Vorträge über die Stiftshütte

Vortrag 10: Der Scheidevorhang und der Vorhang am Eingang des Zeltes

„Und er machte den Vorhang aus blauem und rotem Purpur und Karmesin und gezwirntem Byssus; in Kunstweberarbeit machte er ihn, mit Cherubim. Und er machte für ihn vier Säulen aus Akazienholz und überzog sie mit Gold, ihre Haken aus Gold, und er goss für sie vier Füße aus Silber.

Und er machte für den Eingang des Zeltes einen Vorhang aus blauem und rotem Purpur und Karmesin und gezwirntem Byssus, in Buntwirkerarbeit, und seine fünf Säulen und ihre Haken; und er überzog ihre Köpfe und ihre Bindestäbe mit Gold; und ihre fünf Füße waren aus Kupfer“ (2. Mo 36,35–38).

Der Reihenfolge, in der die Stiftshütte gebaut wurde, folgend kommen wir nun zum Scheidevorhang und dem Vorhang am Eingang der Stiftshütte sowie den Säulen, an denen diese Vorhänge aufgehängt waren.

Der innere Vorhang trennte die Stiftshütte in zwei Räume: Das Heilige und das Allerheiligste (2. Mo 26,33). Das Allerheiligste war deshalb so besonders heilig, weil sich in ihm die Lade mit dem Sühndeckel befand, auf dem sich Gottes Herrlichkeit offenbarte und wo Er mit Mose zusammentraf (2. Mo 25,22). Der Vorhang, der vor dem heiligsten Ort der ganzen Welt hing, war daher von besonderer Bedeutung. Er wurde aus denselben Materialien gemacht wie die zehn bunten Teppiche der Stiftshütte: Blauer Purpur, roter Purpur, Karmesin, gezwirnter Byssus, mit Cherubim. Allerdings wird hier aus einem bestimmten Grund statt des gezwirnten Byssus der blaue Purpur zuerst erwähnt. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Cherubim für die Teppiche der Stiftshütte auf einem Grund aus weißem Byssus gestickt waren, die Cherubim des Scheidevorhangs hingegen auf einem Grund aus blauem Purpur. Die jeweils verbleibenden Farben wurden dann für die Gestaltung der Cherubim verwendet.

Es gab vier Säulen aus Akazienholz, die mit Gold überzogen waren und jeweils auf einem silbernen Fuß ruhten. Sie besaßen Haken aus Gold, an denen der Vorhang1 aufgehängt wurde. Es scheint, dass der Vorhang direkt unter den goldenen Klammern (2. Mo 26,6) aufgehängt wurde, die die beiden Teppichfelder zusammenfügten (2. Mo 26,33). Dies zeigt eine enge Verbindung zwischen dem Vorhang und den Klammern, von denen wir im 4. Vortrag gesprochen haben.

Die Farben des Scheidevorhangs

Da wir in den vorherigen Kapiteln bereits ausführlich über die Materialien gesprochen haben, wollen wir uns an dieser Stelle nur kurz an die Hauptpunkte erinnern:

Blau ist die Farbe des Himmels und spricht von dem himmlischen Charakter unseres Herrn: „Der erste Mensch ist von der Erde, von Staub; der zweite Mensch vom Himmel“ (1. Kor 15,47). Schon in seinem ungefallenen Zustand war der Aufenthaltsort des Menschen die Erde – er kannte nichts anderes. Nach dem Sündenfall lautete das Urteil über den Menschen in seiner moralischen Entfernung von Gott: „Denn Staub bist du und zum Staub wirst du zurückkehren!“ (1. Mo 3,19). Im Gegensatz dazu gehörte unser Herr von Ewigkeit her zum Himmel: Er war allezeit und in vollkommener Weise im Einklang mit dem Wesen des Himmels. Die Tatsache, dass Er vom Himmel herabkam, bestätigt, dass er absolut dorthin gehört. Obwohl er als vollkommener Mensch auf dieser Erde geboren wurde, trug seine Menschheit stets den Stempel seiner himmlischen Natur und seiner himmlischen Bestimmung. Dieses Blau, das von dem himmlischen Charakter unseres Herrn Jesus spricht, wird uns um Johannesevangelium gezeigt.

Purpur ist die Farbe der Könige und spricht von dem Herrn Jesus als König Israels. Er war der wahre Sohn Davids, der auf seinem Thron sitzen sollte. Er war der Messias, der König, der mit dem „heiligen Öl“ (Ps 89,21), dem Heiligen Geist, gesalbt war. Damit war Er für den Thron bestimmt – zur Ehre Gottes und zum Segen für sein Volk. Sie haben seinen Königstitel als Aufschrift an dem Kreuz angebracht, an dem sie Ihn kreuzigten: „Es war aber geschrieben: Jesus, der Nazaräer, der König der Juden“ (Joh 19,19). „Wir haben keinen König als nur den Kaiser“ (Joh 19,15) schrien die Juden. Seitdem spüren sie, wie sie unter der Ferse des Kaisers zertreten werden. Den durch den Purpur vorgebildeten Charakter finden wir im Matthäusevangelium, dem Evangelium des Königreichs.

Karmesin spricht von einer größeren Herrlichkeit als der Purpur: Eine Herrlichkeit, die sich über die ganze Welt erstreckt, wenn alle Völker der Erde dem unterworfen sein werden, der König der Könige und Herr der Herren ist (Off 19,16). Aber die rote Farbe des Karmesin erinnert uns auch daran, dass diese weltumspannende Herrlichkeit um den Preis seines kostbaren Blutes gewonnen wurde. Jede Herrlichkeit und jeder Segen, der der Welt zuteilwerden wird, wird als Frucht seines Erlösungswerkes erkannt werden. Den Charakter des Karmesin finden wir im Markusevangelium.

Das Weiß des gezwirnten Byssus spricht von der vollkommenen Reinheit „des Menschen Christus Jesus“ (1. Tim 2,5), der Sündlosigkeit in seinem ganzen Leben, seinen Gedanken und seinem Willen. Das Auge Gottes, der Licht ist, konnte auf dem Heiligen ruhen und jeden Zug seines heiligen und vollkommenen Wesens in dem in Niedrigkeit wandelnden Sohn des Menschen wiederfinden. Das Lukasevangelium hebt dies in wunderschöner Weise hervor.

Diese vier Farben wurden in Kunstweberarbeit verarbeitet und sprechen von dem vierfachen Charakter unseres heiligen Herrn, wie er uns in den vier Evangelien offenbart wird. Dort webt sie der Heilige Geist gewissermaßen kunstvoll ineinander. Es gibt eine Schriftstelle, die jeden Zweifel bezüglich der Bedeutung des Vorhangs mit seinen Farben ausräumt: „Da wir nun, Brüder, Freimütigkeit haben zum Eintritt in das Heiligtum durch das Blut Jesu, auf dem neuen und lebendigen Weg, den er uns eingeweiht hat durch den Vorhang hin, das ist sein Fleisch“ (Heb 10,19–20). Diese Stelle macht unmissverständlich klar was der Vorhang ist: Der Vorhang ist sein Fleisch – der menschgewordene Christus wie Er hier auf der Erde im Fleisch offenbart ist.

Die vier Säulen des Vorhangs

Dieser Vorhang wurde an den goldenen Haken der vier Säulen aus Akazienholz aufgehängt, die mit Gold überzogen waren und auf silbernen Füßen standen. Wir haben bereits die Bedeutung dieser verschiedenen Materialien betrachtet: Das Gold spricht von der göttlichen Herrlichkeit und der göttlichen Natur und somit von der Gottheit unseres Herrn. Das Akazienholz hingegen spricht von seiner einzigartigen Menschheit und die silbernen Füße sprechen von Erlösung. Die Tatsache, dass diese vier Säulen auf silbernen Füßen standen, zeigt uns, dass sie (wie die Bretter) von Erlösten reden, die jetzt als in Christus gesehen werden.2

Aber wie kann das Volk Gottes so dargestellt werden, dass es in gewissem Sinn Christus in seinem Haus hochhält? Es kann nur die vollkommene Gnade sein, die sie in die Stellung eines solch unaussprechlichen und unvorstellbaren Vorrechts bringt. Doch wenn wir das Haus Gottes in seinem endgültigen Zustand, der ewigen Wohnstätte, betrachten, verheißt unser Herr da nicht: „Wer überwindet, den werde ich zu einer Säule machen in dem Tempel meines Gottes, und er wird nie mehr hinausgehen“ (Off 3,12)? Und was sonst wird die himmlische und ewige Beschäftigung der Erlösten sein, als die Vollkommenheiten ihres Herrn und Erlösers in Lob und Anbetung „hochzuhalten“?

Die Stiftshütte ist jedoch eindeutig Gottes Wohnstätte in der Wüste. So wie die Stiftshütte mit Absonderung (durch das Pilgern), Zeugnis und Verantwortung verbunden ist, wird der Gläubige in Verbindung mit der Person des Herrn gesehen, wie wir es bereits in Verbindung mit den Brettern gesehen haben: „Damit du weißt, wie man sich verhalten soll im Haus Gottes, das die Versammlung des lebendigen Gottes ist, der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit. Und anerkannt groß ist das Geheimnis der Gottseligkeit: Er, der offenbart worden ist im Fleisch, ist gerechtfertigt im Geist, gesehen von den Engeln, gepredigt unter den Nationen, geglaubt in der Welt, aufgenommen in Herrlichkeit.“ (1. Tim 3,15–16). In dieser wunderbaren Stelle finden wir zwei große Wahrheiten, die wir die Schmuckschatulle und das Juwel nennen können (wobei sich das Juwel in der Schmuckschatulle befindet). Der Apostel zeigt Timotheus in diesem Brief über die Ordnung in der Versammlung, wie er sich im Haus Gottes verhalten soll. Wie wir bereits gesehen haben, bilden die Bretter das Haus Gottes. Es sind Gläubige, die auf der Erlösung Christi ruhen und in Ihm vollkommen gemacht sind. Sie werden „mitaufgebaut zu einer Behausung Gottes im Geist“ (Eph 2,22). Das ist „die Versammlung des lebendigen Gottes“. Wir finden einen ähnlichen Gedanken bezüglich des Hauses Gottes in 1. Petrus: „Zu welchem kommend, als zu einem lebendigen Stein, von Menschen zwar verworfen, bei Gott aber auserwählt kostbar, werdet auch ihr selbst als lebendige Steine aufgebaut, ein geistliches Haus, zu einer heiligen Priesterschaft, um darzubringen geistliche Schlachtopfer, Gott wohlangenehm durch Jesus Christus“ (1. Pet 2,4–5). Obwohl sich diese Stelle primär auf den Tempel bezieht, ist der Gedanke doch ähnlich: Es gibt einen lebendigen Stein als Fundament. Auf diesen Stein werden lebendige Steine aufgebaut, um ein lebendiges Haus für den lebendigen Gott zu bilden. Nichts anderes als Leben kann dem lebendigen Gott entsprechen. Deshalb sind diejenigen, die wirklich zu Ihm gehören, wiedergeboren. Sie haben ein Leben, das aus Gott ist: Ewiges Leben, das niemals vergeht. Dies ist also das Merkmal der Versammlung des lebendigen Gottes.

Aber der nächste Ausdruck in 1. Tim 3,15 ist bemerkenswert: „Der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit“. Die Versammlung ist in der Welt gelassen, um die Wahrheit Gottes hochzuhalten, um von ihr Ausdruck zu geben. Nach seiner Auferstehung sichert der Herr seinen Jüngern zuerst den Frieden zu, indem Er ihnen seine Hände und seine Seite zeigt (Joh 20,19–20) – die Erinnerung an seinen Tod, den Beweis für sein Sühnungswerk. Das ist der Fuß aus Silber. Dann sagt Er: „Wie der Vater mich ausgesandt hat, so sende auch ich euch. Und als er dies gesagt hatte, hauchte er in sie und spricht zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Welchen irgend ihr die Sünden vergebt, denen sind sie vergeben, welchen irgend ihr sie behaltet, sind sie behalten.“ (Joh 20,21–23). Er hatte zuvor von ihnen als von seinen „Brüdern“ gesprochen und gesagt: „Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater und meinem Gott und eurem Gott“ (Joh 19,17). Das darf uns an die mit Gold überzogenen Bretter erinnern und an unsere Stellung vor Gott in dem ganzen Wert dessen, was Christus ist.

Wir sehen, wie der Herr die Jünger in eine repräsentative Position versetzt. Dass Er in sie hauchte, scheint dabei eine vorwegnehmende und symbolische Handlung gewesen zu sein. Sie deutete auf die Gabe des Heiligen Geistes hin, der zu Pfingsten gesandt wurde. In dessen Kraft sollten sie einerseits durch das Evangelium Christus vor den Menschen hochhalten und andererseits durch Zucht der Versammlung die Ordnung des Hauses Gottes verwalten.

Damit haben wir eine einfache aber schriftgemäße Bedeutung dieser Säulen, die die Stütze der Wahrheit sind: Sie sind das erlöste Volk des Herrn, das von Ihm hier zurückgelassen wurde, um diese Wahrheit hochzuhalten. Der Herr Jesus sagt allerdings auch: „Ich bin ... die Wahrheit“ (Joh 14,6). Die Versammlung ist, wie wir zuvor gesagt haben, nur die Schmuckschatulle, die das Juwel enthält, aber ohne das Juwel wertlos wäre.

Wir brauchen uns daher nicht zu wundern, wenn wir gerade in diesem Abschnitt in 1. Timotheus 3 das kostbare Juwel der Person des Herrn Jesus eingeschlossen finden, „das Geheimnis der Gottseligkeit“, bzw. der Frömmigkeit. Hier haben wir die wahre Gottseligkeit und das Geheimnis ihrer Entfaltung. Gottseligkeit ist kein Zustand in uns. Sie besteht überhaupt nicht darin das eigene Ich zu kultivieren oder sich auch nur damit zu beschäftigen. Der Geist Gottes richtet den Blick nie auf uns selbst und unseren Fortschritt, den wir machen. Das Geheimnis der Gottseligkeit ist das, was allein Gottseligkeit in den Erlösten hervorbringen kann – es ist Christus selbst. Wenn die Seele von Ihm erfüllt und eingenommen ist, wird sein Ebenbild sichtbar, und „Christus lebt in“ uns (Gal 2,20). Heiligkeit wird niemals durch Gesetzestreue, Askese oder pharisäische Beachtung von Äußerlichkeiten gesichert.

Das Geheimnis der Gottseligkeit

Schauen wir uns dieses große Geheimnis der Gottseligkeit näher an:

„Gott wurde im Fleisch offenbart“3. Hier finden wir die goldenen Haken, die Gottheit Christi, an denen der Vorhang aufgehängt war. Daran hängt tatsächlich alles. Leugnet man seine Gottheit, fällt der Vorhang, dieses wunderbare Geheimnis, zur Erde. Aber der unsichtbare Gott ist nun in diesem heiligen, himmlischen, königlichen Menschen offenbart. „Niemand hat Gott jemals gesehen; der eingeborene Sohn, der im Schoß des Vaters ist, der hat ihn kundgemacht“ (Joh 1,18). In der Krippe, in Simeons Armen, auf der Flucht nach Ägypten, in Nazareth und an den Ufern des Jordan – das ganze Leben hindurch war es Gott, offenbart im Fleisch. Das ist die große Wahrheit, die von der Versammlung hochgehalten wird. In einem gewissen Sinn steht und fällt die Versammlung noch mehr mit dieser Wahrheit als mit der Wahrheit der Rechtfertigung durch Glauben, wenngleich diese beiden Wahrheiten niemals getrennt werden können. Es ist ein wunderbares Vorrecht, den hochzuhalten, durch den allein wir gehalten werden – et teneo et teneor, „so wie ich (hoch)halte werde ich gehalten.“

„Gerechtfertigt im Geist“. Dies geschah öffentlich bei der Taufe unseres Herrn. Als Johannes der Täufer am Jordan in der Wüste von Judäa Buße predigte (Mt 3) kamen alle, die Gott fürchteten, und erkannten durch die Taufe die Wahrheit über sich selbst an: Sie waren Sünder, die den Tod und das Gericht verdienten. Unser Herr Jesus nimmt in vollkommener Gnade seinen Platz unter ihnen ein. Seine Taufe deutet die große Wahrheit seines stellvertretenden Todes für Sünder an. Johannes schreckt instinktiv davor zurück, den Heiligen mit bekennenden Sündern in Verbindung zu bringen, aber er wird durch die Worte des Herrn beruhigt: „so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen“ (Mt 3,15). Gottes Gerechtigkeit konnte in Verbindung mit einem schuldigen Volk nur durch den Tod ihres Bürgen aufrechterhalten werden. Und als der Herr aus seinem symbolischen Grab aufsteigt, öffnet sich der Himmel, und der Geist fährt wie eine Taube auf Ihn nieder und „er blieb auf ihm.“ (Joh 1,32). So wurde Er öffentlich im Geist gerechtfertigt.

Und so galt für sein ganzes Leben der Liebe und des Gehorsams: „Jesus, den von Nazareth, wie Gott ihn mit Heiligem Geist und mit Kraft gesalbt hat, der umherging, wohltuend und alle heilend, die von dem Teufel überwältigt waren“ (Apg 10,38). Das Zeugnis und die Kraft des Geistes war in jedem Wort und in jeder Tat, versiegelte und rechtfertigte alles, was der Herr tat. Daher war es auch eine furchtbare „Lästerung des Geistes“ (Mt 12,31), als diese offenkundigen Werke des Geistes dem Satan zugeschrieben wurden (Mt 12,24). Durch die Kraft des Geistes wurde Er auch von den Toten auferweckt (Röm 8,11).

„Gesehen von Engeln“. Mit welcher Freude werden die Engel ihren Dienst im Zusammenhang mit der Menschwerdung des Herrn ausgeübt haben:

  • Zacharias die Geburt des Vorläufers des Messias zu verkündigen (Lk 1,11–20)
  • Maria die wunderbare Ehre, dass sie die Mutter dessen sein sollte, der „Sohn des Höchsten“ genannt werden sollte (Lk 1,26–33)
  • Und später den Hirten auf dem Feld, dass „Christus, der Herr“ gekommen war!
  • Und wie kam dann ein Menge des himmlischen Heeres, um dieses wunderbare Geheimnis zu feiern (Lk 2,9–14): „Gott offenbart im Fleisch“.
  • Später dürfen sie Ihm nach seiner Versuchung in der Wüste dienen (Mt 4,11)
  • Einem Engel wird die hohe Ehre zuteil, den Heiland im Garten zu stärken (Lk 22,43).
  • Ein Engel wälzt den Stein von dem Grab weg (Mt 28,2).
  • Zwei Engel hatten die Ehre, im leeren Grab zu sitzen, um seine Auferstehung zu verkünden (Lk 24,4).
  • Zwei bezeugten seinen Jüngern seine Wiederkehr (Apg 1,10–11).
  • Und mit welchem Beifall müssen die himmlischen Heerscharen den „König der Herrlichkeit“ empfangen haben, als Er „zur ewigen Pforte“ (Ps 24,7–10) einzog.
  • Wenn Er im Tausendjährigen Reich wieder in den Erdkreis eingeführt wird als rechtmäßiger „Erbe aller Dinge“ (Heb 1,2), heißt es: „Und alle Engel Gottes sollen ihn anbeten.“ (Heb 1,6).

„Gepredigt unter den Nationen“. Das mächtige Evangelium der göttlichen Liebe und Gnade „über seinen Sohn Jesus Christus“ (Röm 1,3) konnte nicht auf das Judentum begrenzt bleiben. Es begann in Jerusalem, und unter der Leitung des Geistes wurde die gute Botschaft bald nach Samaria, Cäsarea, Antiochien und „bis an das Ende der Erde“ getragen (Apg 1,8). Die Verfolgung der Christen hat diese Ausbreitung nur angefacht: „Sie aber gingen aus und predigten überall“ (Mk 16,20). Selbst der Unglaube und Widerstand Israels führte also dazu, dass die frohe Botschaft bis zu den Nationen gebracht wurde.

„Geglaubt in der Welt“ führt uns zu den gesegneten und weltweiten Ergebnissen: In Scharen werden Menschen zur Buße gebracht und empfangen mit demütiger Freude die Vergebung der Sünden durch den, der gekreuzigt wurde. Wenn die Seinen von Satan angegriffen wurden – sei es, dass er Feuer und Schwert gegen die Herde Christi einsetzte, sei es, dass er als Engel des Lichts auftrat und sich einschlich, um sie zu zerstören: Stets war es so, dass Christus mit den Seinen aufrecht stand. Unglaube und Aberglaube haben an den Grundfesten der Versammlung gerüttelt, doch das Evangelium ist heute noch stets dasselbe, was es schon immer war: „Gottes Kraft zum Heil jedem Glaubenden“ (Röm 1,16). Auch wenn der Herr von den meisten Menschen abgelehnt wird, mehr und mehr von Ihm abfallen und das Ende nahe ist – Christus ist und bleibt der Gegenstand des Glaubens und der Freude seines Volkes. An Ihn wird in der Welt geglaubt.

„Aufgenommen in Herrlichkeit“. Dieser letzte Satz scheint fast etwas fehl am Platz zu sein, da er aus der chronologischen Reihenfolge herausfällt. Unser Herr wurde schließlich vor der Verkündigung des Evangeliums unter den Nationen und dem darauf folgenden Glauben an Ihn in Herrlichkeit aufgenommen. Aber der Satz folgt einer schönen moralischen Ordnung. Seine Herrlichkeit schließt alles ab, denn dort endet alles. Seine eigene Himmelfahrt und Aufnahme in Herrlichkeit ist das Unterpfand aller Triumphe der Gnade in seinem Volk, indem Er auch „viele Söhne zur Herrlichkeit brachte“ (Heb 2,10). Auch in dieser Schlussszene des Geheimnisses der Gottseligkeit sind die Erlösten mit Ihm verbunden, dem allein die Herrlichkeit ist. Wie in dem „männlichen Kind“, das in Offenbarung 12,5 entrückt wird, sehen wir Ihn als Repräsentant seines Volkes. Wer aber kann diese Herrlichkeit, in die Christus eingegangen ist, verkünden? Kein menschliches Auge hat je gesehen, kein Herz je begriffen, was Gott seinem eingeborenen Sohn gegeben hat. Die stärksten und vornehmsten Worte, die Menschenlippen formulieren könnten, und die edelsten und weisesten Gedanken der Erde würden versagen, die Herrlichkeit auszudrücken, die Er bei dem Vater hatte, bevor die Welt war (Joh 17,5). In diese Herrlichkeit ist Er nun auch als Mensch eingegangen und an ihr soll, soweit es dem Menschen möglich ist, jedes bluterkaufte Kind Gottes teilhaben (Joh 17,24). Aber seine eigene persönliche Herrlichkeit ist einzigartig und wird es auch immer und ewig sein.

Dem der hier als Sohn auf Erden
hat den Vater offenbart,
wird dann alle Ehre werden,
wie es war nach Gottes Rat.4

Geliebte Geschwister, dieses große Geheimnis der Gottseligkeit soll das erlöste Volk im Haus Gottes in der Wüste hochhalten. Mit welcher Sorgfalt und welchem Eifer sollten wir die Herrlichkeiten dieses Anbetungswürdigen bewahren. Er hat sie seinem Volk hier anvertraut. In Ihm geborgen möchten wir Ihn so hochhalten, dass jeder seine Schönheit, seinen himmlischen Charakter, seine Heiligkeit, seine königliche Würde und Herrlichkeit sieht – damit alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren (Joh 5,23).

Der Vorhang als Trennwand

Wir haben also bereits zum Teil gesehen, was durch die Säulen angedeutet wird, die den Vorhang halten. Nun wollen wir einen anderen Aspekt der Wahrheit über den Scheidevorhang betrachten. Wie schon gesagt wurde, diente er dazu, das Heiligtum vom Allerheiligsten zu trennen, in welchem sich die Gegenwart Gottes offenbarte. Durch den Vorhang konnte niemand hindurchgehen außer dem Hohepriester einmal jährlich, und auch das „nicht ohne Blut [...], wodurch der Heilige Geist dieses anzeigt, dass der Weg zum Heiligtum noch nicht offenbart ist“ (Heb 9,7–8). Der Scheidevorhang spricht also davon, dass der Zugang zu Gott versperrt ist. Das wird nicht nur dadurch deutlich, dass der Vorhang dort als Trennung hing, sondern auch durch die Cherubim, die auf ihn gestickt waren.

Als Gott Adam und Eva wegen ihrer Sünde aus dem Garten Eden hinausschickte, „ließ [Er] östlich vom Garten Eden die Cherubim lagern und die Flamme des kreisenden Schwertes, um den Weg zum Baum des Lebens zu bewahren“ (1. Mo 3,24). Darin lag sowohl Barmherzigkeit als auch Gericht. Es war Barmherzigkeit, dass der Mensch dadurch seine Schwachheit und Gebrechlichkeit erkannte und lernen konnte, seine Tage zu zählen, sodass er ein weises Herz erlange (Ps 90,12). Das ist die Last, die im „Psalm des Lebens“ zum Ausdruck kommt: Seine Tage sind wie ein Schatten (vgl. Ps 144,4), „Wir bringen unsere Jahre zu wie einen Gedanken“ (Ps 90,9). Wie kann ein so schwaches Geschöpf es versäumen, sich mit echter Reue an den Einzigen zu wenden, bei dem es Hilfe und Barmherzigkeit finden kann? Das war zumindest die offensichtliche Absicht Gottes, und das ist die Wirkung auf all diejenigen, die sich dem Urteil der Nichtigkeit über den in Sünde gefallenen Menschen beugen: „Sättige uns früh mit deiner Güte, so werden wir jubeln und uns freuen in allen unseren Tagen“ (Ps 90,14).

Aber die Barmherzigkeit gegenüber dem in Sünde gefallenen Menschen verdeckt nicht die Tatsache, dass es auch ein Gericht gibt. „Gerechtigkeit und Gericht“ sind die Grundfesten von Gottes Thron (Ps 89,14). Dies wird durch die Cherubim angedeutet, die Vollstrecker des göttlichen Gerichts, die auf dem Scheidevorhang den Weg zur Gegenwart Gottes zu versperren scheinen, wie es auch die Cherubim am Eingang des Garten Eden taten. Der gefallene, sündige Mensch, hat jedes Recht auf diese heilige Gegenwart verwirkt. Die Cherubim in Hesekiel scheinen von dieser gerichtlichen Distanz Gottes zu sprechen. Sie wird dort nochmal besonders betont, steht Er doch im Begriff, den Tempel und das Volk Israel zu verlassen. In Verbindung mit dem Thron Gottes sprechen die Cherubim vom Gericht, das den Weg in seine Gegenwart versperrt.

Aber damit niemand meint, wir würden hier widersprüchliche Gedanken äußern, wollen wir einen Moment innehalten, um diesen Gedanken bezüglich des Vorhangs mit dem zu verbinden, was wir zuvor darüber gelernt haben. Der Scheidevorhang ist der menschgewordene Christus, von dem wir mit Recht singen:

Zu Dir kamen die Elenden und Kranken,
freudig hast Du die Verlorenen gesucht5.

Wie kann also dieser Scheidevorhang die Barriere zur Gegenwart Gottes sein, wenn er doch von dem Herrn Jesus spricht, der niemals eine bedürftige Seele abgewiesen hat? Zweifellos haben wir es hier mit zwei Aspekten des Vorhangs zu tun, die jedoch nicht so weit voneinander entfernt sind, wie man vielleicht denken mag. Gott ist unendlich barmherzig und mitfühlend, jenseits unseres Verständnisses. Doch in seine heilige, verzehrende Gegenwart wagt niemand einzutreten, es sei denn, als von Gott dazu berechtigt. In gewissem Sinn haben wir es hier mit einem Paradoxon zu tun, das in der Person unseres Herrn veranschaulicht wird, aber eine höchst segensvolle Erklärung zulässt.

Wie weit der Mensch von Gott entfernt war wurde am offensichtlichsten, als Gott in der Person seines geliebten Sohnes hier auf der Erde war. Nur im Hinblick auf sein Werk der Erlösung wurde dies noch deutlicher. In dem Herrn Jesus offenbarte sich die ganze Heiligkeit, Wahrheit und Liebe – um Ihn herum war jedoch genau das Gegenteil: Eine Welt voller falscher, selbstsüchtiger Menschen. Die Gegenwart des Herrn ließ den Menschen zwangsläufig empfinden, wie weiter er von Gott entfernt war. Als der Herr den großen Fischfang bewirkte, war der erste und völlig gerechtfertigte Impuls von Petrus, zu sagen: „Geh von mir hinaus, denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr“ (Lk 5,8). Es stimmt, unser Herr beruhigte ihn und zog ihn zu sich, aber das war reine Gnade, die in Liebe handelte. Wir könnten sagen, dass dies eine Vorschattung vom Zerreißen des Vorhangs für unsere Sünden war, sodass der Sünder nahen kann.

In dem Gespräch mit Nikodemus zeigt unser Herr, dass zwei Dinge, die niemals getrennt werden können, notwendig sind, bevor ein Mensch Gott nahen kann: Das eine ist das Werk in ihm, und das andere geschieht für ihn. Das Werk in ihm ist die neue Geburt. Bevor ein Mensch das Reich Gottes sehen, geschweige denn betreten kann, muss er wiedergeboren werden (Joh 3,3.5). Da stand der Herr in ungetrübter Gemeinschaft mit seinem Vater, bezeugt durch jede seiner Taten und Worte, aber Nikodemus hatte nie den Vorhang zwischen sich und dem heiligen Gott gelüftet. Doch unser Herr bleibt hierbei nicht stehen. Er gibt immer die volle Offenbarung der Herrlichkeit und Liebe Gottes: „Der Sohn des Menschen muss erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe“ (Joh 3,14.15). So wird der Scheidevorhang zerrissen und der Weg in die Gegenwart Gottes frei.

Würden wir den Gedanken der Erlösung durch den Herrn Jesus Christus außer Acht lassen und die vier Evangelien nur als Vorstellung dessen verstehen, was von uns verlangt wird, würden wir die Lehren des Herrn Jesus und sein Vorbild nur als eine hoffnungslose Barriere zwischen unseren Seelen und Gott empfinden. Denn all das würde nur zeigen, dass wir genau gegensätzlich leben und für die Gegenwart Gottes untauglich sind. Aber durch Jesus Christus ist nicht nur Wahrheit, sondern auch Gnade geworden (Joh 1,17), ja in einer solchen göttlichen Weise beides zugleich, dass jede bedürftige Seele erkennen konnte, dass Er ein Freund und Retter der Sünder war. Wenn daher die heilige Lehre der Bergpredigt unsere Sünde zeigt, so zeigt die Reinigung des Aussätzigen am Fuß des Berges die Gnade, die dem Sünder begegnet (Mt 8,1–3). Und auf die Herrlichkeiten, die auf dem Berg der Verklärung offenbar werden, folgt die Barmherzigkeit gegenüber dem Knaben, der von einem Dämon besessen war, als unser Herr wieder von dem Berg herunterkam (Mt 17,14–18).

Wenn wir in den blauen Himmel über uns blicken, mag mancher von uns vielleicht unwillkürlich seufzen. Er scheint so weit über uns zu sein, völlig außerhalb unserer Reichweite. In derselben Weise empfinden wir, wenn wir den himmlischen Charakter des Herrn Jesus – das Blau des Vorhangs – betrachten. Wir fühlen unsere Entfernung zu Ihm. Unser weißestes Leinen wirkt neben frischgefallenem Schnee schmutzig. Wenn wir also das Beste unter den Menschen neben die vollkommene Reinheit unseres Herrn stellen, erkennen wir in der Tat, dass „alle unsere Gerechtigkeiten wie ein unflätiges Kleid“ sind (Jes 64,5).

Wen sollen wir mit Ihm vergleichen? Wähle die besten von denen, die das Purpur getragen haben: Einen David, einen Salomo, einen Hiskia oder einen Josia. Wie mickrig und unköniglich sind sie doch neben dem König, der auf der Erde nie eine Krone trug, die Dornenkrone ausgenommen. Der, dessen Palast der Ölberg oder ein einsamer Ort war, der keinen Platz hatte, „wo er das Haupt hinlege“ (Lk 9,58), dessen Reichtum in dem geringen Dienst einiger ergebener Frauen bestand (Lk 8,3), dessen Gefolge eine kleine Schar von Galiläern war. Er war arm! Aber alles um unsertwillen!

Und was das Karmesin anbelangt: Obwohl es für Ihn damals sicherlich nicht die Herrlichkeit der Welt war, so gebührte sie Ihm doch von Rechts wegen und eines Tages wird sie Ihm wirklich zuteil werden. Aber damals sprach das Karmesin eher von seinem Tod, von seinem Weg an das Kreuz. So erklärt der Vorhang, der unseren Herrn darstellt, in jeder seiner Farben, dass Er von allen Menschen der einzige war, der in der Lage war Gott, nahen zu können.

Aber was es für Ihn bedeutete, Menschen zu Gott zu bringen, wird eindrucksvoll in der Antwort unseres Herrn auf die Bitte der Griechen „Wir möchten Jesus sehen“ (Joh 12,21) veranschaulicht. Das Alte Testament hatte vorausgesagt, dass auch die Heiden kommen und sich vor Ihm niederwerfen würden. Hier war eine Gelegenheit, das Karmesin, seine Herrlichkeit, zu zeigen. Stattdessen zeigt unser Herr, dass diese Herrlichkeit durch das Kreuz kommen muss: „Die Stunde ist gekommen, dass der Sohn des Menschen verherrlicht werde. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein. Wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht“ (Joh 12,23–24). In unvergleichlicher Vollkommenheit blieb der Herr Jesus in seinem Leben einsam und allein. Wenn Er Sünder zu Gott bringen wollte, musste es durch seinen Tod geschehen, indem Er die Strafe für die Sünde trug. Deshalb sagt Er weiter: „Und ich, wenn ich von der Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen“ (Joh 12,32). Der Vorhang musste zerrissen werden – Er musste sein Leben in den Tod geben – damit der Weg in die Gegenwart Gottes freigemacht würde und der reuige Sünder hinzunahen könnte. Ohne das Kreuz hätte die Vollkommenheit des Herrn Jesus den Menschen von Gott ferngehalten. So lesen wir als er seinen Geist aufgab: „Der Vorhang des Tempels zerriss von oben bis unten“ (Mt 27,51). Jetzt fließt die ganze Liebe Gottes frei und in reichlicher Gnade zu den Menschen.

Zusammenfassung

Das also ist der Vorhang, der von den vier Säulen hochgehalten wird: Erlöste Menschen, die die kostbare Wahrheit hochhalten, das Geheimnis der Person des Sohnes Gottes, der in den Tod gegeben wurde, dessen „Fleisch“ zerrissen ist, wodurch der Weg zur Gegenwart Gottes geöffnet ist – der Weg zur Vergebung und Heiligkeit und zum Himmel.

Und wir dürfen durchaus fragen: Wozu sonst ist die Versammlung Christi da, als dafür, die Wahrheit über die Person und das Werk unseres Herrn zu verkünden? Daher kann keine Untreue gegenüber seiner Person oder seinem Werk zugelassen werden. Nehmen wir an, dass diejenigen, die sich als seine Versammlung bezeichnen, lehren würden, dass ein Fleck auf dem Weiß des Vorhangs wäre. Oder dass das Blau Ihn nicht besonders kennzeichnen würde – dass unser Herr also wie jeder andere von der Erde war, irdisch. Oder sie würden lehren, dass Er nicht der König der Könige, der Herr der Herren ist. Oder dass der Vorhang nicht zerrissen wurde, dass Er nicht durch seinen Tod den Weg in die Gegenwart Gottes freigemacht hat. In diesem Fall ist sie nicht mehr „der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit“. Sie könnte nicht als „das Haus Gottes, die Versammlung des lebendigen Gottes“ angesehen werden – ganz gleich, welchen Namen sie trägt oder welche geschichtlichen Ansprüche sie erheben mag. Ein lebendiger, auferstandener Christus bildet eine lebendige Versammlung, nur Er allein. Alles andere schafft nur jenes große Haus der Christenheit mit all seinen Gefäßen zur Unehre, von denen sich der Gläubige reinigen soll (2. Tim 2,16–21).

Dass wir in Verbindung mit den Säulen nichts von Köpfen lesen, steht im Einklang mit dem Gedanken, dass die vier Säulen für den Scheidevorhang die Erlösten andeuten, die das Zeugnis Christi hochhalten. Säulenköpfe könnten auf die „Krönung“ der Heiligen hinweisen, die allerdings für den Himmel aufbewahrt ist. Dort werden die vierundzwanzig Ältesten gekrönt (Off 4,4). Solange ihre Füße jedoch noch auf dem Wüstensand stehen, sind sie an diesem Ort der Schwachheit.

Wo Christus eingegangen ist
liegen für uns bereit
die Krone und das Königreich6

Der Vorhang am Eingang des Zeltes und seine fünf Säulen

Wir kommen als nächstes zu dem Vorhang am Eingang der Stiftshütte und seinen fünf Säulen. Wir brauchen uns dabei nicht lange aufzuhalten, da wir bereits die Bedeutung der meisten Materialien kennengelernt haben und es dieselben wie beim Scheidevorhang sind. Die beiden Vorhänge hatten jedoch ganz unterschiedliche und in gewissem Sinn gegensätzliche Funktionen. Der Scheidevorhang versperrte den Weg in die Gegenwart Gottes, während der Vorhang am Eingang dem ständigen Zutritt der Priester ins Heiligtum diente.

Die fünf Säulen waren aus Akazienholz, mit Gold überzogen, hatten goldene Haken sowie Köpfe und mit Gold überzogene Bindestäbe. Sie ruhten jedoch auf Füßen aus Kupfer und nicht aus Silber. Kupfer ist, wie wir bei der Betrachtung des Vorhofs noch genauer sehen werden, ein Sinnbild sowohl für das unveränderliche Wort Gottes als auch des unnachgiebigen Gerichts. Da die Säulen nicht auf Silber ruhen, weisen sie nicht auf Gläubige hin. Die Anzahl der Säulen, fünf, weist auf Verantwortlichkeit hin. Sie sprechen von dem, von dem auch das Akazienholz und das Gold sprechen, der allein Gott und Mensch war. Er allein hat dieser Verantwortung entsprochen, indem Er fest auf dem Boden des unwandelbaren Wort Gottes stand.

Die fünf Säulen und ihr Vorhang sind also eng miteinander verbunden. Beides weist auf die Person unseres Herrn hin. Wenn wir bei dem inneren Vorhang, dem Scheidevorhang, das Zeugnis der Versammlung über den Herrn sehen, so spricht der äußere Vorhang von seinem eigenen Zeugnis darüber, was Er ist. Der äußere Vorhang besteht aus den gleichen vier Farben, sie sind allerdings nicht wie bei dem Scheidevorhang in Form von Cherubim gestickt, da Er von außen die Menschen einlädt, hereinzukommen: Christus ist „nicht gekommen, um die Welt zu richten, sondern um die Welt zu erretten“ (Joh 12,47). „Gott war in Christus, die Welt mit sich selbst versöhnend“ (2. Kor 5,19). Doch auch wenn die Cherubim des Gerichts nicht vorhanden waren, so beruhte doch alles auf der Tatsache, dass Gott alle Dinge durch sein Wort richtet, und davon wich unser Herr nicht einen Augenblick ab. Nie schwächte Er die Wahrheit ab, um den Menschen entgegen zu kommen. Er begegnete dem Menschen in unendlicher Liebe, aber nicht auf Kosten der Wahrheit, sondern auf Kosten seiner selbst, indem Er sich selbst opferte.

So sagt Er: „Denkt nicht, dass ich gekommen sei, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen“ (Mt 5,17). Er verlieh dem, was sie gelehrt hatten, größtmöglichen Nachdruck. „Denn wahrlich, ich sage euch: Bis der Himmel und die Erde vergehen, soll nicht ein Jota oder ein Strichlein vom dem Gesetz vergehen, bis alles geschehen ist“ (Mt 5,18). Dann fährt Er fort, das Gesetz in seiner ganzen geistlichen Tragweite anzuwenden, indem Er in die Herzen der Schriftgelehrten und Pharisäer hineinschaut und ihre Schuldigkeit offenbart. Er verherrlichte das Gesetz, aber indem Er das tat, bewies Er, dass alle unter der Sünde sind. Dann ging Er in unendlicher Liebe ans Kreuz und trug die Strafe für das gebrochene Gesetz für alle, die an Ihn glauben.

Wer die Bibel aufmerksam liest, wird davon beeindruckt sein, wie der Herr während seines gesamten Lebens absolut von dem ganzen Wort Gottes abhängig war. Sogar in den Umständen seiner Geburt geschah alles, „damit erfüllt würde, was von dem Herrn geredet ist“ (Mt 1,22), und bei seinem Tod war es dasselbe. Wir würden vergeblich nach dem geringsten Zweifel seinerseits in Bezug auf die Wahrheit und die Autorität der Schrift suchen. Für Ihn ging es immer und ausschließlich um das Wort Gottes. „Die Schrift kann nicht aufgelöst werden“ (Joh 10,35). Mose schrieb von Ihm und David sagt durch den Heiligen Geist seine Herrlichkeit voraus. Wie kann der schreckliche Unglaube der Menschen, die behaupten seine Jünger zu sein, daneben bestehen? Es ist, als ob unser Herr deutlich macht, dass Er mit dem Wort Gottes steht und fällt. Dass, wenn das Wort nicht wahr wäre, Er es auch nicht wäre. Und so muss es in der Tat sein. Er, der heilig und wahrhaftig ist, hat bestätigt, dass die ganze Heilige Schrift wahr ist. Mit der Schrift entgegnete Er Satan und widerstand ihm (Lk 4,1–12). Auf die Schrift berief Er sich, wenn Er lehrte. Aus der Schrift zitierte Er ständig in all den Auseinandersetzungen mit den ungläubigen Pharisäern und anderen Menschen. Die geschichtlichen Bücher der Bibel, die Psalmen und die Propheten werden von dem Herrn Jesus als das Wort Gottes bestätigt (Lk 24,27). Die Wahrheit der Geschichte von Jona steht und fällt mit der Wahrheit seines eigenen Todes und seiner Auferstehung: Das eine zu leugnen, bedeutet, auch das andere zu leugnen (Mt 12,39–40). Die ganze Schrift wies auf Ihn selbst hin, und Er legte sie auch so aus (Lukas 24,27.44). So identifizierte sich unser Herr vollständig und vollkommen mit dem Wort Gottes.

Christus ist also „nach der Schrift“ die Tür, der einzige Weg, um Gott zu nahen: „Niemand kommt zum Vater als nur durch mich“ (Joh 14,6). Er hat Gottes Wort vollständig „groß gemacht“ (vgl. Ps 138,2) und jede Bestimmung und jede Forderung erfüllt. Das heilige Wort, das uns für immer verdammt hätte, ist für uns jetzt das Mittel der göttlichen und ewigen Liebe in Christus. Wie der Vorhang am Eingang der Stiftshütte ist der Herr Jesus die Eingangstür zu Gott und Er ermuntert jede Seele, in der Gewissheit eines göttlichen und dauerhaften Empfangs, einzutreten: „Ich bin die Tür, wenn jemand durch mich eingeht, so wird er errettet werden“ (Joh 10,9).

Wir wollen nicht versäumen, kurz auf die Köpfe der fünf Säulen am Eingang der Stiftshütte einzugehen. Sie waren aus Gold, was sich auf die wunderbare Tatsache zu beziehen scheint, dass unser Herr, nachdem Er sein herrliches Werk vollendet hat, nun mit göttlicher Herrlichkeit gekrönt ist: „Wir sehen aber Jesus [...] mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt“ (Heb 2,9). Und ist es nicht passend, dass die kupfernen Füße so mit den goldenen Köpfen verbunden werden? „Musste nicht der Christus dies leiden und in seine Herrlichkeit eingehen?“ (Lk 24,26). Wie zwischen dem Kupfer am Fuß und dem Gold am Kopf der Eingangsvorhang hing, so hängt nun zwischen den Leiden Christi und der Herrlichkeit, die bald folgen wird, das kostbare Evangelium der Gnade und der Liebe durch Ihn: „He, ihr Durstigen alle, kommt zu den Wassern! Und die ihr kein Geld habt, kommt, kauft ein und esst! Ja kommt, kauft ohne Geld und ohne Kaufpreis Wein und Milch!“ (Jes 55,1).

Fußnoten

  • 1 Das Wort für Vorhang ist „poreketh“, dessen Wortwurzel „trennen“ bedeutet. Wir finden mehrere Stellen in der Schrift, die diese charakteristische Verwendung des Vorhangs zeigen: „Der Vorhang soll euch eine Scheidung machen zwischen dem Heiligen und dem Allerheiligsten“ (2. Mo 26,33); „innerhalb des Vorhangs“ (2. Mo 26,33); „außerhalb des Vorhangs“ (2. Mo 26,35); „vor den Vorhang“ (2. Mo 40,26). Aus diesen und anderen Stellen können wir entnehmen, dass der Vorhang das Allerheiligste bildete, einen abgetrennten und verborgenen Bereich für die Lade. Der Vorhang wurde daher auch als eine Bedeckung für die Lade bezeichnet (siehe auch 4. Mo 4,5). Übrigens gehörten die Säulen und Füße zum Vorhang dazu, daher der Ausdruck „Füße des Vorhangs“ (2. Mo 38,27).
  • 2 Das Wort, das für „Säule“ benutzt wird, ist ammud und stammt von einer Wortwurzel, die „stehen“ bedeutet. Wir haben bereits die Bedeutung dieses Wortes betrachtet, als wir uns mit der Bedeutung der Bretter beschäftigt haben. Hier wird also derselbe Gedanke wiederholt und in der Bezeichnung „Säule“ unterstrichen: Der Wert der Person und des Werkes unseres Herrn Jesus ist so, dass die Seinen eine vollkommene „Stellung“ vor Gott haben – nicht nur in Bezug auf die Annahme, sondern auch in Bezug auf das Zeugnis im Haus Gottes.
  • 3 Es gibt mehrere Bibelübersetzungen (wie auch die Elberfelder CSV-Edition), die an dieser Stelle übersetzen „Er, der im Fleisch offenbart wurde“. Aber das ändert nichts an der Wahrheit, die wir hier betrachten, denn Er, der offenbart wurde, war und ist Gott, wie die Schrift klar zeigt.
  • 4 Vgl. Lied 14, Strophe 4 aus den Spiritual Songs
  • 5 Vgl. Lied 212, Strophe 5 der Spiritual Songs
  • 6 Vgl. Lied 316, Strophe 3 der Spiritual Songs
Nächstes Kapitel »« Vorheriges Kapitel