinem Mund hervorgingen“ (Lk 4,22). An anderen Stellen wird das Wort auch mit „Weissagung“ wiedergegeben (Micha 2,6; Hes 21,2 usw.).

Aus dem Gebrauch des Wortes ergibt sich also das Bild von Gedanken, die ihren Ausdruck finden oder „träufeln“, etwa in ermunternden Worten oder auch in ernster Warnung. Es erübrigt sich der Hinweis, wie völlig unser Herr dies in jedem seiner Worte, die Er sprach, verwirklicht hat, ob es nun Worte der Gnade und Barmherzigkeit waren gegenüber solchen, die ihren hilflosen Zustand empfanden, oder Warnungen und Bloßstellung von Heuchlern und Selbstgerechten. Alles war von lieblichem Geruch für Gott.

Aber welche Konsequenz hatte solche „Destillaton“, solches Träufeln, für Ihn? Er brachte kein unnützes Wort hervor, sondern nur Worte ewiger Wahrheit, für die Er zu sterben bereit war. Das führt uns auf den Gedanken, dass das Träufeln des wohlriechenden Harzes auf das Durchstechen des Baumes folgte. So war es auch bei unserem Herrn. Die Verachtung, der Spott, der Hass, der Ihn durchstach – alles brachte nur die wohlriechende Unterwürfigkeit gegenüber Gott hervor, die sich auch dann noch in Worten der Liebe und Wahrheit ausdrückte, als man Ihn an das Kreuz nagelte. So ist sein Schweiß, der „wie große Blutstropfen [wurde], die auf die Erde herabfielden“, von ewig lieblichem Duft für Gott, indem er die Tiefen seiner Worte ausdrückt: „Nicht mein Wille, sondern der deine geschehe!“. Die Stakte lässt uns so an den Ausfluss des Herzens Christi für Gott denken, sowohl aus eigenem Antrieb also auch im Erdulden seiner Leiden bis zum Tod.

Räuchermuschel (Onyx)

Onyx ist ebenfalls ein griechisches Wort. Wörtlich bedeutet es „Fingernagel“. Wir haben es aus der Septuaginta, die das hebräische Wort so übersetzt. Es wird auch mit „Schuppe“ oder „Schale“ übersetzt, kann aber tatsächlich einen Fingernagel bezeichnen. Der Onyx (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Edelstein) wird von antiken Autoren als eine Muschel beschrieben, die im Roten Meer vorkommt, und, wenn man sie zermahlt, ihren Duft verbreitet. Das ist bedeutsam und in Übereinstimmung mit der allgemeinen Bedeutung des Räucherwerks. Christus ist an den Ort des Todes und des Gerichts gekommen. Aber wie unterschieden sich seine Worte völliger Unterwürfigkeit und Liebe von Israels Murren! Als Israel zitternd am Ufer des Roten Meeres stand, sagte es: „Hast du uns darum, weil in Ägypten keine Gräber waren, weggeholt, damit wir in der Wüste sterben?“ (2. Mo 14,11). Und doch öffnete Gott den Weg durch das Rote Meer für diese murrende Menge, damit sie trockenen Fußes hindurchgelangte. Unser Herr aber, als Er dem finsteren Meer des Todes und des Gerichts entgegenblickte, durch das Er gehen sollte, um für die Seinen den Weg zu bereiten, damit sie sicher hindurchgelangten, sagte: „Den Kelch, den mir der Vater gegeben hat, soll ich den nicht trinken?“ (Joh 18,11). Das war wahrer Duft am finsteren Ufer des Todes, aus einem Leben heraus, das sich selbst hingab, um an unserer Stelle im Gericht zerstoßen zu werden. Man sagt, dass dieses „Onyx“ sowohl Duft also auch Medizin war – wir können sagen: Wohlgeruch für Gott und Heilung für den Sünder.

Die Liebe hat im Todestal
in Finsternis und großer Qual
den liebsten Duft verbreitet.

Dort, wo die Sünde siegreich schien,
hat die Erlösung – Preis sei Ihm! -
nur Herrlichkeit entfaltet.

Man sagt, dass diese Muschel sich von der „Narde“ oder den Halmen duftender Wasserpflanzen ernährt, und das wiederum mag uns daran erinnern, dass die Speise unseres Herrn nicht in den Fleischtöpfen Ägyptens bestand, sondern im Willen seines Vaters, obwohl Ihn dieser Wille zur Selbstaufgabe seines Lebens führte: „Dieses Gebot habe ich von meinem Vater empfangen.“

Galban

Galban kommt (genauso wie die Räuchermuschel) nur an dieser einen Stelle vor, und wir müssen seine Bedeutung daher hauptsächlich aus der Herkunft des Wortes schließen. Sowohl das griechische als auch das deutsche Wort sind bloße Transkriptionen des Hebräischen, keine Übersetzungen. Der Hauptstamm des Wortes bedeutet „fett, fruchtbar sein“ und könnte sich daher auf den Saft, die „Fettigkeit“ der Pflanze, beziehen, auf ihren besten oder wichtigsten Teil. Dem wird durch die Wortendung der Gedanke der „Wehklage“ beigefügt, was uns die Leiden des „Mannes der Schmerzen“ in Erinnerung ruft, die aber doch niemals die Vollkommenheit einer gänzlich Gott geweihten „Fettigkeit“ beeinträchtigten.

Heute kennt man „Galban“ als ein Gummiharz, das an der Ostküste Afrikas und in Arabian gewonnen wird. Es ist von gallebitterem Geschmack und hat einen modrigen, unangenehmen Geruch. Aber es verleiht den anderen Zutaten Kraft und Beständigkeit. Man sagt, dass es Ungeziefer und Kriechtiere vertreibt und auch medizinische Verwendung hat. Das lässt uns nicht ohne bedenkenswerte Anwendungen auf den Herrn Jesus. Wie wahrhaft drückte sich seine ganze Willensenergie, wie sie im „Fett“ angedeutet wird, in Ergebung zu seinem Vater aus. Das wird ausführlich in den Opfern dargestellt. Von welch heiliger und anhaltender Energie war Er geprägt: „Meine Speise ist, dass ich den Willen dessen tue, der mich gesandt hat, und sein Werk vollbringe“ (Joh 4,34). All das war völlig und allein für Gott. War sein Pfad ein Pfad der Leiden und der Schmerzen? Gewiss, aber nie ein Pfad des Murrens oder Klagens. Gab nicht gerade diese Energie des Willens, eines Willens, der nur danach trachtete, Gott zu gehorchen, dem ganzen Wohlgeruch seines Lebens eine besondere Note? Die „Fettigkeit“ fügte dem Wohlgeruch seiner Leiden und seiner Liebe die Beständigkeit hinzu. Sicherlich, für diejenigen, die kein Herz für Ihn hatten, für die Er ohne Gestalt und Anziehungskraft war, war dieses „Galban“ etwas Abstoßendes, es war ihnen zu beißend. Dass jemand niemals einen anderen Gedanken haben sollte als den Willen des Vaters, sich niemals abseits von Gott für die Welt interessieren sollte, niemals auf die Ebene gewöhnlicher Menschen herabkommen sollte, das war ihnen „zu viel“. Oh, wie reizte diese göttliche Energie den trägen Stolz der Pharisäer und Herodianer. Wie hat deren stechender Duft ihre oberflächliche Gesinnung und ihr heuchlerisches Herz durchdrungen. Wie hat deren Weltentrücktheit Herz und Gewissen solcher getroffen, die nur für diese Welt lebten. Und selbst für die Seinen überstieg der Duft des „Galbans“ beizeiten ihren Glauben und offenbarte den Zustand ihrer Seelen. Petrus‘ wohlgemeinter Abbringungsversuch, als der Herr sein Kreuz voraussagte („Gott behüte dich, Herr! Dies wird dir nicht widerfahren!“, Mt 16,22), traf auf eine wenig freundliche Erwiderung: „Geh hinter mich, Satan! Du bist mir ein Ärgernis, denn du sinnst nicht auf das, was Gottes, sondern auf das, was der Menschen ist.“ Bloß irdische Zuneigung, wenn sie von jemandem kommt, den andere Motive kennzeichnen sollten, war ein Anstoß, sofern sie Ihn von dem Willen seines Vaters abzubringen suchte. Aber wie hat, trotz dieser scheinbar harschen Worte, gerade diese Willenskraft, die einen bequemen Pfad für sich ablehnte, eine Herzensergebenheit für Gott hervorgebracht, die – wie wir gesehen haben – allem in Ihm den Stempel aufdrückte. So hat das Galban auch uns etwas zu sagen. Wie vertreibt eine solch durchdringende Energie doch die „Schlange“ und all ihre schädliche Brut, während sie Heilung für den bringt, der zerbrochenen Herzens ist und in seiner Sünde und Not zu Ihm kommt.

Weihrauch

Was die Häufigkeit der Vorkommnisse in der Schrift betrifft, macht Weihrauch die Seltenheit der anderen Worte wett. Es ist ja auch ein gut bekanntes Gewürz. In der Ursprache hat das Wort einen Stamm, der „weiß sein“ bedeutet. So hat auch das Libanongebirge (das ist dasselbe Wort), seinen Namen wohl aufgrund seiner weißen Kalksteinfelsen, aus denen es großteils besteht. Man vermutet, dass dem Weihrauch dieser Name durch die weiße Farbe des reinen Harzes zugekommen ist. Er passt auch auf die weiße Flamme, mit der es brennt. Das Harz wird in Arabien gewonnen und ist von bitterem Geschmack. Es kommt von einem Baum, der Blüten trägt mit fünf Blütenblättern und zehn Staubblättern. Die Frucht ist fünfeckig, und es gibt fünf Unterarten der Pflanze. Sie wächst auf fast nackten Marmorfelsen und sucht sich dort ihre Nahrung. Das Harz wird durch Einschnitte gewonnen und ist sehr kostbar. Es ist nicht nur als Räucherwerk gefragt, sondern findet auch in der Medizin und als Giftgegenmittel Verwendung.

Wir haben also eine Fülle von Andeutungen auf unseren Herrn, der „wie ein Wurzelspross aus dürrem Erdreich“ in der dürren Wildnis dieser Welt aufwuchs, wo es natürlicherweise nichts zum Lebensunterhalt gab. Die kennzeichnende Zahl Fünf, die so vielem an der Stiftshütte den Stempel aufdrückt und uns in den Blüten, der Frucht, und den Unterarten dieser Pflanze begegnet, erinnert uns an die Wahrheit des fleischgewordenen Wortes. Dass die Pflanze ihre Nahrung und ihren Duft dem Marmorgestein entnimmt, weckt in uns den zweifachen Gedanken, dass Er in jenem reinen und vollkommenen Willen Gottes gedieh, der Ihn in eine öde Welt führte, wo Er aber in jeder Hinsicht das aufnahm, was ein Wohlgeruch für Gott war. Die Einschnitte, aus denen das Harz floss, erinnern uns, dass sein Durchstechen den lieblichen Geruch der völligen Unterwerfung unter Gott hervorbrachte, der für Gott als Wohlgeruch unschätzbaren Wert hatte und zugleich das vollkommene Gegenmittel für das Gift war, mit dem Satan den Menschen betäubte, eine heilende Medizin für die tiefsten Übel der Seele.

Das sind bloß schwache Andeutungen dessen, was uns in den Evangelien auf jeder Seite vor Augen geführt wird, damit wir – möchte es so sein! – es als den wahren Weihrauch der Anbetung verwenden und so den lieblichen Geruch Christi vor Gott darbringen.

Wir möchten nun auf verschiedene Stellen der Schrift hinweisen, in denen von Weihrauch die Rede ist, um uns ein ein Bild von seiner Bedeutung und seinem Gebrauch zu machen. Auf das Speisopfer von Feinmehl kam Weihrauch, und obwohl nur ein Teil der Speise verbrannt wurde, musste doch der ganze Weihrauch im Feuer verzehrt werden (3. Mo 2,1–2). Auch auf die Schaubrote auf dem goldenen Tisch wurde Weihrauch getan – „zum Gedächtnis“ (3. Mo 24,7). Speisopfer und Schaubrote sprechen beide von der Person unseres Herrn. Der Weihrauch deutet dabei hin auf seine Kostbarkeit für Gott und für alle, die an Gottes Gedanken teilhaben. So singen wir:

Anbetend unser Herz sich neigt,
wenn ihm Dein Name wird gezeigt.

„Wer ist sie, die da heraufkommt von der Wüste her wie Rauchsäulen, durchduftet von Myrrhe und Weihrauch“ (Hld 3,6); „Ich will hingehen zum Weihrauchhügel“ (Hld 4,6). Hier, im „Lied der Liebe“, wird die Vortrefflichkeit Christi im Symbol des wohlriechenden Räucherwerks vorgestellt. Dass es nur ein Symbol ist, macht Gottes Tadel deutlich, den Er der durch den Propheten ausrichten ließ, als die Darbringung zu einer bloßen Formsache verkommen war: „Wozu soll mir denn Weihrauch aus Scheba kommen?“ (Jer 6,20).

Mit derselben symbolischen Sprache wird der Segen für die Nationen am zukünftigen Tag der Herrlichkeit Christi vorgestellt: „Sie alle werden aus Scheba kommen, Gold und Weihrauch bringen, und sie werden das Lob des Herrn fröhlich verkündigen“ (Jes 60,6). Der Besuch, den die „Weisen“ dem Heiligen Kind in Bethlehem abstatteten, war eine Vorschattung dieser segensreichen Zeit, und bedeutsamerweise zählte zu ihren Geschenken neben dem Gold seiner göttlichen Herrlichkeit auch der Weihrauch seiner Vortrefflichkeit und die bereits von seinem Tod sprechende Myrrhe (Mt 2,11).

Die Zusammenfügung

Wenn wir zusammenfassen, was wir gelernt haben, so sehen wir in der „Stakte“ den wohlriechenden Ausfluss von Wort, Werk und Leben unseres Herrn bis zu seinem Tod. Die „Räuchermuschel“ ruft uns vor allem ins Gedächtnis, dass Er in seinem Tod „zerstoßen“ wurde und dennoch nur den Wohlgeruch völliger Ergebenheit für seinen Gott hervorbrachte. Das „Galban“ erinnert an die heilige Energie, die nur ein Ziel kannte und alle halbherzigen Vorwände und Loyalitätsbekundungen verwies. Der „Weihrauch“ spricht von seiner Reinheit, die in seiner völligen Weihe für Gott ihren Ausdruck fand.

Diese Zutaten sollten zu gleichen Teilen und in der genannten Reihenfolge genommen werden. Nichts war unverhältnismäßig. Jeder Teil stand mit jedem anderen im Gleichgewicht, nicht durch Gegenwirkung, wie es bei uns Menschen oft nötig ist, sondern indem der Wohlgeruch noch verstärkt und in seinem wahren Charakter hervorgebracht wurde. Man könnte sagen: Wäre unverhältnismäßig viel Stakte verwendet worde, also nur Süße und Wohlgeruch – wobei das durchaus zuerst genannt wird – so hätte es die Sinne getrübt. Bei einer Dominanz des Galban hätte es an der „Sanftmut und Milde des Christus“ gefehlt (2. Kor 10,1). Ein Übermaß an Räuchermuschel hätte ein allzu dunkles Licht auf das Leben des Herrn geworfen. Und eine über das rechte Maß hinausgehende Menge des frei brennenden Weihrauchs hätte Ihn übereilt zum Vater zurückkehren lassen – ehe „seine Stunde gekommen war“ (Joh 13,1).

Aber alles war in der Kraft des Geistes miteinander vermengt, sodass es im Ergebnis „ein Werk des Salbenmischers“ war, absolut lieblich und zur Freude des ewigen Gottes, verbunden durch das „Salz“ des ewigen Bundes, das den beständigen Charakter dessen zeigt, von dem alles spricht, und die ewige Natur des Lobes, dessen Gegenstand Er ist.

Unsere Worte sind wirklich schwach, wenn es darum geht, auszudrücken, was jederzeit unsere höchsten Gedanken übersteigt. Aber wenn Gott uns in seiner Gnade die Einzelheiten des Wesens seines Sohnes vorstellt, dann wird wahre Demut das Verlangen hervorbringen, die so mitgeteilten Lektionen zu erfassen.

Lasst uns auch stets bedenken, dass die Dinge, die im Vorbild notwendigerweise als eine Zusammensetzung erscheinen und als zusammengefügt durch äußerlich angewandte Kraft und Geschicklichkeit, bei unserem Herrn unumgänglich und zwingend sein Wesen ausmachten. Wir sagen: „wenn dieses oder jenes nicht im rechten Verhältnis gestanden hätte“ – aber das war unmöglich. Er war vollkommen. So war Er, und nur so konnte Er sein. Kein Räucherwerk wie dieses konnte von Menschen hergestellt werden: Das macht die Lästerung derer aus, die davon sprechen, Ihn nachzuahmen, oder die Ihn herabwürdigen, in dem sie Ihn in eine Reihe mit anderen Menschen stellen – und wir sprechen nicht von Buddha oder Mohammed, sondern von Mose oder Elia oder einem der Propheten. Nein, dieses Räucherwerk war nur für einen Zweck bestimmt: um auf den goldenen Altar gelegt zu werden, damit es seinen Wohlgeruch vor dem Einen verbreitet, der allein völlig den Sohn erkennt (Mt 11,27). Die ewige Hölle ist das Teil derer, die es ablehnen, dem Christus Gottes seinen wahren und einzigen Platz vor Gott zu geben. „Wer ist der Lügner, wenn nicht der, der leugnet, dass Jesus der Christus ist?“ (1. Joh 2,22). Es muss uns daher nicht überraschen, wenn wir finden, dass diejenigen, die das hoffnungslos unheilbare Wesen der Sünde und die ewige Strafe für die Schuld des Menschen leugnen, dieselben sind, die den Sohn Gottes herabwürdigen und den Wert seines sühnenden Todes leugnen. Beides steht und fällt miteinander. Wenn die Sünde nicht das ist, was Gott von ihr sagt, dann ist – mit Ehrfurch gesagt – Christus nicht der, als den dieselbe Autorität Ihn vorstellt. Damit geht aber die ganze Wahrheit einher. Es gäbe keinen Gott, keinen Schöpfer, keine Schöpfung – es gäbe nichts, worauf unser Glaube noch ruhen könnte. Solcherart ist die wahnhafte Torheit der Lüge Satans und des Menschen, der in seiner Gefolgschaft den Heiligen Gottes einem der Menschenkinder gleichzusetzen wagt (Ps 45,2).

Während die Wesenszüge unseres Herrn mit besonderem Glanz in den vier Evangelien hervorstrahlen, deren unmittelbares Thema Er ja ist, müssen wir doch immer im Blick behalten, dass die ganze Schrift „das Wort des Christus“ ist (Kol 3,16). Gottes Gedanke vom Anfang bis zum Ende des Wortes Gottes ist Christus. So ist Er auch in diesem Sinn das Alpha und das Omega der göttlichen Wahrheit. Wir werden Ihn deshalb auf jeder Seite der Bibel vorgestellt finden, in Vorbildern, Symbolen, Handlungen, Geschichten und menschlichen Charakteren. Dem Heiligen Geist gefällt es, die fromme Seele auf diese Weise zu bewegen, von weit her Gewürze zu bringen – die wohlriechende Stakte aus dem ersten Buch Mose, den Onyx aus dem Zweiten, den stechenden Galban selbst von den furchteinflößenden Höhen des Sinai und aus den Propheten, den Weihrauch aus dem Hohelied – und dies alles vermengt zu finden in solchen Lobpsalmen, deren Thema Christus ist. Oder, um das Sinnbild etwas zu verändern: Der Glaube wird freudig all diese Gewürze sammeln oder sie vermengt finden in allen Teilen jenes „guten und geräumigen Landes“, verstreut über das Wort Gottes. Ach, dass unsere Herzen doch angesichts solcher Themen niemals kalt blieben, und dass sie niemals Geschäfte mit diesem heiligen Räucherwerk machten, um sich Lob von Menschen zu beschaffen! Lasst uns nicht versäumen, ein wahrhaft geübtes Gewissen zu haben, damit Gehorsam und Frucht im Leben die Ausflüsse unserer Wertschätzung des Sohnes Gottes sind. Marias Narde war kostbar, und wir können sicher sein, dass sie persönlich große Kosten aufgebracht hat, aber ihre Seele war so von Christus erfüllt, dass ihr die persönlichen Kosten gar nicht in den Sinn kamen. Es gibt eine göttliche und unabdingbare Verbindung zwischen dem Wesen des Herrn und dem seines Volkes, das in gewissem Maße geformt wird durch die Wahrheit, von der es ergriffen ist. Möge seine Gnade dies im Herzen von Schreiber und Leser bewirken – zu seinem Lob.

Die Verbindung zwischen Brandopferaltar und Räucheraltar

Dass alle Dinge des Altars, des Räucherwerks und des Salböls so innig mit dem Priestertum verbunden sind, hat eine offenkundige Bedeutung: Alle wahre Anbetung muss im Namen des Priesters und durch den Priester geschehen. Jede volle und mit Einsicht gepaarte Anbetung muss durch Ihn geschehen, der in das Heiligtum eingegangen ist, als Er eine ewige Erlösung erfunden hatte (Heb 9,12). Das betont die Tatsache, dass alle Anbetung gegründet sein muss auf das vollbrachte Opfer unseres Herrn Jesus. Gott muss gerechterweise die Sünde richten. Aber in seiner Liebe hat Er es an der Person seines geliebten Sohnes getan, der als der Sündenträger ausrief: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Ps 22,1). Die Antwort auf diese Frage des heiligen Leidenden gibt Er selbst: „Doch du bist heilig, der du wohnst bei den Lobgesängen Israels“ (Vers 3). Es ist aufgrund der Heiligkeit Gottes, dass die Sünde gerichtet werden muss – eine überaus ernste, aber auch überaus gesegnete Tatsache. Welche Ruhe könnte es für die Schöpfung geben, wenn ihr Urheber und Erhalter nicht völlig heilig und gerecht wäre? Aber – Gott sei gepriesen – das Gericht ist durch den göttlichen Stellvertreter getragen worden und wird daher niemals an seinem Volk heimgesucht werden. Nun, aus diesem Grund kann Gott in dessen Mitte wohnen und kann deren Lob hervorfließen. Aber sie könnten Ihm nicht nahe sein, wenn nicht der Heilige von Gott verlassen gewesen wäre. Ihre Loblieder könnten nicht zu Ihm aufsteigen, hätte nicht die Qual Christi die schreckliche und doch gesegnete Tatsache deutlich gemacht, dass Gott dort auf Ihn den Zorn ergoss, den wir verdient hatten. Später werden wir sehen, wie diese ganze Wahrheit im Brandopferaltar hervorstrahlt, mit dem der Räucheraltar untrennbar verbunden war. Die Kohlen vom Brandopferaltar, wo das sühnende Opfer zum lieblichen Geruch zu Gott aufgestiegen war, wurden verwendet, um am goldenen Altar das Räucherwerk zu entzünden.

Das entnehmen wir der Tatsache, dass auf dem kupfernen Altar stets das Feuer brannte (3. Mo 6,12–13). Es gab eine klare Warnung vor „fremdem Feuer“. Das eine Feuer war dasjenige auf diesem kupfernen Altar, und es war das Vorbild jener göttlichen Heiligkeit und Gerechtigkeit, die auf dem Kreuz das vollkommene Opfer, Christus, verzehrte. Alles andere ist „fremdes Feuer“ (3. Mo 10,1). Dieses Feuer auf dem kupfernen Altar ging von dem Herrn aus und verzehrte das Opfer (3. Mo 9,24). Das deckt die Blasphemie Nadabs und Abihus auf, die in engster Verbindung mit dieser Offenbarung das heilige Feuer verachteten und ihr selbst entzündetes verwandten, um Räucherwerk darzubringen. Deshalb ging das missachtete Feuer nochmals aus – nicht um das Opfer zu verzehren, was bereits geschehen war, sondern um im Gericht diejenigen abzuschneiden, die es ablehnten, sich vor Gottes offenbartem Willen zu beugen, der sich in vollkommener Gnade bekundet hatte.

Die zwei Altäre dürfen daher nicht voneinander getrennt werden: Lob muss sich immer auf das Opfer Christi gründen. Es kann anders nicht geschehen, ohne das Wesen Gottes und seine Wahrheit zu leugnen. Das Lob des Himmels rings um den goldenen Altar gehört „dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in seinem Blut und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern seinem Gott und Vater: Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit!“ (Off 1,5–6).

Treffenderweise verweist der Psalmist daher, wenn er von dem Haus für den einsamen Sperling und dem Nest für die rastlose Schwalbe spricht, auf diese zwei Altäre: „Sogar der Sperling hat ein Haus gefunden, und die Schwalbe ein Nest für sich, wohin sie ihre Jungen legt – deine Altäre, Herr der Heerscharen, mein König und mein Gott!“ (Ps 84,4). Beide Altäre sind so miteinander verbunden und bilden die feste und bleibende Grundlage für die arme und bedürftige Seele.

So war auch Jesaja, als er die Herrlichkeit des Herrn im Tempel sah und wie die anbetenden Seraphim mit verhüllten Angesichtern die Erhabenheit des dreimal heiligen, dreieinen Gottes priesen, überwältigt vom Gefühl seiner eigenen und Israels Unreinheit, bis einer dieser „Brennenden“ (was vielleicht auf das Feuer Gottes hindeutet, wie es in den Vollstreckern des Gerichts zu sehen ist) mit einer glühenden Kohle, die er von dem Altar genommen hatte, zu ihm flog und seine Lippen berührte, wobei er sprach: „Siehe, dies hat deine Lippen berührt; und so ist deine Ungerechtigkeit gewichen und deine Sünde gesühnt“ (Jes 6,7). Die Kohle göttlicher Heiligkeit hatte bereits das Opfer verzehrt, und es verzehrte auch das wohlriechende Räucherwerk. So wurden in dieser symbolhaften Handlung die Lippen des Propheten gereinigt, und das gemäß Gottes Wertschätzung des Opfers und der Person unseres Herrn.

Wenn wir uns einer anderen ernsten Gerichtsszene zuwenden, erhalten wir einen weiteren Blick auf diese so wichtige Wahrheit, die hier umso gewichtiger erscheint als sie mit dem wahren und wirksamen Gebrauch des Räucherwerks in Verbindung steht. Korah und seine Rotte hatten Aaron als den Priester Gottes abgelehnt, indem sie dieselbe Heiligkeit und Nähe für ganz Israel forderten: „Lasst es genug sein; denn die ganze Gemeinde, sie alle sind heilig, und der Herr ist in ihrer Mitte! Und warum erhebt ihr euch über die Versammlung des Herrn?“ (4. Mo 16,3). Beanspruchten sie mit dieser Darbietung von Frömmigkeit nicht bloß dieselben priesterlichen Vorrechte für alle, und war das nicht völlig richtig? Aber es erfüllte Mose mit solchem Schrecken, dass er auf sein Angesicht fiel. Er erkannte, dass es nicht nur eine Ablehnung Aarons bedeutete (Vers 11), sondern auch der Tatsache, dass sie als ein sündiges Volk nicht anders vor Gott stehen konnten als durch den Priester, der das Opfer darbrachte. Mit anderen Worten: Dieser „Widerspruch Korahs“ beinhaltete die Ablehnung der Person Christi und seines Opferwerks. Es war in diesem Sinn eine symbolische Form des Unitarismus.

Sehr schnell wird die Gotteslästerung dieser „Männer, die gegen ihre Seele gesündigt haben“ (4. Mo 17,3) vor allen erkennbar. Sie nehmen kupferne Räucherpfannen (bedeutsamerweise sind sie nicht aus Gold, sondern aus dem, was von Gericht spricht) und bringen Räucherwerk dar: „Und Feuer ging von dem Herrn aus und fraß die 250 Männer, die das Räucherwerk dargebracht hatten“ (4. Mo 16,35). Wie wiederholt all das die ewige Wahrheit: niemand als Christus allein!

Aber Gott ist nicht nur ein Gott des Gerichts, sondern auch der Gnade, und so heißt es an Aaron, den wahren Priester, am nächsten Tag, als das Volk wegen seines Murrens die Plage trifft: „Nimm die Räucherpfanne und tu Feuer vom Altar darauf und lege Räucherwerk auf, und bring es schnell zu der Gemeinde und tu Sühnung für sie“ (4. Mo 17,11). Aaaron tut es und steht mit seiner Räucherpfanne „zwischen den Toten und den Lebenden“ (4. Mo 17,13). Der Glaube erkennt hierin den großen Hohenpriester, der unendlich weit über uns steht und mit dem Wohlgeruch seiner Person und dem Gedächtnis seines Opfers für sein Volk eintritt.

Bedeutsam ist auch, dass das für das Verbrennen des Brandopfers gebrauchte Wort („räuchern“) übereinstimmt mit dem für das Verbrennen des Räucherwerks. Es kommt von einem Wort, dass „aufsteigen“ bedeutet und unterscheidet sich von dem Wort, das für das Verbrenen des Sündopfers außerhalb des Lagers verwendet wird, das „verzehrt“ wurde. So werden wir erinnert, dass es nicht nur das verzehrende Gericht Gottes war, das sich in dem sühnenden Tod unseres Herrn offenbarte, sondern dass sein Tod wirklich „kostbar“ war für Gott. Doch wenn Er ganz speziell mit Sünde als Sünde verfährt, muss Er deutlich machen, was ihr einziger Verdienst ist.

Das soll in diesem Zusammenhang genügen, um die Bedeutung des Räucheraltars und der damit verbundenen Dinge aufzuzeigen. Wir schließen diesen Teil unseres Themas mit einigen praktischen Gedanken.

Praktische Gedanken

Durch das kostbare Blut Christi und durch göttliche Gnade ist heute jeder aus Gottes Volk zum Priester gemacht: „Auch ihr selbst [werdet] aufgebaut, ein geistliches Haus, zu einer heiligen Priesterschaft, um darzubringen geistliche Schlachtopfer, Gott wohlangenehm durch Jesus Christus“ (1. Pet 2,5). Aaron musste auf dem goldenen Altar Räucherwerk darbringen, wenn er morgens die Lampen zurichtete und abends anzündete (2. Mo 30,7.8). Alles wird hier als das Werk Aarons dargestellt, denn die Ausstattung und Befähigung der Heiligen, sei es zum Zeugnis oder zur Anbetung, ist das Werk unseres großen Hohenpriesters. Die Auswirkungen davon zeigen sich in den Heiligen. Unsere Anbetung wird durch seine Gnade hervorgebracht, begleitet von dem so nötigen Werk der Zurechtbringung, das in dem Zurichten der Lampen angedeutet wird.

Alles Lob muss „durch ihn“ geschehen (Heb 13,15). Das Räucherwerk sollte allein auf dem goldenen Altar sein. Daher ist es keine bloße Formsache, wenn wir den Namen unseres Herrn Jesus mit jedem unserer Gebete und jeder Danksagung verknüpfen, sondern eine Wirklichkeit und Notwendigkeit. Könnte es auch nur ein Körnchen Lob oder ein einziges Gott angenehmes Gebet geben, das nicht „durch ihn“ geschieht? Dieses Opfer des Lobes soll beständig sein, in Zeiten der Finsternis gleichwie in Zeiten des Lichts. Es ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen. Christus ist der Altar, die Grundlage unseres Lobes, und Er ist auch das Räucherwerk, die Substanz unseres Lobes. Nichts ist so lieblich für Gott wie der Name Christi, wie ein Lob, das seinen Wohlgeruch in Wahrheit Gott darbringt durch das Bekenntnis dessen, was Er getan hat und was Er ist. Lob bedeutet nicht, dass wir unsere Gefühle oder unseren Zustand vor Gott bringen, wenngleich Freude und Fröhlichkeit damit einhergehen werden, sondern es bedeutet, Christus zu bekennen. Und Er bewirkt Freude im Herzen des wahren Anbeters, des durch Gnade geretteten Sünders.

Diesem allen fügt Christus den Wohlgeruch seiner eigenen gepriesenen Person hinzu. Schwach und kalt ist das Lob für sich genommen, aber der Hohepriester hat „viel Räucherwerk“, um es damit darzubringen, und es steigt zu Gott in der ganzen Kraft und der vollkommenen Wohlannehmlichkeit Christi empor (Off 8,3–4). Er selbst sagt: „Ich will deinen Namen meinen Brüdern kundtun; inmitten der Versammlung will ich dir lobsingen“ (Heb 2,12). Wir sehen den Priester hier in Begleitung der priesterlichen Familie, und die ihr angehörenden schämt Er sich nicht, Brüder zu nennen, wenn Er ihr Lob zu Gott hinauflenkt. Welche Würde und Erhabenheit verleiht das aller wahren Anbetung. Es ist das Lob Christi. Ebenso wird von David gesagt, dass er Gott lobpries „durch“ die Begleitung der Leviten, die in der Stiftshütte Lob darbrachten (2. Chr 7,6).

In Verbindung mit diesen Opfern des Lobes steht auch die mehr praktische Ausdrucksform dessen: „Das Wohltun aber und Mitteilen vergesst nicht, denn an solchen Opfern hat Gott Wohlgefallen“ (Heb 13,16). Eine Illustration dazu haben wir in der Art und Weise, wie der Apostel über den zeitlichen Dienst der Philipper an seinen Bedürfnissen spricht: Er mag gering gewesen sein, wenn man ihn mit dem Maßstab der Welt bemisst, aber er war von unermesslichem Wert für Gott, weil der Geist Christi ihn hervorgebracht hatte: „ein duftender Wohlgeruch, ein angenehmes Opfer, Gott wohlgefällig“ (Phil 4,18). Nichts kann für Gott von geringem oder unbedeutendem Wert sein, wenn es den Wohlgeruch Christi trägt. Die „zwei Scherflein“ der Witwe haben jeden Ort durchdrungen, an dem der Wohlgeruch seines Namens verkündet wird (Lk 21,2–4). Und so steht nicht nur das Geben, sondern jeder wahre Dienst am Volk Christi mit dem goldenen Altar in Verbindung. Können wir nicht sagen, um es menschlich auszudrücken, dass Gottes Aufmerksamkeit überall dort hängen bleibt, wo Er eine noch so schwache Spur des Wohlgeruchs seines Sohnes bemerkt, den seine Gnade hervorgebracht hat?

Auf sehr ernste Weise wird in 2. Korinther 2,14–17 auf diesen Geruch des Namens Christi Bezug genommen. In der Kühnheit und Freiheit des Glaubens spricht der Apostel über seine Reisen von einem Ort zum nächsten mit der frohen Botschaft Christi als von den Zügen eines siegreichen Soldaten, der selbst durch Gnade ein Gefangener Christi war, und nun im Triumphzug dieses siegreichen Anführers umhergeführt wird. Er verbreitete überall die Herrlichkeit dieses Triumphes, indem er den Wohlgeruch Christi an jedem Ort offenbar machte, sowohl gegenüber denen, die gerettet werden, als auch gegenüber denen, die verloren gehen.

Man erzählt, dass bei den Triumphzügen römischer Generäle wohlriechende Gewürze verbrannt wurden. Wenn sie – gefolgt von der Menge der Gefangenen – in die Stadt einzogen, lag im Verbrennen dieser Düfte ein Geruch des Lebens für die Teilnehmer des Triumphzugs. Aber für die Gefangenen, die den Löwen vorgeworfen wurden, war dieser Duft ein Geruch des Todes. Die Düfte waren somit ein Vorgeschmack entweder des Lebens oder des Todes. So ist es auch mit der Vortrefflichkeit Christi: Uns, die wir durch Gnade vor Ihm uns beugen und Vergebung und Leben empfangen, ist der Wohlgeruch seines Lobes der Vorgeschmack eines Lebens in ewiger Fülle und Freude. Aber denen, die im Stolz seine Gnade ablehnen, spricht dasselbe Lob von Gericht in ewiger Trennung von Licht, Liebe und Himmelsfreude.

Die Stäbe

Zuletzt möchten wir noch über die Stäbe sprechen, mit denen der Räucheraltar durch die Wüste getragen wurde. Er sollte das Volk auf all seinen Wegen begleiten. Es ist in Verbindung mit dem Fremdlingscharakter und in der Trennung von der Welt und ihrer Religion, dass der wahre Geist des Lobes aufrechterhalten wird: „Lasst uns zu ihm hinausgehen, außerhalb des Lagers, seine Schmach tragend ... Durch ihn nun lasst uns Gott stets ein Opfer des Lobes darbringen“ (Heb 13,13–15). Indem sie ihre Angesichter auf Christus richten, der Welt den Rücken zukehren und die himmlische Stadt suchen, sind solche die wahrhaftigen Anbeter.

Der goldene Altar sollte dem Volk Gottes auf all seinen Wanderungen folgen. Daran erinnern uns die Stäbe, mit denen er zu tragen war. Denn wie lang oder gefährlich der Weg auch sei: Das Lob Gottes soll sein Volk kennzeichnen. Es ist ein Vorgeschmack jenes ewigen Lobes, das in der Herrlichkeit wartet.

Das wird im 84. Psalm angedeutet, der zunächst davon spricht, dass bei den Altären ein Ruheort gefunden ist, sodass während der ganzen Reise jedes Baka-Tal (Tränental) zum Quellenort der Erquickung und Stärkung für den Weg wird, bis sie „erscheinen vor Gott in Zion“.

Die fünfzehn Stufenlieder (Ps 120–134) stellen denselben Gedanken über die Stäbe heraus: Lobgesang im Vorwärtsgang, bis das Ziel erreicht ist. Diese „Lieder“ waren das Lob des Volkes, als sie zu ihren Festen zur Anbetung nach Jerusalem hinaufzogen, und lassen an Israels erneute Berufung am Ende der Tage denken – von ihren Verirrungen zurück zu Gott, der Quelle all ihrer Freude – und in noch höherem Sinn geht es um ihre ganze Reise, die hinführt zu der „Stadt, die Grundlagen hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist“ (Heb 11,10). Jede Etappe der Reise, von der Einsamkeit der Seele, die bei denen wohnt, „die den Frieden hassen“ (Ps 120), bis hin zu den Liedern der Knechte des Herrn, die Tag und Nacht nicht aufhören, Ihn zu preisen (Ps 134) – alles ist von Lob gekennzeichnet.

Das sind die wahren „Etappen“, von Ihm bezeichnet, dessen Altar seine Geliebten begleitet, welche Wege Er sie auch führt auf ihrer ganzen Reise.

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