Vorträge über die Stiftshütte
Vortrag 9: Die Zapfen und Bretter
{2. Mose 36,20–24; 30,11–16; 38,25–27}
Nachdem wir uns das Holz und das Gold angesehen haben, aus denen die Bretter der Stiftshütte bestanden, möchten wir nun ihre Form, ihre Abmessungen, ihr Fundament und ihre Beziehung zueinander untersuchen.
Einleitende Beschreibung
Wie wir bereits gesehen haben, ruhte jedes Brett auf zwei Sockeln bzw. Fundamenten aus Silber. Jedes wog ein Talent. Sie wurden aus dem Silber des Sühngelds gegossen, das jeder Mann im verantwortungsvollen Alter als Lösegeld bezahlen musste (2. Mo 38,25–27): einen halben Sekel bzw. zehn Gera (2. Mo 30,13). So standen diese Bretter Seite an Seite und ruhten nicht nur sicher auf ihrem Fundament, sondern wurden auch durch die drei Riegel fest zusammengehalten, welche durch die goldenen Ringe an den Brettern von einem Ende bis zum anderen liefen (2. Mo 36,33). Die Ecken, an denen die Bretter am leichtesten auseinandergehen konnten, wurden nochmal besonders verstärkt (wie auch immer die genauen Details dazu aussahen).
Insgesamt bildeten achtundvierzig Bretter die Stiftshütte: Je zwanzig auf jeder Seite, sechs an der Rückseite und zwei an den Ecken. Die Vorderseite war abgesehen vom Vorhang und den fünf Säulen, an denen er aufgehängt war, offen. Im Inneren der Stiftshütte gab es ebenfalls vier Säulen. Sie trugen den Vorhang, der das Allerheiligste vom Heiligen trennte. Jede dieser vier Säulen ruhte auf einem silbernen Fuß.
Schauen wir uns nun in dem Maß, wie der Herr uns darüber Licht schenkt, die geistliche Bedeutung all dessen an. Wir beginnen dort, wo der Erbauer immer beginnt: Beim Fundament. Stimmt die Grundlage nicht, ist der ganze Oberbau wertlos. Am Ende der Bergpredigt spricht unser Herr mehr vom Fundament als vom Charakter des Hauses, das seine Zuhörer errichteten. Wenn das Fundament stimmte, wäre alles sicher. Der Weise baut auf dem Felsengrund eines echten Gehorsams gegenüber Christus, der Törichte auf dem Sand eines leeren Bekenntnisses (Mt 7,24–27).
Die silbernen Füße
Die Bedeutung dieser silbernen Füße wird aus den Schriftstellen, die sie erwähnen, so deutlich, dass es darüber keinen Zweifel geben kann. Gottes Wohnort (sein erlöstes Volk) sollte auf der festen Grundlage der Erlösung ruhen. Diese Notwendigkeit wird schon dadurch stark betont, dass man nur zu seinem Volk gehörte, wenn das Lösegeld gezahlt worden war. Das galt ohne Ausnahme und keine Entschuldigung konnte geltend gemacht werden. Weder durften die Reichen mehr bezahlen, noch die Armen weniger als den halben Sekel.1 Wenn Gott ein erlöstes Volk haben soll, um unter ihnen zu wohnen, muss es entsprechend seinen und nicht unseren Gedanken geschehen. Der Preis sollte einen halber Sekel, bzw. zehn Gera betragen, nach dem Sekel des Heiligtums, d.h. der göttlichen Schätzung. Der Mensch könnte sich vorstellen, dass etwas anderes für seine Erlösung besser geeignet sei – seine eigenen Werke, Empfindungen, seine Würde oder Treue. Aber Gottes Heiligkeit und Gerechtigkeit lassen es nicht zu, dass der arme Mensch so getäuscht wird. Die Grundlage muss der Einschätzung Gottes, d.h. der Sekel dem Gewicht des Heiligtums entsprechen.
Beachten wir, dass der Preis zehn Gera betrug. Wir sind dieser Zahl bereits bei der Höhe der Bretter begegnet und haben ihre Bedeutung gesehen. Wie bei den zehn Geboten geht es um den göttlichen Maßstab der Verantwortung des Menschen. Die zehn Teppiche hatten uns gezeigt, wie vollkommen Christus dieser Verantwortung entsprochen hat. Ein Lösegeld muss dieser Verantwortung gerecht werden, weil es sonst vor Gott keinen Nutzen hat. Der Gesetzgelehrte, der „sich selbst rechtfertigen wollte“ halbierte das Gesetz und fragte: „Und wer ist mein Nächster?“ (Lk 10,29). Er lässt Gott außen vor, dem Einzigen, vor dem der Mensch gerechtfertigt werden muss. Und wie verbreitet ist dieser Gedanke! Man begegnet ihm fast überall. Das Gewissen der Menschen scheint hinsichtlich der Ansprüche Gottes eingeschlafen zu sein. Sie geben vor zu denken, dass die Erfüllung ihrer Pflicht gegenüber ihren Mitmenschen (und selbst das entsprechend ihrer eigenen Einschätzung) eine gute Grundlage für die Annahme vor Gott sei!
Doch selbst wenn ein Mensch seiner Verantwortung gegenüber seinen Mitmenschen völlig entsprechen würde, in der Lage wäre, seinen Nächsten zu lieben wie sich selbst, würde er damit auch seiner Verantwortung Gott gegenüber gerecht werden? Indem Gott den Menschen in Seinem Bild schuf, erklärte Er den absoluten Anspruch auf den Menschen in vollkommener Ergebenheit und Hingabe. Kann der Mensch gegenüber dem heiligen Willen seines Schöpfers und Erhalters unabhängig oder gleichgültig sein und schuldlos bleiben? Der Gehorsam gegenüber Gott muss dabei, ebenso wie Er selbst sein, in jeder Hinsicht vollkommen. Nur so ist er für Ihn annehmbar. Damit sind alle „dem Gericht Gottes verfallen“ (Röm 3,19), denn keiner hat sein Gesetz auf diese Weise gehalten, noch ist der gefallene Mensch dazu überhaupt in der Lage. Deshalb braucht er das, was Gott in seiner Liebe bereitgestellt hat: Ein Lösegeld, das all dem vollkommen entspricht, worin der Mensch völlig versagt hat; ein Lösegeld, das von Gott bereitgestellt wird und deshalb vollkommen wie Er selbst ist.
Jedes Kind Gottes weiß, was das Lösegeld ist. Es ist das, was dem Fluch des gebrochenen Gesetzes begegnet. Doch „Christus hat uns losgekauft von dem Fluch des Gesetzes, indem er ein Fluch für uns geworden ist (denn es steht geschrieben: „Verflucht ist jeder, der am Holz hängt!“ (Gal 3,13). Während der Mensch die zehn Gera seiner Verantwortlichkeit also nie bezahlt hat und nie bezahlen konnte, hat Christus sie entsprechend der göttlichen Schätzung vollumfänglich bezahlt, und damit das vollkommene Lösegeld bereitgestellt. Dieses Sühngeld bildet die feste und ewige Grundlage, auf welcher der schuldigste Sünder, der an Ihn glaubt, ruhen kann. Davon sprechen die zehn Gera Silber bildlich. Das Gegenbild finden wir in 1. Petrus 1,18–19: „Indem ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichen Dingen, mit Silber oder Gold, erlöst worden seid ... sondern mit dem kostbaren Blut Christi, als eines Lammes ohne Fehl und ohne Flecken“.
Wenn wir das heilige Gesetz, das unsere Verantwortung festlegt, vor uns stellen und jedes einzelne Gebot betrachten, müssen wir bekennen, dass wir völlig versagt haben, auch nur irgendeinen Teil davon einzuhalten. Wenn nicht äußerlich, haben wir es doch im Herzen gebrochen, wie unser Herr in der Bergpredigt deutlich macht. Wenn wir nun jedes einzelne Gebot durchgehen, verbinden wir es nicht mit der Bitte „Herr, sei uns gnädig und reinige unsere Herzen, um dieses Gesetz zu halten“, sondern mit den Worten „erlöst ... mit dem kostbaren Blut Christi“. Jedes einzelne Gebot haben wir gebrochen, zumindest in unseren Gedanken, und sind in den Augen Gottes aller Gebote schuldig. Doch wir sind mit dem kostbaren Blut Christi erlöst. Auf diesem sicheren und ewigen Fundament ruhen wir. Und für alle Zeiten werden alle Erlösten erkennen, dass diese Grundlage niemals erschüttert werden kann. Diese Gewissheit bewirkt durch den Heiligen Geist Liebe und Dankbarkeit, die die Seele dazu bringen, die Sünde zu verabscheuen und im Gehorsam Gott gegenüber zu leben.
Was diese „Erlösung durch sein Blut (Eph 1,7) für unseren heiligen Herrn bedeutete, zeigt uns das Gleichnis der sehr kostbaren Perle in Matthäus 13,45–46. Der allgemein verbreitete Gedanke, dass der Kaufmann der Sünder ist, der die Errettung sucht, welche die Perle ist – bzw. manchmal wird auch Christus darin gesehen – ist weit von der Wahrheit und den Gedanken Gottes entfernt. Wie könne der Sünder alles aufgeben, was er hat, um die Errettung zu erwerben – um Christus zu kaufen?! Womit könnte er denn zahlen? Er hat ja nichts außer seinen Sünden. Ist das etwa das Evangelium der Gnade Gottes? Gott sei Dank lautet das Evangelium, das Er durch seine Diener verkündigen lässt, „dass Christus für unsere Sünden gestorben ist nach den Schriften“ (1. Kor 15,3) und „die Gnadengabe Gottes aber ewiges Leben in Christus Jesus, unserem Herrn“ ist (Röm 6,23). Wir wissen, dass es der gute Hirte ist, der sein Leben für die Schafe lässt (Joh 10,11).
Man könnte einwenden: Wenn der Kaufmann, der den Sünder sucht, Christus ist, dann muss ja die Perle, dieses wunderschöne Juwel, der Sünder sein! Ja, das stimmt. Gerade darin besteht das Wunder der göttlichen Liebe und Gnade. Niemand außer dem geübten Sammler würde wissen, dass unten auf dem Meeresgrund in der unansehnlichen Muschel die Perle liegt, die, hervorgebracht und poliert, geeignet ist, eine königliche Krone zu schmücken. Genauso konnte kein Auge außer dem unseres Herrn, das durch die dunklen Wasser des Todes drang, wo wir in dem Schmutz unserer Sünden lagen, in uns eine Schönheit sehen, die Er uns einmal selbst verleihen würde. Keine andere Macht als die seine hätte auf Kosten des eigenen Lebens hinabsteigen können, um uns herauf zu bringen und passend zu machen, seine Krone der Freude in Ewigkeit zu zieren. Ja, die Perle ist die Versammlung, ebenso wie in Offenbarung 21,21, wo jedes Tor von ihr spricht.
Dies zeigt uns in der Tat, welch ein Preis für die Perle bezahlt wurde. „Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, dass er, da er reich war, um euretwillen arm wurde, damit ihr durch seine Armut reich würdet (2. Kor 8,9). Wie arm wurde der Sohn Gottes? Er legte seine göttliche Herrlichkeit ab und nahm Knechtsgestalt an (Phil 2,7). Er sagte selbst, dass Er nicht hatte, wo Er sein Haupt hinlegen konnte (Mt 8,20). Als Er gefragt wurde, ob es erlaubt sei, dem Kaiser Steuer zu geben, bat Er darum, dass Ihm ein Denar gebracht wurde (Mk 12,14–15). Frauen dienten Ihm mit ihrer Habe (Lk 8,3), ein kostbares Privileg, das man auch jetzt noch haben kann, wenn man „einem der geringsten“ der Seinen dient (Mt 25,40). Doch all das beinhaltete noch nicht das ganze Ausmaß seiner Armut. Dazu müssen wir nach Golgatha sehen, wo Er unter dem Gericht Gottes für unsere Sünden sein Leben hingab. So arm wurde Er. Aus der Herrlichkeit des Himmels kam Er herab, um ein Fluch für uns zu werden. Er verkaufte wirklich alles, was Er hatte.
Hier haben wir also die silbernen Füße vor uns, die bildlich für den Preis der Erlösung stehen, den der Herr am Kreuz gezahlt hat. So wurde das Fundament gelegt, auf dem Er seine Versammlung baut und auf dem die ganze erlöste Familie Gottes ruht. „Die Pforten des Hades werden sie nicht überwältigen“ (Mt 16,18). Könnten wir auch nur einen Augenblick darüber nachdenken, auf irgendeiner anderen Grundlage zu ruhen? Hätte Mose die Bretter auf den Treibsand der Wüste gestellt? „Einen anderen Grund kann niemand legen, außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus“ (1. Kor 3,11). Das ist die Grundlage, die Gott selbst gelegt hat und auf der jeder Gläubige gegründet ist.
Das einzelne Brett
Das führt uns direkt zur Bedeutung der auf ihren Füßen ruhenden Bretter. Denn alles, was auf dem Fundament ruht, muss sich in irgendeiner Weise auf den Gläubigen beziehen. Unser Herr brauchte keine Errettung, sondern stand in der Vollkommenheit seiner eigenen Person und seines Wesens vor Gott. Diese Bretter sprechen deshalb von seinem Volk, das die Wohnung Gottes in dieser Welt bildet. Lasst uns sie etwas näher betrachten.
Die zehn Ellen Höhe sprechen, wie wir bereits bei den zehn Gera des Sühngelds sahen, von voller Verantwortlichkeit und wie schön passen diese beiden zusammen: Einerseits ein Preis der Erlösung, der den vollen Anforderungen des vollkommenen doch von uns gebrochenen Gesetzes Gottes entsprach – und andererseits eine Annahme und Stellung in Christus, die gleichermaßen vollkommen ist. Diese Bretter stehen aufrecht. Für den Sünder geziemt es sich, sich vor Gott in Abscheu vor sich selbst mit den Worten „Unrein, unrein“ niederzuwerfen (3. Mo 13,45; Mt 8,2). „O Gott, sei mir, dem Sünder, gnädig!“ (Lk 18,13) ist alles, was er vorbringen kann. Doch welch ein Wechsel für den Gläubigen. Sein Aussatz ist gereinigt, seine Sünden sind vergeben und er steht nun auf dem festen Fundament, für das Gott selbst gesorgt hat und bekennt, dass alles der Verdienst Christi ist. In Ihm kann er jetzt stehen. So rühmen wir uns nun nicht unserer selbst, sondern allein in Christus (Röm 5,2.11; 2. Kor 10,17)2.
Dies macht vollkommen klar, was sonst eine unüberwindbare Schwierigkeit wäre. Wie bereits betrachtet, sprechen die Materialien der Bretter von den zwei Naturen unseres Herrn (seiner Menschheit und seiner Gottheit), die in seiner Person vereint sind. Vielleicht wendet jemand ein, dass es doch völlig unschriftgemäß und blasphemisch ist, davon zu reden, dass wir in der Gottheit Christi sind, was durch das Gold vorgeschattet wird. Wäre es nur das Akazienholz, könnte es wohl das Volk Gottes darstellen. Aber wie kann gesagt werden, dass es in der Gottheit sei?
Das wäre in der Tat Blasphemie. Erinnern wir uns aber daran, dass die Verbindung mit uns in seiner menschlichen Natur besteht (durch seinen Tod), Er jedoch eine Person ist und dass Er alles, was Er ist, für sein Volk ist. Der letzte Adam ist auch der Sohn Gottes, und alle, die Teilhaber des Lebens in Ihm sind, sind in Ihm, entsprechend dem vollen Wert dessen, was Er ist.
Ein Abschnitt aus Kolosser 2 wirft Licht auf diese Frage: „Wie ihr nun den Christus Jesus, den Herrn, empfangen habt, so wandelt in ihm, .... Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig; und ihr seid vollendet in ihm, welcher das Haupt jedes Fürstentums und jeder Gewalt ist“ (Kol 2,6–10). In Ihm, in dem die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt, sind wir vollendet, bzw. zur Fülle gebracht (siehe Anmerkung in der CSV-Edition). Niemand, der Gott kennt, könnte für einen Augenblick daran denken, dass das Geschöpf, wenn es in Ihm ist, an der Gottheit teilhat. Aber der Wert der Person, mit der wir vereint sind, ist göttlich und auch hier zeigt sich wieder der erstaunliche Charakter jener Gnade, die sich so tief erniedrigte, um armselige Widersacher aus ihrem verlorenen Zustand zu erheben und sie zu „Erben Gottes und Miterben Christi“ (Röm 8,17) zu machen. Auch in 2. Korinther 5,21 heißt es, dass Gott den, der Sünde nicht kannte, für uns zur Sünde gemacht hat, damit wir Gottes Gerechtigkeit in ihm würden. Ein göttliches Stehen in Gerechtigkeit ist unser Teil, die wir glauben. Die göttliche Gerechtigkeit ist in Christus so vollkommen verherrlicht worden, dass sie im Hinblick auf unsere Annahme nichts Unpassendes finden kann.
Wenn der Apostel Johannes von der Beziehung in der Familie Gottes durch das göttliche Leben spricht, sagt er, „dass, wie er ist, auch wir sind in dieser Welt“ (1. Joh 4,17). Und so wie Er, sind auch wir, „angenehm gemacht in dem Geliebten“ (Eph 1,6). „Wir wissen aber, dass der Sohn Gottes gekommen ist und uns ein Verständnis gegeben hat, damit wir den Wahrhaftigen erkennen; und wir sind in dem Wahrhaftigen, in seinem Sohn Jesus Christus. Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben“ (1. Joh 5,18–20). Wie wunderbar ist das alles! Gewiss konnte dies nur durch den Tod und die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus werden, doch „Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben“ und alles, was Er ist, verleiht seinem Volk den Wert, den Er hat. Deshalb hat es Gott bei der bildlichen Vorschattung der Stellung seines Volkes gefallen, sich nicht auf das Akazienholz zu beschränken, sondern Er sieht sie in Ihm, der beides war – Akazienholz und Gold. Somit haben wir eine vollkommene Grundlage, eine vollkommene Erlösung und eine vollkommene Stellung – Christus.
Vielleicht sagt eine ängstliche Seele: „Ich weiß, dass sowohl das Werk als auch die Person Christi vollkommen sind, aber wenn ich nur sicher sein könnte, selbst daran teilzuhaben!“ Die göttliche Antwort darauf finden wir wieder in den Brettern. Es gab nicht nur einen, sondern zwei Zapfen an jedem Brett, die in ihrem jeweiligen Fuß verankert waren. Das Wort für „Zapfen“ ist eigentlich „Hand“, was darauf hindeutet, dass die Hand des Glaubens auf das vollbrachte Werk Christi gelegt wird – wie die Zapfen einen sicheren Halt in ihren Füßen fanden, die aus dem Silber des Sühngeldes hergestellt wurden.
Die Zapfen
Wie viel liegt doch in dieser Symbolik! Streckt sich die „Hand“ des Glaubens und der empfundenen Not nach Gott aus? Dort finden wir die göttliche Antwort darauf in dem Werk Christi. Liegt das Empfinden der Sünde, Schuld und Hilflosigkeit auf uns? Dort ist der Zufluchtsort, den die Liebe Gottes bereitet hat. Allem in uns, was unsere Not und unsere Bedürfnisse zum Ausdruck bringen, wird in diesem göttlichen Werk exakt begegnet. Sind wir kraftlos? Sind wir gottlos? „Christus ist, da wir noch kraftlos waren, zur bestimmten Zeit für Gottlose gestorben“ (Röm 5,6). Sind wir Sünder? „Das Wort ist gewiss und aller Annahme wert, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, Sünder zu erretten“ (1. Tim 1,15). So legt uns Gott praktisch selbst die Worte in den Mund und lädt uns ein, unter den Schutz des Kreuzes zu kommen, einschließlich allem, was durch das Kreuz garantiert wird. Die Füße waren an die Zapfen angepasst und es gibt nichts, was so vollkommen zusammenpasst wie das Werk Christi und der arme, bedürftige Sünder. Und so legt der Glaube seine Hände an den dafür bereiteten Ort.
Nachdem die Zapfen ihren Platz in den Füßen gefunden haben, sind sie allerdings unsichtbar. Und so ist es auch bei dem Gläubigen. Er kann nicht über seinen wunderbaren Glauben nachdenken. Dieser wird auch nicht zur Schau gestellt, sondern ist in dem verborgen, worauf er ruht. Es ist auch nicht so, dass die Bretter in die Füße eingehakt und dann an ihnen herunterhängen würden, sondern sie ruhen auf ihnen. Für die Errettung klammert bzw. hält sich der Gläubige also nicht fest, so als ob alles von seiner Kraft abhinge, sondern er ruht mit seinem ganzen Gewicht in dem, was das Werk unseres Herrn Jesus uns bereitet hat. Somit stehen allein das Werk des Herrn und die durch Ihn geschehene Erlösung vor der Seele und nicht etwa die eigene Kraft oder Schwachheit, mit der sich der Glauben darauf stützt. Der Glaube ruht im Schoß der erlösenden Liebe – ist damit beschäftigt, und nicht mit sich selbst. Der Zapfen schützt das Brett auch davor, von den Füßen abzurutschen. Das Eigengewicht allein reichte nicht aus, um zu verhindern, dass es durch einen plötzlichen Stoß herunterrutschte. So ruht auch der Heilige durch einen göttlich gegebenen Glauben – nicht nur durch sein eigenes Gewicht – auf dem Werk Christi. Er kann niemals verloren gehen, weil er für ewig mit dem Wert dieses Werkes verbunden ist: „Niemand wird sie aus meiner Hand rauben“ (Joh 10,28).
Dass es zwei Zapfen und Füße waren, spricht von einem ausreichenden Zeugnis, von der Errettung und von der zweifachen Sichtweise auf die Erlösung, die für uns bewirkt wurde. Wir haben uns bereits mit den beiden Gesetzestafeln befasst und gesehen, dass es den Aspekt der Verantwortung Gott gegenüber gibt und den der Verantwortung Menschen gegenüber. Beiden hat unser geliebter Herr am Kreuz voll entsprochen. Die volle Strafe eines gebrochenen Gesetzes, der Sünde gegen Gott und gegen den Menschen, hat Er für uns getragen. Wir können auch die Sünde unter zwei Aspekten betrachten: Einmal als Übertretung und zum anderen als Knechtschaft bzw. Verunreinigung. Und auch dann sehen wir, wie das Kreuz dafür in zweifacher Hinsicht Sorge getragen hat, denn wir sind sowohl von Schuld als auch aus der Macht der Sünde erlöst. In Lied 412 der Spiritual Songs heißt es, dass im Blick auf die Sünde eine zweifache Heilung stattgefunden hat.
Oder wir denken in Bezug auf die Sünde daran, dass sie sowohl vor als auch nach der Bekehrung begangen wurde. Wie traurig, wenn ein Kind Gottes in das fällt, was unseren Herrn ans Kreuz gebracht hat! Aber die die Erkenntnis übersteigende Liebe hat für alle Sünden Vorsorge getroffen. Als unser Herr die Strafe für sie auf Kreuz trug, lagen unsere Sünden noch alle in der Zukunft: Für alles wurde Vorsorge getroffen. Möge solch eine Gnade unsere armseligen Herzen weich machen und uns dazu führen, die Sünde zu verabscheuen und uns mehr auf unseren Herrn zu werfen.
Auch bei der Erlösung könnten wir an einen doppelten Aspekt denken, denn einerseits stellt sie das Werk in uns sicher, andererseits ist sie ein Werk für uns. Durch sein Kreuz hat Er die Sünde im Fleisch verurteilt und ist außerdem „für die Sünde“ gekommen, d.h. als Sündopfer (Röm 8,3). So ist die Sünde (d.h. die Wurzel) gerichtet worden, und die Sünden (d.h. die Frucht) sind weggetan worden.
So können wir diese kostbare Wahrheit auf verschiedene Weise betrachten und ihren zweifachen Charakter erkennen. Wir können an die Errettung in ihrem gegenwärtigen und ihrem ewigen Aspekt denken, als die Seele und den Körper betreffend, als offenbart im Alten und im Neuen Testament, im Vorausbild und in der Erfüllung, für Juden und Heiden. Er ist der Gott aller Gnade, und diese Gnade hat sich in ihrer Fülle in der Erlösung durch Christus, unseren Herrn, gezeigt.
Wenn wir nochmal auf den Gedanken des Zeugnisses zurückkommen, der in den beiden Füßen und Zapfen angedeutet wird, werden wir daran erinnert, dass alles, was wir eben betrachtet haben (und es gibt noch viele weitere Aspekte), in der Schrift völlig bestätigt wird. Die Errettung beruht ausschließlich auf dem Werk unseres Herrn Jesus. Die Gewissheit dieser Errettung finden wir hingegen im Wort Gottes. Daher können wir niemals das Werk und das Wort trennen. Wo immer dies geschieht, wird man feststellen, dass beides geleugnet wird. Wer die Wahrheit der Schrift, ihre Glaubwürdigkeit, Irrtumslosigkeit und göttliche Vollkommenheit in Frage stellt (d.h. der ganze Unglaube, der unter dem anmaßenden Namen der „höheren Kritik“ läuft), wird sich als jemand herausstellen, der über das Kreuz Christi und seine Ergebnisse geringschätzig denkt.
Die Maße der Bretter
Bevor wir die Betrachtung des einzelnen Brettes verlassen, können wir uns noch mit der Bedeutung ihrer Breite von einer und einer halben3 Elle beschäftigen. Da Drei die Zahl der göttlichen Herrlichkeit ist, wurde vorgeschlagen, dass 1 ½ auf die Tatsache hinweist, dass der Mensch die Herrlichkeit Gottes nicht erreicht hat (Röm 3,23). Wir müssen uns aber daran erinnern, dass es nicht um den Menschen in seiner natürlichen Stellung der Schuld geht, wenn wir die Bretter vor uns haben, sondern als vollendet in Christus, in dem Gott vollkommen verherrlicht worden ist. Vielleicht geben uns die Höhe und Breite der Bundeslade einen Anhaltspunkt, wo wir die gleichen Maße finden (1,5 Ellen). Wie wir später noch sehen werden, versinnbildlicht die Bundeslade Christus als den, der den Thron Gottes aufrechthält. Wenn also die zehn Ellen Höhe davon reden, dass Christus Gott an dem Ort der menschlichen Verantwortung vollkommen verherrlicht hat, könnte uns die Breite ebenfalls an Ihn erinnern, und zwar in Verbindung mit dem Thron Gottes. Vielleicht finden wir einen Hinweis in dem Verhältnis zwischen der Höhe und Breite, das 10 zu 1,5 bzw. 20 zu 3 beträgt. Als Ergebnis dieses Verhältnisses erhielten wir eine nicht endende Folge von Sechsen4 – den unendlichen und ewigen Sieg in Christus, der unabhängig davon, ob wir diese Deutung der Zahlen so für uns nehmen dürfen, eine gesegnete Wahrheit und Tatsache ist. Schließlich kann diese Hälfte ein Hinweis darauf sein, dass „das Ganze“ in der Ewigkeit noch folgen wird. Das scheint der Gedanke des Trankopfers in Verbindung mit den Brandopfern zu sein (4. Mo 28,14). Ein Teil eines Hins Wein wurde ausgegossen, wobei sich der Anteil von einem Viertel Hin bei einem Lamm bis auf ein halbes Hin bei einem Stier erhöhte. Je tiefer die Einsicht von Christus ist, desto größer die Freude. Bestenfalls kommen wir jedoch dahin, mit der Königin von Scheba zu sagen, nicht die Hälfte wurde uns berichtet (2. Chr 9,6).
Wir können auch die Auswirkung dieser halben Elle auf die Länge und Breite der Stiftshütte erkennen. Wären die Bretter nur eine Elle breit, wäre die Stiftshütte nur zwanzig Ellen lang und eventuell sieben Ellen breit gewesen. Stattdessen betrug die Länge der Stiftshütte dreißig Ellen – die Entfaltung göttlicher Herrlichkeit in voller Verantwortung, wobei diese Verantwortung wiederum in den zehn Ellen Breite zum Ausdruck kommt. Im Tempel wurden diese Abmessungen verdoppelt, was den Gedanken bekräftigen würde, dass sich am Tag der Herrlichkeit – für Israel das tausendjährige Reich, für die Versammlung der Himmel – das volle Maß der Gedanken Gottes über sein Volk in Christus offenbaren wird.
Zusammengebaute Bretter
Gehen wir jetzt von dem, was von dem einzelnen Gläubigen und der Vollkommenheit seiner Stellung in Christus spricht, zu seinen gemeinschaftlichen Beziehungen über. Jedes einzelne Brett hatte eine vollkommen sichere Grundlage, unabhängig von seiner Verbindung zu den anderen Brettern, so wie die Sicherheit des einzelnen Gläubigen nicht von seinen Mitchristen abhängt, sondern allein vom Werk Christi. Darin liegt jedoch noch nichts von einer Wohnung für Gott. Es ist aber Gottes Absicht, sie zu seiner Wohnstätte zusammenzubauen.
Genau an diesem Punkt begegnen wir in unseren Herzen einem Egoismus, der ein deutlicher Beweis für unsere gefallene Natur ist. Wir denken eher an unsere eigene Errettung und Sicherheit als an Gottes Herrlichkeit und seine Wohnstätte, weshalb es oft wenig Übung in Bezug auf seine Wohnung auf der Erde gibt. Aber dieselbe Schrift, die uns sagt, dass wir auf einer Grundlage aufgebaut sind, erklärt auch, dass wir „wohl zusammengefügt“ zu einer Behausung Gottes im Geist mitaufgebaut werden (Eph 2,20–22). Die Tatsache, dass jedes Brett mit einem bestimmten Zweck für seinen Platz im Bauwerk zubereitet wurde, zeigt, dass Gott durch den Geist eine bestimmte Absicht hatte, jeden Gläubigen an den Platz zu stellen, wo er im Haus Gottes hingehört. Dies bezieht sich nicht nur auf die volle Entfaltung in der Herrlichkeit, sondern auf die heutige Zeit, in der Er uns in der Wüste gelassen hat.
Das lernen wir anhand der Ringe, von denen es wahrscheinlich (wie wir bereits gesehen haben) an jedem Brett drei gab. Durch sie wurden die Riegel gesteckt, die die Bretter so miteinander vereinten. Kein Brett war vollständig, bevor es diese Ringe aufwies, die deutlich proklamierten, dass kein Brett für sich da war, sondern mit allen anderen in Verbindung stand. Vielleicht erinnern uns die Ringe (ein vollständiger Kreis) an die ewige Verbindung des Gläubigen mit Christus: Wenn die Riegel durch die Ringe gesteckt waren, konnten sie unter keinen Umständen mehr von ihnen gelöst werden. „Wer wird uns scheiden von der Liebe des Christus?“ (Röm 8,35). Das Gold dieser Ringe spricht von dem göttlichen Charakter dieser Verbindung: „die nicht aus Geblüt, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind“ (Joh 1,13). Die drei Ringe sprächen dann von der vollen Offenbarung Gottes in dieser gesegneten Verbindung. Die drei Personen der Gottheit sind aktiv miteinbezogen und verpflichtet: Der Vater hat seinen Sohn gesandt, hat sein Werk angenommen und rechtfertigt jetzt den Gläubigen vollumfänglich. Der Sohn vollbrachte die Erlösung in vollkommener Weise und der Geist hat nicht nur jeden Gläubigen wiedergezeugt, sondern auch als Gott gehörend auf den Tag der Erlösung versiegelt (Eph 1,13; 4,30). Weiter zeigt sich das Wirken des Geistes, indem er alle Gläubigen zu einem Leib tauft (1. Kor 12,13). So erklären die Ringe deutlich, dass jeder Gläubige für immer und durch ein göttliches Werk mit seinem wunderbaren Retter und Herrn und dadurch auch mit allen seinen Mitgläubigen verbunden ist.
Die Bedeutung der Riegel ist bereits angeklungen. Ihr Material (Akazienholz mit Gold überzogen) zeigt uns die göttliche und menschliche Natur unseres Herrn. Dass es fünf Riegel waren, kann ein Hinweis auf den menschgewordenen Sohn sein und erinnern uns daran, dass Er in allem der vollen Verantwortlichkeit Gott gegenüber entsprochen hat. Fünf setzt sich aus vier und eins zusammen. Diese Zahlen sprechen von der Schöpfung verbunden mit dem Einen (dem Schöpfer). Der mittlere Riegel, der von einem Ende zum anderen durchlief, deutet auf die Gottheit unseres Herrn hin, während uns die vier anderen an seine Menschheit erinnern mögen. So werden uns diese wertvollen Wahrheiten immer wieder vor Augen geführt.
So vereinigt Christus in der Fülle seiner Person sein Volk. Die Bretter wurden Seite an Seite in einer Reihe auf ihre Füße gesetzt. Anschließend war es ein Leichtes, die Riegel durch die Ringe zu führen und eine vollständige Wand für das Haus Gottes zu bilden. Nach Gottes Gedanken und Ratschluss werden die Gläubigen „wohl zusammengefügt [...] mitaufgebaut“ und „an dem Leib gesetzt“ (vgl. Eph 2,20; 1. Kor 12,18), sodass ihre Einheit mit Christus auch die Einheit untereinander bedeutet. So war es an Pfingsten. Eines Tages wird sie in ihrer ganzen Vollkommenheit dargestellt werden. Der Glaube soll diese Einheit in praktischer Weise darstellen, und das beinhaltet Übung und Verantwortlichkeit. Leider sind die Folgen des Versagens hierin selbst für das Auge der Welt nur allzu deutlich sichtbar.
Wenn also das Gebet unseres Herrn um Einheit hier gesehen werden kann, muss es der gedanklichen Linie folgen, die uns das, was wir gelernt haben, nahe legt. Jeder Gläubige ist ein göttlich zubereitetes Brett, das auf dem vollbrachten Werk Christi ruht. Er muss seine Einheit mit seinem Herrn und Retter so vollständig begreifen, dass nichts mehr Seinen Willen und Weg hindert, in ihm erfüllt zu werden. Dies wird ihn in Übereinstimmung mit allen bringen, die ebenso Christus unterworfen sind und ein „Zelt des Zeugnisses“ (vgl. z.B. 4. Mo 9,15) wird das Ergebnis sein: Ein Zeugnis vor der Welt, damit, wie unser Herrn sagte, „die Welt glaube, dass du mich gesandt hast“ (Joh 17,21). Meinen wir nicht, in diesen Versen die goldenen Ringe sehen zu können? „Wie du, Vater, in mir und ich in dir, damit auch sie in uns eins seien“.
Wie viele Irrtümer im Blick auf das Haus Gottes werden durch diese heiligen Wahrheiten zurecht gerückt und wie viel „Beschämung des Angesichts“ (Dan 9,8) sollten sie in uns hervorrufen. Wie sehr sollten sie unser Herz und Gewissen üben. Wir hören von solchen, die „der Kirche beitreten“. An dieser Stelle werden wir zuerst daran erinnert, dass es keinen Platz für ein leeres Bekenntnis gibt, denn es durften ausschließlich mit Gold überzogene Bretter sein, die auf silbernem Fundament ruhten. Niemand außer solchen, die wiedergeboren, d.h. „in Christus“ sind, was durch ihr Ruhen in seinem kostbaren Blut, unserer Erlösung, dargestellt wird, kann in diesem Bau Gottes Platz finden. Selbst wahre Christen sprechen von „der Gemeinde ihrer Wahl“ und davon, sich ihr anzuschließen – nicht wissend, dass es nur eine gibt, eine Behausung Gottes, sein Bau, dem Er sich anschließt. Nichts bleibt dem Willen des Menschen überlassen. Gottes Wort hat bereits vorgesorgt. Die goldenen Ringe verkünden, dass alles entsprechend der göttlichen Ordnung sein muss, wie sie in seinem Wort offenbart wird.
Könnten wir uns vorstellen, dass sich Mose einige Bretter aussuchte und an einem bestimmten Ort eine kleine Stiftshütte errichtete, dass Aaron an einem anderen Ort dasselbe täte und dass Eleasar, Ithamar, Josua und Kaleb dies ihrerseits wiederholten? Welch ein Zerrbild von Gottes Plan wäre jede einzelne gewesen! Was hätte es für eine Rolle gespielt, wenn jeder für seine eigene kleine Stiftshütte lautstark besondere Anerkennung eingefordert hätte? Nein, stattdessen hätte jeder dieser Männer Gottes gesagt: „Wer sind wir, dass ihr das Haus Gottes auseinanderreißen solltet, um für uns einen Platz einzurichten?“ So tadelte Gott den Gedanken von Petrus, drei Hütten zu machen, „dir eine und Mose eine und Elia eine“ (Mt 17,4). Es gab nur Einen, den sie auf diese Weise ehren sollten. Er allein ist der Mittelpunkt seines Volkes: „Dieser ist mein geliebter Sohn, ... ihn hört“. Falls jemand es für unmöglich hält, dass irgendein Mensch auf diese Weise dort zu einem Mittelpunkt der Spaltung gemacht wird, wo Gott Einheit möchte, genügt ein Blick auf 1. Korinther 1: „Jeder von euch sagt: Ich bin des Paulus, ich aber des Apollos, ich aber des Kephas, ich aber des Christus“, worauf der Apostel entgegnet „Ist der Christus zerteilt? Ist etwa Paulus für euch gekreuzigt, oder seid ihr auf den Namen des Paulus getauft worden?“ (1. Kor 1,12–13).
Verteidigen wir also nicht das traurige Versagen der gesamten Versammlung Gottes, das viele Spaltungen bewirkt hat. Verteidigen wir diese nicht als gut und richtig. Wenn doch, wo bleibt das Zeugnis über die Einheit des Hauses Gottes? Was denkt eigentlich die Welt über all das?
Aber lasst uns noch einen Schritt weiter gehen und nicht beim äußeren Zeugnis stehen bleiben. Welcher Herzenszustand hat eigentlich all diese Spaltungen überhaupt erst ermöglicht? Hat das bloße Bekenntnis nicht einen Platz erhalten, das zu einer Vermischung des Wahren und Falschen führte? Gibt es nicht viele, die behaupten, „Bretter“ zu sein, aber keine entsprechenden gottgewirkten Kennzeichen tragen? Die keine „Ringe“, keine feste Grundlage aufweisen? Und wie viel Ungehorsam gegenüber dem Wort Gottes gibt es auch auf Seiten wahrer Gläubiger. Wie wenig wird dem Herrn sein wahrer Platz der Herrschaft in Herz und Praxis eingeräumt! Es mag vielleicht manche Lehre geben, die schriftgemäß und wahr ist, der aber ein unangemessener Stellenwert gegeben wird, sodass die „Einfalt gegenüber dem Christus“ verdunkelt wird (2. Kor 11,3). Vielleicht sind in guter Absicht menschliche Einrichtungen eingeführt worden, die die Ordnung, den Dienst, usw. betreffen. Oder es hat die scheinbar harmlose Annahme eines konfessionellen Namens den einzigen Namen verdrängt, den wir bekennen sollten und zu dem hin sich sein Volk versammeln soll (Mt 18,20).
Und diese Dinge sind keine Kleinigkeiten. Als diese Dinge nur in ihrem Keim bestanden, fragte der Apostel bereits: „Seid ihr nicht fleischlich und wandelt nach Menschenweise?“ (1. Kor 3,3), d.h. als Menschen dieser Welt. Wie schade, dass ein solcher Hinweis das Gewissen der Masse derer, die bekannt hat, „als eine keusche Jungfrau dem Christus“ (2. Kor 11,2) verlobt zu sein, kaum berührt. Einer Seele, die Ihm wirklich treu ist, von seiner Liebe gedrängt wird (2. Kor 5,14) und seiner Furcht entspricht (Ps 119,38) würde solch eine Frage allerdings die Schamesröte ins Gesicht treiben. „Sie sind nicht von der Welt, wie ich nicht von der Welt bin“ (Joh 17,16), sagt der Heilige und Treue. Kann es dann in seinen Augen eine Kleinigkeit sein, wenn die Seinen als Menschen dieser Welt leben?
Oh, dass unsere Herzen über den Ruin trauerten, der durch unsere eigene Torheit entstanden ist! Es geziemt uns kein anderer Platz als den der wahren Demütigung vor Ihm. Noch immer sieht Er den Niedrigen (Ps 138,6) – und wird ihn auch in Zukunft immer sehen. Dann wird Er, mögen die Bretter auch in der Wüste zerstreut sein, ein Wort für das elende und geringe Volk haben (vgl. Zeph 3,12), ja, selbst eins in Bezug auf sein Zeugnis, das trösten wird ohne dem Stolz zu dienen.
Kehren wir jedoch vom Bekenntnis unseres gemeinsamen Versagens zum Plan und Ratschluss Gottes zurück und betrachten die Stelle etwas genauer, die bereits teilweise aus 1. Korinther 12 zitiert wurde: „Denn so wie der Leib einer ist und viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich viele, ein Leib sind: so auch der Christus. Denn auch in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden“, etc. (1. Kor 12,12–13). Hier wird die Eigenständigkeit jedes einzelnen Gläubigen gewahrt („viele Glieder“), dennoch ist es nur „ein Leib“. Im Norden und Süden gab es auf jeder Seite zwanzig Bretter, dazu sechs an der Westseite sowie eins an jeder Ecke, sodass es insgesamt achtundvierzig Bretter waren. Diese stellen die vielen Glieder des einen Leibes Christi dar. Die Faktoren von achtundvierzig sind 6 x 8, wobei sechs die Zahl der Begrenzung des Bösen und des Sieges darüber ist, und acht (7 + 1) die bekannte Zahl der neuen Schöpfung. Gott hat durch das Kreuz der Welt und dem Tag des Menschen eine Grenze gesetzt. Sie gehen zu Ende – so sehr der Reichtum der göttlichen Langmut ihnen gegenüber auch erwiesen wird (vgl. Röm 2,4). Aber in unendlicher Liebe, losgelöst von menschlicher Gerechtigkeit, hat Gott in dem Kreuz, das das Gericht über diese Welt verkündet hat, den Sieg über das Böse errungen: „Als er die Fürstentümer und die Gewalten ausgezogen hatte, stellte er sie öffentlich zur Schau, indem er durch dasselbe“, d.h. durch das Kreuz, „über sie einen Triumph hielt“ (Kol 2,15). Dieser Sieg ist in vollkommener Gnade zum Heil „jedem Glaubenden“ (Röm 1,16), sodass Er nun auf den Trümmern der alten Schöpfung und völlig unabhängig davon, die neue Schöpfung eingeführt hat: „Daher, wenn jemand in Christus ist, da ist eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden (2. Kor 5,17). Und das ist der andere Faktor, der Begleiter des Sieges über das Böse. Beide zusammen ergeben „den neuen Menschen, der nach Gott geschaffen ist in wahrhaftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit (Eph 4,24). All das wird in seiner Vollkommenheit in Christus allein gesehen – bis zu dem Tag, an dem Er seine Erlösten darstellen wird in der Herrlichkeit, die Er ihnen gegeben hat. Bis dahin ist der Glaube stets mit Ihm und niemals mit sich selbst beschäftigt. Nur über „einen Menschen in Christus“ können wir uns rühmen, über uns selbst nicht (2. Kor 12,2.5). Die goldenen Bretter sprechen immer von Ihm – doch durch göttliche Gnade sind die Seinen „in Ihm“ und so Gottes Gerechtigkeit geworden.
Vergessen wir nicht, dass für die vollständige Darstellung dieses Sieges über das Böse in der neuen Schöpfung jedes Brett benötigt wird. Siebenundvierzig Bretter würden uns davon nichts erkennen lassen. So hat es unser Gott ausgeschlossen, dass vor Ihm auch nur eins fehlen könnte. Beachten wir, wie der Apostel von dem einen Leib spricht und anfügt „so auch der Christus“ (1. Kor 12,12). Er sagt nicht: „So auch der Leib des Christus“. Da kommen wieder die goldenen Bretter zum Vorschein. Als Saulus von Tarsus die Heiligen verfolgte, fragte unser Herr von der Herrlichkeit aus: „Warum verfolgst du mich“ (Apg 9,4)? Saulus verfolgte Christus – so vollständig identifiziert Er sich mit seinem Volk. Das also ist „der Christus“: Sein Volk in Ihm und Er das Haupt. Dies wurde nicht durch menschliche Tätigkeit bewirkt, sondern durch den Heiligen Geist, der alle Gläubigen zu einem Leib, dieser Behausung Gottes, getauft hat.
Wir können das Wirken des Geistes, als er die Gläubigen mit Christus und untereinander vereinte (angedeutet in den Ringen und Riegeln), in der [praktisch verwirklichten] Einheit und Gemeinschaft der Gläubigen zu Pfingsten erkennen. Mochten die Heiligen verfolgt und gefangen genommen werden, „als sie aber freigelassen waren, kamen sie zu den Ihren“ (Apg 4,23). „Ihr selbst seid von Gott gelehrt, einander zu lieben“ (1. Thes 4,9). „Festhaltend das Haupt, aus dem der ganze Leib, durch die Gelenke und Bänder unterstützt und zusammengefügt, das Wachstum Gottes wächst“ (Kol 2,19). Diese und viele andere kostbare Stellen werfen Licht auf die praktische Einheit und Gemeinschaft der Gläubigen, deren einziger Maßstab der vollkommene Wille Gottes ist, der sich in dem zeigt, womit wir uns in aller Schwachheit beschäftigt haben.
Die Eckbretter
Welche besonderen Lektionen können wir nun von den Eckbrettern lernen? Wie alle anderen sollten sie auf silbernen Füßen ruhen und sprechen deshalb von Gläubigen. Mit dieser Eckstellung sind jedoch weitere wichtige Gedanken verbunden. Neben dem Fundament ist die Ecke der wichtigste Teil eines Hauses. So wird unser Herr im gleichen Vers als „kostbarer Eckstein“ und „gegründetste Gründung“ bezeichnet (Jes 28,16, siehe Anmerkung). Er ist das „Haupt der Ecke“ (Mt 21,42, siehe Anmerkung), obwohl Er von seinem irdischen Volk verworfen wurde. An der Ecke muss besonders darauf geachtet werden, die Mauern zusammen zu halten, damit es nicht zu einem Bruch kommt und ein Riss entsteht. Was die ewige Darstellung in Herrlichkeit angeht, hat Christus dies getan. Gott hat jedoch in göttlicher Weise auch für die praktische Verwirklichung vorgesorgt, dargestellt in den Eckbrettern.
Es mag architektonische Einzelheiten geben, die wir in einem Modell nicht vollständig darzustellen wissen, aber bestimmte Merkmale sind klar und eindeutig. „Und sie waren doppelt von unten auf und waren an ihrem Oberteil völlig aneinander in einem Ring; so machte er es mit ihnen beiden an den beiden Winkeln“ (2. Mo 36,29). In der Numerical Bible heißt es an dieser Stelle: „Und sie waren unten doppelt, bis zu ihrem Oberteil in einem Ring jedoch völlig aneinandergefügt“. Der offensichtliche Gedanke ist, dass das, was natürlicherweise zwei und daher geteilt sein könnte, „wohl zusammengefügt“ ist (Eph 4,16). Zwischen dem unteren und oberen Teil dieser Eckbretter wird ein Unterschied gemacht. Sie waren unten doppelt und selbst wenn „verzwillingt“ die bessere Lesart ist, wird angedeutet, dass sie von den angrenzenden Brettern unterschieden waren. Das war unten an der Basis, in der Nähe der silbernen Füße. Betont das nicht die Individualität jedes Gläubigen? Ganz gleich, welche Stellung er im Haus Gottes einnimmt – auch wenn sie von größter Bedeutung ist und in engster Verbindung mit anderen – er ruht persönlich auf dem Werk Christi. „Wenn jemand bei sich selbst darauf vertraut, dass er Christi sei, so bedenke er dies wiederum bei sich selbst, dass, wie er Christi ist, so auch wir“ (2. Kor 10,7). Das sind die Worte eines Apostels, der selbst sicherlich eine höchst wichtige „Ecke“ war, sich seines Apostelamtes aber nicht rühmt. Sein Platz im Haus Gottes beruht zu allererst auf der Erlösung, was auch immer er an Dienst an den Heiligen und damit für den Herrn geleistet hat, er rühmt sich des „Menschen in Christus“ (2. Kor 12,2). So schreibt auch Petrus „denen, die einen gleich kostbaren Glauben mit uns empfangen haben“ (2. Pet 1,1) und in der Apostelgeschichte ordnete er sich selbst mit allen Gläubigen, seien es Juden oder Heiden, gleichermaßen ein: „Wir glauben durch die Gnade des Herrn Jesus in derselben Weise errettet zu werden wie auch jene“ (Apg 15,11). Und so ist es auch bei Johannes und allen anderen Schreibern des Neuen Testaments: Ihre amtliche Stellung machte sie nicht ein bisschen anders als die einfachsten Heiligen. Alle ruhten unterschiedslos auf dem kostbaren Preis der Erlösung. Die wunderbaren Wahrheiten, mit denen sie uns dienten, waren also gleichzeitig die Nahrung und der Halt ihrer eigenen Seelen.
Und so ist es mit allen wahren Gläubigen: Gaben, Dienst und Wunder können niemals diese grundlegende Tatsache beeinflussen, dass sie persönlich allein auf Christus und seinem Werk ruhen. Das ist das unterscheidende Merkmal derer, die an sich eng verbunden sind, sei es in der Familie oder dem, was bekennt Haus Gottes zu sein. Ohne diese Ruhestätte kann jemand zwar anderen das Evangelium verkünden und doch selbst verwerflich sein (1. Kor 9,27). Paulus war sich der gegenwärtigen und ewigen Sicherheit seines Heils vollkommen sicher, denn er wusste, wem er geglaubt hatte. Die Errettung seiner Seele stützte er in keinster Weise auf sein Apostelamt und seinen Dienst – wie unser Herr seinen Jüngern sagte, als sie sich freuten, dass ihnen die Dämonen untertan waren: „freut euch vielmehr, dass eure Namen in den Himmeln angeschrieben sind (Lk 10,20). Was die ewige Errettung unserer Seele angeht, brauchen wir keine andere Ruhestätte und können sie auch nicht haben, außer dem Grund, der gelegt ist, „welcher ist Jesus Christus“ (1. Kor 3,11).
Während die Bretter an der Basis also unterschiedlich sind, sind sie an ihrem Oberteil fest „in einem Ring“ mit den anderen (an jeder Seite) verbunden. Hier haben wir ein göttliches Band genau an dem Punkt, wo es nötig ist. Die Füße sorgen dafür, dass sie an der Basis zusammengehalten werden – für einen wahren Gläubigen besteht keine Gefahr, vom Werk Christi abbewegt zu werden. Es besteht aber wohl Gefahr, dass er sich von seinem wahren Platz unter dem Volk Gottes entfernt, was seinen Kopf5 betrifft. Er könnte sich aufblähen (1. Kor 4,6), es könnte ihm etwas „zu Kopf“ steigen (2. Tim 3,4)6, sodass an einem entscheidenden Punkt anstatt einer makellosen Verbindung eine gähnende Kluft entsteht. Hier umringt göttliche Liebe die Heiligen und hält sie fest in ihrer ewigen Umarmung. Wo dies voll und ganz erfasst wird, werden die „Ecken“ und Orte natürlicher Schwachheit zu Stellen besonderer Kraft.
Ecken werden natürlicherweise dadurch zu Schwachstellen, dass eine Änderung der Wandausrichtung besonders im oberen Teil belastend wirkt. Die Anwendung auf das Haus Gottes fällt nicht schwer und wir werden sehen, wie wichtig sowohl die silbernen Füße als auch die oberen Ringe sind.
Es gab in der Apostelgeschichte verschiedene solcher Scheidepunkte. In Kapitel 6 entstand ein Murren – ein Zwiespalt – der Hellenisten (d.h. der ausländischen Juden) gegen die Hebräer (solchen aus Palästina), „weil ihre Witwen bei der täglichen Bedienung übersehen wurden“ (Apg 6,1). Hier gingen die Interessen offensichtlich auseinander und der Geist Gottes korrigierte diese Schwierigkeiten unverzüglich durch die Apostel. All diese Heiligen standen auf den silbernen Füßen, doch die „Ecken“ waren schwach – durch natürliche Eifersüchteleien und den Egoismus des menschlichen Herzens, was besonders bei den Juden auffiel. Hier waren Ringe für die Eckbretter nötig. So wurden göttlich bestimmte Männer über die ganze Angelegenheit der zeitlichen Versorgung gesetzt. Von ihren Namen her scheint es, dass sie alle ausländische Juden waren, d.h. genau aus der Gruppe stammten, aus der die Beschwerde kam. Sie nahmen alle bedürftigen Heiligen, sowohl Fremde als auch Eingeborene in den Ring göttlicher Liebe und Fürsorge hinein – denn sie waren „voll Heiligen Geistes und Weisheit“ (Apg 6,3). So wurde das drohende Ungemach abgewendet. Ist es überspannt zu sagen, dass daraus eine besondere Kraft entstand, wie man an Stephanus‘ wunderbarem Zeugnis und Märtyrertum sehen kann (Agp 7)7?
Aber eine noch ernstere Spaltung bedrohte die Einheit des Zeugnisses, das Gott errichtete. Das, worüber wir gerade gesprochen haben, war nur eine Vorahnung von dem, was kam. Was die natürliche Abstammung betrifft, setzt sich die Versammlung sowohl aus Juden als auch aus Heiden zusammen. Keiner von beiden ist jedoch Jude oder Heide, denn alle sind „in Christus“ (Eph 2,14; Kol 3,11). Aber welch eine göttliche Fürsorge war nötig, um bei der Umsetzung dieser Wahrheit schwachen und unbefestigten Gewissen keine Gewalt anzutun. Als das Evangelium nach Samaria gebracht wurde – und es ist bemerkenswert, dass dies durch Philippus geschah, d.h. einem der sieben bereits erwähnten Männer – gab es einen neuen Aufbruch, eine „Ecke“ entstand. Aber wie sorgfältig beugt der Geist einer Spaltung vor. „Die Juden verkehren nicht mit den Samaritern“ (Joh 4,9). Aber hier gab es kostbare Seelen, die durch den Glauben an Christus gerettet worden waren. Die „Bretter“ standen auf den silbernen Füßen. In Jerusalem war der Heilige Geist allen an den Herrn Jesus Gläubigen gegeben worden, die Samariter hatten jedoch bisher kein derartiges, öffentliches Siegel erhalten. Diesen Segen bringen die Apostel Petrus und Johannes, die von Jerusalem herabkommen und ihnen die Hände auflegen. So wird der „Ring“ um beide gelegt, sodass Heilige in Jerusalem, von Natur aus Juden, und Samariter, im ewigen Band des Siegels und der Taufe des Geistes fest verbunden werden (Apg 8,1–17).
Dasselbe sehen wir dann in einem weiteren Schritt. Der Geist Gottes führte auf einem völlig anderen Weg weiter als bisher. „Das Heil ist aus den Juden“ (Joh 4,22), sollte aber jetzt bis an die Enden der Erde weitergetragen werden. So erweckte Gott in Kornelius, einem Heiden, das Verlangen am vollen Strom des Segens teilzuhaben und er wurde zur Erkenntnis der Vergebung durch den Namen des Herrn Jesus gebracht. Aber wieder sehen wir, wie der Geist Gottes den „Ring“ anlegt. In Petrus, dem Apostel der Beschneidung, erkennen wir das Eckbrett, das verbindet, was ansonsten möglicherweise voneinander getrennt stünde. Wie schön zeigt sich der „Ring“ göttlicher Liebe in seiner Antwort auf die Frage der Heiligen in Jerusalem: „Wenn nun Gott ihnen die gleiche Gabe gegeben hat wie auch uns, die wir an den Herrn Jesus Christus geglaubt haben, wer war ich, dass ich vermocht hätte, Gott zu wehren?“ (Apg 11,17).
Ebenso in der großen Krise in Apostelgeschichte 15. Trotz allem, was Gott so deutlich gezeigt hatte, behauptete sich der reaktionäre Geist des Judentums. Selbst nachdem eine mächtige Welle des Segens Mengen von Heiden aus vielen Gegenden erfasst hatte und Versammlungen entstanden waren, die sich aus Juden und mehrheitlich Heiden zusammensetzten, gab es solche, die lehrten, dass diese beschnitten werden und das Gesetz halten sollten (Apg 15,5). Wie leicht wäre es für Paulus zu diesem Zeitpunkt gewesen, seine Verbindung mit den Judenchristen vollständig aufzulösen, um sich von nun an der geliebten heidnischen Schar zu widmen. Eine unüberlegte Handlung, ein paar hastige Worte, und Jerusalem wäre für sich allein zu stehen gekommen und die Worte, die von den zehn Stämmen in so ungerechter Weise ausgesprochen worden waren, hätten die Situation treffend beschrieben: „Was haben wir für ein Teil an David? Und wir haben kein Erbteil am Sohn Isais! ... Nun sieh nach deinem Haus, David!“ (1. Kön 12,16).
Doch der Geist Gottes leitete, und an dem Scheidepunkt dieser „Ecke“ hielt der starke „Ring“ die geliebten Heiligen aus den Juden und Heiden in göttlicher Gemeinschaft fest zusammen. Sie gehen nach Jerusalem hinauf, dem Herkunftsort derer, die in Bezug auf die Heiden solche Unruhe stifteten. Dort, zur Besprechung dieser Angelegenheit zusammengekommen, berichtet Petrus, was Gott durch ihn gewirkt hatte, um die Heiden hineinzubringen, und weist dabei auch auf das unerträgliche Joch des Gesetzes hin. Barnabas und Paulus erzählen anschließend von den wunderbaren Werken der göttlichen Gnade unter den Nationen und Jakobus legt schließlich den „Ring“ der Schrift an, um alles festzubinden. Der Brief der Liebe wurde verschickt und für alle Heiligen, die sich vor der Wahrheit Gottes beugten, konnte diese Frage nie mehr aufkommen. Ein Bruch wurde abgewendet. Tatsächlich wurde diese „Ecke“ so zu einem besonders starken Punkt, indem beide Linien der Wahrheit aufrechterhalten wurden, und die ineinandergelegten Hände von Petrus und Paulus zeigten, wie frei das Evangelium verbreitet werden sollte. Petrus konnte von „unserem geliebten Bruder Paulus“ schreiben (2. Pet 3,15), und obwohl Paulus Petrus wegen seines widersprüchlichen Verhaltens zurechtwies (Gal 2), geschah dies doch in dem Wissen, dass das Gewissen des geliebten Apostels der Beschneidung der Wahrheit folgen wollte.
So waren alle vereint. Als der Glaube jedoch nachließ und man sich nicht länger, wie die Apostel, der Führung des Geistes übergab, zeigen uns die späteren Briefe, dass es ein Abdriften zurück zum Judentum gab und diese ganzen Grundlagen verleugnet wurden. Dann war es keine christliche Liebe mehr, am Judentum festzuhalten, denn wieder wurde Christus öffentlich abgelehnt, und das Wort an die Seinen lautete: „Lasst uns zu ihm hinausgehen, außerhalb des Lagers, seine Schmach tragend“ (Heb 13,13).
Es ist genug gesagt worden, um die Bedeutung der Eckbretter zu verdeutlichen. Anwendungen können sicherlich durch die ganze Kirchengeschichte hindurch gefunden werden: In der Versammlung als Ganzes, in Zeiten eines Überrestes, unter den Heiligen einer Versammlung, oder unter all denjenigen, die die Wahrheit des Hauses Gottes hochhalten und verwirklichen möchten. Es gibt Zeiten, die durch besonderen Druck und Gefahren gekennzeichnet sind, in denen der Geist Gottes in eine vollere Wahrheit einführen möchte. Es ist einfacher, sich zurückzuhalten und nur auf den ausgetretenen Pfaden zu gehen. Dadurch wird jedoch der Geist ausgelöscht und wahrer Fortschritt verhindert, sodass man schließlich sogar das verliert, was man bereits fest in Händen hielt. Geistlicher Fortschritt ist eine göttliche Gesetzmäßigkeit: „Nicht, dass ich es schon ergriffen habe oder schon vollendet sei“ (Phil 3,12). Wie notwendig sind also die Lektionen, die wir gelernt haben. Selbst die Überbetonung von Wahrheiten, wodurch andere Wahrheiten vernachlässigt werden, kann schwache Gewissen verletzen und vom Feind dazu benutzt werden, dort einen Bruch zu bewirken, wo Einheit sein sollte. Halten wir kurz zusammenfassend fest, was wir gelernt haben:
1) Zunächst müssen die große und grundlegende Tatsache der Erlösung durch das Werk Christi sowie alle anderen fundamentalen Wahrheiten vollständig anerkannt werden.
2) Zweitens muss man sich dem großen Grundsatz der Heiligkeit des Hauses Gottes unterwerfen: Dass Christus, unser Herr, das Haupt ist und jede Autorität besitzt.
Werden diese beiden Punkte nicht anerkannt und im Gehorsam befolgt, kann es kein Zeugnis geben. Wenn sie jedoch anerkannt und als von Gott kommend angenommen werden, gibt es den größten Raum für die Ausübung von Langmut und Liebe, die das Volk Gottes vereinigt (Kol 2,2). Wir können uns dazu die oben betrachteten Fälle zum Vorbild nehmen und von ihnen lernen, um den „Ring“ an der richtigen Stelle anzulegen.
Bedenken wir dabei aber immer die ernste Wahrheit, dass wir es mit dem Haus Gottes zu tun haben und nicht mit dem Gebäude eines Menschen, weshalb keine andere Einheit als die des Geistes bewahrt werden soll. Rom hat sich die äußere Einheit zum Ziel gesetzt und deshalb seine (gewiss unheiligen) Ringe über alles und jedes gelegt, um sie für sich zu proklamieren. In der Tat ist auf ihre Stirn „Babylon, die große“ geprägt worden, und sie ist „ein Gewahrsam jedes unreinen und gehassten Vogels“ geworden (Off 18,2). Auch der bekennende Protestantismus steht nicht weit zurück, wenn um des fälschlich sogenannten Friedens willen göttliche Wahrheiten zu opfern sind und jedem ein Platz eingeräumt wird, der sich selbst als Christ bezeichnet. Wir leben in den Tagen eines toleranten Liberalismus, wo Menschen toleriert und willkommen geheißen werden, ja ihnen gefolgt wird, die die Inspiration des Wortes Gottes, das ewige Los der Menschen, und sogar die Gottheit unseres Herrn und Erretters Jesus Christus leugnen. Welch ein schrecklicher Hohn ist es, solch eine Gleichgültigkeit mit der heiligen Bezeichnung „Liebe“ zu betiteln. Ist es Liebe, Christus zu verachten, Ihn zu entehren und Ihm ungehorsam zu sein?
Vielen mögen die zuletzt genannten Dinge so krass erscheinen, dass es nicht nötig sei, sie zu erwähnen. Erinnern wir uns aber daran, dass dieselben Prinzipien unter einem sehr gefälligen Äußeren schlummern können. Die Sünde des Ungehorsams, die Wurzel aller Sünde, hat viele Erscheinungsformen. Der einzig sichere Weg besteht darin, dem „zuverlässigen Wort“ anzuhängen (Tit 1,9). In diesem Zusammenhang muss man sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass nichts gestattet werden darf (unter welchem Vorwand auch immer), was das Zeugnis untergräbt, das Gott sehen möchte.
Wie viel Raum zur Ausübung der Liebe besteht jedoch innerhalb dieser Grenzen, damit alle „wohl zusammengefügt“ sind. Die Unordentlichen müssen zurechtgewiesen, die Kleinmütigen getröstet werden und der Schwachen muss sich angenommen werden (1. Thes 5,14). Was für eine Ehre ist es doch, ein „Eckbrett“ zu sein – nicht mit dem Ziel einen breiten Raum auszufüllen, sondern genau den Platz, wo Gott uns haben möchte, um die Gelegenheit zu schaffen, dass der „Ring“ der göttlichen Liebe und Wahrheit von uns aus zu beiden Seite hin unsere Brüder umfasst.
Noch eine Bemerkung zu den Füßen. Insgesamt gab es 100 dieser Füße von je einem Talent, d.h. 10 x 10 (2. Mo 38,27), hergestellt aus dem Lösegeld von 10 Gera pro Person. Das Wort für „Talent“ ist „kikkar“, d.h. Kreis oder Kugel. Vielleicht stammt die Bezeichnung daher, weil eine vollständige oder abgerundete Summe angedeutet werden sollte. Wir sehen in 2. Mose 38,25–26, dass es 3.000 Sekeln, bzw. 6.000 Beka entsprach. Die Zehnerfaktoren fallen hier ins Auge und betonen die grundlegende Wahrheit der Verantwortlichkeit, in der wir völlig versagt haben, welcher unser Herr aber am Kreuz voll und ganz entsprochen und Gott dadurch verherrlicht hat. Indem der Gläubige sicher auf dieser Grundlage ruht, sieht er dem ewigen Tag mit Freude und Lob entgegen und lernt in der Zwischenzeit, obwohl er durch diese Wüste wandert, in gewissem Maß eine Antwort auf die Gnade zu geben, die ihn errettet hat und der Verantwortung zu entsprechen, die er vorher vernachlässigt hat.
Fußnoten
- 1 Ein Sekel entspricht ca. 12 g, bzw. 62 Cent im Jahr 1914 [in dem der Kommentar herausgegeben wurde, Anmerkung des Übersetzers]. Einen halben Sekel musste jeder gleichermaßen bezahlen. Gott sieht die Person nicht an (Apg 10,34) und bezüglich der Erlösung stehen alle Menschen auf der gleichen Stufe vor Gott. Die Reichen mochten den Preis nur als eine Kleinigkeit betrachten, aber er durfte nicht vernachlässigt werden. Andererseits war keiner so arm, dass es ihm unmöglich war, ihn zu zahlen. Der wesentliche Gedanke besteht darin, dass der Preis der Erlösung leistbar war und somit niemandem eine Entschuldigung ließ. Dieser halbe Sekel wird auch als „Beka“ bezeichnet (2. Mo 38,26), was wörtlich übersetzt „Spaltung“ oder „Hälfte“ bedeutet. Es scheint eine Münze oder Gewichtseinheit gewesen zu sein und wurde deshalb in der gleichen Weise verwendet, wie die Amerikaner von einem „Quarter“ sprechen, d.h. einer Münze im Wert von fünfundzwanzig Cent. Das Gewicht des goldenen Ohr-, bzw. Nasenrings, den der Knecht Abrahams Rebekka gab, betrug ein „Beka“ (1. Mo 24,22; Anmerkung des Übersetzers: Wörtlich steht hier in der englischen Bibel „ein Beka eines Sekels“). Das Verb bedeutet spalten, bzw. teilen, und wird in Psalm 78,15 verwendet: „Er spaltete Felsen in der Wüste“ – eine deutliche Erinnerung an den Felsen, der für uns gespalten wurde.
- 2 Das Wort für „Stehen“ kommt sowohl im Alten als auch im Neuen Testament häufig vor. Seine Bedeutung ist offensichtlich: „aufrecht stehen“, oder auch „bleiben“. Es wird verwendet, um die Haltung einer Person zu beschreiben, die Zugang zu Gott hat, vor Ihm steht (1. Mo 19,27; 1. Sam 6,20; Lk 1,19; etc.). Es wird auch benutzt, um Standhaftigkeit vor dem Feind auszudrücken (Jos 23,9). Das Wort vermittelt ebenso Beständigkeit und Dauerhaftigkeit (Ps 119,89.91; Spr 19,21). Im Neuen Testament bedeutet das Wort auch ein Stehen vor Gott, bzw. die Aufrechterhaltung einer bleibenden christlichen Stellung. Es passt deshalb gut, dass gerade von den Brettern gesagt wird, dass sie standen. „Er wird aber aufrecht gehalten werden, denn der Herr vermag ihn aufrecht zu halten“ (Röm 14,4).
- 3 Das Wort „halb“ geht auf eine Wurzel zurück, die die Bedeutung „schneiden“, bzw. „entzweischneiden“ hat. Es wird im Alten Testament relativ häufig benutzt. Dies sind die charakteristischen Verbindungen: 1. Als zusätzliches Maß, wie in den Abmessungen der Bretter etc. (vgl. 2. Mo 25,10, etc.). 2. Als eine Verkürzung der Zeit oder der Zahl, wie in Psalm 102,24, „In der Mitte [der Hälfte] meiner Tage“. Das Opfer wird „in der Mitte [der Hälfte] der Woche“ weggetan (Dan 9,27). 3. Als Ausdruck gleicher Teile, wie beim Blut des Bundes, von dem die Hälfte auf den Altar kam und die andere Hälfte auf das Volk gesprengt wurde (2. Mo 24,6). Ebenso schlug Salomo die Teilung des Kindes vor (1. Kön 3,25 etc.). 4. Als Andeutung eines großen Teils, „bis zur Hälfte des Königreichs“ (Est 5,3). 5. Als Andeutung eines kleinen Teils mit einem vorangestellten „nicht“ wie bei der Königin von Scheba (1. Kön 10,7). 6. Möglicherweise als Andeutung davon, dass noch mehr folgen soll (4. Mo 15,9; etc.). Einige dieser Deutungshinweise scheinen auf die Bretter anwendbar zu sein. Der Breite von einer Elle wird die Hälfte hinzugefügt, wodurch ein Charakterzug der Stellung ausgedrückt wird. Es ist mehr als nur Vergebung, sondern völlige Rechtfertigung – wie in dem Fünftel, das dem Preis für die Übertretung hinzugefügt wurde (3. Mo 5,16). Gott wurde in der Person und dem Werk unseres Herrn mehr verherrlicht als durch den bloßen Gehorsam des nicht gefallenen Menschen. So, wie die Länge bzw. Höhe von dem vollen Maß spricht, könnte die Breite (wie bei den Teppichen) die Art des Maßes andeuten. Diese Wesensart wird in unserem Herrn und seinem Volk gesehen, indem sie den Ansprüchen des Thrones Gottes gerecht werden.
- 4 20/3 = 0,66666666666... (Anmerkung des Übersetzers)
- 5 In der CSV-Edition mit „Oberteil“ übersetzt.
- 6 Im Englischen steht hier „heady“, das in 2. Timotheus 3,4 mit „verwegen“ übersetzt wurde.
- 7 Dieser Erhalt besonderer Stärke im richtigen Augenblick zeigt sich im absondernden Charakter von Stephanus‘ Zeugnis. Von Anfang der Geschichte an wurde deutlich, dass Gottes Weg mit seinem gläubigen Volk einen absondernden Charakter hat. Abraham wurde aus seinem Haus und Land herausgerufen, Joseph und Mose wurden von ihren Brüdern abgesondert – die Masse des Volkes hingegen hatte dem Heiligen Geist stets widerstanden. So war die Schar Gottes von Anfang an immer ein Überrest. Christus wurde von der Nation und ihren Führern verworfen und gekreuzigt. Mit Ihm verbundene Heilige waren offenkundig ein abgesondertes Volk. Stephanus Märtyrertum illustrierte das nochmal und bereitete sie auf die allgemeine Verfolgung vor, die sich daran anschloss. Als diese ihr Werk getan hatte, war ein Scheidepunkt eingetreten: Das historische Judentum hatte sich als grundsätzlich feindselig gegenüber dem wahren Christentum erwiesen, und ihre Wege trennten sich – ersteres hin zu seiner unvermeidlichen Zerstreuung und Auslöschung seines Namens und Ortes, letzteres vorwärts zur Erfüllung des weltumspannenden Vorsatzes der Gnade Gottes.